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Kapitel 4

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Gegen sechs Uhr hatte er den Koffer fertig gepackt. Da sein Magen eindeutige Geräusche verursachte, schlurfte er in die Küche und zog eine Plastikhülle mit einem gefrorenen Etwas aus dem Gefrierfach seines Kühlschranks. Danach stellte er den Ofen auf die angegebene Temperatur und verfrachtete das Fertiggericht auf die mittlere Schiene des Metallrostes. Während sich dieses Etwas in eine Delikatesse verwandelte, ging er nach oben und gönnte sich eine ausgesprochen intensive Dusche. Er war gerade wieder zurück, als der Signalgeber des Ofens anfing zu brummen. Er nahm die duftende Mahlzeit aus dem Ofen und verspeiste sie im Stehen. Dazu benutzte er eine Plastikgabel anstelle eines der im Wohnzimmer eingelagerten Silberbestecke. Zum Schluss warf er die gepresste Aluminiumform in den Abfalleimer und verließ sein Haus für eine kurze Stippvisite im Onkel Nestor.

Elias befand sich wie gewöhnlich hinter dem wuchtigen Tresen und hatte bereits eine Flasche von dem herben einheimischen Rotwein geöffnet, als Claudio das Lokal betrat und sich auf dem letzten, noch freien Barhocker niederließ. Mancher der Gäste hatte bereits einige Kurze intus und lallten vor sich hin. Claudio schenkte ihnen keine nähere Beachtung sondern wandte sich direkt an den Wirt.

„Tut mir leid Elias. Eigentlich wollte ich schon viel früher bei dir vorbeischauen, aber mir ist etwas dazwischen gekommen. Ich gehe auf große Reise.“

Der Wirt schaute ihn an. Sie waren mittlerweile recht gute Freunde geworden. Beide waren sie Zugezogene. Und das sagte in der Eifel bereits alles.

„Man kann es dir ansehen“, versuchte Elias ihn aufzuziehen. „Es hat dich wieder einmal gepackt. Wo soll es denn hingehen?“

„Nach Peru.“

Elias streckte seinen Daumen in die Höhe. „Dann brauchst du mir weiter gar nichts zu erklären, mir ist schon alles klar.“

Trotzdem erzählte ihm Claudio von seinem Treffen mit dem Staatssekretär in Bonn. Einzelheiten erwähnte er selbstverständlich nicht.

„Claudio Guerrero reist im Staatsauftrag nach Peru! Mensch hört sich das irre gut an! Das ist doch genau das richtige für dich und riecht doch nur so nach Abenteuer. Ansonsten hättest du das Thema wohl auch gar nicht erst zur Sprache gebracht, alter Schlawiner. Und jetzt erwarte bloß nicht von mir, dass ich versuchen werde, dir den Trip wieder auszureden!“

„Das erwarte ich auch gar nicht von dir. Ich glaube es ist am besten, ich spüle den ganzen Auftrag einfach mit einem Glas von deinem guten Wein hinunter. Vielleicht bekomme ich so meinen Kopf wieder frei?“

Mit einem Zug leerte er sein Weinglas und stellte es demonstrativ vor Elias auf den Tresen. Mittlerweile waren die ersten Musiker aufgetaucht und schleppten Instrumentenkoffer, Notenständer und diverse musikalische Utensilien in den Schankraum. Wie an jedem Abend bot Elias seinen Gästen ein ständig wechselndes Musikprogramm. Heute war Jazz an der Reihe.

„Na dann wünsche ich dir einen angenehmen Flug.“

„Danke Elias, ich kann`s gebrauchen. Damit überließ er Elias seinen Musikern und deren erste Akkorde.


Am Tag darauf stand er zeitig mit seinem Flugticket in der Hand vor dem Abfertigungsschalter der LAN Airlines und wartete darauf, dass sein Flug aufgerufen wurde. Plötzlich hörte er, wie jemand seinen Namen rief. Die Stimme gehörte Peter Baumann, den er nicht sofort erkannte, weil er eine Sonnenbrille trug.

„Hallo Claudio“, sagte er. „Gut, dass ich dich hier noch antreffe. Staatssekretär von Sanden ist mächtig nervös geworden. Er hat von mir verlangt, dass ich dich noch einmal in die Pflicht nehme und dich an die delikaten Umstände deiner Aufgabe zu erinnern.“

„Und deshalb bist du extra nach Frankfurt gekommen?“

„Unter anderem.“

„Da kann ich dich voll und ganz beruhigen. Mir ist schon klar, dass ich in einer südamerikanischen Großstadt einen Mörder suchen soll, ohne dass dabei die wesentlichen Details an die Öffentlichkeit geraten dürfen.“

„Nicht gerade ein Traumjob, was?“

Baumann sah ihn mit einem mitleidsvollen Lächeln an. „Und bitte denk immer daran: Diskretion, Diskretion und nochmals Diskretion! Und vertrauen darfst du nur deinem unmittelbaren Kontaktmann. Er heißt Garcia und ist der leitende Capitan bei der PIP.“

„Ist ja nett, dass ich auch schon davon erfahre.“ Claudio zog eine Grimasse, als wollte er grinsen, aber Baumann wusste, dass er es ernst meinte.

„Natürlich hast du in Lima einen Kontaktmann! So ganz alleine wollen wir dich da unten nun doch nicht herumhantieren lassen. Und hüte dich vor allem vor den Journalisten. Zu niemandem ein Wort, hörst du?“

Statt einer Antwort zuckte Claudio nur mit den Achseln. So langsam fragte er sich, auf was er sich da überhaupt eingelassen hatte. Baumann blickte auf seine goldene Armbanduhr. „Ich sehe, dein Flieger geht gleich. Ich denke ich habe dir alles gesagt und möchte dich nun nicht länger aufhalten. Viel Glück und grüß Lima von mir.“ Claudio klopfte Baumann auf die Schultern, dann drehte er sich um und ging langsam auf die Passkontrolle zu. Bald konnte Baumann nur noch seinen Rücken sowie den schwachen Abdruck seines Spiegelbildes in der Glasscheibe ausmachen. Schließlich war er ganz verschwunden und mit ihm die Aussicht auf einen schnellen Erfolg. „Hoffentlich mute ich ihm nicht zu viel zu.“


Als Claudio den Abflugbereich betrat, wurde seine Maschine bereits aufgerufen. „LAN Peru nach Lima, Gate 29.“

Eine hübsche Blondine, die augenscheinlich beim Bodenpersonal arbeitete, nickte ihm freundlich zu und riss gleichzeitig den Kontrollabschnitt seines Tickets ab. Unmittelbar danach trabte er durch die Gangway bis zum Eingang des Flugzeuges. Eine freundliche Stewardess wies ihm ein Sitzplatz im vorderen Drittel der Maschine zu. Das kam ihm sehr gelegen, somit würde er in Lima als einer der ersten Passagiere aussteigen können. Er schob sich langsam vorwärts und wartete geduldig bis ihm die Mitreisenden, die noch in aller Ruhe ihre Kleinigkeiten im Gepäckfach verstauen wollten, Platz boten.

Reihe fünf, Fensterplatz, alles Bestens. Er lehnte seine Stirn an die Fensterscheibe und glaubte in der Ferne die Umrisse des Airport-Hotels erkennen zu können. Ein Sonnenstrahl blitzte kurz in das ovale Fenster und er schloss hastig das Plastikrollo. Wenig später fingen die Motoren an zu brummen und die Türen wurden geschlossen. Erst jetzt fühlte er, wie die Anspannung langsam von ihm ab lies. Direkte Flugangst hatte er keine, aber trotzdem war ihm das Fliegen nicht so ganz geheuer. Und dann ging es los: Der stählerne Vogel wurde auf die Rollbahn manövriert, der Pilot bekam die Freigabe, drückte den entsprechenden Hebel nach unten und schon sausten die ersten Häuser an ihnen vorbei, während der Koloss langsam nach oben stieg. Fast unmerklich lichteten sich hinter dem Rollo draußen die Wolken und ein sanfter Lichtstrahl beförderte Hügel und Täler aus einem tiefen Schatten. Kleine Seen leuchteten wie silberne Scheiben, aber diese Schönheit der Natur sah Claudio nicht. Er befand sich irgendwie in einem Zustand der Schwerelosigkeit. Ohne ein Gewicht, welches ihn am Boden hielt, schien er zwischen gestern und morgen hin und her zu pendeln, für einen Moment losgelöst von seinem Leben und den Dingen, die ihm noch bevor standen.

„Bitte anschnallen, wir überfliegen jetzt den atlantischen Ozean und es könnte zu Turbulenzen kommen“, ertönte die verzerrte Stimme des Co-Piloten durch die Bordlautsprecher. Das Geräusch ließ Claudio zunächst zusammenzucken, er fing sich jedoch schnell wieder und versuchte nicht darüber nachzudenken. Der silberfarbene Airbus befand sich bereits unmittelbar über dem riesigen Ozean, als er zum ersten Mal das Plastikrollo wieder nach oben schob. Das dunkelblaue Meer versank unter ihm im bleichen Dunst der Ferne, dann zog die Maschine eine Schleife und drehte in westliche Richtung ab. In etwas weniger als zehn Stunden würde sie auf dem internationalen Flughafen Jorge Chavez in Lima landen. Vielleicht sollte er doch versuchen ein wenig zu schlafen.




Händler des Todes

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