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Ein Plädoyer für den offenen Appell
ОглавлениеAppelle sind die Aufforderung, ein Verhalten zu ändern oder ein bestimmtes Verhalten zu zeigen. Ein einfaches Wort macht Appelle viel erträglicher: das Wort „Bitte“. Mit dem Wort „Bitte“ verleihen Sie dem Appell eine wesentlich andere Energie. Zum Beispiel: „Bitte hilf mir bei der Arbeit“ im Vergleich zu „Hilf mir bei der Arbeit!“.
Geben Sie keine Appelle auf der Gefühlsebene: „Sei freundlich“, „Bitte lache wieder einmal“ etc. Emotionale Stimmung können wir nicht „verbiegen“, Gefühle sollen wir nicht unterdrücken. Bitte vermeiden Sie solche „Befehle“.
Mein Appell an Sie: Seien Sie offen und äußern Sie direkt Ihre Wünsche. Leichter gesagt als getan!? Stimmt, offene Appelle sollten nicht unüberlegt platziert werden.
Dazu einige Tipps:
1. Appelle ohne Blick zurück
Blicken Sie als Sender mit Ihrer Aufforderung nicht in die Vergangenheit. Denn dadurch ist oft ein Vorwurf verbunden, der die Atmosphäre verschlechtern kann.
BEISPIEL
„Kannst du mir zumindest heute bei der Hausarbeit helfen?“ (Vorwurf, dass in der Vergangenheit selten geholfen wurde.)
Besser: „Bitte hilf mir bei der Hausarbeit!“
2. Appelle mit Information
Appelle sind rasch gesprochen – oft auch unüberlegt. Jedoch, was will ich erreichen? Am besten sind Appelle, die mit einem „Ja“ oder „Nein“ beantwortet werden können. Denn dadurch erkenne ich, ob der Appell auch mit allen notwendigen Informationen versehen war.
Eine Bekannte von mir leitet ein Unternehmen. Bei einem Gespräch verlangte Sie von mir Unterstützung bei der Bilanzierung. Ihre Worte: „Ich brauche Unterstützung bei der Bilanzerstellung. Ich möchte dich jedoch nicht belasten, weil du selbst sehr viel zu tun hast. Noch dazu weiß ich nicht, ob du diese Arbeit auch machen möchtest.“ Es folgte ein langer Diskurs über Arbeitsüberlastung, Burn-out, die Tücken der Bilanzerstellung und vieles mehr.
Zielführender hätte ihr Appell gelautet: „Mein Steuerberater hat eine Bilanz erstellt. Du kannst Bilanzen lesen – ich bitte um deine Kontrolle.“
3. Verantwortung des Empfängers
Bleiben wir bei unserem Bilanz-Beispiel. Wie hätte ich auf diesen offenen Appell reagieren können? Stimmt, mit einem „Ja“ oder „Nein“!
Natürlich ist meine Bekannte enttäuscht, wenn ich ablehne. Dazu gehört auch Mut und Klarheit in der Sprache. Nach dem Motto: „Bei dem weiß ich SOFORT, wie ich dran bin“ – schon einmal gehört? Für den Empfänger von Botschaften noch einen Tipp: Auch wenn Sie die Aufforderung ablehnen, sagen Sie, dass Sie den Wunsch positiv finden.
„Freut mich, dass du mich direkt darauf ansprichst. Ich habe jedoch morgen einen Termin, auf den ich mich heute noch vorbereiten werde.“
Manche von Ihnen werden einwenden, dass dadurch versteckte Konflikte sichtbar werden könnten, nach dem Motto: „Du hast nie Zeit, wenn ich dich brauche.“ Ich begegne solchen Einwänden mit einer Aussage des Psychologen Schulz von Thun: „Der offene Appell begünstigt eine klare Lösung und eine ‚klare‘ Luft, in der sich atmen und leben lässt.“