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Kapitel 2

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Evan

Ich schrecke aus einem traumlosen Schlaf hoch, als der Wecker auf dem Nachttisch losschrillt. Müde reibe ich mir die Augen, dabei berühre ich das linke kaum. Obwohl ich gestern Nacht relativ früh nach Hause kam, nachdem ich einen ziemlich heißen Quickie hatte, fühle ich mich heute irgendwie antriebslos. Ich habe keine Energie. Es fühlt sich an, als fehle mir irgendwas. Nur habe ich beim besten Willen keine Ahnung was.

Ich falle zurück ins Kissen und schnauze mich an, weil ich meiner Schwester versprochen habe, mit ihr auf Autokauf zu gehen. Heute hätte ich ausschlafen und herumhängen können, denn ich muss erst am Nachmittag ins Fitnessstudio. Aber nein, weil ich ein so hilfsbereiter, lieber Bruder bin, muss ich jetzt schon raus aus den Federn.

Bevor ich mich noch länger selbst bemitleide, werfe ich die Decke zurück und gehe in die Küche, um mir ein anständiges Frühstück zu machen.

Na super, der Kaffee ist alle. Und als ich die Kühlschranktür aufmache, fällt mir wieder ein, dass ich unbedingt einkaufen gehen muss. Das kann nachher Cee für mich erledigen. Ich helfe ihr schließlich beim Autokauf, und der braucht bestimmt mehr Zeit, als schnell durch den Supermarkt zu springen.

Ich nehme alles, was der Kühlschrank hergibt und setze mich an den Tisch, röste ein paar Toastscheiben und bestreiche sie mit Butter und belege sie mit Schinken.

Nachdem ich mich satt gegessen habe, ziehe ich mich an und mache mich auf den Weg zu meiner Schwester. Ich parke vor dem Blue House Inn, dem Bed & Breakfast, das unseren Eltern gehört, und das seit Jahren von Cee geführt wird. Kurz nach Dads Unfall, hat sie es übernommen, weil es für Mom zu viel wurde, sich um das B&B und gleichzeitig um Dad zu kümmern. Cee macht es hervorragend, ihr liegt das richtig im Blut.

Meine Brüder und ich waren irre erleichtert, als sie die Aufgaben und Verantwortung des B&B bereitwillig angenommen hat, um Moms Kindheitstraum weiterzuführen.

Das Blue House Inn ist, wie es der Name schon sagt: Blau. Hellblau wie der Himmel. Die Veranda, die um das gesamte Haus führt und die Säulen, die das Dach über der Veranda halten, sind weiß. Ich nehme die Stufe auf die Veranda mit einem großen Schritt und gehe rechts herum auf die Rückseite. Wenn es so schönes Wetter ist wie heute, ist Cee meistens draußen am Wäsche aufhängen.

Hinter dem B&B gibt es eine große Grünfläche. Meine Eltern haben damals an verschiedenen Stellen ein paar Bänke aufgestellt, die zum Verweilen einladen. Am Rand des Grundstücks steht eine Baumgruppe, von wo man jetzt gerade Vögel pfeifen hört. Es ist wie ein kleiner Park.

»Hey Schwesterherz!«, rufe ich, als ich Cécile entdecke, die gerade ein Laken aus dem Wäschekorb hebt, um es an einer Leine aufzuhängen.

Wie vom Blitz getroffen, fährt sie herum, wirft dabei fast den Korb voller Laken um. Sie fasst sich erschrocken ans Herz. »Ich bring dich noch um, ich schwöre!«, faucht sie wütend und zeigt mit dem Finger auf mich. Doch als ich sie in eine herzhafte Umarmung ziehe, vergisst sie gleich wieder, was sie mir gedroht hat.

Cee kann es nicht ausstehen, wenn man sie erschrickt. Aber da ihr schon bei dem leisesten Huh das Herz in die Hose fällt, kann ich einfach nicht widerstehen, ihr ab und zu einen Schrecken einzujagen. Gemein, ich weiß, aber das ist eben echte Geschwisterliebe.

»Ich bin gleich fertig«, meint meine Schwester mit in den Nacken gelegtem Kopf, damit sie mir ins Gesicht sehen kann. Sie ist über einen Kopf kleiner als ich. »Das sieht übel aus. Hast du es gekühlt?« Cee sieht mich mit besorgtem Blick an, der, wie ich mir sicher bin, nicht nur von meinem zugeschwollenen Auge herrührt. Ihre blauen Augen, die sonst immer vor Freude leuchten, wirken heute traurig, fast leblos.

»Ich spüre es kaum mehr.«

»Okay«, sagt sie bloß und dreht sich zum Korb, um weitere Laken aufzuhängen.

Ich könnte eine Bemerkung bringen, wie zum Beispiel, dass es Dylan hundertprozentig mieser geht, doch ich halte mich zurück. Ich glaube nicht, dass ich ihr damit ein besseres Gefühl geben würde. Es tut weh, sie so erschöpft und freudlos zu sehen. Weshalb ich mir überlege, wie ich sie von ihrem Kummer ablenken kann. »Ich hatte was mit Em.«

»Was?! Nein!« Cees blonde Haare, die ihr knapp bis zur Schulter reichen, fliegen mir fast um die Ohren, als sie sich auf mich stürzt. »Sag, dass das nicht dein Ernst ist. Du nimmst mich nur auf die Schippe, stimmt’s?«

Als ich ihren entsetzten Gesichtsausdruck sehe, pruste ich los, dabei zucke ich unschuldig mit den Schultern.

Sie schüttelt lachend den Kopf und widmet sich wieder der Wäsche. »Du bist so ein Dummkopf.«

Ich sage nichts, denn ich habe gerade mein Ziel erreicht: Meine Schwester hat gelächelt. Und wenigstens für einen Moment ihren Kummer vergessen.

Emily ist Cees beste Freundin. Und obwohl sie ein heißer Feger ist, wird zwischen uns nie etwas laufen. Denn sie ist wie eine Schwester für mich. Außerdem ist Em auf etwas Festes aus, wozu ich nicht bereit bin. Ich brauche Abwechslung. Ich will keine Verpflichtungen eingehen. Ich will Spaß, so wie letzte Nacht.

Ich mache keinem Mädchen Hoffnung. Nicht wie Dylan es bei meiner Schwester getan hat, nur um sie dann zu betrügen. Und das noch mit einer guten Freundin von ihr.

Meine Gedanken schweifen in eine Richtung, die ich mir verboten habe. Ich darf nicht mehr darüber nachdenken, warum die Schultern meiner Schwester nach unten hängen, warum ihr Gesicht schon wieder einen betrübten Ausdruck angenommen hat, sonst steige ich in mein Auto und fahre mit überhöhter Geschwindigkeit zu Dylans Werkstatt, um ihn ein weiteres Mal spüren zu lassen, was ich von seinem Betrug halte.

»Drinnen hat es Kaffee, falls du noch keinen gehabt hast.«

»Oh, ja«, stöhne ich fast.

»Deiner ist wohl ausgegangen, hmmm?«, zieht mich Cee auf.

»Du kennst mich eben«, sage ich bloß und mache mich auf den Weg in die Küche.

»Ein Danke wäre auch nicht schlecht gewesen!«, höre ich sie gerade noch rufen, ehe ich ins Haus trete.

Die Küche des B&Bs ist fast so groß, wie mein Wohnzimmer und Küche zusammen. Es gibt eine riesige Arbeitsfläche, auf der auch die topmoderne Kaffeemaschine steht. Die Tasse ist noch nicht ganz voll, da kommt Cee herein.

»Machst du mir bitte auch einen?« Sie geht an mir vorbei in die rechte Ecke, wo Waschmaschine und Wäschetrockner stehen.

»Warum benutzt du eigentlich nicht den Wäschetrockner? Würde viel schneller gehen, als ständig die Wäsche draußen aufzuhängen.«

»Das ist ja mal wieder eine typische Männerfrage.«

»Eine berechtigte«, verteidige ich mich. Ich verstehe nicht viel vom Waschen, außer vielleicht, dass weiße Kleidungsstücke nicht unbedingt mit farbigen gewaschen werden sollten. Und dass man alles in den Trockner stecken kann.

»Sie duftet viel feiner, wenn sie an der frischen Luft trocknet.«

Ich hebe eine Augenbraue und rolle die Augen. »Wenn du meinst.« Ich jedenfalls mache das, was am einfachsten und schnellsten geht. Bevor ich mir die volle Kaffeetasse nehmen kann, schnappt Cee sie mir vor der Nase weg. »He, was soll das?«

»Das ist für das Danke«, sagt sie. Normalerweise würde sie jetzt schmunzeln, doch heute bleibt ihr Mund ein gerader Strich. Sie setzt sich vor ihren Laptop, der aufgeklappt auf dem Tisch steht. »Noch einmal auf den Knopf drücken, wirst du ja wohl schaffen.« Wenigstens schwingt ein wenig Ironie in ihrer Stimme mit. Andernfalls müsste ich mir ein Aufmunterungsprogramm überlegen.

»Du musst mir einen Gefallen tun«, fange ich an, als ich auch endlich einen Kaffee in den Händen halte und mich Cee gegenüber niederlasse.

Meine kleine Schwester zieht skeptisch die Augenbrauen hoch. »Und das wäre?«

»Mein Kühlschrank ist leer.«

Ich brauche gar nichts mehr anzufügen, Cee zieht bereits die richtige Schlussfolgerung. »Und du willst, dass ich für dich einkaufen gehe?«

»Jepp«, sage ich nickend und puste in meinen Kaffee.

»Nur, wenn ich ein Auto gefunden habe.«

Ich winke lässig ab. »Bei deinen Ansprüchen finden wir schnell eins.«

»He, was soll das denn wieder bedeuten?« Sie boxt mich voll gegen die Schulter, wobei ich mir fast Kaffee über die Hand schütte.

»Pass doch auf, oder soll ich mich verbrennen?«

»Sei kein Weichei. Und ich habe sehr wohl Ansprüche.«

»Allerdings. Es muss vier Räder haben. Türen wären von Vorteil, sowie ein Lenkrad. Wenn es geht um die hundert PS. Vielleicht noch ein Radio und Klimaanlage. Und es muss anspringen. Ja, Gordon hat bestimmt etwas Passendes für dich«, sage ich lachend in den Kaffee.

»Nicht jeder braucht ein solch extravagantes Auto, wie du es hast oder ... Dylan.« Sie verschluckt sich fast, als sie seinen Namen sagt und stiert auf die Tischplatte.

Ich glaube, ich habe sie genug gepiesackt, weshalb ich über den Tisch greife und meine Hand auf ihre lege. »Das wird schon wieder.«

»Ich kann nicht glauben, dass mir Pru ... Ich habe ihr nichts getan. Warum musste sie sich ausgerechnet an meinen Freund ranschmeißen? Sie weiß ganz genau, was ich für ihn fühle.« Eine Träne läuft ihr über die Wange, die sie rasch mit dem Handrücken wegwischt. »Sie ist doch meine Freundin. Wie konnte sie nur?«

»Vergiss sie, sie ist eine falsche Schlange.«

»Das sagst du schon lange. Trotzdem wollte ich es nicht glauben.« Eine weitere Träne läuft ihr übers Gesicht. Dieses Mal lässt sie sie fließen. »Wenn ich es wenigstens verstehen könnte.«

»Was dann? Würdest du den beiden verzeihen?«

Cee schüttelt traurig den Kopf. »Nein. Ich liebe Dylan. Ich weiß nicht, wie ich ihn vergessen soll. Und Pru? Wir haben schon so viel miteinander durchgemacht. Aber das was sie mir angetan haben, ist unverzeihlich. So weh es auch tut, die beiden nicht mehr zu meinem Leben zu zählen ... Ich lasse mich nicht zum Narren halten.«

Ich drücke ihre Hand. »Das ist meine Sis«, sage ich und versuche ihr ein Lächeln abzuringen.

Tatsächlich, ihre Mundwinkel zucken ein kleines bisschen.

»Wollen wir uns auf den Weg machen?«

»Je früher, desto besser. Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie froh ich bin, wenn ich wieder einen eigenen fahrbaren Untersatz habe.«

»Dann mal los.« Ich trinke meinen Kaffee aus und warte an der Hintertür. Als Cécile endlich ihre tausend Sachen in die Tasche gepackt hat, folgt sie mir zum Chevy.

Ich bin noch nicht mal auf der Straße, da macht Cee irgendein komisches Würgegeräusch. Sobald ich in ihre Richtung schaue, weiß ich auch warum. »Igitt, was ist das?«, fragt sie angeekelt. An ihrem Zeigefinger baumelt ein kleiner Slip.

Es ist mir ein wenig peinlich, dass ausgerechnet meine Schwester einen Beweis von letzter Nacht finden musste. Dennoch tue ich so, als wäre es das Normalste auf der Welt, einen gebrauchten Tanga im Fußraum zu haben. »Den hat wohl jemand vergessen.«

Manchmal ist es erschreckend, wie leichtsinnig Frauen sind. Sie wollen lediglich ihren Spaß, genau wie ich. Nur dass sie eine viel größere Gefahr eingehen als wir Männer, wenn sie mit einem Fremden in ein Auto steigen.

Wenn Cee oder Hannah das tun würden, würde ich ihnen den Hals umdrehen.

Statt mir eine Moralpredig zu halten, wirft Cee den Slip nach hinten auf den Boden. Ich atme erleichtert auf, als sie das Thema wechselt. »Hast du schon gehört, dass eine Journalistin einen Bericht über das Blue House Inn geschrieben hat und ihn im Travel and Leisure veröffentlichen wird?«

»Im Ernst?«

Cee lächelt. Es ist das erste richtige Lächeln seit Tagen.

»Wow, das ist ja fantastisch.«

»Finde ich auch. Wenigstens etwas, das in meinem Leben gut läuft.« Ihre Gesichtszüge verdüstern sich sofort wieder.

Aber ich lasse ihr gar keine Zeit, um über Dylan oder Pru nachzudenken, sondern löchere sie darüber aus, wie es dazu gekommen ist, dass in einem der bekanntesten Reiseführer der USA über das Bed & Breakfast berichtet wird.

Wenig später fahren wir vor Gordons Werkstatt, die er von seinem Vater übernommen hat. Sie liegt im Industriegebiet von Little Pearl. Es ist die einzige Autowerkstatt in dieser Gegend, weswegen schon Hans vor Jahren und jetzt auch noch Gordon anbauen mussten.

Das einst kleine weiße Haus mit einem Garagentor, ist mittlerweile einem Gebäude gewichen, das aus drei Toren und einem geräumigen Büroteil besteht. Rechts und links stehen auf geteertem Boden Gebraucht- sowie Neuwagen.

Kaum sind wir ausgestiegen kommt uns Gordon entgegen. »Hey ihr zwei.« Er gibt Cee einen Kuss auf die Wange, dann wendet er sich an mich und wir schlagen uns die Fäuste aneinander. »Krass, sieht dein Auge Scheiße aus. Siehst du damit eigentlich noch was?«, witzelt er und dreht sich zu meiner Schwester. »Hat er dir schon erzählt, wie er das hingekriegt hat?«, fragt er sie, deutet dabei auf mein geschwollenes Auge. Bevor Cee überhaupt etwas sagen kann, plaudert Gordon schon weiter. »Er ist gegen eine Hantel gelaufen. Kannst du dir das vorstellen?« Gordon kullert sich fast bei der Vorstellung, genau wie letzte Nacht. Ich würde ihn am liebsten verkloppen, aber ich habe diese dämliche Ausrede aufgetischt. Jetzt muss ich da auch durch.

Ich schiele zu meiner Schwester, die mir einen ungläubigen Seitenblick zuwirft. Wahrscheinlich ist sie überrascht, weil ich niemandem von Dylans und meinem Zusammentreffen erzählt habe. Es verwundert mich ja selbst.

Cees Mundwinkel zucken leicht. Obwohl die Geschichte über mein blaues Auge eine Lüge ist, so bringt sie der Gedanke, wie ich mit einer Hantel zusammengestoßen sein könnte, doch zum Schmunzeln.

»Okay, wenn ihr genug über mich gelacht habt, hättest du dann mal die Güte und zeigst uns deine Autos?«

»Aber sicher doch«, meint Gordon immer noch grölend. Als er sich endlich beruhigt hat, zeigt er über den Platz zu ein paar Autos. »Ich dachte mir, dass du am ehesten wieder eines haben möchtest wie dein letztes. Da vorne habe ich gleich drei dieser Art.«

Cee und ich folgen ihm, bis er vor ein paar Gebrauchtwagen stehen bleibt.

»Ich habe einen Toyota, einen Honda und einen Ford. Das wären diese hier.« Er deutet auf drei Wagen, die auf den ersten Blick wie Cees alter Toyota aussehen. Als ich kritisch die Augenbrauen zusammenziehe, sagt er an Cee gewandt: »Ich habe auch noch weitere Modelle, falls du an etwas anderem interessiert bist.«

»Nein, die passen mir ganz gut.« Sie läuft an den Autos vorbei und wirft einen ersten Blick ins Wageninnere.

Ich folge ihr. Auch wenn Gordon ein gewissenhafter Autohändler und mich oder meine Familie niemals übers Ohr hauen würde, schaue ich auf sichtbare Schäden.

»Es sind absolute Babys«, höre ich Gordon hinter mir sagen. »Die machen dir in den nächsten Jahren bestimmt keine Probleme.«

»Ich finde alle ganz schnuckelig. Der vielleicht eine Spur mehr.« Cee zeigt auf den weißen Ford.

Wie ich muss auch Gordon ein Lachen unterdrücken. Ein Auto schnuckelig nennen, kann wohl nur eine Frau. »Willst du eine Probefahrt machen?«

Cee sieht mich an. »Hast du Zeit?«

»Sicher. Aber mach doch mit allen eine kurze Fahrt, dann kannst du vergleichen«, schlage ich vor.

»Das hätte ich ebenfalls gleich angeboten. Ich hole schnell die Schlüssel, dann könnt ihr eine Runde drehen.«

Nicht mal eine Stunde später hat sich Cee für den blauen Honda entschieden. Während sie darauf wartet, bis Gordon alle Papiere vorbereitet hat, mache ich mich auf den Weg ins Fitnesscenter. Jedoch nicht, bevor ich meiner Schwester eine Einkaufsliste überreicht habe.

Tyler ist gerade mit einem Kunden an der Klimmstange, als ich das Studio betrete. Eine Kundin ist auf dem Laufband und eine auf dem Hometrainer. Von der rechten Ecke höre ich, wie Gewichte gestemmt werden. Das Fitnesscenter ist nicht sonderlich groß, vielleicht mag meine Kundschaft gerade das. Denn über fehlende Mitgliedschaften kann ich mich nicht beklagen. Das Studio ist in drei Räume unterteilt. Im ersten stehen Geräte, um sich aufzuwärmen. Sowie zwei Klimmstangen und ein paar Matten für zum Beispiel Sit-ups zu machen. Im nächsten sind die Kraftgeräte. Dann gibt es links hinten noch einen Raum, in dem Sophia Bauch-Beine-Po und andere Aerobic Workouts durchführt. Nach der Musik zu urteilen, die durch die geschlossene Tür dringt, sind sich gerade ein paar Mädels am Abschwitzen.

Wie gesagt, nicht riesig, dafür habe ich noch den Hinterhof. Dort habe ich die Möglichkeit den neusten Trend anzubieten: Seilschwingen.

Ich winke Tyler und begrüße die Frauen auf den Aufwärmgeräten, als ich an ihnen vorbei in die Umkleide gehe, um mich umzuziehen. Obwohl ich nur einen Stock weiter oben wohne, habe ich hier die meisten meiner Sportsachen deponiert. Es hat sich einfach so ergeben. Womöglich auch, weil es unter der Dusche ab und an interessant wird.

Ich weiß, man sollte nichts mit Kundinnen anfangen, aber solange beide Seiten wissen, auf was sie sich einlassen, sehe ich das nicht so streng. Nicht wie meine Schwester, die mir deshalb schon mehr als einmal in den Ohren lag.

Als ich meine schwarzen Shorts und ein grünes Tanktop mit dem Schriftzug meines Fitnesscenters übergezogen habe, gehe ich wieder in den Trainingsraum hinaus. Gleich neben dem Eingang gibt es eine Bar, die als Anmeldung dient und an der wir gleichzeitig frische Fruchtsäfte wie auch Powerriegel und solches Zeug anbieten. Ich überlege mir schon seit längerem, ob ich dafür eine neue Hilfskraft einstellen soll. Lorena kann nur noch an drei Tagen die Woche. Die restliche Zeit müssen Tyler und Logan, meine zwei Fitnesstrainer, und Sophia und ich uns darum kümmern.

Bevor ich an die Bar gehe, um mir einen O-Saft zu machen, sage ich den restlichen Kunden noch hallo. Ich kenne praktisch alle mit Namen. Mit dem einen oder anderen führe ich Small Talk.

Ich habe noch nicht mal eine Orange ausgepresst, betritt Lucy das Studio. Eine heiße Schwarzhaarige Mitte dreißig, mit einem gigantischen Vorbau, den sie heute in einen rosa Sport-BH gequetscht hat. Mit ihr habe ich die nächste Trainingsstunde. Seit einem halben Jahr bin ich jetzt ihr Personaltrainer. Zwar finde ich, dass sie die Übungen auch gut ohne mich machen könnte, doch sie besteht darauf – besonders auf die Lauftrainings im nahegelegenen Wald, die ich auf Wunsch anbiete. Soll mir recht sein, gibt extra Kohle – und Spaß für meinen Schwanz.

»Hey Süßer. Machst du mir auch einen?«, fragt sie mich mit zuckersüßer Stimme und setzt sich auf einen der Barhocker.

»Klar.« Also presse ich noch weitere Orangen aus. Dabei entgeht mir nicht, wie sie meinen Bizeps anstarrt.

»He, was ist denn da passiert?« Sie zeigt auf mein demoliertes Auge. Da ich keine Lust habe, ihr eine Erklärung abzuliefern, zucke ich bloß mit den Schultern. Wie ich sie eingeschätzt habe, genügt ihr das als Antwort. »Und, hast du dir schon überlegt, wie du mich heute foltern wirst?« Mein Blick schnellt hoch. Lucy beobachtet mich mit einem lasziven Lächeln.

Ich versuche nicht zu stark auf ihren Flirt zu reagieren und darauf zu achten, wie ihre Zunge immer wieder über ihre Lippen fährt. Es hat mir zu viele Leute im Studio. Und ich will ja professionell rüberkommen, nicht wie ein notgeiler Hengst.

»Zuerst kannst du dich entweder auf dem Laufband oder dem Hometrainer aufwärmen. Danach gehen wir an den Butterfly.« Ich schiebe ihr ein Glas Saft über die Bar. »Hier, du kannst ihn ja mitnehmen.«

»Okay«, sagt sie lächelnd, zieht am Strohhalm, der im Glas steckt, ehe sie vom Stuhl hopst. »Bis gleich.«

»Bis gleich.«

Tyler stellt sich zu mir hinter die Bar. Wie immer stehen auch heute seine schwarzen Haare wie ein Igel vom Kopf ab. »Brauchst du mich noch?«, möchte er wissen und holt sich eine Dose Isostar aus dem Kühlschrank, während ich die Reste der ausgepressten Orangen in den Müll werfe.

»Nein, ich komme schon alleine zurecht.«

»Sicher?« Er schielt zu Lucy, die sich aufs Laufband gestellt hat.

Er weiß, dass hie und da etwas zwischen uns läuft, doch sollte er auch wissen, dass für mich das Studio und die Arbeit an erster Stelle stehen. Statt ihm eine Antwort zu liefern, frage ich ihn nach seiner Schicht. »Gab es irgendwelche Vorfälle?«

Tyler schüttelt den Kopf, er ist etwas größer als ich. »Es war ziemlich ...« Plötzlich leuchten seine grünen Augen. »Scheiße, was hast du denn gemacht? Gegen eine Faust gelaufen? Vielleicht gegen eine vom Lover von deiner momentan Auserwählten?«

Ich atme genervt aus. Ich habe es satt, dauernd blöd angemacht zu werden, auch wenn ich wusste, dass es so kommen würde. »Wenn du nochmals so einen Spruch fahren lässt, bekommst du auch gleich eine geklatscht. Na, noch Fragen? Und hör auf so bescheuert zu grinsen.«

Tyler hebt beschwichtigend die Hände, kann aber nicht aufhören eine amüsierte Fresse zu ziehen. »Zurück zu deiner Frage. Es war alles ruhig. Wahrscheinlich wirst du gegen Abend ein volles Studio haben, wenn es draußen nicht mehr so heiß und die Sonne untergegangen ist.« Er nimmt einen Schluck von seinem Isostar. »Dann bin ich mal weg, okay?«

»Alles klar.«

Er ist bereits auf der anderen Seite der Bar, als er sich nochmals umdreht. »Ehe ich’s vergesse, ich habe meine nächste Schicht mit Logan getauscht. Ich habe ganz vergessen, dass meine Nichte morgen Geburtstag hat. Sie wäre enttäuscht, wenn ich nicht käme.«

»Kein Problem. Dann also bis nächste Woche.«

Er holt seine Tasche aus der Umkleide und hebt die Hand zum Gruß, als er an mir vorbeigeht. In diesem Moment geht die Tür zum Aerobic-Raum auf. Sophia tritt heraus. Sie hat ein Tuch um den Hals, mit dem sie sich den Schweiß von der Stirn wischt. Ihr blonder Pferdeschwanz wippt hin und her, als sie auf mich zukommt.

Sie fixiert mich mit ihren blauen Augen. »Hey Boss, auch schon da?«

»Nicht frech werden, Kleine.« Wir kennen uns seit dem College. Wir haben beide Sport studiert und uns auf Anhieb verstanden. Als ich plante, ein eigenes Fitnessstudio zu eröffnen, war sie die erste, die ich anrief, um ihr einen Job anzubieten.

»Was ist denn das?« Sie bleibt vor mir stehen und schaut auf mein geschwollenes Auge.

Ehe sie etwas sagen oder fragen kann, hebe ich einen Zeigefinger und lege ihn ihr auf den Mund. »Du nicht auch noch, bitte«, seufze ich.

Sie zuckt bloß mit der Schulter und schnappt sich einen Powerriegel. »Früher oder später werde ich es sowieso erfahren. Ist Tyler schon weg?«

»Ja, der ist eben raus. Wieso?«

»Ach, nur so«, meint sie mit einem selbstzufriedenen Lächeln und beißt von ihrem Riegel ab. »Ich werde mich dann für meinen nächsten Workout fertig machen.«

Gerade als ich sie zurückhalten und fragen will, was los ist, macht sich Lucy auf sich aufmerksam. Sie kann es nicht ausstehen, wenn sie warten muss - auch wenn es nur fünf Minuten sind. Und da ich meine Kundin nicht wütend machen will, sehe ich zu, dass Lucy ihr persönliches Training bekommt.

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