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KAPITEL 6
ОглавлениеDie Landkarte, welche Jessica auf dem Schoß ausgebreitet hatte, faltet sie zusammen. »Ist tatsächlich die bessere Idee, die Landstraße zu nutzen.« Ihr ist klar, dass die Fahrt dadurch etwas entspannender vonstatten geht.
Heiko nickt. Gut gelaunt fällt ihm auf: »Herrlich, der Fahrtwind, oder!?!« Lächelnd wendet er den Blick kurz zu seiner Frau, die nach draußen schaut und erneut die Landschaft betrachtet. »Schaut mal, ihr beiden«, spricht sie begeistert zu den Kindern, »die Berge und Wälder!«
Tim und Melanie schauen erstaunt nach draußen, und der Neunjährige erwähnt fasziniert: »Boah, sind die hoch.«
Auf beiden Seiten der Straße erstrecken sich große Wälder. Beinahe wie eine märchenhafte Gegend offenbart sich die fantastische Gebirgslandschaft. Und der wolkenlose Himmel in seinem hellen Blau tut sein übriges.
Melanie lässt ihren Kopf seitlich an die Lehne fallen, während sie aus dem Fenster sieht. Doch nur einen kleinen Augenblick später dreht sie ihren Kopf, so dass sie wieder geradeaus schaut. Sie wirkt erschöpft und tut es kund: »Mami, mir geht’s nicht gut.«
Erst Heiko, dann Melanie ansehend, fragt sie: »Musst du spucken?«
»Ich weiß nicht. Mir ist so komisch, so schwindlig«, antwortet sie leise und schwach.
Besorgt vergewissert sich Jessica: »Sollen wir lieber anhalten?«
Das siebenjährige Mädchen nickt. Sie ist blass geworden. Beim Atmen hält sie den Mund offen, um sich mehr Sauerstoff zuzuführen. Vermutlich verträgt sie die andauernde Hitzeeinwirkung nicht.
Trotz der Frischluftzufuhr aufgrund der geöffneten Fenster, wäre es ratsam, ein schattiges Plätzchen aufzusuchen. Das würde allen Familienmitgliedern gut tun, da sie sich bereits eine geraume Zeit im aufgeheizten Wohnmobil aufhalten.
Leider besitzt das ältere Fahrzeugmodell keine Klimaanlage, die Heiko eigentlich noch nachträglich integrieren lassen wollte. Um aber vorerst Kosten einzusparen, entschied er sich dagegen. Jetzt aber ärgert er sich darüber, die Investition nicht getätigt zu haben. Und nun muss es eben sein, einen Platz im Schatten anzufahren, denn einen eventuellen Kreislaufkollaps bei seiner Tochter will er verhindern.
Heiko bremst vorsichtig ab, schlägt den nächsten Waldweg ein und fährt ein Stück weiter voran, um zu einer Stelle zu gelangen, wo die Strecke etwas breiter ist. Derzeit würde nämlich kein anderes Fahrzeug an ihnen vorbeifahren können, was vorwiegend an den Ausmaßen des Wohnmobils liegt.
Aufgrund der Unebenheiten schaukelt das große Fahrzeug mehr oder weniger, was Melanies Zustand zusätzlich verschlechtert. Noch kann sie sich aber zurückhalten. Besorgt blickt Jessica zu ihr nach hinten.
Tim, der aus dem Fenster schaut und dabei mit dem Kopf hin und wieder leicht gegen die Scheibe stößt, kneift skeptisch die Augen zusammen. Streckt den Kopf höher – in der Hoffnung, besser sehen zu können.
Draußen, zwischen dem Gestrüpp und Geäst, hat er nämlich Karosserien von verschiedenen Fahrzeugen entdeckt. Eigentlich sind sie kaum auszumachen, doch Tim hat im richtigen Moment hingesehen. Den Blick anschließend nach vorn wendend, fragt er: »Papi, warum liegen dahinten Autos?«
»Wie, liegende Autos?« Der Angesprochene ist sichtlich verdutzt. »Du meinst einen Parkplatz!?« Beinahe muss er innerlich über sein eigenes Nachfragen lachen. Denn er kann sich nicht daran erinnern, im tieferen Wald jemals eine Raststätte oder ähnliches gesehen zu haben. Und mittlerweile befinden sie sich auch nicht mehr nahe der Hauptstraße; ein Stück des Waldgebietes haben sie nun schon durchfahren.
»Nein, die haben gelegen. Quer und übereinander«, erklärt der Junge.
»Hm …, da hast du dich sicher verguckt. Wir sind hier mitten im Wald, da gibt’s sicher auch keinen Schrottplatz.«
Die Antwort seines Vaters stellt ihn jedoch nicht zufrieden, weshalb der Neunjährige hinzufügt: »Die waren in Büschen. Wie zugedeckt.«
Verwundert schaut Heiko Jessica an. Diese schüttelt kaum merkbar mit dem Kopf und vermutet: »Vielleicht hat jemand illegal seine Autos dort entsorgt, um die Verschrottung nicht bezahlen zu müssen.«
Tim kann zwar nachvollziehen, was seine Mutter ihm soeben mitgeteilt hat, aber er hat das Gefühl, dass die Aussage nicht ganz zutreffend ist. Folglich presst er unzufrieden die Lippen zusammen und zieht den linken Mundwinkel hoch.
»Kommt unser Wohnmobil auch dort hin?«, erfragt Melanie mit leiser Stimme. Sie scheint der Aussage ihrer Mutter nicht ganz gefolgt zu sein, hat wohl nur Schrottplatz verstanden und ist nun der Meinung, dass Fahrzeuge aller Art hier hergebracht werden, wenn sie ausgedient haben.
Der Waldweg besteht teilweise aus steinigem Boden. Eigentlich gar nicht optimal, um hier mit einem Auto entlangzufahren. Dem Fahrer ist das bewusst, doch er vertraut darauf, dass die Reifen dem Gelände gewachsen sein müssten.
Und schon passiert es: Das rechte hintere Rad überrollt einen faustgroßen kantigen Stein. Als der Reifen jenes Mineral so gut wie passiert hat, quetscht sich deren scharfe Spitze aus dem Profil.
Jessica ist erleichtert, dass der bisher ungemütliche Weg nun an Breite gewinnt und weniger Gestein birgt. An einer schattigen Stelle bringt Heiko das Mobil endlich zum Stehen, zieht knarrend die Handbremse und schaltet die Zündung aus.
Melanie an die Hand nehmend, geht Jessica an den Wegesrand. Kaum sind sie dort angelangt, kann sich das Mädchen auch nicht mehr halten und speit die letzte, nur geringfügig verdaute Mahlzeit aus. Gebeugt steht Jessica hinter ihrer Tochter, um sicherzustellen, dass sie nicht nach vorn kippt.
Heiko dagegen schaut sich um, dehnt dabei ein wenig seine Gliedmaßen. Dann greift er in die Seitentasche der Fahrzeugtür, um durstig vom entnommenen Mineralwasser zu trinken.
Tim findet es hier im Wald ganz spannend. Er rennt tobend von Baum zu Baum, von dem einen Hügel auf den anderen und entfernt sich dabei stückweise immer mehr von den anderen.