Читать книгу Trauer und Licht - Maike Albath - Страница 11
FAMILIENROMAN Der Neffe der Fürstin
ОглавлениеWie spricht man einen lang gedienten Botschafter an, der Italien in Japan, England und Washington vertreten hat, Generalsekretär beim Außenministerium und Unterhändler bei den Vorbereitungen für die Maastricht-Verträge war? Eccellenza kann nicht falsch sein. Boris Biancheri ist ein Diplomat alter Schule und zerstreut meine Bedenken schon, als er den Salon in der Via Sicilia in Rom betritt, wo wir in der Niederlassung des Verlegerverbandes verabredet sind. Nadelstreifen und formvollendete Manieren, aber ohne jede Steifheit, sondern sprezzatura, so wie es Baldassare Castiglione vom Hofmann forderte. Er ist ein großer Leser, schreibt selbst Bücher. Es ist ein dunkler Novembernachmittag im Jahr 2010, schon damals suche ich nach den Spuren Tomasi di Lampedusas. Der weißhaarige Botschafter a. D., 1930 in Rom geboren, gehört zur angeheirateten Familie und ist Licys Neffe, der Sohn ihrer Schwester Lolette. »Onkel Giuseppe war für damalige Verhältnisse ein weit gereister Mann. Ich bin übrigens doppelt mit ihm verwandt, denn meine Großmutter Alice hatte ja seinen Onkel Pietro, den Bruder seines Vaters Giulio, geheiratet, und meine Tante Licy heiratete ihn, also den Neffen ihres Stiefvaters. Großvater Pietro hatte eine brillante Karriere gemacht, er war italienischer Außenminister gewesen, später dann Senator und Gesandter in London. 1927 reichte es ihm mit Mussolini, er trat von seinem Amt zurück. Meine Großmutter brachte ihre Töchter mit in die Ehe. Meine Mutter und meine Tante waren eng miteinander verbunden und liebten sich sehr. Tante Licy war ziemlich bemerkenswert, überspannt, aber intellektuell absolut verblüffend. Sie und Giuseppe sind sich in London begegnet.«