Читать книгу Eine verrückte Woche - Mandy Hauser - Страница 12

Erwischt!

Оглавление

Ben lief zum klingelnden Telefon. „Wer mag das sein? Vielleicht Tanja oder gar Isabelle?“, fragte er sich. Die Nummer war unterdrückt.

„Ben“, meldete er sich.

„Ja, hallo Ben, ich bin’s, Anita“, sagte die Frau am anderen Ende. „Wie geht es dir? Bist du sehr krank?“

„Ha…hallo Chefin“, antwortete Ben ganz verdutzt. Er nannte seine Vorgesetzte immer Chefin. Nie beim Vornamen. Es war eine Marotte von ihm. „Es geht, fühle mich ein bisschen schwach.“

„Bitte komm trotzdem am Nachmittag ins Geschäft. Wir ertrinken in Arbeit. Ich werde mich dann ein anderes Mal auch erkenntlich zeigen. Geht das?“

„Do..doch, Chefin, geht klar. Ich bin in einer Stunde bei euch. Bis dann.“

„Vielen Dank für dein Verständnis. Bis später.“

Ben war nicht gerade begeistert, als er unter die Dusche ging. Er fühlte sich schon schwach, aber er konnte doch der Chefin keinen Korb geben. Sie schaute immer, dass es ihren Mitarbeitern gut ging und drückte öfters mal ein Auge zu, wenn er mal ausserordentlich frei wollte.

Die Dusche und danach das Red Bull halfen ein wenig, wieder auf den Damm zu kommen. Aber er war noch lange nicht der Alte.

Missmutig schlenderte Ben zur Tramstation. Er hatte sich, wie am Vortag, mit einem Polohemd bekleidet. Es war um einiges kälter als gestern. Als er aufs Tram wartete, wurde es ihm ziemlich kalt und er erwähnte ernsthaft, nochmals nach Hause zu gehen und sich was anderes anzuziehen, etwas Wärmeres. Doch er liess es bleiben, da er in diesem Augenblick die Strassenbahn um die Ecke kommen sah.

Um diese Zeit, waren nicht so viele Leute im Tram. Er wohnte in einem Aussenquartier und die meisten Leute waren in der Innenstadt am Essen. Zudem hatte es nicht viele Bürogebäude in der Nähe.

Er setzte sich, ganz entgegen seinen Gewohnheiten, auf einen Zweierplatz auf der linken Seite, stützte den linken Arm auf die Fensterumrandung und sein Kinn in die Handfläche und schaute teilnahmslos zum Fenster raus. So beachtete er nicht die hübsche, schwarzhaarige Frau, die an der nächsten Haltestelle wartete.

Sie stieg zuhinterst ein und sah Ben sofort. Sie war in ihren schwarzen, langen Poncho mit engem Rollkragen gekleidet. Sie hatte sich geschminkt und ein verführerisches Parfum aufgetragen, welchem noch kein Mann hatte widerstehen können.

Da diese Haltestelle ein Knotenpunkt war, stiegen auch verhältnismässig viele Leute ein. Die freien Plätze waren schnell besetzt. Leila beeilte sich, schlängelte an den Unentschlossenen vorbei und setzte sich dicht neben Ben.

Mit Absicht trat sie ihm auf die Füsse. Ben wollte unwirsch antworten, als Leila sich entschuldigte, brachte aber vor lauter Staunen kein Wort heraus.

„Heilige Scheisse, das ist sie, wirklich, das ist sie, die Frau mit dem geilen Poncho“, flippte Ben gedanklich fast aus. „Welch ein Zufall…und sie setzt sich zu mir. Ich Glückpilz!“

Er hatte sich schnell gefasst und sagte: „Kein Problem. Das kann schon mal passieren. Vor allem dann, wenn ich meine Füsse nicht bei mir halten kann.“

Ben spürte die feine, weiche Wolle auf seinem rechten Arm. Er roch ihr verführerisches Parfum, sah in die grünen Augen und war hin und weg.

„Da bin ich froh, dass ich dir…ich darf doch du sagen?“

„Ja, sicher.“

„Ja? Also, dass ich dir nicht wehgetan habe“, sagte sie mit samtweicher Stimme.

„Nein, nein“, sagte Ben mit einem Ansatz von einem Kloss im Hals, „da braucht es mehr, um mir weh zu machen.“

Leila machte es sich nun recht bequem, setzte sich richtig Platz füllend hin, drückte den linken Ellenbogen raus, damit der Poncho sich noch mehr über Bens Arm legte.

Ben seinerseits machte sich auch breiter, um noch mehr von der Wolle zu spüren. Trotz seiner Schwäche spürte er seinen kleinen Ben, wie er sich zu erheben versuchte.

„Fährst du immer mit dieser Linie?“, fragte Leila.

„Ja, eigentlich schon, nur viel früher. Ich muss heute erst später zur Arbeit. Und du? Fährst du oft mit dieser Linie?“

„Ab und zu“, antwortete Leila ausweichend. „Was arbeitest du?“

„Ich bin in der Buchhaltung. Also nichts so Spannendes.“

„Buchhaltung? Da hast du viel mit Zahlen und so. Ich liebe Zahlen und Buchhaltung. Das geht immer so schön auf“, schwärmte Leila. „Da hast du es sicher sehr streng, nicht? Gerade jetzt, am Monatsanfang?“

„Ja, deshalb muss ich hin, obwohl ich eigentlich krankgeschrieben bin.“

„Du bist krankgeschrieben? Hoffentlich nichts ernstes, was Ansteckendes?“

„Nein, bin gestern nur ein wenig vers…es war mir Übel, deshalb war ich heute Morgen zuhause“, redete sich Ben raus.

Er wusste ja nicht, dass Leila Bescheid wusste, dass sie es gewesen war, die sich als Anita, seine Chefin ausgegeben hatte. Sie hatte so gegen 10 Uhr angerufen und die Buchhaltung verlangt. Direkt wurde sie zu Anita weiter geleitet. Sie gab sich als jemand von der Steuerverwaltung aus und erkundigte sich, ob ein Ben Benjamin bei ihr arbeite. Anita gab bereitwillig Auskunft und erzählte Leila, dass Ben krank sei, morgen aber zur Arbeit erscheinen werde.

„Ach so“, sagte Leila verständnisvoll. „Ich heisse übrigens Leila.“

„Leila? Ein schöner Name. Ich bin Ben. Freut mich, deine Bekanntschaft zu machen.“

Er drückte sich noch ein bisschen näher an Leila ran. Er spürte die Wolle jetzt noch intensiver als vorher. Er hatte das Gefühl, als ob sich die Wolle um seinen Arm wickle. Ihm wurde richtig warm. Es kribbelte am ganzen Arm. Ben wurde spitz, aber nicht so richtig, wie er sich das sonst gewohnt war. In solchen Momenten platzte sein Penis fast aus der Hose, doch heute wollte das Blut nicht richtig fliessen.

„Ich werde wohl gestern für eine Weile genug bekommen haben!“, dachte er und lächelte Leila an.

„Danke. Freut mich auch, deine Bekanntschaft zu machen, Ben“, flötete Leila. „Kommst du noch auf einen Kaffee? Ich muss an der nächsten Haltestelle aussteigen.“

Ben überlegte kurz, sagte dann aber mit Bedauern in der Stimme: „Leider kann ich nicht, ich werde dringend erwartet. Aber vielleicht ein anderes Mal?“

„Schade“, sagte Leila mit einem enttäuschten Gesicht. „Kann ich dich nicht irgendwie überreden?“ Sie legte ihren linken Arm auf seinen.

Ben spürte ihre Körperwärme, roch das verführerische Parfum und spürte die unheimlich anziehende Wolle, aber er konnte und durfte ihr nicht zusagen. Wenn er was versprochen hatte, dann hielt er es unter allen Umständen. Er war sehr zuverlässig. Das schätzten seine Mitmenschen an ihm. Zudem dachte er an Isabelle. Er wusste nicht, was sich daraus entwickeln würde und wollte nicht für einen kleinen Flirt etwas vielleicht Länger Währendes aufs Spiel setzen. Andererseits könnte sich ja auch mit Leila, die ihm wirklich sehr gefiel, etwas Dauerhaftes entwickeln. Aber wenn dem so sein sollte, dann würde es nicht auf nur diesen einen Kaffee ankommen. Deshalb sagte er: „Tut mir leid, Leila, aber ich kann wirklich nicht.“

Leila zog alle Register. Sie schmiegte sich an ihn und flüsterte ihm ins Ohr: „Du siehst so gut aus, ich will dich unbedingt näher kennen lernen.“

Normalerweise hätte er nicht nein sagen können, wenn eine Frau ihm ins Ohr flüsterte. Das war auch so eine erogene Zone von ihm. Doch heute blieb das ohne Wirkung, weshalb Ben, zwar mit Bedauern in der Stimme aber doch bestimmt sagte: „Leila, es tut mir leid, aber ich kann und will nicht. Ich muss dringend zur Arbeit.“

Sie sah ihn an, ihre grünen Augen blitzten auf und mit eisiger Stimme flüsterte sie ihm ins Ohr: „An der nächsten Haltestelle kommst du mit!“

Ben fuhr ein kalter Schauer über den Rücken. Er spürte, wie sich Leila seinen Arm krallte. Nein, es war nicht Leila, es war der Poncho. Der entwickelte ein Eigenleben. Ben wollte die rechte Hand wegziehen, doch die war schon von der Poncho wolle umwickelt und wurde wie mit einem Schraubstock festgehalten. Die Wolle kratzte und kribbelte sehr stark.

„Was soll das?“, fragte Ben. „Lass mich sofort los, sonst…“

„…sonst was?“ fiel sie ihm ins Wort. „Du bist in meiner Gewalt. Du musst mit mir aussteigen. Wehrst du dich, so werde ich schreien, du hättest mich angefasst. Weißt du, wie schnell wäre dann die Polizei hier. Es sieht jeder, dass du deine Hand unter meinem Poncho hast. Und, glaube mir, ich kann sehr, sehr überzeugend sein. Du würdest es so oder so nicht mehr zur Arbeit schaffen.“

Ben war ganz bestürzt. Was wollte Leila von ihm? Um einen Kaffee konnte es ganz gewiss nicht gehen. Aber, was hatte sie vor?

„Du hast die Wahl“, flüsterte Leila. Sie hatte sich im zugedreht und legte ihre rechte Hand auf seine Knie und schaute ihm in die Augen. „Entweder Polizei oder du folgst mir.“

Ben schluckte zweimal leer, schaute Hilfe suchend aus dem Fenster, wusste aber keinen Ausweg. Er konnte es sich nicht leisten, eine Vorstrafe zu haben, wegen sexueller Belästigung. Nicht in seinem Beruf.

„Also, was ist? Soll ich los schreien?“

„Nein, du hast gewonnen. Ich folge dir“, sagte Ben zerknirscht.

„Schön, bist du vernünftig. Du brauchst es auch nicht zu bereuen“, versicherte ihm Leila.

Sie standen beide auf und Ben musste ihr hinterher durch den Gang zur Türe gehen. Seine rechte Hand war im Poncho verschwunden. Es fühlte sich an, als ob er Handschuhe tragen würde. „Wie macht sie das?“, fragte er sich. „Sie muss eine Tasche eingearbeitet haben, in welche sie meine Hand rein zog.“

Er versuchte die Hand rauszuziehen, doch hielt ihn Leila zusätzlich fest. „Bemühe dich nicht, da raus zu kommen. Es wird dir nicht gelingen“, sagte sie zurückblickend.

Sie stiegen aus. Eine Haltestelle früher, als er normalerweise ausstieg. Er schaute sich um, ob er jemanden kannte. Doch er sah, zu seinem Leidwesen, niemanden. „Warum sind ‚meine’ Girls heute nicht zum Shopping unterwegs?“, dachte er.

Leila ging ziemlich schnell die Strasse entlang, Ben neben sich herziehend. Ben betrachtete die schöne, aber gar nicht mehr so nette Frau, von der Seite her. Ihre langen schwarzen Haare fielen weit über den Rücken hinab. Sie war unwesentlich kleiner als er und musste ziemlich schlank sein. Dem Vorstehen des Ponchos gemäss, musste sie jedoch ziemlich grosse Brüste haben. „Vielleicht hat sie auch noch einen dicken Bauch“, dachte Ben. Sie gefiel ihm. Sie war eigentlich sein Typ. Er roch das verführerische Parfum und schon sah er das Ganze nicht mehr so eng. „Vielleicht wird es ja ganz gut“, dachte er. „Von der Bettkante würde ich sie ganz sicher nicht stossen. Aber freiwillig sollte es schon sein.“

Er war so in Gedanken versunken, dass er gar nicht richtig mit bekam, wohin sie gegangen waren. Auf einmal standen sie vor einem alten Haus.

Wie von Zauberhand öffnete sich die Eingangstüre. Sie traten in einen dunklen Korridor. Es brannte kein Licht. Nur ein wenig Restlicht von einem entfernten Fenster brachte ein wenig Licht ins Dunkel. Gerade so viel, dass sie sehen konnten, wohin sie gingen. Leila stiess einen Flügel der verglasten Schwingtüre auf und ging mit Ben durch.

Sie gingen den Korridor entlang. Nach ein paar Metern öffnete sich zu linker Hand eine Türe.

Leila drückte Ben unter dem Türzargen durch und schubste ihn ganz in den Raum. Der Poncho löste sich von Bens Hand und ehe er sich versah, schloss sich die Türe hinter ihm. Er stand alleine in einem stockdunklen Raum, in welchem er nicht die Hand vor den Augen sah.

Eine verrückte Woche

Подняться наверх