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Kapitel 4

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Mann, bin ich müde. Gestern ist es richtig spät geworden. Ich muss mir ständig über die Augen reiben, während ich meinen Toyota zum Supermarkt lenke. Ich hätte wohl etwas weniger tief ins Glas schauen und mich früher ins Bett legen sollen. Es steht ein riesiges Programm auf dem Plan. Zudem müssten am Nachmittag noch neue Gäste einchecken.

Glücklicherweise habe ich die liebe Mrs. Harsen, die praktisch jeden Morgen das Frühstück für die Besucher von Blue House Inn zubereitet, und die außerdem sehr flexibel ist. Wenn ich sie brauche, ist sie zur Stelle. So konnte ich heute Morgen wenigstens eine Stunde länger schlafen.

Ich renne fast durch den Laden, schnappe mir die dringendsten Sachen. Schließlich packe ich etliche Einkaufstüten in den Kofferraum. Gerade als ich den Deckel zuschlage, erregt ein Paar, das über den Platz geht, meine Aufmerksamkeit. Er hat den Arm über ihre Schulter gelegt, sie hält ihn um die Taille fest. Ein dunkelblaues Cap verdeckt sein Gesicht, dennoch erkenne ich ihn. Es gefällt mir nicht, wie sie ihn an sich drückt, als sie bei seinem Pick-up stehen bleiben. Wie sie sich streckt, um ihn auf den Mund zu küssen.

Ich habe überhaupt kein Anrecht auf ihn. Ich kenne ihn kaum, habe erst wenige Worte mit ihm gesprochen. Trotzdem möchte ich es sein, die dort steht und die Lippen auf seine senkt.

Obwohl ich mich gestern prächtig amüsiert und obendrein einen netten Kerl kennengelernt habe, so wollte Dylan trotz allem nicht aus meinem Kopf.

Jetzt sehe ich ihn mitten auf einem Parkplatz mit einer anderen herumknutschen. Warum jetzt? Warum nicht früher? Warum nicht bevor ich bei ihm in der Werkstatt war? Dann hätte mich dieser Anblick kaltgelassen. Oder? »Ja, bestimmt.« Ich nicke mit dem Kopf. »Bestimmt wäre es mir da am Arsch vorbeigegangen.«

Gott, jetzt halte ich schon Selbstgespräche und gaffe das Paar an, das es zwischen den Autos fast miteinander treibt.

Schnell schließe ich den Deckel des Kofferraums und schlüpfe hinters Steuer. Ich werfe meine Tasche auf den Beifahrersitz und setze zurück. Als ich nochmals einen Blick zu ihnen werfe, trifft mich fast der Schlag. Er hat die Augen offen und starrt mich an, während die Zunge der Schwarzhaarigen in seinem Mund steckt.

Es kratzt, als ich einen Gang höher schalte. Mein ältester Bruder würde jetzt sagen: Schönen Gruß vom Getriebe. Meine Wangen färben sich rot, ich fühle die Wärme. Ich getraue mich nicht nochmals in seine Richtung zu schauen. Vermutlich lacht er sich über meine Fahrfähigkeit kaputt. Oder er hat mich gar nicht bemerkt und ich habe mir seinen Blick nur eingebildet. Das Zweite wäre mir momentan lieber.

Ich fahre auf die Main Street und mache mich auf den Heimweg. Auf der Strecke lege ich noch einen Zwischenstopp bei meinen Eltern ein. Es ist angenehm warm, sicherlich sitzen sie draußen auf der Veranda. Sie sind die meiste Zeit irgendwo im Freien - besonders Dad.

Ihr einstöckiges Haus ist beinahe dreimal so groß wie meins. Es verfügt über so viel Platz, dass meine kleine Schwester zwischen drei Zimmern wählen könnte, wäre nicht eins zu einem Gästezimmer und eins für Dad für seine Physiostunden und Krafttrainings umfunktioniert worden.

Das Haus, in dem ich aufgewachsen bin, haben meine Eltern vor knapp drei Jahren verkauft. Alle waren traurig darüber, aber es hätte keinen Sinn gemacht, noch länger darin wohnen zu bleiben. Das hat irgendwann jeder verstanden.

»Cee! Cee!« Meine Schwester kommt ums Haus gelaufen. Ein riesiges Grinsen auf dem Gesicht.

»Hannah!« Ich breite die Arme aus und drücke sie an mich, sobald sie bei mir ist. Ich gebe ihr einen Kuss auf den Scheitel und fahre ihr einmal über das blonde Haar. Es hat fast die gleiche Farbe wie meins. Vielleicht eine Nuance heller. »Musst du nicht in der Schule sein?«

»Mein Englischlehrer ist krank.«

»Zu deinem Glück, nehme ich an. Nun ist mir auch klar, warum du so grinst.«

»Klar doch.« Ihre braunen Augen leuchten. »Kann ich dir helfen?«, fragt sie, als ich den Kofferraum öffne.

»Du könntest diese Tüte nehmen.« Ich reiche ihr eine der vielen Einkaufstaschen. »Halte sie unten, nicht dass sie reißt.«

Mit ebenfalls einer Tasche in der Hand gehe ich neben meiner vierzehnjährigen Schwester über eine Rampe auf die Veranda zum Hintereingang.

Hannah ist ein Spätling. Es war ein ziemlicher Schock für mich und meine Brüder, als unsere Eltern uns mit dem Baby vor Augen führten, dass sie es immer noch miteinander tun. Aber das habe ich vergessen, sobald Hannah auf der Welt war. Ich habe es genossen, mit ihr auf dem Boden zu liegen oder ihr den Schoppen zu geben, als sie noch ein Baby war. Ich habe ihr ständig die Haare geflochten, das mache ich heute noch ab und zu. Sie ist ein wahrer Sonnenschein.

»Gehen wir mal wieder zusammen ins Kino? Es läuft gerade ein lustiger Trickfilm, den ich mir unbedingt ansehen möchte.«

»Klar doch. Aber willst du denn nicht mit deinen Freundinnen hin?«

Hannah schüttelt den Kopf. »Ich möchte mit meiner coolen Schwester ausgehen. Das haben wir schon lange nicht mehr gemacht.«

»Stimmt. Und wann würdest du denn gern gehen? Ich bin mir sicher, du hast dir bereits einen Tag ausgesucht.«

Sie rümpft die Nase, auf der sie ganz viele Sommersprossen hat. Dann grinst sie. »Sonntag?«

»Gebongt. Sag mir welchen Film und ich reserviere für uns.«

»Supi«, freut sich meine Schwester. Ich bin mir sicher, sie würde klatschen, würde sie nichts in den Händen halten.

Ich lache. Wir biegen um die Ecke und kommen auf die Rückseite. »Wo sind Mom und Dad?«

»Hallo, meine Kleine.« Mein Vater kommt soeben aus dem Haus gerollt. »Was machst du denn hier?«

»Hey Dad.« Ich reiche Hannah die Tüte, ehe ich mich nach vorne beuge, um Dad einen Kuss auf die Wange zu geben. Dann gehe ich vor ihm in die Knie. »Ich habe für Mom ein paar Besorgungen gemacht. Außerdem habt ihr mir gefehlt.«

»Und sehen, ob alles in Ordnung ist?«

Meine Schwester verschwindet im Hausinnern.

»Na logo.«

»Es ist alles bestens.«

»Ich sehe es.« Heute sieht Dad wirklich gut aus. Er mag sogar Witze reißen. Aber es gibt Tage, an denen er kaum ein Ton herausbringt. Es sind nicht viele, dennoch gibt es sie.

Ich lege meine Hände auf seine Beine und stütze mich darauf ab. Ich könnte ihn kneifen, er würde es nicht spüren. Vor vier Jahren war er und Evan mit dem Rennrad unterwegs, als Dad von einem Auto von der Seite erfasst wurde. Seit da hat er keine Gefühle mehr in den Beinen. Wenigstens kann er noch den Oberkörper und die Arme bewegen. Das sage ich mir fast täglich, um bei seinem Anblick nicht in Tränen auszubrechen. Er war immer so sportlich. Für ihn waren die Radtouren, sowie das morgendliche Jogging sowas wie Yoga. Er hat es gebraucht, um abzuschalten und Energie zu tanken. Jetzt kann er nur noch im Rollstuhl herumfahren.

Es wäre aber nicht mein Dad, wenn er gar keinen Sport mehr machen würde. Er hat ein ganzes Zimmer voll mit Geräten, an denen er Gewichte stemmt, um seinen Oberkörper in Form zu halten. Außerdem hat er eine Leidenschaft fürs Rollstuhlrennen entwickelt. Er macht sogar an Wettkämpfen mit.

»Kommst du gerade von deinen Übungen?«

Er hat ein Handtuch um den Hals, das ihn verrät. Zudem sind seine kurzen, schwarzen Haare, die immer mehr grau werden, leicht feucht.

Dad legt seine Hände auf meine und drückt sie leicht. »Ich muss trainieren, am Samstag habe ich in Annapolis einen Wettkampf.«

»Warum sagst du mir das erst jetzt? Ich muss doch sehen, dass ich mir dann freinehmen kann.«

»Du brauchst doch nicht jedes Mal mitkommen. Ich habe sowieso keine Chance gegen die anderen.«

»Nein?« Ich ziehe eine Augenbraue hoch. »Was war denn beim letzten Mal? Da wurdest du Fünfter.«

»Siehst du?«

»Hast du auch schon bemerkt, dass du bei jedem Rennen besser wirst?«, frage ich ihn, lächle ihn dabei mit schräggelegtem Kopf an.

Seine blauen Augen beginnen zu leuchten, trotzdem sehe ich die tiefen Spuren, die das Leben in sein Gesicht gezeichnet hat. »Ich gebe mir Mühe.«

»Würden wir etwas anderes von ihm erwarten?« Mom betritt die Veranda und zwinkert mir amüsiert zu.

»Natürlich nicht«, antworte ich. »Hey, Mom.«

Sie drückt kurz Dads Schulter, ehe sie zu mir kommt.

Ich erhebe mich und lasse mich von Mom in die Arme ziehen. Wir sind praktisch gleich groß.

»Hey, Kleines, du siehst müde aus.«

»Ich war gestern wohl ein wenig zu lange unterwegs.«

»So, so.« Mom streicht mir eine Haarsträhne hinters Ohr, dabei lächelt sie mich liebevoll an. »Danke, dass du für mich den Einkauf erledigt hast.«

»Gern geschehen. Dad hat mir soeben gesagt, dass er am Samstag einen Wettkampf hat. Wann fährt ihr los?«

»Du brauchst wirklich nicht mitkommen«, wirft Dad ein.

Mom tätschelt Dads Schulter. Ihre braunen Augen strahlen ihn voller Liebe an. »Du kennst doch unsere Tochter?« Sie wendet sich an mich. »Um sechs.«

»Gut, dann werde ich sehen, ob mir Everly aushelfen kann. Wir sehen uns also spätestens am Samstag wieder. Jetzt muss ich los. Es kommen bald neue Gäste und ich habe noch irre viel zu tun.«

»Sagst du mir, wenn du meine Hilfe brauchst?«, fragt mich Mom, während sie ihre langen dunkelblonden Haare zu einem Pferdeschwanz zurückbindet.

»Klar doch.«

Vor drei Jahren hat sie mir die Führung des Blue House Inns übergeben, weil ihr das B&B und die Sorge um Dad zu viel wurden. Doch wenn Not am Mann ist, kann ich auf sie zählen. Und ich weiß, dass mein Dad mir ebenso gerne behilflich wäre, nur es leider nicht kann, was, wie ich eben sehe, ihm immer wieder von Neuem zusetzt. Er sieht betrübt zu Boden, als ich mich abermals vor ihn kniee.

»Du wirst am Samstag unter den ersten drei sein. Das fühle ich.« Umso stärker er in den Wettkämpfen wird, umso besser kann er mit seinem Schicksal umgehen.

»Danke.« Seine Mundwinkel zucken.

Ich gebe ihm einen Kuss auf die Wange, ehe ich mich auch bei Mom verabschiede. »Bis bald.« Ich wende mich ab. Noch bevor ich um die Ecke bin, drehe ich mich nochmals um. »Sagt Hannah Bescheid, dass ich sie am Sonntag abholen komme«, rufe ich während ich rückwärtsgehe. Dann winke ich und laufe zu meinem Auto.

Ich hebe den Kopf, als ich einen tiefen Motor höre, der sich dem Haus meiner Eltern nähert. Ein schwarzer Pick-up fährt die Straße entlang. Auf meiner Höhe wendet der Fahrer seinen Kopf in meine Richtung. Ich schnappe hörbar nach Luft und mein Herz macht kleine Hüpfer, sowie sich unsere Blicke treffen. Gott, Dylan sieht so unverschämt gut aus. Freudig stelle ich fest, dass der Platz neben ihm leer ist und er alleine unterwegs sein muss. Ich lächle, doch das bemerkt er nicht, denn er ist schon an mir vorbei und ich sehe bloß noch, wie er um die nächste Kurve biegt.

Ich verdrehe die Augen und schüttle den Kopf, weil ich auf jemanden, den ich im Grunde genommen nicht kenne, wie ein verknallter Teenie reagiere. Und weil sich meine Libido nach jemandem sehnt, der mir keine große Beachtung schenkt.

Verstohlen sehe ich zum Haus meiner Eltern. Hoffentlich hat mich von ihnen niemand beobachtet, wie ich einem Bad Boy, der ständig für skandalöse Gerüchte sorgt, hinterhergegeifert habe.

Mit einer Sehnsucht in der Brust, die ich nicht beschreiben und deren Ursache ich nicht nachgehen will, fahre ich ins Bed and Breakfast, wo mich Everly Harsen bereits sehnsüchtig erwartet.

»Tut mir leid, dass ich heute so lange gebraucht habe«, begrüße ich meine gute Fee, sobald ich aus dem Auto gestiegen bin und zum Kofferraum gehe.

»Hör auf, dich jedes Mal zu entschuldigen, wenn ich für dich einspringen soll.« Sie kommt zum mir und langt ins Auto, um sich zwei Tüten zu schnappen.

Everly Harsen ist fünf Jahre jünger als meine Mom, aber manchmal denke ich, sie ist kaum älter als ich. Sie ist unheimlich jung geblieben. Fit wie ein Turnschuh. Aber wenn ich die Erlaubnis hätte, würde ich ihr mal eine andere Frisur verpassen. Ständig trägt sie ihre blondgefärbten Haare in einem Dutt und hat eine goldene Retrobrille auf der Nase, was sie wie eine Oma aussehen lässt.

»Haben die Franklins schon ausgecheckt?«

»Vor zwanzig Minuten. Sie hatten gehofft, dich nochmals zu sehen, ehe sie abreisen würden, weil sie im Herbst wiederkommen wollen. Ich habe dir in der Küche einen Zettel hinterlassen, auf dem du alle nötigen Daten findest.«

»Wow.« Das ist das beste Kompliment das man kriegen kann, wenn die Gäste zurückkommen. Ich grinse vor Freude.

Everly nickt wissend mit dem Kopf, wobei sie ebenso lächelt wie ich. »Jetzt lass uns die Tüten hineinbringen. Was hast du denn wieder alles eingekauft?«, fragt sie mit großen grünblauen Augen, als sie beladen durch den Hintereingang in die Küche geht.

Ich folge ihr - ebenfalls voll bepackt. »Das was du mir auf die Einkaufsliste geschrieben hast.«

»Ja, ja«, sagt sie mit einem Lächeln in der Stimme. Everly stellt die Sachen neben das Kochfeld auf den langen, hellen Holztresen und beginnt sie auszupacken.

»Du kannst ruhig gehen. Das schaffe ich jetzt auch allein.«

Sie rückt sich ihre Brille zurecht. »Sicher?«

»Du hast bereits genug getan. Wir sehen uns morgen.« Ich gehe zum Tisch, der gegenüber des Tresens steht und lege die Tüten ab.

»Zum Frühstück?«

»Soll das eine Anspielung sein, Mrs. Harsen?« Ich drehe mich zu ihr und kneife die Augen zusammen.

Sie hebt die Hände in die Höhe. »Nein, worauf auch?«, zieht sie mich auf.

»Ich habe verstanden. Heute werde ich nicht wieder so lange ausgehen.« Als ich ein Gähnen unterdrücken muss, korrigiere ich mich. »Heute werde ich definitiv zu Hause bleiben und früh ins Bett gehen, damit ich Morgen pünktlich bin.«

»Gut so, Mädchen.« Everly tätschelt mir lachend die Hand. »Bis morgen dann.«

»Grüß Sean von mir.«

»Mach ich.«

Nachdem meine Hilfskraft verschwunden ist, räume ich die Tüten weg und mache mich dann an die Zimmer und an die Wäsche. Als alle Räume wieder präsentabel sind und die eine Wäsche aufgehängt ist, bereite ich mir eine Schüssel Salat zu. Mit meinem Mittagessen lasse ich mich hinter dem Haus auf eine Bank sinken und genieße die Sonne auf dem Gesicht.

Ich habe kaum einen Bissen genommen, da klingelt mein Handy. Etwas verärgert, weil ich in meiner Pause gestört werde, greife ich in meine hintere Hosentasche. Da ich für meine Freunde und meine Familie einen eigenen Klingelton habe, weiß ich, dass es jemand Fremdes sein muss. Kurz überlege ich mir, ob ich es einfach weiterläuten lassen soll. Jeder hat ein Anrecht auf einen Moment Ruhe. Doch dann überkommt mich ein schlechtes Gewissen. Ich will nicht riskieren, dass ich es mir mit einem Gast verspiele. Sobald ich das Telefon in der Hand halte, drücke ich auf den grünen Knopf, ohne vorher auf das Display geguckt zu haben.

Ich lasse mein Essen stehen und gehe ins Haus, während ich den Anrufer begrüße. »Blue House Inn, Cécile am Apparat. Was kann ich für Sie tun?«

»Bin ich richtig beim B&B der Johnsons aus Little Pearl?«, fragt mich eine eher junge Frau, wie ich sie nach ihrer Stimme einschätze.

»Ja, das sind sie.«

»Mir hat Sie ein Freund empfohlen. Er war letzten Sommer bei Ihnen und hat mir seit da immer wieder von Ihrem Kaff vorgeschwärmt.«

Dass sie Little Pearl als Kaff bezeichnet, nervt mich ein wenig. Aber ich halte lieber den Mund, nicht, dass ich noch etwas sage, was ich nachher bereuen würde. Stattdessen antworte ich: »Das freut mich.«

»Er hat mich so weit gebracht, dass ich mir mal selbst ein Bild machen will. Darum habe ich Sie angerufen. Haben Sie Ende August noch ein Zimmer frei?«

»Da muss ich in meinem Kalender nachsehen. Für wie lange würden Sie denn kommen wollen?«

»Mindestens zwei Nächte. Je nachdem wie es mir gefällt, würde ich vielleicht noch ein, zwei Tage dranhängen.«

Ich blättere in meiner Agenda zum Monat August. »Ich hätte vom zwanzigstens bis zweiundzwanzigstens noch ein Zimmer frei.«

»Super, das nehme ich.«

»Sehr gern. Auf welchen Namen darf ich es reservieren?«

»Tara Anderson.«

Nachdem ich mir ihre Personalien aufgeschrieben habe, gehe ich wieder nach draußen, um endlich meinen Salat zu essen. Mein Magen knurrt laut, sobald ich mich neben die Schüssel auf die Bank setze. Ich gable mir gerade meinen dritten Bissen auf, als mein Handy abermals klingelt. Hungrig schließe ich für eine Sekunde die Augen, bevor ich nach dem Telefon lange und abnehme.

»Blue House Inn, Cécile am Apparat. Was kann ich für Sie tun?«

»Du klingst genervt.«

Beinahe lasse ich mein Smartphone fallen. Gleich wenn ich aufgelegt habe, werde ich Dylan einen Klingelton zuordnen, damit ich das nächste Mal, wenn er mich anruft auf seine Stimme gefasst bin.

»Hey, Dylan. Das bin ich vielleicht auch.«

»Dann ruf mich zurück, wenn du es nicht mehr bist.«

»Nein!« Ich schnappe nach Luft. Habe ich jetzt wirklich so verzweifelt geklungen, wie ich es glaube? Ich denke schon und laufe rot an. Bin ich froh, dass mich niemand sehen kann.

Ich will nicht, dass er schon wieder auflegt, jetzt wo ich endlich wieder den Klang seiner Stimme höre. »Warum hast du mich angerufen?«

»Warum bist du angepisst?«

Ich seufze. »Weil ich Hunger habe und ich immer wieder beim Essen unterbrochen werde.«

»Dann solltest du vielleicht das Telefon nicht abnehmen, wenn du nicht gestört werden willst.«

»Kann ich nicht. Ich habe ein B&B, schon vergessen? Also, was wolltest du?«

»Iss weiter.«

»Wie?« Verdutzt starre ich auf die umliegenden Bäume.

»Ich kann reden und du isst währenddem.«

Bei seinem Vorschlag wölben sich meine Mundwinkel. Trotzdem ... »Das ist unanständig.«

»Warum?«

»Sind wir hier in einem Fragespiel?«

»Vielleicht. Jetzt beiß endlich in dein Steak, oder was immer du zu Mittagessen hast.«

»Es ist nur Salat.«

»War ja klar.«

»Wieso?«

»Typische Frauenkost. Magst du kein Fleisch?«

»Doch, hatte nur keine Zeit mir ein richtiges Essen zuzubereiten.« Ich hebe die Gabel, an der nach wie vor Salatblätter hängen und stopfe sie mir in den Mund, auch wenn es mir etwas peinlich ist, dass mir jemand beim Essen zuhört. Aber ich hab echt Megahunger, außerdem wird der Salat langsam schlapp.

»Willst du morgen vorbeikommen und dir den Schrank ansehen?«, möchte er wissen, als ich einen weiteren Biss nehme.

»Bist du etwa schon fertig?«, frage ich überrascht, nachdem ich heruntergeschluckt habe.

»Nein, das geht noch ein paar Tage. Ich dachte, es würde dich vielleicht interessieren, wie er mittlerweile aussieht.«

Zum Glück habe ich im Moment nichts im Mund, ich hätte mich bestimmt verschluckt.

Dylan fragt mich doch tatsächlich, ob ich bei ihm vorbeikommen will. Klar, es geht nur um seine Arbeit, dennoch habe ich nie im Leben mit so etwas gerechnet. Mir erscheint er eher so, als könne er es kaum erwarten, dass die Kundschaft wieder raus aus seiner Werkstatt ist und ihn seine Arbeit tun lassen.

»Sehr gern«, antworte ich, als ich meine Stimme widergefunden habe. »Wann soll ich kommen?«

»Wann du willst.«

»Okay, dann ...« Ich nehme das Handy vom Ohr und starre auf das Display. Dylan hat schon aufgelegt. Verwirrt über den Typ schüttle ich den Kopf – aber mit einem riesigen Grinsen auf dem Gesicht. Ich ordne ihm einen persönlichen Klingelton zu, ehe ich das Telefon in meine Hosentasche zurückstecke und schließlich fertig esse.


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