Читать книгу Familie ist nichts für Feiglinge - Malte Leyhausen - Страница 7

Einleitung

Оглавление

Das Thema Familie lässt keinen kalt. Jeder ist vor die Lebensaufgabe gestellt, sich von seinen Eltern abzulösen. Sobald Sie Ihren Stammbaum um einen eigenen Ast erweitern, dreht sich zwischen Ihren Kindern und Ihnen erneut der emotionale Kosmos um Nähe und Distanz, Bindung und Ablösung. So sehr Sie sich auch um das Wohl Ihrer Familie bemühen, Glücksgefühle und Momente der Wut, Ohnmacht und Verzweiflung bleiben zwei Seiten der gleichen Medaille. Unsere Vorstellungen, wie sich ein „vernünftiger“ Partner und „normale“ Kinder zu verhalten haben, wollen mit dem Alltag zwischen Baby, Büro und Bügelwäsche einfach nicht zusammenpassen. Würde Ihnen jemand das Rezept an die Hand geben, wie Sie es jedem recht machen können, ohne selbst auf der Strecke zu bleiben, Sie würden es bestimmt dankbar ausprobieren. Ich kann Ihnen nur eine Alternative zu unglückseligen Glücksformeln bieten: Sie erhalten in diesem Buch Hilfe zur Selbsthilfe, indem ich Sie zu einem Blick hinter den Spiegel Ihrer Erwartungen einlade. Wie entstehen Ihre Ansprüche an sich selbst und an Ihre Angehörigen? Mit welchen Stellschrauben können Sie Ihre Selbstwirksamkeit steigern?

Sie bringen Ihr Wunschbild von Familie aus Ihrer Kindheit und den kulturell überlieferten Klischees mit. Alles, was Sie über Ihre Herkunft wissen, wissen Sie aus Erzählungen, die Sie für Ihre Kinder weiterspinnen. Unter Ihren Vorfahren finden sich nach mündlicher Überlieferung Gute und Böse, Glückliche und Unglückliche, Kluge und weniger Kluge. Wir müssen abwägen, ob wir die vorgegebenen Mythen fortschreiben möchten oder ob wir unsere eigene Geschichte beginnen. Selbst, wenn Sie mit der Familientradition brechen und Ihr Ding machen, wimmelt es in Ihrer Umwelt von Ideen, wie Ihre Familie am besten aussehen sollte. Besonders bedroht ist Ihre Lebensgemeinschaft mit Kind und Kegel vom Virus der Selbstoptimierung. So sehr Sie sich auch bemühen, Ehrgeiz, Erziehung und Einbauküche unter einen Hut zu bringen: Besser geht immer. Den Auftakt des Buches macht deshalb das Märchen von der Selbstoptimierung. Hier erfahren Sie, warum Familien in die Optimierungsfalle tappen und wie sie wieder herauskommen können.

In Kapitel 2 gehen wir den kulturell überlieferten Bildern auf den Grund, die unser Verständnis von der romantischen Liebe und von Lebensgemeinschaften bestimmen. Die Idee, sich zu verlieben und eine Familie zu gründen, wird uns nicht in die Wiege gelegt. Vielmehr werden wir in einen Kanon von historisch bedingten Vorstellungen über Partnerschaft und Familie hineingeboren, der uns in Form von Erzählungen vermittelt wird. Um den kulturellen Ursprung unserer Erwartungen an die Lebensform Familie besser verstehen zu können, lohnt sich ein kurzer Blick in den Rückspiegel auf die Geschichte der Familienmodelle von Christi Geburt bis zur Gegenwart (Kapitel 3).

Anschließend nehme ich Sie mit hinter die Kulissen unserer Herstellung von Wirklichkeit (Kapitel 4). Wie erhalten die von Ihnen beobachteten Phänomene in der Familie ihre Bedeutung? Können wir die Realität überhaupt erkennen oder entsteht sie nicht erst in den Köpfen der Familienmitglieder, die ihren Wahrnehmungen eine Bedeutung zuschreiben? Mit dem hier erlernten Handwerk können Sie beliebig viele Familien-Wirklichkeiten herstellen, auseinanderbauen und neu zusammensetzen.

Mit unserem Rucksack voller Sehnsucht und Wünschen für das persönliche Liebes- und Familienglück machen wir uns auf die Suche nach dem Traumpartner. Warum scheinen wir uns immer in den Falschen zu verlieben? Und warum wiederholen sich bestimmte Probleme in Beziehungen? Unterliegen wir einem unbewussten Bindungsmuster? Die Entwicklungspsychologie erklärt dies mit unserem Bindungsstil. Deshalb beschäftigt sich das 5. Kapitel mit den vier Bindungsstilen, die unsere Partnerwahl beeinflussen und die Gestaltung der Beziehung prägen.

Hat sich Ihr Herz nach den üblichen Irrungen und Wirrungen für den passenden Lebensmenschen entschieden, kann die Beziehungskiste zusammengezimmert werden. Die Aufbauanleitung finden Sie in Kapitel 6.

Kaum hat sich das wackelige Fundament der Partnerschaft stabilisiert, bringt das erste Kind die Konstruktion ins Wanken. Das 7. Kapitel spannt den Bogen von den Konflikten der frisch gebackenen Eltern über Lösungsansätze bis hin zu den Grundbedürfnissen des Kindes und den fünf möglichen Erziehungsstilen.

In Kapitel 8 wird die Komplexität um die Dimension von Geschwistern erweitert.

Am praktischen Beispiel der fantastischen Familie Berry lernen Sie im 9. Kapitel zentrale Aspekte des systemischen Denkens kennen wie die Bedeutung des Liebesmythos der Eltern, die Funktion von Innen- und Außengrenzen im Familiensystem und die Macht von verdeckten Aufträgen zwischen den Generationen. Im systemischen Weltbild, das bei Familientherapeuten besonders beliebt ist, überliefern Geschichten nicht nur die Vergangenheit Ihres Clans, sondern sie entwerfen auch die aktuelle Wirklichkeit in Ihrer Familie. Schließlich reden Eltern und Geschwister in Form von Erzählungen miteinander und übereinander. Erst die Kommunikation zwischen den Mitgliedern macht aus den einzelnen Menschen eine Familie.

Im 10. Kapitel mache ich Ihnen ein Angebot, das Sie hoffentlich nicht ablehnen können. Ich möchte Sie dazu verführen, über Ihre Familie als soziales System zu reflektieren. Der systemische Blick erlaubt Ihnen neue Perspektiven, die Ihnen bisher verschlossene Spielräume öffnen. Durch die systemische Brille betrachtet stehen nicht mehr die einzelnen Akteure im Fokus. Vielmehr werden die wechselseitigen Beziehungen zwischen den Familienmitgliedern unter die Lupe genommen.

Wie müsste sich zum Beispiel der Rest der Familie verhalten, damit ein Kind die ersten sechs Lebensjahre kein Wort spricht? Wie wirkt es sich aus, wenn sich ein Elternteil mit dem Kind gegen den anderen Elternteil verbündet? Was passiert, wenn die Tochter oder der Sohn die Rolle des Partners einnimmt? Solche Fragen machen deutlich, wie filigran in der Familie alles mit allem zusammenhängt. Verändert sich ein Mitglied im System, verändert sich das ganze System. Umgekehrt wirkt es sich auf den Einzelnen aus, wenn sich in seiner Systemumgebung die Gewichte verschieben, weil sich zum Beispiel die Eltern trennen, ein Familienmitglied auszieht oder Ähnliches.

Mit diesem Grundkurs in Familiendynamik können Sie nachvollziehen, wie Familien sich mit der Magie der Sprache in drei Varianten erfunden haben beziehungsweise neu erfinden können: als belastete, als heldenhafte oder als selbstsichere Familie. Die Konstruktionsanleitung hierzu liefert Ihnen Kapitel 11.

Anschließend zeige ich Ihnen die „Seelische Hausapotheke für Familien“ und erläutere die bewährten Hausmittel, die Sie auf die Schnelle selbst anwenden können (Kapitel 12).

Am Ende sind Sie am Zug! Bringen Sie mit neuen Geschichten und wertschätzenden Erzählweisen frischen Wind in Ihre Familie und spielen Sie das Würfelspiel „Du kannst mir viel erzählen!“.

Malte Leyhausen

Seeheim-Jugenheim, im Sommer 2021

Familie ist nichts für Feiglinge

Подняться наверх