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Kapitel 3

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Mit noch feuchten Haaren schlüpfe ich in ein paar Jeans und ein bequemes rosa Langarmshirt. Gerade als ich die Knöpfe an der Hose schließe, läutet es an der Tür. Etwas genervt, weil ich schon spät dran bin, sehe ich durch den Spion. Das hat mir Mom beigebracht, als ich noch klein war. Niemals die Tür öffnen, wenn man nicht weiß, wer draußen steht. Obwohl mir das Ganze etwas absurd erscheint, wenn man bedenkt, welchen Job ich habe, mache ich es doch ganz vorbildlich.

Als ich die dunkelbraunen, kinnlangen Haare mit Pony meiner besten Freundin erkenne und sie mich durchs Guckloch mit einer Grimasse begrüßt, entferne ich die Sicherheitskette.

»Was machst du denn hier? Ich dachte, wir würden uns im Diner treffen.« Wir umarmen uns, ehe ich ins Bad zurückgehe, um mich fertig zu machen.

»Da ich mir fast sicher war, dass du nicht rechtzeitig da sein würdest, dachte ich mir, ich könnte auch bei dir warten, statt alleine in einem Restaurant und dabei von allen angegafft zu werden, weil man ohne Begleitung dasitzt. Und siehe da, ich hatte recht.« Sie zupft an meinem Haar. »Die sind ja noch ganz feucht.«

»Wie war dein Tag?«, frage ich, ohne auf ihre Neckereien einzugehen.

Emily lehnt sich mit dem Hintern an den Waschtisch und stützt die Hände darauf. »Ganz in Ordnung.«

Ich höre auf meine Haare zu kämmen und blicke zu meiner Freundin. Etwas in ihrer Stimme lässt mich aufhorchen. »Das klingt nicht gerade begeistert. Lässt dich Matthew immer noch nicht in Ruhe?«

Emily winkt lässig ab, doch ihre grünen Augen sagen etwas anderes.

»Das ist der eigentliche Grund, warum du jetzt hier bist, stimmt’s?«

Ihre Mundwinkel wölben sich ein klein wenig. »Schon unglaublich, wie gut wir uns kennen, nicht?«

Emily und ich sind seit der Grundschule engste Freundinnen. Ich war etwas die Lautere, sie die Scheue. Doch wir verstanden uns auf Anhieb. Haben uns alles erzählt, nie etwas voreinander verheimlicht. Manchmal brauchte es nur einen Blick oder eine Stimmlage und wir wussten, wie es dem anderen geht. So auch jetzt.

»Was hat er getan?«

»Eigentlich nichts«, seufzt sie. »Er hat nur einen großen Blumenstrauß mit meinen Lieblingsblumen vor die Tür gestellt.«

Ihre Mimik gefällt mir nicht. Sie liebt Matthew immer noch. Kein Wunder schließlich waren sie acht Jahre ein Paar. Das Traumpaar von Little Pearl. Sie hatten schon genaue Zukunftspläne. Doch dann, während eines Streits, schlug er ihr mehrmals mitten ins Gesicht.

Mich schüttelt es, wenn ich bloß daran denke. Wie kann man einem Menschen, den man angeblich über alles liebt, nur so etwas antun? Diese Frage stelle ich mir immer wieder, ohne auf eine Antwort zu kommen.

Ich habe Emilys geschwollene Wange und das blaue Auge gesehen, was vollkommen ausreicht, um sie vor ihrem Ex beschützen zu wollen. Und leider auch vor sich selbst, wie sich in diesem Moment wieder zeigt.

Sie sieht mich nicht an und ihre Stimme ist ziemlich leise. »Es ist doch nur einmal passiert.«

»Einmal zu viel.« Es macht mich traurig, dass sie immer noch versucht, Matthews Handgreiflichkeiten schönzureden.

Ohne ein weiteres Wort gehe ich in die Küche, nehme mein Handy vom Tisch, scrolle durch die Galerie und kehre ins Bad zurück, wo Emily immer noch ans Waschbecken gelehnt dasteht.

Sie weiß ganz genau, was jetzt kommt. Ich erkenne es an ihren glänzenden Augen. Meine Methode, ihr ins Gedächtnis zu rufen, was Matthew mit ihr gemacht hat, ist vielleicht etwas brutal, aber sehr erfolgreich.

Ich drehe mein Smartphone um, das ich an meine Brust gedrückt hatte und zeige ihr das Foto, das ich damals aus einem Impuls heraus, geschossen habe. »Siehst du dich?«

Emily nickt, mittlerweile rollen ihr Tränen über die Wangen.

Ich ziehe sie in eine feste Umarmung, muss mich beherrschen, nicht ebenfalls zu weinen. »Du wirst einen Besseren finden. Einen der sich nicht an dir vergreift. Der dich schätz und liebt, wie du es verdient hast«, flüstere ich ihr ins Ohr und fahre ihr sanft über die Haare.

»Du bist die tollste Freundin, die man sich wünschen kann, weißt du das?«, murmelt sie irgendwann in mein Shirt, ehe sie sich aus meinen Armen löst.

Ich lächle sie an, ziehe ein Taschentuch aus der Kleenex-Box, die auf dem Waschbecken steht und reiche es ihr. »Das ist gar keine Frage«, antworte ich spöttisch.

Als Emily herzhaft lacht und mich versucht in den Oberarm zu knuffen, ich ihr jedoch gerade noch ausweichen kann, weiß ich, dass wir das große Übel für heute abwenden konnten.

»Vielleicht solltest du ein anderes Shirt anziehen«, meint sie lässig, ehe sie sich zum Spiegel über dem Waschbecken dreht und den verschmierten Mascara wegwischt.

Mein rosa Oberteil ist voll schwarzer Wimperntusche.

Emily sieht mich über den Spiegel entschuldigend an.

»Kein Ding.« Ich gehe über den Flur in mein Schlafzimmer. »Wenigstens muss ich mir die Haare nicht mehr föhnen«, rufe ich, während ich im Schrank nach einem neuen Kleidungsstück suche. Letztendlich ziehe ich meine schwarze Lieblingsbluse an. »Wollen wir? Ich habe einen Mordshunger.« Emily wirft eben das gebrauchte Taschentuch weg, als ich wieder zu ihr gehe und den letzten Knopf zumache.

»Meiner knurrt auch schon.« Wie zur Unterstreichung legt sie ihre Hände auf den Bauch.

Das Hometown Diner ist höchstens zehn Gehminuten von meinem Haus entfernt, weshalb wir uns entschließen zu Fuß zu gehen. Bevor wir um die Ecke biegen, werfe ich noch einen Blick auf mein B&B. Einen Kontrollblick, wie Emily mich immer aufzieht. Alles scheint in Ordnung zu sein. Also hake mich bei meiner Freundin ein und ziehe sie die Straße entlang. Im Zentrum herrscht noch reges Treiben, als wir in die Main Street kommen. Während im Winter nur vereinzelte Touristen hierher finden, verhält es sich in den anderen Jahreszeiten genau andersrum. Von Frühling bis Herbst verdoppelt - wenn nicht gar verdreifacht - sich hier die Einwohnerzahl. Die Häuser aus rotem Backstein und viktorianischem Baustil und die überdachten Fußwege vor den Ladenfenstern ziehen jedes Jahr tausende Urlauber an. Was gut für mein Geschäft ist.

Emily betritt vor mir das Diner - es ist so etwas wie unser Stammlokal -, und ich folge ihr an einen freien Tisch. Die Einrichtung stammt aus den Fünfzigern. Sitzbänke aus roten Polstern. Graue Tische und schwarz, weiße Fliesen. Es gibt sogar noch eine alte Jukebox, die regelmäßig bedient wird.

Praktisch alle Plätze sind besetzt. Ich gönne es Dan - ein alter Freund meiner Eltern -, dass sein Restaurant auch nach Jahren noch einen so großen Erfolg bei den Touristen hat. Was bestimmt nicht allein an der Lage liegt. Er und seine Frau versprühen eine angenehme Atmosphäre, wissen, wie man die Gäste behandeln muss, damit sie wiederkommen. Das beste Beispiel dafür sind Emily und ich. Seit ich zurückdenken kann, komme ich mindestens einmal in der Woche hierher, um einen riesigen Burger zu verschlingen.

»Na ihr zwei.« Leyla, Dans Adoptivtochter steht an unserem Tisch und lächelt uns freundlich an. In der Hand hält sie schon ihren Block und Stift, obwohl sie unsere Bestellung auswendig kann. Denn wir nehmen immer dasselbe. »Ich habe mich schon gefragt, wann ihr vorbeikommt.« Sie zwinkert uns belustigt zu.

Leyla ist vier oder fünf Jahre älter als wir. So viel mir meine Eltern erzählt haben, wurde sie, nachdem ihre Mutter bei einem Autounfall ums Leben gekommen war, mit sechs Jahren von ihrem Onkel adoptiert. Ihren Vater hatte sie nie kennengelernt. Der hat sich vom Acker gemacht, als Leylas Mom noch schwanger war.

Trotz ihrer Vergangenheit sieht man sie eigentlich ständig strahlen.

»Wow, wo sind deine Haare geblieben?«, fragt Emily und sieht Leyla mit großen Augen an.

Unsere Bedienung fährt sich durch die neue Frisur. »Ich wollte mal etwas anderes ausprobieren.«

Seit ich sie kenne, hatte sie lange schwarze Haare, die ihr bis über die Mitte des Rückens reichten. Jetzt fallen sie ihr nicht mal mehr über die Schulter.

»Steht dir«, sage ich.

»Danke.« Sie macht eine kleine Verbeugung. »Also, was darf’s sein?«

»Wie immer«, antworten Emily und ich wie aus einem Mund.

»War ja klar.« Leyla verdreht amüsiert die Augen. »Kommt sofort.« Damit macht sie auf ihren hohen Absätzen kehrt.

Em und ich grinsen, als wir hören, wie Leyla unsere Namen in die Küche ruft. Anscheinend genügt das Dan, um zu wissen, was er als nächstes zubereiten muss.

Emily lässt sich in die Polster sinken und sieht mich aufmerksam an. Ihr Blick durchbohrt mich fast und ich frage mich, was sie sucht.

Sie braucht nicht mal etwas zu sagen, damit meine Wangen zu glühen beginnen.

»Raus mit der Sprache.«

»Mit was?«

»Warum deine Backen gerötet sind.«

Ich wische mit der Hand über mein Gesicht, als wäre ich schmutzig.

»Ist immer noch da«, sagt meine Freundin vergnügt. »Also?«

»Ich weiß nicht, was du meinst.« Dabei bin ich es, die nicht versteht, warum ich gerade jetzt an den Typ denken muss, der mir seit gut drei Wochen den Kopf verdreht.

Emily lehnt sich nach vorn, stützt ihre Unterarme auf den Tisch und legt den Kopf schräg. »Wer ist es?«

Ich habe niemandem verraten, dass ich bei Sawyer war und ihn für einen Auftrag angeheuert habe. Vielleicht weiß es Mr. Moore, dann aber nur, weil es ihm Dylan erzählt hat.

»Ich war bei Dylan Sawyer.« Ich knete meine Hände, weil ich auf einmal nervös bin. Em und ich haben uns geschworen, uns von Bad Boys fernzuhalten. Besonders nach dem Zwischenfall mit Matthew. Über Dylan wird nicht sehr viel Schmeichelhaftes erzählt. Obwohl die meisten Gerüchte vermutlich erfunden und erlogen sind, und ich sie nicht wirklich glaube, sind sie doch in meinem Hinterkopf. Und wenn ich an die Begegnungen mit ihm denke, ist mehr als klar, dass er kein einfacher Mensch ist.

Emily reißt die Augen auf. Ich befürchte schon, sie fallen raus, wenn sie sie nicht bald wieder kleiner macht. »Du warst bei Sawyer? Bei dem, der bei deinem Gärtner seine Werkstatt hat?«

Ich nicke mehrmals. »Genau bei dem.«

»Was hast du denn bei dem gesucht?« Sie klingt schockiert.

Wäre ich wahrscheinlich auch, wenn sie mir erzählt hätte, sie wäre bei Dylan gewesen. Nein, ich weiß, ich wäre sprachlos und hätte den Mund offen stehen, so wie Em gerade.

»Du kannst ihn wieder schließen.«

Leyla, die mit unseren Getränken zurück ist, sieht irritiert zu Emily. »Wie guckst du denn aus der Wäsche?«

Auch wenn ich es versuche, gelingt es mir nicht das Lachen zu verkneifen. Erst als ich Ems zusammengekniffenen Augen sehe, werde ich wieder mucksmäuschenstill.

»Oh, oh, ich lasse euch lieber wieder allein«, sagt Leyla rasch. »Hier dein Mountain Dew.« Sie stellt eine Flasche und ein Glas vor mich. Emily bekommt ihre Coke, dann verlässt sie unseren Tisch, nicht ohne mir vorher noch aufmunternd zuzuzwinkern.

»Du machst den anderen Angst, wenn du weiter so dreinschaust«, versuche ich Emily zu besänftigen, doch sie starrt mich weiterhin entgeistert an. »Em, bitte hör auf so eine grantige Grimasse zu ziehen. Ich war bloß bei ihm, weil ich einen antiken Schrank renovieren lassen wollte. Heute hat er ihn abgeholt.« O je, das hätte ich wohl lieber für mich behalten. Jedenfalls fürs Erste.

Denn Emilys Augenbrauen verschwinden unter ihrem Pony. »Er war bei dir?«

Ich nicke.

»Und warum hast du mir nie davon erzählt?«

»Weil es nicht wichtig ist.«

»So, so.« Sie tippt mit dem Zeigefinger auf den Tisch, dabei sieht sie mir geradewegs in die Augen. Ich winde mich unter ihrem durchdringenden Blick. »Magst du ihn?«

»Was?!«, kommt es wie aus der Pistole geschossen aus meinem Mund. »Ich habe mich genau zweimal mit ihm unterhalten. Und beide Male war er ziemlich abweisend.« Trotzdem muss ich immer wieder an ihn denken. Sehe ständig seine braunen Augen. Möchte seine tiefe Stimme hören. Verspüre den Wunsch, zu ihm zu gehen, ihn zu berühren, ihm durch seine dunklen Haare zu fahren.

Emilys leises Aufseufzen reißt mich aus meinem Kopfkino und holt mich zurück in die Gegenwart. »Anscheinend haben diese zwei Treffen gereicht, um dir den Kopf zu verdrehen. Wie man sieht, gefällt dir seine rüpelhafte Art. Hast du wirklich gedacht, du könntest mir was vormachen?«

»Nein«, gebe ich geschlagen zu, »aber ich möchte nicht, dass ich so fühle.«

»Wie fühlst du denn?«

»Er ist interessant«, antworte ich ausweichend.

»So, so, interessant.«

»Guck nicht so, als wäre es falsch, jemanden attraktiv zu finden.«

»Mach ich nicht. Ich bin nur überrascht. Und wenn hier jemand irgendwie guckt, dann du.«

»Wie denn?«

»Verliebt?«

Ich verdrehe die Augen. »Du hast sie doch nicht mehr alle.«

»Ach ja? Du bist verliebt, ich lese es in deinen Augen.«

»In meinen Augen liest du gar nichts, außer vielleicht, dass du einen Knall hast.«

»Findest du?«

»Auf jeden Fall.«

»Deine Augen leuchten, seit du seinen Namen erwähnt hast. Jetzt rück mal mit der Wahrheit raus.«

Ich schlucke, will die Worte nicht aussprechen, denn wenn sie einmal gesagt worden sind, kann ich sie nicht mehr zurücknehmen. Nur ist meine Zunge schneller als mein Verstand. »Ich glaube, ich habe mich verguckt.«

»Na endlich.« Emily sieht mich mit einem frechen Grinsen an. »Wer ist jetzt verrückt?«

»Ich.«

»Da gebe ich dir ausnahmsweise recht. Ich könnte dir eins auf die Birne geben. Vielleicht funktioniert dann dein Hirn wieder.«

»Ja, das könnte klappen.«

Emily wird plötzlich nachdenklich. »Okay, lassen wir mal die Frotzeleien. Erzähl.«

Ich betrachte mein Getränk. Das Kondenswasser an der Flasche läuft in feinen Rinnsalen langsam nach unten. »Er hat etwas an sich, das mich berührt.« Ich seufze. »Ich kann es nicht erklären. Voll behämmert, nicht wahr?«

Sie lacht, wird aber gleich wieder ernst. »Jetzt mal ehrlich, hast du vergessen, was man alles über ihn sagt?«

Selten, sehr selten werde ich auf meine Freundin wütend. Jetzt ist einer dieser wenigen Momente. »Seit wann hörst du auf Gerüchte?«

»Tu ich nicht, aber ...«

»Was aber? Ich versteh dich nicht. Wir sind doch beide keine die vorschnell beurteilen. Wir kennen ihn nicht. Also, was gibt uns das Recht, ihn in eine Schublade zu stecken, in die er wahrscheinlich gar nicht hineingehört?«, frage ich aufgebracht.

Erst als ich mich im Lokal umsehe, bemerke ich die ungewöhnliche Stille, und dass alle in unsere Richtung starren. Nach und nach nehmen sie ihre Gespräche wieder auf.

»Du brauchst dich nicht so aufzuregen, ich habe verstanden.« Emily nimmt einen weiteren Schluck von ihrer Coke. »Du hast recht, man sollte niemanden nach irgendwelchem Gerede beurteilen. Es ist nur so ...«, sie befeuchtet ihre Lippen mit der Zunge, »er macht mir irgendwie Angst.«

Ich atme laut aus und verziehe dabei mein Gesicht. »Glaub mir, mir auch. Nicht, weil ich denke, er könnte gewalttätig sein, sondern vor dem was sich hinter seiner harten Schale verbirgt.«

Emily sieht mich etwas skeptisch an. »Du meinst, er spielt nur den Bad Boy?«

»Vielleicht nicht bei allem«, gebe ich meine Zweifel zu. In Gerüchten steckt immer ein Funke Wahrheit. »Dennoch bin ich überzeugt, dass es ihm mehr darum geht, mit seiner unnahbaren Art die Leute von sich fernzuhalten. Wieso sollte Mr. Moore ihm sonst die Garage vermieten? Wieso hat er mir heute geholfen den Schrank auszuräumen, obwohl er ganz eindeutig keine Lust dazu hatte?«

Emily legt ihre Arme auf den Tisch und rutscht nach vorn, bis sie mir ziemlich nah ist. »Was haben deine Eltern gesagt, dass Dylan bei dir war? Oder Evan? Oder Kyle?«, bringt sie zwei meiner aufbrausenden Brüder ins Spiel.

Ich ziehe die Schultern hoch und lasse sie gleich wieder sinken. »Sie wissen es nicht.«

»Dass er bei dir war oder dass du ihn beauftragt hast?«

»Beides«, gebe ich zu.

»Uiuiui«, meint sie händeschüttelnd, als hätte sie sich verbrannt. »Da ist Ärger vorprogrammiert.«

»Sie brauchen es ja nicht zu erfahren. Insbesondere meine Brüder.« Ich zeige mit dem Finger auf sie. »Sei also ganz still. Wenn sie dich fragen, du weißt von nichts.« Mit einem imaginären Schlüssel verschließe ich meinen Mund. »Okay?«

Em bewegt den Kopf hin und her. »Das wird nicht klappen. Spätestens dann, wenn deine Mutter bemerkt, dass der Schrank nicht mehr an seinem Platz steht, wird alles auffliegen.«

»Das wird schon«, tue ich locker und setze ein Lächeln auf.

Emily lächelt mit, dabei zieht sie ihre Stirn kraus. »Hoffen wir’s.«

»Da kommt euer Essen.« Leyla trägt in jeder Hand einen Teller mit extragroßen Burgern und Pommes. »Für die Dame in grünweißer Tunika ein Fischburger.« Der erste Teller stellt sie vor Emily. »Und der Cheesburger mit viel Zwiebeln für die bezaubernde Dame in Schwarz.«

»Charmant wie immer«, entgegne ich schmunzelnd.

Kaum steht der Burger vor mir, merke ich, was für einen Hunger ich habe.

»Könntest du mir nochmals eine Cola bringen?« Emily streckt Leyla ihr leeres Glas hin.

»Aber sicher. Lasst es euch schmecken.«

»Danke«, brumme ich, weil ich bereits den Mund voll habe.

»Du machst dich ja über den Burger her, als wärst du auf Entzug«, zieht mich meine Busenfreundin auf.

»Lass mich essen, ich bin am Verhungern«, sage ich, ehe ich abermals in den Burger beiße. »Fantastisch«, stöhne ich.

Ihr Blick gleitet über mein Gesicht, dann verziehen sich ihre Mundwinkel zu einem frechen Grinsen.

»Was?«

»Ich glaube eher, du hast nach etwas ganz anderem Appetit? Dunkle Haare ...«

»Du ...« Ich schmeiße meine Serviette, an der etwas Käse klebt, nach ihr.

Emily duckt sich gerade noch rechtzeitig zur Seite. »Dunkle oder helle Augen?«

Ich rolle genervt die Augen, kann mir aber ein Schmunzeln nicht verkneifen.

»Da komme ich ja genau richtig. Ihr scheint es ja extrem lustig zu haben.« Pru schlüpft auf die Bank neben Emily und greift nach den Pommes. »Erzählt, was habe ich verpasst?« Sie streicht eine Strähne ihrer schwarzen Haare hinters Ohr, ehe sie abermals eine Fritte stibitzt.

»Cee hat sich verliebt.«

»Stimmt gar nicht«, sage ich, obwohl ich etwas in der Art eben noch zugegeben habe.

Emilys Augenbrauen sind nach oben gebogen. Ihr Blick heißt so viel wie: »Wem willst du jetzt noch was vormachen?«

»Wer ist es?«, möchte Pru sofort wissen.

Ich sehe zu Emily. Kaum merklich schüttle ich den Kopf und bitte sie stumm, das mit Dylan für sich zu behalten.

»Sawyer«, schießt es schon aus Emily heraus.

»Mann, Em«, seufze ich.

»Was?!« Prus blaue Augen werden riesengroß. »Sawyer? Der Sawyer? Der unnahbare, geheimnisvolle Sawyer?«

»Es ist ...«, setze ich an.

»Genau der«, unterbricht mich Emily und zwinkert mir zu, als sie Pru antwortet.

»Wie das?«, fragt Pru mit einer Pommes im Mund.

»Wie was?« Ich verdrücke den letzten Biss von meinem Burger.

»Wie kommt es, dass du dich in einen Kerl verliebst, der niemand an sich heranlässt? Der mit niemandem redet oder sich um andere schert? Er ist ein heißer Typ und wenn ich die Gelegenheit hätte, ich würde sofort mit ihm in die Kiste steigen. Aber vom bloßen ansehen kann man doch keine Gefühle entwickeln?«

»Ich habe ihn nicht bloß angesehen. Ich habe ihn in seiner Werkstatt aufgesucht und später hat er einen antiken Schrank bei mir im B&B abgeholt. So sind wir ins Gespräch gekommen. Außerdem bin ich nicht verliebt. Ich finde ihn vielleicht interessant, mehr nicht.« Langsam bin ich genervt. Ich möchte nicht mehr über Dylan reden.

»Du hast dich verguckt.«

Oh, ich könnte Em würgen. Ich funkle sie böse an, doch sie schnappt sich bloß ein Kartoffelstäbchen und kaut herzhaft drauf herum.

»Verliebt, verguckt, schlussendlich läuft doch beides aufs Gleiche raus.« Pru stützt die Ellbogen auf den Tisch und lässt den Kopf in die Hände fallen. »Und, wie ist er so?«

Es ist kein Geheimnis für mich, wie angetan Pru von Sawyer ist. Und ich kenne ihren Männerverschleiß. Auch geistert mir ihre vorherige Bemerkung, dass sie sofort mit Dylan ins Bett gehen würde, hätte sie die Chance dazu, im Kopf herum. Weshalb ich weniger Lust habe, ihr von ihm zu erzählen.

»Wie du vorhin angedeutet hast: Unzugänglich und verschlossen.« Wahnsinns braune Augen. Eine Stimme, die ein Kribbeln in meinem Körper verursacht. Arme so muskulös, dass ich jede Nacht davon träume von ihnen gehalten zu werden, seit ich in seiner Werkstatt war. »Er ist kein Typ, der gerne Konversation führt.«

»Und trotzdem denkst du ständig an ihn«, wirft Emily ein.

Jetzt bin ich wirklich kurz davor, ihr den Hals umzudrehen. »Lasst uns von etwas anderem reden. Hast du den Little-Pearl-Auftrag endlich an Land gezogen?« Emily strahlt, als ich mit in Ketchup getunkter Pommes zwischen den Finger zu ihr rübersehe. »Das heißt wohl ja?«

»Es war knapp, aber ja, wir haben den Job.« Emily arbeitet in einer der größten Werbeagenturen von Maryland. Sie ist eine hervorragende Marketingfachfrau und hat mir mit ihrem Wissen und ihren grandiosen Ideen schon oft bei der Reklame für das B&B geholfen. Ich bin ihr unheimlich dankbar, dass sie meine Website von Zeit zu Zeit auf Vordermann bringt. Für solche Sachen habe ich einfach keine Geduld.

»Von was quatscht ihr?«

Em sieht voller Stolz zu Pru. »Mein Team und ich planen die Werbung für das nächste Pfirsichfest.«

Jedes Jahr wird im August ein Riesenfest ausgerichtet, an dem an die tausend Touristen in unserer Kleinstadt strömen. Und jedes Mal findet unter den Agenturen ein erbitterter Wettkampf statt, wer die Werbekampagne dafür ausführen wird.

»Cool.«

Wahnsinnig begeistert hat das eben nicht geklungen. Pru wirkt eher angepisst, als dass sie sich für ihre Freundin freuen würde. Vielleicht liegt es daran, dass sie in einem Souvenirladen arbeitet, während Emily einem interessanten Beruf nachgeht und ich ein eigenes Bed and Breakfast führe. Dieses Thema sorgt immer mal wieder für Spannung.

Nur können weder Em noch ich Pru helfen. Wir haben ihr während der Highschool immer wieder zugeredet, ebenfalls aufs College zu gehen. So wie es Emily und ich geplant hatten, um später einen besseren Job zu bekommen. Oder wählen zu können und nicht jeden beliebigen Job annehmen zu müssen. Na gut, ich hatte das Glück – im Unglück -, dass ich für meine Eltern das Blue House Inn habe weiterführen können. Ich brauchte nicht nach einer Arbeitsstelle suchen, dazu ist es noch mein Traumberuf. Das war aber erst, nachdem ich mit dem College fertig war. Für mich war eine Hochschule immer schon wichtig.

Pru wollte vom College oder der Uni nichts wissen, obwohl sie die Chance dazu gehabt hätte. Lieber lebte sie in den Tag hinein. Jobbte mal da mal dort. Auch heute noch wechselt sie fast jährlich ihre Stelle. Ob sie freiwillig geht oder ob sie gehen muss, werde ich wahrscheinlich nie erfahren.

Ich habe ihr einmal angeboten, bei mir auszuhelfen, als sie gerade einen Durchhänger und keine Arbeit hatte. Es wird bei diesem einen Mal bleiben. Hundertprozentig. Denn den Augenblick, wie sie mich wie eine Furie angefaucht und mich beschuldigt hatte, ich wolle sie nur für die Drecksarbeit anstellen, werde ich nicht mehr so schnell vergessen.

»Ich bin total happy, dass ich unseren Bürgermeister von meinen Vorschlägen begeistern konnte.«

»Klar. Aber warum macht ihr Werbefuzzis so ein Ding aus dem Pfirsichfest? Was ist mit dem Badewannenrennen oder dem High-Heels-Race?«

»Die mögen für Little Pearl interessant sein, doch das Pfirsichfest geht weit über die Grenze hinaus, und deshalb viel lukrativer für uns Werbefuzzis, wie du uns so schön nennst.«

Pru grummelt irgendwas, was ich nicht verstehen kann und greift nach den Fritten.

Em verpasst Pru eins auf die Hände. »Du kannst dir selbst eine Portion bestellen. Ich habe Hunger.«

»Sei nicht so geizig.«

»Bin ich nicht, aber du hast mir schon fast die Hälfte weggefuttert.« Wenn es um ihr Essen geht, oh, da kann Emily richtig zur Bestie werden. Ständig hat sie Panik, sie könnte zu wenig bekommen. »Ruf nach Leyla.«

»Ich habe meinen Namen gehört?« Kaum hat Emily den Namen der Kellnerin ausgesprochen, steht sie neben uns.

»Was für verdammte Lauscher hast du denn?« Pru sieht mit zusammengekniffenen Augen zu Leyla.

»Ich war gerade einen Tisch hinter euch.« Es klingt, als wolle sich Leyla für ihr schnelles Auftauchen entschuldigen.

Ich rolle mit den Augen. Pru ist meine Freundin, was aber nicht bedeutet, dass ich all ihre Macken gutheiße.

»Bring mir eine Portion Pommes und ein Fanta.«

»Kommt sofort.«

Ich sehe Leyla hinterher, wie sie mit leicht verspanntem Rücken in die Küche geht.

»Was ist denn dir über die Leber gelaufen?«, frage ich Pru. »Du brauchst nicht herablassend zu sein, sie hat dir nichts getan.«

»Ich bin nicht herablassend. Leyla ist unsere Bedienung und basta.«

»Alles gut bei dir?«, erkundigt sich nun Emily, die die vergangenen Minuten stumm auf ihrem Platz gesessen hat.

Pru gibt einen genervten Seufzer von sich. »Es war ein langer Tag. Mir tun die Füße weh, und als wäre das nicht genug, nerven die Touris.«

»Aber wir sind auf sie angewiesen.« Ich denke, da kann mir niemand widersprechen.

»Ja, leider.« Pru lässt den Kopf in ihre aufgestützte Hand fallen. »Wollen wir nachher noch ins Planet? Ich muss etwas Dampf ablassen.«

Planet ist das bekannteste Pub in Little Pearl. Mindestens drei Mal die Woche spielt dort eine Band. Die meisten sind unbekannt, aber gut. Ich glaube, ich habe erst ein einziges Mal erlebt, wo ich mir am liebsten die Ohren zugehalten hätte.

»Gute Idee.« Ablenkung kann nicht schaden. Wer weiß, vielleicht habe ich ja Glück und kann einen gewissen geheimnisvollen Typ für einen Abend lang vergessen. Wenn ich enormes Glück habe, sogar ganz aus meinen Gedanken streichen.


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