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Bernhard
ОглавлениеWeiße Handschuhe aus Baumwolle. Das war so. Das trug man. Als Bräutigam. Und da stand ich jetzt. In der Kirche. Den Altar im Rücken. Dunkelgrauer Anzug. Blendend weißes Hemd. Manschettenknöpfe. Weiße Fliege. Die Schuhe poliert. Rechts gescheitelt die Haare. Was für eine Verwandlung. Vor ein paar Tagen noch war ich in der grünen Uniform des österreichischen Bundesheeres gesteckt. Ein Soldat ohne Sinn und Krieg. Aber vor keinem Gefecht hätte ich aufgeregter sein können als jetzt. Und hier. In der Kaasgrabenkirche in Wien-Grinzing. Vor meiner Hochzeit. Irgendwie hielt ich mich aufrecht auf meinen Zitterknien. Ich wartete auf meine Braut. Und auf Pater Beda, der ein dicker, gemütlicher Mann war. Eine joviale Tonne, die uns gleich trauen würde.
Ich heiratete also. Mit 20. Meine Magda. Diesen Traum von einer Frau, die im nächsten Moment auf mich zukommen würde. Ihr Kleid. Ohne viel Drumherum. So wie sie selbst. Was hat sie darunter an? Das fragte ich mich. Insgeheim. Da, mitten in der Kirche. Weiße Spitze? Schwarz? Oder sogar etwas Rotes? In ein paar Stunden würde ich es sehen. Aber ich hatte kein Gefühl für die Zeit. Es war eher ein Gefühl von Ewigkeit. Alles gehörte uns. Der Tag. Die Welt. Die Zukunft.
Vor vier Monaten hatten wir uns zum ersten Mal geküsst. Vier Monate waren keine lange Zeit, um daraus eine gemeinsame Zukunft zu entwickeln. Doch an uns beiden würde nicht zu zweifeln sein. So viel konnte ich sicher sagen. Ich hatte es im ersten Augenblick gewusst.
Sie ist es.
Sie wird es immer sein.
So wie man sich das vorstellt. Man sieht jemanden. Und von den Eingeweiden bis zum Haaransatz spürt man die Richtigkeit. So war das. Magda und ich. Das war etwas Haltbares. Von nun an. Von diesem Jahr an. 1966. Es war ein gutes Jahr. Bisher mein bestes.
Wir hatten uns den Juli ausgesucht. Alle wollten immer im Mai heiraten. Wonnemonat. Oder im Juni. Wir hatten den 1. Juli gewählt. Absichtlich. Weil es da wahrscheinlich war, dass die Sonne schien, hatte Magda gesagt. Sie hatte recht behalten. Der Himmel strahlte wie eine Verheißung. Sicher, schien er zu sagen, ihr geht ins Blaue, und doch ist es sonnenklar, wohin euer Weg euch führt. Warm war mir in dem dunkelgrauen Anzug.
Magda ließ auf sich warten. Zwei geschwungene Treppen führten herauf zum Portal. Deswegen war die neubarocke Kirche bei Hochzeitspaaren so beliebt. Sie hatte etwas Majestätisches. Magda wird sich auf der Treppe Zeit lassen, dachte ich. Von meinem Warteposten vor dem Altar konnte ich schlecht nach draußen sehen.
Ich schaute mich in der Kirche um. Etwa sechzig Gäste waren gekommen. Die Bänke waren gut besetzt. Familie. Freunde. Ihre links. Meine rechts. Die Damen herausgeputzt. Die meisten mit Hut. Auf den Zehenspitzen waren sie hereingetrippelt in ihren hohen Schuhen. Festlich gekleidet wie die Männer.
Sie alle sahen mich an. Alle mit unglaublich ernsten Gesichtern. Das Feierliche liegt ganz nah am Ernsten. Die getragene Stimmung war körperlich zu spüren. Du gibst ihr jetzt das Eheversprechen, stand in allen Mienen. Und ein großes ,Ui‘ gleich daneben. ,Ui‘ für ,Man-weiß-halt-nie-was-da-noch-kommen-wird‘.
Das hier ist der schönste Tag eures Lebens, stand dort auch. Was zwangsläufig hieß, dass alle folgenden Tage nicht mehr so schön sein würden. Ja, dachte ich, das mag ja so sein. Bei den anderen.
Ich versuchte, mich an den Ablauf der Zeremonie zu erinnern. Wir hatten ihn besprochen. Ein paar Mal sogar. Jetzt war alles weg. Ich hoffte, es würde so sein wie bei allem Unbekannten. Sobald es da ist, verschwindet die Angst. Das Flaue. Wieder spürte ich meine Zitterknie. Was ist, Bernhard, fragte ich mich, was soll denn flau sein an diesem Schritt?
Gerade war mir noch heiß gewesen in meinem Hochzeitsstaat. Jetzt fand ich es angenehm kühl in der Kirche. Etwas stickig. Vielleicht lag das nur an der Fliege. Oder am Hemdkragen. Ich sah zu meinen Eltern. Sie bewegten sich nicht. Minutenlang. Wie Wachsfiguren sahen sie zu, während ihr Sohn in ein neues Leben ging. Mein Bruder war mein Trauzeuge, Magdas Schwager der ihre. Es roch nach Weihrauch. Und den weißen Chrysanthemen. Pater Beda lugte aus der Sakristei. Ein Baby schrie. Dann verdunkelte sich der Kircheneingang. Magda erschien im Torbogen.