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(1) Inneres Reifen

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Die Gefangenschaft erlebte Delp als eine Zeit des inneren Wachsens, was vor allem in einer Verbindung mit der Ablegung der Profess zu sehen ist.82 Auf die Tatsache eigenen Reifens macht er in Briefen aufmerksam, indem er etwa erklärt: „Ich habe in diesen Wochen für Jahre gelernt und nachgelernt.“83 Die Welt erschien ihm nunmehr ohne Vortäuschungen: „Die Kulissen sind weg, und der Mensch steht heute unmittelbar vor den letzten Wirklichkeiten“84. Die Gefängnisschriften zeugen nicht so sehr von einer Weiterentwicklung der inzwischen ausgearbeiteten Theorien, sondern vielmehr von dem Weg, der einmal von Theorien ausgegangen war und nunmehr in die Praxis mündete – dies gerade auch in Hinsicht auf die Freiheit:

Vieles, was früher Fläche war, erhebt sich in die dritte Dimension. Die Dinge zeigen sich einfacher und doch figürlicher, kantiger. Vor allem aber ist der Herrgott so viel wirklicher geworden. Vieles, was ich früher gemeint habe zu wissen und zu glauben, das glaube und lebe ich jetzt.85

Delp schärfte seinen Blick auf die Wirklichkeit einerseits durch den Bezug auf den Glauben,86 andererseits durch die Auseinandersetzung mit dem System des Nationalsozialismus. Nach der Prozessfarce stellte er fest, dass der Nationalsozialismus sich als von sich selbst berauschte Macht und Herrlichkeit nun voll offenbare.87 Eine Beschreibung der nationalsozialistischen Epoche nahm er jetzt ganz ungeschminkt vor:

Die Zeit ohne Erbarmen. Die Zeit der unerbittlichen Schicksale. Die Zeit der Grausamkeit und Willkür. Die Zeit der sinnlosen Tode und der wertlosen Leben … Nie wieder sollen die Menschen sich so über ihre Möglichkeiten täuschen und sich solches tun.88

Der am 9. und 10. Januar 1945 vor dem Volksgerichtshof stattfindende „Prozess“ war für Delp der letzte und zugleich größte Zusammenstoß jener zwei so verschiedenen Kräfte, die jedoch eine gemeinsame Eigenschaft haben, wie Moltke in Abwandlung eines Wortes des Präsidenten des Volksgerichtshofs Freisler sagt: sowohl das Christentum als auch der Nationalsozialismus, „fordern den ganzen Menschen“89. Der sorgfältig auf seine Verteidigung vorbereitete Jesuit musste konstatieren, dass jede objektive Diskussion ausgeschlossen war:

Der Prozeß war eine große Farce. Sachlich wurden die Hauptanklagen: Beziehung zum 20. 7. und Stauffenberg gar nicht erhoben … Es war eine große Beschimpfung der Kirche und des Ordens. Ein Jesuit ist und bleibt eben ein Schuft. Das alles war Rache für den abwesenden Rösch und den Nicht-Austritt.90

Diese Tage erlebte Delp in der inneren Ruhe, obwohl er keinen Ausweg aus seiner Situation sah. Er notierte: Gott will „den absoluten Sprung von mir weg in ihn hinein“91. Er akzeptierte und verstand es als eine neue Etappe seines Wachsens:

Denn jetzt bin ich ja erst Mensch geworden, innerlich frei und viel echter und wahrhafter, wirklicher als früher. Jetzt erst hat das Auge den plastischen Blick für alle Dimensionen und die Gesundheit für alle Perspektiven.92

Vielmals wiederholte er, das Leben habe ein gutes Thema bekommen.93 Er fühlte sich zur inneren Freiheit erzogen, deshalb antwortete er dem nach seiner Tätigkeit fragenden Freisler: „Ich kann predigen, so viel ich will, und Menschen geschickt oder ungeschickt behandeln und wiederaufrichten, solange ich will.“94

Freiheit als Hingabe an Gott

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