Читать книгу Zschopautal ... da geht's der Heimat zu! - Malte Kerber - Страница 9

Vorausgedanken in Döbeln

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September ist es geworden! Der 9. September ist heute. Schnell vergingen der Frühling und der Sommer! Der Herbst beginnt! Abwandern! Abschied nehmen vom Wanderjahr 2011, in dem wir uns das große Erlebnis „Romantische Straße“ erwanderten. Nun noch einmal „Hinaus in Wald und Flur!“ Für das Zschopautal entschieden wir uns also. Die etwa 140 Kilometer, die der Fluss von seiner Quelle bis zu seiner Mündung läuft, die wollen wir ihm „entgegenlaufen“. Also flussaufwärts wandern.

Starten werden wir morgen an der Freiberger Mulde bei Technitz. Dort, wo die Zschopau ihren eigenen Lauf beendet. Das Ziel unserer Wanderung ist der Fichtelberg, an dessen Nordhang das schöne Flussmädchen ihr Quellgebiet hat. Im Vergleich zu unseren sonstigen Wanderunternehmungen handelt es sich um eine kleine Tour – was ihre Zeitdauer und die Kilometerzahl anbetrifft. Doch die Vorbereitung gestaltete sich auch diesmal recht aufwändig.

Ich hatte die Absicht, es uns nach Möglichkeit recht bequem werden zu lassen. So wollte ich die Etappen „freundlich“ gestalten. Länger als 22/23 Kilometer sollten sie nicht werden. Doch das erwies sich bei der Vorbereitung im Hinblick auf die Unterkünfte zum Teil als schwierig. Vor allem wollte ich garantiert wissen, dass wir an jedem Tagesende ein gebuchtes Quartier unserer Wahl ansteuern konnten. Unsere Vorstellung: angemessener Komfort und freundliche Zimmerpreise, die unserem Geldbeutel entsprechen.

Meine Erfahrung bei der Suche im Internet: Auch im Erzgebirge haben die Hotels und Pensionen mit einigermaßen versprochener Qualität ihren „guten“ Preis. Wir werden bald sehen, ob und wie mir die Planung und Organisation unserer Zschopauwanderung mit den genannten Prämissen gelungen ist. Was das erste Quartier hier im „Döbelner Hof“ anbetrifft, können wir die Frage positiv beantworten. Ein feines und vor allem ruhiges Zimmer konnten wir am späten Nachmittag beziehen.

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In Berlin heute Vormittag dicker und ungemütlicher Regen. Schon auf dem Weg von der Heidelberger Straße im heimatlichen Alt-Treptow zum nahe gelegenen S-Bahnhof wurden wir nass bis aufs Hemd. Wir stellten fest: Unsere alten Wanderanoraks sind hinüber. Beide brauchen wir noch für diese Tour neue Wind-/Regenjacken. Alle Sparsamkeit in Ehren!

Militärisch pünktlich standen wir auf der untersten Ebene des Berliner Hauptbahnhofs, um im Zug Hamburg – Berlin – München – Innsbruck unsere Bahncard-geschützten Plätze einzunehmen. Übrigens: Mit diesen vier Städten haben wir auch bereits Wanderbekanntschaften geschlossen. Am intensivsten selbstverständlich mit Berlin! Viele Kilometer sind wir in unserer Heimatstadt schon auf Entdeckungstouren unterwegs gewesen. Sowohl zu Fuß als auch auf den Fahrrädern. Und die Radwanderung „Rund um Berlin“ ist uns in guter Erinnerung geblieben! 550 Kilometer strampelten wir da in einer guten Woche.

Im Zug während der Fahrt nach Leipzig ein interessantes Gespräch mit einem Sachsen, der in der Nähe der Messestadt zu Hause sei, wie er mir erzählte. Er arbeite als Techniker auf der Baustelle der Elbphilharmonie in Hamburg. Auch so ein Projekt, bei dem die Kosten im Vergleich zur Planung aus dem Ruder laufen würden. Und mit den Terminen läge man schon über zwei Jahre im Rückstand, beurteilte er den Stand der Arbeiten. Er lächelte dabei ein wenig. Warum wohl?

In Leipzig mussten wir umsteigen. Immer, wenn ich die weite Halle dieses eindrucksvollen Kopfbahnhofs betrete, erinnere ich mich an meine Leipziger Studentenjahre und an meine Aspirantenzeit an der „Kalle“-Marx-Universität. So auch diesmal. Mit ein wenig Wehmut, wie ich mir gestehen muss. Da spielt vor allem der Gedanke eine Rolle, wie schnell die Lebensjahre seit damals doch vergangen sind.

Mit der kleinen Regionalbahn juckelten wir nach Döbeln. Die Industrievororte von Leipzig, die wir durchfuhren, deprimierend in ihrer Verlassenheit. Die Landschaft wurde waldiger und hügeliger. Die Freiberger Mulde meldete sich nach kurzer Zeit durch das Abteilfenster bei uns an. Bald war unser Ziel erreicht. Der Döbelner „Hauptbahnhof“ – ein Bahnhof von der verlassenen Sorte, wie sie heute vielerorts üblich sind und immer mehr werden.

Döbeln trägt wie manch andere Stadt den Beinamen „Goldene Stadt“. Nach einer kurzen Busfahrt ins Zentrum stellten wir fest, dass es sich trotzdem nicht um ein vordergründig schillerndes Exemplar seiner Art handelt. Zwischen den auslaufenden Hängen des Erzgebirges gelegen, das Zentrum von zwei Armen der Mulde umfasst, wirkt die Stadt insgesamt sehr seriös, solide und irgendwie arbeitsam. Letzteres mag an einigen schönen Beispielen der Industriearchitektur aus der Gründerzeit liegen. Eindrucksvoll das alte Häusergeviert des Marktplatzes, das Rathaus und die stolze Nicolaikirche. Von deren hohem Turm begrüßte uns beim Abendspaziergang mit feierlichen Klängen ein Posaunenchor.

Die Stadt hatte 1945 Glück. Im „Endkampf“ des totalen Krieges, den Nazideutschland vom Zaune gebrochen hatte und der nach Deutschland zurückgekehrt war, wurde sie von einigen vernünftigen und mutigen Deutschen kampflos an die Sowjetarmee übergeben. Folglich schlug ihr der Krieg fast keine sichtbaren Wunden. In diesem Zusammenhang soll sie den Beinamen „Goldene Stadt“ erhalten haben. Wir gewannen den Eindruck, dass es sich um eine „gemütliche Stadt“ handelt. Dies ist wohl auch der Tatsache geschuldet, dass in Döbeln offensichtlich schon kurz nach 18:00 Uhr die Bürgersteige hochgeklappt werden. Wenige Einheimische auf den Straßen, Touristen waren überhaupt nicht zu sehen. Aber wir fanden zum Glück noch ein „Chinesisches Restaurant“, das für uns ein magenfüllendes Abendbrot bereithielt.

Wir waren die einzigen Gäste, das Essen restaurant-chinesisch, die Abschluss-Schnäpse „auf Kosten des Hauses“. Wie üblich handelte es sich dabei nicht um Schnaps, sondern um ein Zuckerwässerchen. Das Gespräch mit der hübschen Besitzerin des Etablissements interessant und sehr freundlich. Sie erzählte uns ein wenig von ihren Geschäftssorgen und auch von Integrationsproblemen der Vietnamesen im Geschäftsleben von Döbeln.

Auf dem kurzen Weg ins Hotel freute ich mich noch einmal über das liebevoll erhaltene bzw. wiederhergestellte kleinbucklige Kopfsteinpflaster auf den Plätzen und in den Gassen. Sogar die schmalen Gleise der Döbelner Pferdebahn gibt es noch. Die traditionsreiche Bahn fährt aber nur noch auf Bestellung. Für Touristen, für Besucher der Stadt, für Hochzeitsgesellschaften oder einfach für neugierige Leute, die mal mit einer alten Straßenbahn fahren wollen.

Jetzt lege ich den Kugelschreiber gleich aus der Hand. Wie schon oft in Hotel- oder Pensionszimmer erlebt: Das Licht zum Schreiben zu dürftig, der Bildschirm des Fernsehgeräts für altersmüde Augen zu klein. Folglich: Ab ins Bett!

Ach so: Anne und ich, wir haben uns hier in Döbeln noch neue Anoraks gekauft. Die erste Jacke, welche mir angeboten worden war, konnte und wollte ich nicht mit 350 Euro bezahlen. So exklusiv kann und muss die Ausrüstung ja nicht sein! Aber wir haben doch zwei ordentliche Anoraks erworben. Unsere alten Jacken, sauber und für normalen Gebrauch noch funktionsfähig, brachten wir zur freundlichen Leiterin der Touristinformation. Sie versprach uns, diese an eine soziale Kleidersammelstelle weiterzugeben. Jetzt aber endgültig: Ruhe im Schiff!

Zschopautal ... da geht's der Heimat zu!

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