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ОглавлениеKapitel 5
Akoya-Perle
Sevinc Berend war aufgeregt. Ein ähnliches Gefühlschaos hatte sie durchlebt, als sie ihren Ex-Mann, den berühmten Architekten Albert Berend und Vater ihrer Kinder, geheiratet hatte. Wenn sie diesen heutigen Abend nur schon gemeistert hätte. Aber er hatte gerade erst begonnen. Allein stieg sie aus dem nagelneuen Taxi aus, welches vor ihrem Stammlokal „Da Massimo“ hielt. Es musste perfekt werden. Der reservierte Bereich war extra für sie mit weißer Tischdecke, Teelichtern und grünen Zweigen geschmückt. Die unzähligen roten Pfefferkörner, die sich im Zusammenspiel mit der weißen Tischdecke zu einem feurigen Punktemuster formierten, gaben der Tischdekoration zusammen mit den grünen Zweigen einen weihnachtlichen Zauber. Nur ein Gedeck der Tafel war noch zusätzlich mit zarten, rosafarbenen Blüten und Schwarzkümmel besonders liebevoll verziert. Sevinc verweilte trotz der eisigen Kälte einen Moment vor der Glastür und entdeckte Massimo, die immer freundlich lächelnde Seele des Lokals. Sie beobachtete ihn, wie er quirlig zwischen den Tischen hin und her lief, Wein nachschenkte und kleine Späße machte, die den Gästen ein Lächeln über das Gesicht huschen ließen und die Augen zum Leuchten brachten. Fast verliebt schien sie ihn anzusehen – so ging es im Übrigen den meisten seiner weiblichen Stammgäste – und betrat das italienische Lokal. Massimos Lieblingslied von Zucchero „Così celeste“ klang durch den Raum. Als er sie erblickte, brachte seine Freude perfekte Zähne zum Vorschein. Er schob seine schwarze Brille auf den kahlen Kopf und nahm sie in den Arm.
„Buon compleanno, mia cara Sevinc.“ Wie es die Italiener gerne machten, deutete er zweimal einen Wangenkuss an. Sevinc bedankte sich für die guten Wünsche und plauderte noch einen Moment mit ihm, bis sie ihre Tochter Julia am Geburtstagstisch zusammengekauert und mit hängenden Schultern sitzen sah. Sevinc ging langsam zum Tisch und setzte sich neben sie. Julia sah trotz des vom Weinen verquollenen Gesichtes sehr hübsch aus. Klein war sie und zierlich, ein Ebenbild ihrer Mutter. Ihr akkurater, brauner Pony reichte ihr bis zu den Augenbrauen und schmeichelte ihrem länglichen Gesicht.
Sevinc überlegte, seit wann es für sie möglich war, ihre Tochter ohne Verschleierung außerhalb der vier Wände treffen zu können. Sie konnte es nicht genau sagen und merkte, wie sehr sie sich bereits daran gewöhnt hatte. Der Schreck war ihr damals, als sie ihre Tochter zum ersten Mal verhüllt in einem Hijab auf der Straße gesehen hatte, in die Glieder gefahren. Und dies, obwohl – oder musste man sagen, weil? – Julia Islamwissenschaft studierte. Sevinc jedenfalls machte Julias Ehemann Ercan mit seinen strengreligiösen Ideen für ihre damalige Wandlung verantwortlich. Erst sehr viel später konnte sich Julia von ihren Fesseln befreien. Heute empfand Sevinc Stolz auf ihre einzige Tochter, die mit Energie und Herzblut als Dozentin im Institut für Islamwissenschaften arbeitete.
„Unveränderlich erscheinende Dinge können sich wandeln, Mama“, hatte sie Julia oft sagen gehört. „Meistens bedarf es hierfür nur eines Wechsels der Perspektive und viel Muts.“
Leise lächelte sie über die Klugheit ihrer Tochter. Heute würde Sevinc, die selber nicht gläubig war, den Auslöser für Julias Veränderung nicht ergründen können, aber vielleicht eine Antwort auf die Frage finden, warum ihre Tochter weinte.
„Ach Mama.“ Julia riss Sevinc aus ihren Erinnerungen.
„An deinem Ehrentag wollte ich nicht weinen, aber ich habe mich so mit Ercan gestritten“, klagte sie.
„Er will nicht akzeptieren, dass ich ein anderes Leben führe, ohne Hijab und ohne Einschränkung. Immer wieder wirft er mir vor, ich sei keine gute Muslima und würde gegen Mohammeds Gebote verstoßen.“
Sevinc hörte diese Vorwürfe nicht zum ersten Mal. Auch Ercans Mutter mischte sich regelmäßig ein und warf ihr ebenfalls vor, Julia würde sie und Ercans Familie entehren.
„Mama, er hat mir sogar gedroht, mich aus der Wohnung zu werfen. Den Jungen will er mir wegnehmen.“
Als sie diese Worte aussprach, begann sie erneut zu schluchzen und begrub ihren Kopf an der Schulter ihrer Mutter. Ihre Tränen liefen unaufhörlich, und sie holte immer wieder tief Luft, sodass ihr zarter Körper bebte.
„Ach, meine Julia, Dinge können sich ändern. Du musst mutig sein und die Perspektive wechseln“, versuchte Sevinc Julia mit ihren eigenen Worten zu trösten und nahm sie fest in den Arm. Sie hielt ihre verzweifelte Tochter für lange Zeit fest umschlossen.
Die Zeit schien stehen geblieben zu sein, als Julia die Stille durchbrach. „Mama, ich lasse mir das nicht mehr gefallen. Ich werde Ercan verlassen.“
Sie löste sich aus der tröstlichen Umarmung und schaute ihre Mutter an.
Julia war so klar, als wären ihr befreiender Entschluss und ihr Mut zum Handeln über lange Zeit gereift, wie eine kostbare Akoya-Perle im tiefen Ozean. Ein wenig traf es Sevinc, dass sie an diesem Teil ihres Lebens nicht teilhaben durfte. Aber war es so? Wieso glaubte sie eigentlich, von Julias Entwicklung ausgeschlossen gewesen zu sein? Vielleicht hätte sie nur fragen müssen? Aber das hatte sie nicht getan. Wenn sie ehrlich zu sich war, hatte sie sogar selten Fragen gestellt. Sie hatte Angst davor, mit den Antworten nicht umgehen zu können, sodass der Blick hinter die Fassade ihre eigene heile Welt erschüttern würde. Das Zentrum ihres Handelns war, darauf zu achten, dass dies nicht würde geschehen können.
Sevincs nur zurückhaltend geschminktes Gesicht hellte sich wieder auf, als sie die Bedeutung von Julias Worten erfasste. Julia hatte sich nicht nur dauerhaft ihres Textilgefängnisses entledigt, welches – so Julia – einige der muslimischen Glaubensmänner erfunden hatten, um ihre Frauen zu beherrschen, sondern sie würde auch ihren Ehemann verlassen. Sevinc bewunderte ihre Tochter für ihre Furchtlosigkeit und freute sich darüber, da sie ihren Schwiegersohn sowieso nicht richtig leiden konnte.
„Ich versichere dir, Julia, dass ich dich unterstütze, wo immer es mir möglich sein wird.“ Während sie Julia auf die Stirn küsste, winkte sie Massimo zu, der gerade zwei Gläser Prosecco Spumante brachte.
„Ich glaube, das wird euch guttun. Salute!“
„Mohammed wird es dir nachsehen“, sagte Sevinc augenzwinkernd, und gemeinsam stießen sie auf ihren Geburtstag an.
Währenddessen betrat Albert Berend mit einem Blumenstrauß in der Hand das Lokal, eilte zielstrebig auf Sevinc zu und gratulierte ihr mit einem flüchtigen Kuss. Mit großer Anspannung in der Stimme überbrachte er seiner Ex-Frau eine enttäuschende Nachricht. „Ich kann nicht lange bleiben, es tut mir leid, aber ich habe nachher noch einen Termin mit einem der Akustiker.“ Während er sprach, entfernte er ungeschickt das knisternde Blumenpapier und legte es gedankenlos auf den liebevoll geschmückten Tisch. „Es geht um die ‚Weiße Haut‘, diese komplizierten besonderen Decken und Wände für das Konzerthaus.“
Julia und Sevinc hörten interessiert zu. Insbesondere Julia wurde regelmäßig von ihrem Vater über die neuesten Entwicklungen informiert. Sie fieberte aus ganz persönlichen Gründen der baldigen Eröffnung des Konzerthauses entgegen. Aber sie hatte ihr Geheimnis ihrem Vater noch nicht offenbart. Es sollte eine Überraschung werden.
„Ich habe euch sicher von dem Computerprogramm erzählt, mit dem für jede einzelne Gipsplatte eine individuelle Oberflächenstruktur berechnet worden ist?“
„Ja, Papa, diese Gipsplatten sollen einen fantastischen Klang an jeder Stelle des Konzertsaals gewährleisten.“
Albert wischte sich mit einem Taschentuch über seine feuchte Stirn.
„Von wegen ‚fantastischer Klang‘. Nun sind Probleme beim Einbau aufgetreten. Mein Gott, hoffentlich wird das kein Desaster. Erst diese Dauerprobleme mit Melzer und nun das!“
Er unterbrach seinen Redefluss, setzte sich und sah in Sevincs enttäuschtes Gesicht. Also wollte er ihr entgegenkommen.
„Einen schnellen Spumante kann ich aber wohl mit euch trinken. Wo sind denn Alexander und Denis?“
„Alexander hat geschrieben, dass er wegen einer Besprechung im LKA später kommen würde.“ Sevinc schwieg für einen Moment und sprach mit leiser Stimme: „Vielleicht kommt er sogar gar nicht … Dabei habe ich mir doch so gewünscht, dass wir heute alle zusammen sind.“
Es war nicht irgendein Geburtstag. Sie wurde fünfzig Jahre alt, und dieses Ereignis wollte sie mit ihren Kindern, Albert und vor allem mit ihrem neuen Freund im ganz kleinen Kreis feiern. Sie war sehr gespannt, wie ihre Kinder ihren Lebenspartner wohl aufnehmen würden.
„Aber ich bin doch da, Mama!“, hörte Sevinc eine Stimme in ihrem Rücken. Sie drehte sich um und versank glücklich in den Armen ihres Sohnes Denis.
Denis Berend war groß gewachsen und stämmig. Er hatte längeres, glänzendes Haar, welches jedoch an den Seiten sehr kurz rasiert war. Er trug einen Kinnbart und hatte eine Narbe, die den Schwung seiner Augenbraue durchbrach. Eine Tätowierung zierte seinen teilrasierten Schädel mit „OE“, eine Abkürzung für Osman Eternal. Sevinc küsste ihren Sohn und strich mit ihrem Finger über seine Kette. Die Hand der Fatima. All ihren Kindern hatte sie zum zehnten Geburtstag diese Kette geschenkt. Zwischen dem drängenden Bedürfnis nach Spiritualität und der lenkenden Kraft ihres Verstandes hin und her gerissen, glaubte sie trotz allem an die Energie der schützenden Hand vor dem Bösen.
Gegenüber seiner Familie hatte Denis aus der Mitgliedschaft im Verein der OE, dem Konkurrenzclub der Thunder Devils, ebenfalls eine Rockergruppe, die sich im Rotlichtmilieu verdingte und einträgliche Geschäfte machte, kein Geheimnis gemacht. Zum Thema wurde es aber trotzdem nicht gemacht, damit kein Streit aufkam. Dennoch war Denis froh, seinem Bruder Alexander heute noch nicht begegnet zu sein. Die Brüder waren sich nicht „grün“, wie man so sagt. Denis setzte sich neben seine Schwester und seine Mutter an den runden Tisch und wirkte an dem sagenhaft hergerichteten Geburtstagstisch mit seiner plumpen Massigkeit fehl am Platze, so als säße er mit seiner Rockerkutte zwischen Ritter Sir Lancelot und Percival an der Tafelrunde.
Abrupt begannen Sevincs Augen zu leuchten, als ein hochgewachsener Mann mit gepflegtem Äußeren und weißem, vollem Haar die Glastür öffnete. Er ging freudig auf Sevinc zu, die sich sofort erhob, kaum dass sie ihn erblickte. Den Arm um ihn legend, sprach sie mit feierlichem Unterton in der Stimme. „Endlich kann ich euch meine neue Liebe vorstellen. Matthias Schmitz.“
Der Neuankömmling begrüßte alle mit Handschlag, stieß dabei beinahe ein gefülltes Sektglas vom Tisch und setzte sich verlegen auf einen der rot gepolsterten Stühle.
Sevinc löste auf ihre natürliche, warmherzige Art schnell die Anspannung ihres Freundes, registrierte aber an Denis’ abweisender Körperhaltung, dass ihr Freund es mit Denis schwer haben würde. Julia hingegen schien Matthias zu mögen, und Sevinc freute sich, dass sie mit ihm angeregt plauderte.
Bereits nach einer Stunde verabschiedete sich Albert von der inzwischen gelockerten und fröhlichen Runde. Als er sein Auto aufschloss, nahm er aus dem Augenwinkel einen südländisch aussehenden Mann wahr, der wütend das Restaurant betrat und sich dort suchend umschaute.
Als er Sevinc entdeckt hatte, stampfte er über die hellen Pitchpine-Dielen des Lokals mit großen Schritten auf sie zu. Sie erkannte den Mann, es war Mesut Aslan, und ihr Gesicht verfinsterte sich.
„Was willst du hier? Du darfst dich mir bis auf hundert Meter nicht nähern! Verschwinde!“
Mesut gratulierte Sevinc ungerührt und übertrieben herzlich, als wäre er der letzte fehlende Gast gewesen, auf den alle gewartet hätten.
Er baute sich vor ihr auf und flüsterte in einem unterdrückt aggressiven Tonfall: „Sevinc, du wirst nie glücklich werden ohne mich, deswegen werde ich immer da sein, wo du bist und dich nie vergessen lassen, dass man einen Aslan nicht so behandelt ...“
Weiter kam er nicht, da packte Denis ihn am Kragen und zog ihn aus dem Lokal. Mit einem kräftigen Stoß brachte er Mesut zum Taumeln, der, über seine eigenen Füße stolpernd, endgültig das Gleichgewicht verlor.
„Wenn du meine Mutter noch einmal nervst, polier‘ ich dir richtig die Fresse. Leg dich nicht mit mir an, du Wichser. Ey, ich fick dich und deine Mutter.“ Dabei warf er ruckartig seinen Kopf in den Nacken.
Mesut Aslan rappelte sich auf und verschwand schnellen Schrittes in der ersten Seitenstraße, während Denis wieder zu seiner Familie zurückging. Lange blieb er jedoch nicht mehr, sondern erhob sich gegen dreiundzwanzig Uhr, klopfte kurz auf den Tisch und verabschiedete sich von der Runde. Seine Mutter nahm er in den Arm, drückte sie, hob sie einmal kurz hoch und setzte sie dann ab, wie er es immer beim Abschied tat.
„Feier noch schön, Mama, ich habe noch einen wichtigen Termin, du weißt, die Geschäfte rufen.“ Er zwinkerte Sevinc zu und verließ das Lokal. Sevinc wusste nicht, welchen Geschäften er jetzt nachgehen wollte. Darüber machte sie sich keine Gedanken. Sie war stolz auf ihren Erstgeborenen und darauf, was er erreicht hatte. Mit einer Speditionsfirma hatte er sich selbstständig gemacht und führte sein kleines Unternehmen sehr erfolgreich. Immerhin konnte er sich ein teures Auto leisten und sich sein verrücktes Motorradhobby in seinem Männerclub finanzieren.
Denis drückte den Knopf der Fernbedienung, vernahm ein zweifaches, kurzes, helles „Klack-Klack“ und entriegelte die Fahrerseite seines roten Mercedes Benz AMG Coupé mit gold lackierten 22-Zoll-Felgen. Er ließ sich in seine Ledersitze fallen und fuhr mit aufheulendem Motor auf die Reeperbahn, wo er eines seiner „Pferdchen“ treffen wollte.
Lisa Fels schaffte neben anderen „Freundinnen“ für Denis an und war inzwischen bis unten an der Ecke der Davidstraße aufgerückt. Sie fror und sah aus, wie die meisten Prostituierten aussehen. Große Silikonbrüste, die die Haut zum Bersten brachten, falsche lange Nägel, aufgepumpte Lippen und bis zur Unkenntlichkeit geschminkt. Als sie Denis sah, glänzten ihre Augen.
„Du, Schatz“, sagte er, und seine Stimme ließ erkennen, dass er ein Nein nicht akzeptieren würde. „Ich brauch dringend Kohle, wie viel hast du gerade da?“
Enttäuscht kramte sie in ihrer Bauchtasche und übergab ein Bündel Scheine.
„Sei nicht immer so wählerisch und mach‘, was die Kunden wollen. Du stehst ja in der Poleposition. Morgen will ich mehr Kohle sehen. Ich fahre nachher zu mir nach Hause, brauchst also nicht auf mich zu warten, Schatz.“
Mit diesen Worten verließ er die Davidstraße und betrat angespannt den legendären Club „Ritze“, um sich in einem Hinterraum mit dem Mann zu treffen, der ihm – so seine Vermutung – wegen des geplatzten Kokaindeals eine Menge Ärger machen würde.
Albaner-Klaus richtete sich auf und ging Denis mit großen Schritten entgegen, als dieser den kleinen, von Nebelschwaden durchzogenen Raum betrat. Er baute sich vor ihm auf.
„Ich hab es schon gehört, Denis, aber es ist mir scheißegal, dass die Bullen das Kilo sichergestellt haben. Ich will meine Kohle, 35000 Euro schuldest du mir.“
Ohne darauf einzugehen, schimpfte Denis über die einige Tage zurückliegende Polizeiaktion. „Irgendeiner von den Schweinen hat den Deal an die Bullen verpfiffen, wir waren so vorsichtig, Scheißdreck, wenn ich den Verräter erwische, ist der tot, ich schwör‘...“
„Heute war deine letzte Chance zu bezahlen. Ich habe die Thunder Devils im Nacken, die wollen ihre Kohle.“
„Ich scheiß auf die Wichser, sollen die doch kommen, wenn sie was wollen. Ich bin ein Osmane. Wir Osmanen haben keine Angst.“
Dabei klopfte sich Denis mit seiner Faust auf das Osman-Abzeichen. Ein asiatisch anmutender, auf einer Harley Davidson sitzender Glatzkopf mit Sonnenbrille und einem nach hinten gerutschten Fes, dem orientalischen, kegelstumpfförmigen, roten Hut, der aussah wie ein umgedrehter, runder Blumentopf.
Diese Geste wirkte eine Spur übertrieben, als wäre er ein Gladiator und wollte Cäsar vor dem Kampf huldigen. Die Todgeweihten grüßen dich.
„Scheiße, Mann, die knallen dich ab und mich gleich dazu, du Arsch, du hast doch Kohle, Mann, Alter, lass mich nicht hängen!“, sagte Albaner-Klaus.
„Was kann ich dafür, wenn die Bullen den Schnee klauen? Ich kann von Glück sagen, dass ich gerade nicht da war, als die Schmiere aufgeschlagen ist, sonst wäre ich jetzt auch im Knast. Mann, Scheiße, ich habe keine Kohle gekriegt, also kriegen die Pisser auch nix.“
Krachend fiel der Stuhl zu Boden, als Albaner-Klaus aufsprang und Denis am Kragen packte. Er schlug ihm mit der Faust direkt auf die Nase. Denis hörte es knacken. Der helle Schmerz schoss ihm durch die Schädeldecke und Tränen in die Augen. Er ekelte sich über den eisenhaltigen Geschmack seines Blutes, das ihm in den Mund rann. Mit der Außenfläche seiner Hand wischte er sich über die Mundwinkel.
Albaner-Klaus schrie ihn mit hochrotem Kopf an. „Ich werde ihnen sagen, wo sie dich finden, du wirst dich wundern, wie schnell sie dich am Arsch haben.“ Er stieß Denis zur Seite, rannte aus dem Raum, legte der verdutzten Kellnerin zwanzig Euro auf den Tresen und donnerte aus der Kneipe. Denis verließ ebenfalls das kleine Hinterzimmer, erbat sich bei der Frau an der Bar ein Taschentuch und reinigte sich notdürftig. Fluchend knallte er die Lokaltür zu, hetzte zu seinem in der Nähe abgestellten roten Benz und startete seinen Wagen.
Er hatte weder den auf dem Kiez in der Nähe seines Wagens abgestellten weißen Van noch die dunkel gekleideten Gestalten bemerkt, die ihn beobachtet hatten. Die Scheinwerfer des weißen Sharans leuchteten auf, und die beiden Männer nahmen die Verfolgung auf.
Denis verlangsamte das Tempo, als er knirschend in den kleinen, von großen Bäumen beidseitig gesäumten Feldweg einbog, der so schmal war, dass die kahlen, beschneiten Zweige von beiden Seiten des Weges wie ein Dach wirkten. Es schien, als würde man in einen von innen mit Bäumen bewachsenen, dunklen Tunnel fahren, für den kein Ausgang vorgesehen war. Denis schaltete das Abblendlicht an, um den Weg besser sehen zu können. Seine kleine Bauernkate war das letzte Haus im Dorf, und gelegentlich mochte er die Abgeschiedenheit. Er betrat sein Häuschen und suchte den Lichtschalter. Das war das Letzte, woran er sich erinnern konnte, bevor ein harter, schmerzhafter Schlag auf den Hinterkopf ihm das Bewusstsein nahm.