Читать книгу PERSEUS Yarra-chi - Manfred Rehor - Страница 7
ОглавлениеKapitel 4
Ringas ungewöhnliches Raumschiff, geformt wie zwei hintereinander gesteckte Pfeilspitzen, kreiste in einem geostationären Orbit um einen Gasplaneten am Rande eines unbewohnten Sonnensystems. Sie hatte diese spezielle Umlaufbahn gewählt, weil sie so die Entfaltung der wunderbaren farbigen Sturmwirbel beobachten konnte, die in den oberen Schichten des Planeten abliefen. Allerdings war es so weit draußen im System bereits zu dunkel, um diese Schönheit mit normalen Augen sehen zu können. Die Sonne war zu fern. Aber Ringa verfügte über besondere Möglichkeiten, was das betraf.
Sie hätte auch die Monitore in der Zentrale ihrer Purity nutzen können. Doch sie genoss es, direkt durch die Panzerglasfenster zu sehen. Die Lichtverstärkung ihrer künstlichen Augen zeigte ihr alles in größter Farbenpracht und minuziösestem Detail.
„Idiot!“, sagte sie, als ein schwarzes Objekt in einem niedrigeren Orbit durch ihr Sichtfeld raste. Es dauerte nur Sekunden, bis es wieder verschwunden war, weil es sehr tief und schnell um den Planeten kreiste. Aber es zeigte ihr erneut, dass sie hier nicht alleine war.
Sie kalkulierte mit Hilfe ihrer Implantate die Bahn des anderen Schiffes. Tatsächlich, Gorrr hatte den Kurs seiner Karuddh absichtlich so geändert, dass er durch ihr Blickfeld flog. Was dachte sich der Kerl? Und warum war er immer noch hier?
Verärgert schaltete sie den Funk ein.
„Gorrr, ich dachte, du wärst längst aus diesem System verschwunden“, sagte sie.
Das Bild des H’Ruun erschien auf dem Monitor. Sein Äußeres glich dem eines nackten, schwarzen Hundes. Hinter jedem der beiden Ohren trug er ein Metallkästchen, das ihn mit der KI seines Schiffes verband. H’Ruun konnten nur intelligent agieren, wenn sie in großen Gruppen beisammen waren. Alleine fielen sie fast auf die Stufe eines Tieres zurück. Die kleinen Geräte, Koppler genannt, verhinderten das. Nur so war es Gorrr möglich, ohne zwei Dutzend seiner Artgenossen um sich herum zu haben, ein Raumschiff zu steuern oder sich mit Ringa zu unterhalten.
Der H’Ruun knurrte, bevor er sagte: „Ich bin mit deinem Vorschlag nicht einverstanden. Das habe ich bereits mehrmals deutlich gemacht. Getrennt zu fliegen, ohne zu wissen, wo das andere Schiff ist, birgt zu große Risiken. Ich weiß, wovon ich rede.“
„Meine Purity ist konstruiert worden, um jeder Gefahr zu trotzen“, konterte Ringa. „Und ich selbst bin auch nicht so leicht umzubringen wie normale Menschen. Falls du dir Sorgen um dein eigenes Leben machst, dann kehre doch einfach zurück zu einem der bekannten Planeten. Oder gleich in die Perseus-Kolonie.“
Sie sah, wie die Ohren des H’Ruun zuckten, als würde er etwas Ungewöhnliches in seiner Umgebung hören. Was aber nicht sein konnte, denn er war auf seiner Karuddh genauso alleine wie sie auf ihrem Schiff.
„Du sprichst, als wärst du gegen alle Fehler gefeit“, sagte Gorrr schließlich. „Genau das macht dich verwundbar.“
„Nur weil du dich einmal hast fangen lassen, bedeutet das nicht, dass mir so etwas auch unterlaufen wird“, beharrte Ringa. Sie wusste, dass sie trotzig klang. Aber sie ließ sich die Purity bauen, um neue Bereich des Perseus-Arms zu erkunden - alleine. Nicht, um mit einem auf Sicherheit bedachten H’Ruun gemütlich von Planet zu Planet zu zuckeln in der Hoffnung, irgendwann und irgendwo etwas zu entdecken, das für sie nützlich und gewinnbringend sein könnte.
„Nehmen wir an, außer uns wäre ein weiteres Raumschiff in diesem Sonnensystem. Vor kurzem hier aufgetaucht, ohne dass es dir aufgefallen ist.“
„Das wird nicht geschehen, weil meine Ortungsgeräte mindestens so gut sind wie deine!“, sagte Ringa zunehmend genervt.
Gorrr zog die Lefzen hoch wie ein Hund, der bösartig knurrt, und er stieß einige unverständliche Laute aus. Ringa kannte ihn inzwischen gut genug, um zu wissen, dass er das für eine Imitation menschlichen Lachens hielt.
„Was ist?“, fragte sie kurz.
„Ein Schiff ist vor drei Minuten materialisiert. Auf der anderen Seite der Sonne und mit auffallend geringen Energiewerten. Womöglich haben die Ortungsgeräte deiner Purity das Signal für eine Störung gehalten.“
Ringa fuhr herum und starrte die Konsolen in der Zentrale ihres Schiffes an. Sie brauchte nicht die einzelnen Messwerte abzurufen. Stattdessen ließ Sie die Daten in den Computerteil ihres Gehirns überspielen und wertete sie selbst noch einmal aus.
Der H’Ruun hatte recht. Es hatte ein vergleichsweise winziges Ortungssignal gegeben, das von der KI ihres Schiffes als irrelevant eingestuft worden war. Aber wenn man es genauer analysierte, konnte es auf ein Raumschiff hindeuten, das hier eingetroffen war. Allerdings mit einem Hypersprungantrieb, der weder dem der Menschen, noch dem ähnlichen der H’Ruun glich.
„Der Punkt geht an dich“, gab sie zu. „Ich werde meine KI nachjustieren, was die Bewertung von Messergebnissen angeht. Aber da du so gut in allem bist, kannst du mir vermutlich sofort sagen, um was es sich handelt.“
„Es ist jedenfalls nichts, was wir kennen. Auch kein Schiff der Scarabs. Die tauchen sowieso nur in Flottenverbänden auf und haben ganz andere Ortungssignaturen. Ich würde sagen, es ist jemand, der wie wir Hypersprungkristalle benutzt, um interstellare Entfernungen zu überbrücken, aber mit einer optimierten Technologie.“
„Eine unbekannte intelligente Rasse?“ Ringa malte sich die Chancen und Risiken einer solchen Begegnung aus. Sie könnte die erste menschliche Handelspartnerin der Fremden sein und schnell sehr reich werden. Oder deren erstes Opfer und noch schneller tot sein.
„Sehen wir nach“, schlug Gorrr vor. „Übrigens entsprechen die Emissionen, die ich jetzt messe, durchaus denen von Fusionsreaktoren, wie sie bei Menschen üblich sind.“
Ringa empfing diese Messwerte inzwischen auch. Sie zeigten, dass das fremde Schiff auf einen Punkt unterhalb der Planetenebene zu beschleunigte. Wenn es diesen Kurs beibehielt, würde es dem Gasplaneten, um den die Purity und die Karuddh kreisten, kaum näher kommen.
„Sieht so aus, als kenne der Fremde einen Sprungpunkt in diesem System“, sagte sie. „Er ist nur auf der Durchreise. Ich schlage vor, wir bleiben hier und beobachten ihn, bis er verschwindet. Dann warten wir ein paar Stunden und nutzen denselben Sprungpunkt.“
„Das würde bedeuten, dass wir seine Bahn extrem genau vermessen können und dass die Sprungenergie, die er benötigt, exakt genauso berechnet wird, wie es unsere Triebwerke tun.“
Langsam nickte Ringa. Das stimmte, sie setzte zu viel voraus. „Dann nähern wir uns eben an“, sagte sie. „Die Tarnvorrichtungen unserer beiden Schiffe sind überdurchschnittlich gut. Sogar die Scarabs konnten sie nicht orten. Also wird es auch dem Fremden nicht gelingen, solange wir die Triebwerke nicht zu stark aufdrehen und deshalb zu viel Energie verbrauchen.“
„Einverstanden.“
Die beiden Raumschiffe verließen ihren jeweiligen Orbit und beschleunigten aus der Planetenebene heraus. Allerdings würden sie nicht mit dem Fremden zusammentreffen, denn der war schneller und bereits näher an der Sonne als sie. Trotzdem verbesserte sich nun das, was die Ortung empfangen konnte, mit jeder Stunde.
Geduldig saß Ringa im Pilotensitz und wertete die Ergebnisse aus.
„Ein ziemlich großer Kasten“, sagte sie zu sich selbst. „Mindestens so viel Masse wie ein von Menschen gebautes Schlachtschiff. Aber natürlich bei weitem nicht das Niveau, das die größten Einheiten eines H’Ruun-Konglomerats aufwiesen.“
Zwischen ihrem Schiff und der Karuddh gab es nun eine Laserfunkstrecke, die durch eine Lücke im optischen Tarnfeld aufrecht erhalten wurde. Gespräche waren damit nur mit lästigen Verzögerungen möglich, deshalb beließen sie es dabei, Messwerte auszutauschen. Denn ihre beiden Raumschiffe flogen nicht exakt den gleichen Kurs, sondern bewegten sich in einem spitzen Winkel auseinander. Messergebnisse aus unterschiedlichen Positionen hatten kombiniert einen viel höheren Informationsgehalt, als es sonst der Fall gewesen wäre.
Nach einem halben Tag waren sie nahe genug, um aus der Hintergrundabdeckung von Sternen und unscharfen Teleskopaufnahmen ein grobes Abbild des Schiffes berechnen zu können. Es sah aus wie ein Schlachtschiff aus der Flotte der Perseus-Kolonie, war aber deutlich größer und wies etwas mehr Masse auf.
Ringa runzelte die Stirn. Größer bedeutete mehr Volumen. Dass die Masse nicht proportional dazu größer war, ließ sich nur auf zwei Weisen erklären. Entweder, die Fremden hatten viele Hohlräume im Schiff, etwa leere Hangar. Oder sie verwendeten für die Hülle ein Material, das leichter war als alles, was die Menschheit kannte. Das wäre dann ziemlich wertvoll, vorausgesetzt es wies dieselbe Stabilität auf. Hier deutete sich ein Riesengeschäft an - falls ihre Vermutung zutraf und falls es zu einem Handel kam.
Schließlich sprang der Fremde in den Hyperraum. Alle Messwerte dieses Vorgangs entsprachen denen eines menschlichen Schiffes, jedoch war der Energieausstoß so gering wie bei einem kleinen Raumschiff.
Die Purity und die Karuddh gaben ihre Funkstille auf und tauschten nun ihre Messergebnisse mit großer Geschwindigkeit aus.
„Okay, entweder jemand imitiert unsere Schiffe oder es handelt sich um eine Neuentwicklung, die von einer menschlichen Werft stammt“, folgerte Ringa.
„Finden wir es heraus. Den Sprungvektor des Schiffes konnten wir hinreichend genau vermessen. Wenn ich die Energie zugrunde lege, die es aufgewendet hat, kommen nur zwei Sonnensysteme als Ziele in Frage. Das eine ist knapp innerhalb der Sprungreichweite der Karuddh, das andere etwas zu weit entfernt. Wie sieht es mit der Purity aus?“
„Ebenso“, musste Ringa zugeben. Es hätte ihr gefallen, wenn sie den H’Ruun in diesem Punkt übertrumpfen konnte, aber dem war nicht so.
„Also fliegen wir das näher gelegene System an. Vorher müssen wir noch per Fernortung und Optikauswertung feststellen, ob es sicher ist, dorthin zu springen.“
Diesmal hatte Ringa nichts gegen die Vorsicht des H’Ruun einzuwenden. Hyperraumsprünge in unbekannte Sonnensysteme waren immer mit einem erheblichen Risiko verbunden. Befand sich an der Stellen, an der man materialisierte, ein festes Objekt, so würde das Raumschiff im Sekundenbruchteil seines Auftauchens zerstört werden. Zwar waren Sonnensysteme vom menschlichen Standpunkt aus betrachtet meist extrem leer. Aber es gab auch Gebiete wie Asteroidengürtel, die tödliche Fallen sein konnten.
Einen halben Tag brauchten sie, bevor sie genügend Informationen hatten, um den Sprung riskieren zu können. In dieser Zeit manövrierten sie ihre Schiffe bereits auf den Kursvektor, auf dem der Fremde geflogen war. Als die Entscheidung fiel, ihm zu folgen, reichten wenige weitere Minuten, dann leiteten beiden den Hypersprung ein.
Sie gelangten in ein ziemlich durchschnittliches Sonnensystem mit einer kleinen, weißen Sonne, um die vier Riesenplaneten kreisten. Keiner war für Leben geeignet.
„Jetzt müssen wir nur noch herausfinden, ob der Fremde hier ist“, meinte Ringa.
„Wenn seine Ortungsgeräte gut sind, hat er unser Eintreffen bemerkt“, erwiderte Gorrr. „Ist er aggressiv, wird er uns stellen. Ist er vorsichtig, schaltet er seine eigenen Tarnvorrichtungen ein und macht sich unsichtbar.“
„Dann brauchen wir viel Geduld.“
Maßnahmen, die verhinderten, dass ein Raumschiff geortet oder optisch erfasst werden konnte, waren immer nur für einen begrenzten Zeitraum anwendbar. Der Grund dafür war der immense Energieaufwand, den sie bedeuteten. Wobei ein Teufelskreis entstand: Den hohen Energieverbrauch konnte wiederum leichter orten, er musste seinerseits verborgen werden, was noch mehr Energie für die Anti-Ortungsanlagen verlangte. Deshalb gab es keine perfekte Tarnung. Ein Rest blieb immer übrig, da unendlich viel Energie notwendig wäre, um ein Objekt vollständig abzuschirmen. Es gab aber eine Obergrenze, die ein Raumschiff dafür aufwenden konnte, und das war die maximal erzeugbare Leistung seiner Reaktoren. Es war nicht möglich, diesen Aufwand unbegrenzt lange aufrecht zu erhalten.
Da sie keine Spuren des fremden Schiffs entdeckten, gaben sie schließlich die Suche auf. Sie scannten das zweite in Frage kommende System. Wenige Stunden genügten, denn es war nur vier Lichtjahre entfernt und schien lediglich aus der Sonne und einem weit draußen kreisenden Gesteinsring zu bestehen. Als ein Sprungvektor feststand, beschleunigten die beiden Schiffe.
Als sie kurz davor waren, in dieses nächste System zu springen, fiel Ringa doch noch etwas an den aktuellen Messwerten auf. „Stopp! Wir bleiben hier!“, rief sie.
„Was ist?“, fragte Gorrr.
„Tarnung wieder einschalten, wir unterhalten uns über Laserverbindung“, forderte Ringa.
Die Purity und die Karuddh näherten sich einander soweit an, dass keine lästig lange Verzögerung bei dieser Art der Kommunikation eintrat. Dann erst sagte Ringa: „Einer der Gasriesen hat ein ungewöhnliches Energiespektrum. Außerdem stimmt etwas mit dem Magnetfeld nicht.“
„Das habe ich gesehen. Bei Planeten dieser Größe kann das vorkommen.“
„Richtig. Aber schau dir das Spektrum der Monde an.“
„Du meinst, sie könnten bewohnt sein? Ich sehen keine Energieemissionen oder andere Hinweise darauf, dass dort Technologien eingesetzt werden.“
„Ja. Aber wenn du dir das Energiefeld des Riesenplaneten und sein Magnetfeld grafisch anzeigen lässt, wird dir auffallen, dass jeder Mond gewisse Abweichungen darin verursacht. Bis auf einen.“
Nach einer kurzen Gesprächspause stimmte Gorrr ihr zu. „Du hast recht. Der Mond hat fast denselben Durchmesser wie die Planeten, die von Menschen bevorzugt besiedelt werden. Er müsste ein eigenes Magnetfeld aufweisen, das mit dem des Gasriesen interagiert.“
„Entweder er hat eine ganz andere innere Struktur als ähnlich große Himmelskörper, oder es gibt eine Form von Abschirmung. Ich schlage vor, wir fliegen hin und sehen ihn uns genauer an.“
„Einverstanden.“
Beide Raumschiffe beschleunigten mit Werten, die von ihren Tarnvorrichtungen noch vertuscht werden konnten. Dabei suchten sie mit Hilfe der passiven Ortung ununterbrochen das Sonnensystem ab und beobachteten den verdächtigen Mond.
Dann gingen sie auf Gegenbeschleunigung und kamen eine AE von dem Gasriesen entfernt relativ zu ihm zum Stillstand. Der Mond umkreiste den Zentralplaneten in einem Abstand von rund einer Million Kilometern und benötigte für einen Umlauf neun Tage.
„Zu weit von der Sonne entfernt, um genug Licht von ihr zu empfangen“, sagte Ringa, während sie die optischen Aufnahmen der Oberfläche betrachtete. „Deshalb keine Vegetation und keine sonstigen Spuren von Leben. Ein kahler Gesteinsbrocken, wie nicht anders zu erwarten.“
„Auch Menschen werden Kolonialwelten haben, auf denen sie ihre Siedlungen unterirdisch anlegen. Wir müssen die Teleskopaufnahmen von unseren KIs nach verräterischen Stellen an der Oberfläche absuchen lassen, die auf ...“ Gorrr unterbrach sich. Dann fuhr er fort: „Schau mal, was dem Mond in zwei Millionen Kilometern Abstand auf derselben Umlaufbahn folgt.“
„Verdammt!“, rief Ringa. „Du hast es eine Sekunde früher entdeckt als ich.“
„Eine filigrane Struktur aus Metall und Kunststoff. Schwer zu orten, aber eindeutig künstlich errichtet. Geringer Energieverbrauch, der im Strahlungsschauer des Riesenplaneten nicht auffällt.“
„Das könnte eine Werft sein“, sagte Ringa. „Derzeit ist dort nicht viel los, deshalb verbraucht sie wenig Energie.“
„Oder man hat unsere Anwesenheit hier im System bemerkt und alle unnötigen Energieverbraucher heruntergefahren.“
„Näheren wir uns dem Ding an?“
„Ich würde es für besser halten, eine geschützte Position zu finden und weiter zu beobachten“, sagte Gorrr. „Irgendwann werden sie annehmen, dass wir weitergeflogen sind, und den normalen Betrieb wieder aufnehmen.“
„Irgendwann?“, rief Ringa empört. „Wie lange willst du warten. Wochen? Monate?“
„Warum nicht?“, fragte der H’Ruun zurück.
Ob er tatsächlich bereit war, so viel Zeit zu opfern, oder sie nur reizen wollte, wusste Ringa nicht. Also schlug sie vor: „Wir könnten den Eindruck vermitteln, wir würden weiterreisen. Du fliegst zum Rand des Systems und springst zu dem nächsten Ziel, das wir bereits ausgemacht haben. Sie werden den Hypersprung orten und annehmen, wir wären beide weg. Dann geben sie ihre Tarnung auf und ich kann beobachten, was dort vor sich geht.“
„Eine gute Idee“, gab Gorrr zu ihrer Überraschung sofort zu. „Aber ich schlage vor, wir warten hier vorher zwei oder drei Tage ab. Wir können die Zeit nutzen, um die übrigen Monde dieses Planeten und diejenigen der anderen Riesenplaneten mit Hilfe passiver Ortung genauer zu untersuchen. Einschließlich kleinerer Objekte, die sich ebenfalls dort befinden könnten.“
„Du meinst, mehrere Monde hier sind womöglich bewohnt?“
„Unter der Oberfläche spielen Faktoren wie Atmosphäre, Terraformung und so weiter keine Rolle. Jeder feste Himmelskörper ist prinzipiell für diese Art der Besiedlung geeignet. Sie wird von euch Menschen jedoch selten genutzt, weil ihr eine angeborene Vorliebe für Licht und freie Landschaften habt. Wie wir H’Ruun übrigens auch. Aber wir mussten das schon vor langer Zeit überwinden.“
Zwei Gedanken schossen Ringa durch den Kopf. Zum einen dachte sie an die Konglomerate der H’Ruun, deren riesige Raumschiffe sich bevorzugt in Asteroidenringen versteckten. Eine ganze Zivilisation auf dieser Grundlage über Jahrhunderte stabil zu halten, wäre für Menschen unmöglich. Andererseits lebten auch einige der Prospektoren, zu denen sich Ringa früher manchmal gezählt hatte, auf Planeten, die keine atembare Atmosphäre aufwiesen. Sie nutzten das sogar gezielt dazu, sich unliebsamen Besuch vom Leib zu halten. Ein Beispiel dafür war der Planet Brodersen, wo sich die Menschen unter einer Metallkuppel angesiedelt hatten, die über einen riesigen Krater gespannt war.
Sie stimmte also Gorrrs Vorschlag zu. Allerdings konnten die Schiffe nicht für mehrere Tage ihre Tarnvorrichtungen aktiv halten. Deshalb zogen sie sich an einen Ort zurück, der wegen starker Strahlung und Magnetfeldern gut vor Entdeckung schützte - auch wenn dort umgekehrt die Ortung erschwert war: Sie flogen zu einer Position über dem Pol des Gasriesen.
Es dauerte zwei Tage, bis sie ein weiteres künstlich geschaffenes Objekt entdeckten. Es umkreiste den Gasplaneten auf einer deutlich niedrigeren Umlaufbahn als der verdächtige Mond, lief aber völlig synchron mit diesem. Folglich musste das Gebilde über einen Antrieb verfügen, dessen Aktivität von der Störstrahlung überlagert und so für die Instrumente unsichtbar gemacht wurde.
Dann geschah etwas, mit dem sie nicht gerechnet hatten: Ein Frachtschiff materialisierte. Sein Aufbau und die Energieabstrahlung seiner Triebwerke entsprachen genau dem Typ, den die Trader zwischen den unabhängigen Kolonialplaneten verwendeten. Das Schiff schickte einen Hyperfunkruf ab, der von dem Mond beantwortet wurde.
Wenige Augenblicke später konnte Ringa auf ihren Monitoren sehen, wie dort Energieanlagen anliefen. Die Teleskope zeigten bald darauf Bilder von seiner veränderten Oberfläche. Große, ebene Flächen wurden sichtbar, die Abdeckungen von Einflugöffnungen zu sein schienen.
Der Frachter brauchte weitere zwei Tage, um in einen Orbit um den Mond zu gelangen. Aus einer der Öffnungen stiegen Shuttle auf, die Container von dem Schiff abholten und neue brachten.
Nun konnten Ringa und Gorrr auch den Funkverkehr abhören. Der Mond trug den Namen Kerrere und seine Bewohner redeten von ihm, als wäre er ein Planet. Diese Bewohner waren Menschen, die sich in nichts von anderen Menschen unterschieden. Es kam ein weiteres Frachtschiff, während das zuerst eingetroffene das System wieder verließ. Von Kerrere aus brachten kleine Transportraumschiffe Waren zu den beiden künstlichen Strukturen, bei denen es sich wirklich um Werften handelte.
Über eine Woche lang beobachteten sie geduldig, wie sich das Alltagsleben in diesem System wieder normalisierte, nachdem die Tarnung des Mondes aufgehoben worden war. Tatsächlich hatte man also das Auftauchen ihrer beider Schiffe im System geortet. Nun ging man aber davon aus, dass sie weitergeflogen waren und man ihre Sprungsignaturen nur nicht mitbekommen hatte. Dass jemand so lange in einem Versteck ausharrte, um Kerrere auszuspionieren, konnte man sich nicht vorstellen.
„Seltsam leichtsinnig sind die Leutchen dort“, sagte Ringa.
„Als könnten sie sich nicht so recht vorstellen, dass ihnen jemand etwas Böses tun will“, ergänzte Gorrr.
„Oh!“ Ringa schlug sich mit der Hand an die tätowierte Stirn. „Natürlich! Dort unten muss ein Scarab sein, der die Menschen beeinflusst. Das haben wir auf mehreren Planeten erlebt.“
„Richtig. Ob seine Pyramide auf der Oberfläche steht?“
„Unwahrscheinlich, wenn die Menschen unter ihr leben“, meinte Ringa. „Aber wir können ja die Aufnahmen noch einmal durchgehen und nach Auffälligkeiten suchen.“
Es dauerte nicht lange, dann entdeckten sie die stufenförmige Struktur einer Pyramide im Zentrum eines Kraters auf Kerrere. Damit waren alle Zweifel beseitigt. Sie hatten einen weiteren Knotenpunkt im Netz der von Scarabs unterjochten menschlichen Welten entdeckt.