Читать книгу Frau mit Vogel sucht Mann mit Käfig - Maja Siffredi - Страница 7
1.4.2015
ОглавлениеMir ist langweilig, ich hänge seit Stunden vor dem Laptop, surfe ziellos durch die unendlichen Weiten des WeWeWe, doch auch nach dem dreihundertsten Mal Link-Anklicken finde ich nichts, das mich länger als einige Minuten beschäftigt. Habe mittlerweile sieben Mal masturbiert, weswegen auch»youporn« keine wirkliche Alternative zum Zeitvertreib oder der allgemeinen Entspannung mehr ist.
Eigentlich wollte ich ja bügeln, Fenster putzen, ein Buch lesen, Sport machen; kurz ein besserer Mensch werden. Eigentlich.
Es schüttet wie aus Kübeln, der Himmel ist genauso grau wie der letzte Schnee, der auf der Straße liegt, und macht sich durch allgemeine Nicht-Motivation bemerkbar. Ja, das ist gut – schuld ist nur das Wetter. Niemand mutiert zu einem Superhelden, wenn’s draußen arschkalt ist, oder?
Bei Spiderman war sicher auch Sonnenschein? Ich bin sogar so unmotiviert, dass ich noch nicht mal aufs Klo gehen will, obwohl es sich mittlerweile anfühlt, als würde meine Blase gleich platzen. Klicke mich schneller und schneller durchs Netz um mich davon abzulenken, dass ich meinen Arsch hochkriegen sollte.
Das klappt so gut, dass ich mich irgendwann frage, wieso ich meinen Lebensunterhalt nicht als Pornodarstellerin verdiene, so wie Misses Snoopahontas. Da ich praktischerweise eh schon im größten Sündenpfuhl dieser Welt feststecke, bitte ich Doktor Google um Hilfe.
Drei Stunden, fünf Bier, drei Joints, eine Thunfischpizza und zwei Mal onanieren später hab ich die Bewerbung für einige Pornoproduktionsfirmen fertig getippt. Eher aus Spaß, als aus seriösem Interesse schicke ich den Kram tatsächlich weg, ehe ich einige Minuten später auf ein Inserat stoße, dass mich wirklich neugierig macht:»Berlin sucht die abgefahrensten Sexstorys aus ganz Deutschland – die besten werden verfilmt«
Boom. Das ist genau meins, ich spüre es nicht im kleinen Finger, aber dort wo´s wirklich lustig ist.
Ich drucke mir die Seite aus, klebe sie auf meinen Badezimmerspiegel, um sie nicht zu vergessen und beschließe erst mal meinen Rausch auszuschlafen.
Fünf Tage und geschätzte vier Millionen Ausrede, wieso ich jetzt noch nicht zu schreiben anfangen kann, später, parke ich meinen Prachtarsch tatsächlich auf der Couch, schreibe eines meiner schrägsten Sex-Erlebnisse auf und schicke die Story an einen Unbekannten in die große deutsche Stadt.
Demoliertes Kurzzeitgedächtnis sei Dank, als am nächsten Morgen das Telefon klingelt, hab ich erst mal keinen Plan, welcher Unmensch mich zu dieser Unzeit anruft. Da das Schlafzimmer immer noch dunkel ist und ich mich fühle als wäre ich fünfhundert Jahre alt, schätze ich die Uhrzeit auf neun Uhr. Ekelhaft. Doch mein anfänglicher Zorn wandelt sich im Nullkommanichts in Neugierde, als ich die angenehme Stimme am anderen Ende der Leitung höre.
Sein Name ist Gernot, er hat eben meine Mail von vergangener Nacht erhalten, findet meine Geschichte gut und würde mich gerne kennenlernen, um alles Weitere zu besprechen.
Ich bin sprachlos; damit hätte ich ebenso wenig gerechnet, wie mit einem Anruf des Pornokönigs; noch während ich überlege, wann und wie ich nach Berlin komme, reißt mich die hocherotische Stimme aus meinem Gedankenwirrwarr zurück auf den Boden der morgendlichen Realität.»Ich fliege heute nach Wien, wir könnten uns am Abend treffen?«
Er will, dass ich ein Kleid und hohe Schuhe trage – sehr praktisch, das hätte ich auch ohne Aufforderung gemacht. Gespannt, wie er aussieht, suche ich ihn auf Facebook; und tatsächlich – sein Gesicht passt zu der Stimme.
Der Kerl ist hübsch, und das weiß er auch; Gernot strahlt auf den Bildern eine Souveränität und Dominanz aus, die mir bis dato noch nicht untergekommen ist. Mit jeder Stunde steigen die Aufregung und Vorfreude auf ihn, auch wenn das nicht mein erstes Blind Date ist.
Aber es ist das erste Mal mit einem Kerl, der meine intimsten sexuellen Erlebnisse und Begierden kennt, bevor er auch nur den Bruchteil eines Eindrucks von mir und meiner Person erhaschen konnte. Immerhin hab ich ihm vierundzwanzig Stunden davor eine detailgetreue Beschreibung meiner allerersten BDSM-Session geschickt, die absolut nichts mit Mister Grey und dem von ihm ausgelöstem Hype zu tun hatte.
Menschenleere Straßen sind in unheimliche Dunkelheit gehüllt als ich unter einer der Brücken neben dem Donaukanal auf ihn warte. Wieso bin ich zu früh?
Einige Rasta-Typen schlendern an mir vorbei, von einer süßlichen Duftwolke verfolgt und laut kichernd. Sie klingen wie ein Haufen pubertierender Schulmädchen, die in der Umkleide zum ersten Mal einen Pimmel gesehen haben. Das Geräusch des Gelächters will so überhaupt nicht zu der Erscheinung von zwanzigjährigen, halbstarken Kiffern passen.
Sie ziehen an mir vorüber, in einiger Entfernung spaziert ein langhaariger Mann entspannt in meine Richtung. Während der Takt meines inneren Motors immer schneller wird, glaube ich ein Lächeln auf dem Gesicht des Unbekannten zu erkennen.
Völlig gechilled kommt er vor mir zum Stehen, während ich versuche so gelangweilt wie möglich zu tun, stellt er sich nur einige Zentimeter vor mein Gesichtsfeld und fixiert mich mit seinem fesselnden Blick.
Ich brauche meine ganze Kraft, um meine Knie am Zittern zu hindern, erwidere seinen Blick, auch wenn die Vernunft zur Vorsicht mahnt. Und noch bevor ich»scheißewiegeilistdasdenn« denken kann, berühren sich unsere Lippen, öffnen sich, vorsichtig spielende Zungen, packende Hände an meiner Hüfte, Sekunden bevor er mit seinen Fingern über meinen Rücken streichelt und sie am Nacken zur Ruhe kommen lässt.
Die Berührung fühlt sich an wie millionenfache Bienenstiche direkt über der Wirbelsäule, während jemand mein Zentrum mit Brennnesseln traktiert, aber ich drücke mich so nah wie möglich an den Fremden, betörender als sein Geschmack ist nur sein Geruch.
Ich sauge ihn auf, als wär’s das letzte Mal, um plötzlich von ihm abzulassen. Tranceähnlich ist der Zustand, als ich mich von ihm löse, um in seine Augen zu sehen; der Energiestrom zwischen ihm und mir ist überwältigend und nicht zu leugnen.
»Schön dass du gekommen bist, Maja.«
Mit weit geöffnetem Mund, und dem Gesichtsausdruck einer gehirnamputierten Gummipuppe starre ich ihn an; alles woran ich denken kann, ist sein Schwanz in mir:»Du auch.«
Schmunzelnd nimmt er mich an die Hand, wortlos doch emotionsbeladen spazieren wir über die Brücke. Auf der anderen Seite des Kanals ragt ein hell beleuchtetes Hochhaus in die sternenklare Nacht, er steuert direkt darauf zu, bemerkt mein Zögern:»Lass uns ein Glas Wein bei mir trinken. In dieser Gegend gibt es keine guten Kneipen. Ok?«
Von seiner Empathie angetan, und ein wenig von der Abenteuerlust gepackt, lasse ich mich darauf ein; habe kein ungutes Gefühl bei der Sache, und so genieße ich einige Minuten später wunderbar fruchtigen Merlot mit einem atemberaubenden Blick auf die schlafende Hauptstadt bei Vollmond.
Mitten in der offenen Wohnküche steht ein schwarzes Ledersofa, rundherum zahllose Bücher die in die Höhe gestapelt recht chaotisch dastehend aussehen. Blickt man länger hin, scheint es, als stecke ein penibel angeordnetes System dahinter, nicht unordentlich, ganz im Gegenteil.
Die mit zahllosen schwarz-weiß Aufnahmen gesäumten Wände bilden einen ungewollt scheinenden Kontrast zu dem bunt-vollgeräumten Regal in der Ecke, die mächtige Glasfront unterbricht die Unruhe mit ihrer Klarheit inmitten von zufällig drapierten Gegenständen.
Ich fühle mich sicher und folge seiner Einladung Platz zu nehmen. Beobachte ihn dabei, wie er eine Flasche Wasser öffnet, nie zuvor war mir die Ästhetik dieser banal wirkenden Handlung bewusst.
Wie eine zweite Haut legt sich die schwarze Hose um seine Genitalien, vermutlich auch um den Rest, doch mein Betriebssystem ist längst heruntergefahren. Schulterlange Haare fallen neben blitzblauen Augen über seine stark aussehenden Schultern, als hätte er einen explodierten Strohballen auf dem Kopf, den man mit Superkleber direkt über sein Kleinhirn gepickt hätte. Irgendwie wie ein nicht existenter Sohn aus Dieter Bohlen und Britney Spears nach dem elektrischen Stuhl, aber dennoch sehr sexy.
Die nach Sandelholz, Kaffee und einer undefinierbaren Note duftende Nuance seiner Haut hinterlässt wuchernde Gänsehaut auf meinem Rücken. Der aufkeimender Schauer ängstigt mich kein bisschen, ganz im Gegenteil. Als würde die»Jetzt-geht’s-los« Stimmung die Schirmherrschaft übernehmen.
Das Plätschern der Wasserflasche verstummt, langsam dreht er sich um und ein zutiefst provokanter Blick trifft mich.
»Ich möchte, dass du jetzt dein Höschen ausziehst.«
Ruhig, jedoch ohne Zweifel an seiner ernsten Absicht reicht er mir eins der aufgefüllten Wassergläser. Kaum habe ich es ihm abgenommen und er somit eine Hand frei, streichelt er zärtlich über meinen Hals. Ich genieße die Berührung, schließe die Augen um das Gefühl zu intensivieren. Doch noch ehe das Kribbeln in mir den Höhepunkt erreicht und sich in sämtlichen Fasern meines Körpers ausbreitet, zieht er sich unerwartet zurück; instinktiv fasse ich nach ihm, aber es ist mir unmöglich ihn zu erreichen. Mit einem lauten Knall landet die flache Hand, die eben noch die sensible Stelle unter meinem Kinn liebkost hat, mitten in meinem Gesicht. Wieder und wieder ohrfeigt er mich mit der einen, während die andere den Weg zwischen meinen Schenkeln närrisch nach oben tippelt, von Zeit zu Zeit kurz innehält, um mir seine Finger durch die Spalte zu ziehen.
Mein Slip fungiert mittlerweile als Knöchelwärmer, den Rock hab ich auch schon längst bis zum Bauchnabel hochgeschoben, das Wechselspiel aus Schlägen und Zärtlichkeit fordert seinen Tribut, völlig von Sinnen lasse ich mich treiben, wie benebelt nehme ich Berührungen wahr, deren Reminiszenzen sich ihre Bahn in meinem halb offenen Mund suchen.
»Du wirst dich jetzt ausziehen und dort drüben auf den Boden knien«
Unfähig zur Widerrede befolge ich seine Ansage, drehe ihm den Rücken zu, wortlos. Ruckartig zieht er den Reißverschluss meines fick-mich-Fetzens nach unten, streift es über meine Schultern. Lautlos gleitet es zu Boden, splitterfasernackt stehe ich vor ihm.
Gernot packt mich an den Haaren, reißt den Kopf nach unten, lässt auf einmal los und zeigt zu Boden.
»Hinknien hab ich gesagt.«