Читать книгу Klein, aber (nicht immer) fein - Teil 1 - Manfred Stuhrmann-Spangenberg - Страница 14

Transit I – Schweiz: Ich verrate Ihnen das Bankgeheimnis

Оглавление

Reist man vom Großherzogtum Luxemburg über die freie Republik Saugeais ins Fürstentum Liechtenstein, dann kommt man so gut wie sicher durch das Land, in dem wahrscheinlich mehr Geheimnisträger leb(t)en, als in jedem anderen Land der Welt: die Schweiz! Einen dieser Hüter des früher einmal möglicherweise geheimsten Geheimnisses aller Geheimnisse besuche ich, auch wenn der Mann seine aktive Karriere bereits beendet hat. Na klar, mein Freund Urs war früher einmal Banker, und das Bankgeheimnis ist nicht mehr so geheim wie zu der Zeit, als Urs noch für ein paar der bekanntesten Schweizer Banken tätig war. Zwar hatte der damalige Finanzminister der Schweiz, Hans-Rudolf Merz, im Jahre 2008 noch verkündet: „an diesem Bankgeheimnis werdet ihr euch die Zähne ausbeißen“, aber heute kann man mit Fug und Recht behaupten, dass das Schweizer Bankgeheimnis spätestens im Jahre 2017 beerdigt wurde, als die Schweiz begann, im Rahmen des automatischen Informationsaustausches (AIA) Finanzdaten ins Ausland zu liefern (und ebensolche zu erhalten).

Urs hat eine bewegte Zeit als Banker erlebt. Er war in den siebziger Jahren lange für eine eidgenössische Großbank in Kolumbien tätig, wirklich ein gefährliches Pflaster. „Am gefährlichsten war es, als ein Schweizer [sic!] in unserer kolumbianischen Niederlassung mit einem Messer auf mich los ging.“ Es konnte nie ganz geklärt werden, was der nicht ganz zurechnungsfähige Angreifer mit seiner Attacke bezweckte, aber es ist eher unwahrscheinlich, dass er Urs zwingen wollte, das Bankgeheimnis zu lüften. Wie in der Schweiz, so war auch in Liechtenstein das Bankgeheimnis lange tabu. Man berief sich hier wie dort auf die gültige Gesetzeslage, die zwar Steuerbetrug, nicht aber Steuerhinterziehung unter Strafe stellte. Die Internationale der Steuerhinterzieher pilgerte in Scharen in die beiden Alpenländer, um dort daheim nicht–versteuertes Kapital diskret und sicher zu bunkern. Nummernkonten und Schließfächer sind immer noch sehr begehrt, aber es ist möglicherweise heute etwas weniger wahrscheinlich als zur aktiven Zeit von Urs, dass sich Kunden in der Bank bis auf die Unterwäsche entkleiden, um bündelweise Banknoten aus Unterhosen und dem BH hervorzuzaubern, wenn sie ein Nummernkonto in der Schweiz eröffnen möchten. „Das Geld roch recht unangenehm und meine Mitarbeiterin an der Kasse war überhaupt nicht begeistert, als sie die zerknüllten Scheine glätten und zählen musste.“

Da Urs gerade dabei ist, erzählt er gleich noch eine Anekdote. Die sowohl räumliche Nähe von Liechtenstein zur Schweiz, als auch die lautliche Ähnlichkeit von Liechtenstein und der etwa 50 km davon entfernten Ortschaft Lichtensteig im Kanton St. Gallen kann nämlich zu kuriosen Verwechslungen führen: „Ein Kollege aus einer Bankfiliale in Lichtensteig hatte eines Tages Besuch von einem Amerikaner mit 100.000 Dollar cash, der sagte, dass er gern ein Konto eröffnen möchte. Das war seinerzeit Gang und Gäbe. Der Kollege war erfreut und fragte den Amerikaner, ob der denn irgendeine Beziehung nach Lichtensteig hätte. Ja, das sei doch bekannt, dass Lichtensteig eine Steueroase sei und dass das Geld hier sehr sicher sei usw., woraufhin der Kollege dem Mann zustimmte. Mein Kollege hat diesen Kunden nach der Kontoeröffnung nie wieder gesehen, vielleicht sucht der sein Geld jetzt immer noch in Liechtenstein!“

Dazu passend noch eine weitere Anekdote: „Mich fragte mal ein Amerikaner nach den Möglichkeiten, für sein Testament eine Stiftung in Leichenstein zu gründen, um seinen letzten Willen dort besser durchsetzen zu können als zu Hause in den USA. Ich dachte mir, dass Leichenstein eigentlich kein schlechter Name für diesen Wunsch sei.“ Der Kunde war ansonsten recht gut informiert. Wenn man in Amerika (oder in Deutschland) eine Stiftung gründet und sein Geld dort einzahlt, dann bekommt man dieses nicht wieder zurück, da man es ja – zumeist für einen guten Zweck – gestiftet hat. Aus einer Familienstiftung in Liechtenstein kann man sein Geld jederzeit wieder zurückholen, bzw. das Familienvermögen sichern. Man kann, bzw. konnte, in so einer Stiftung auch sein Testament so abfassen, dass die sonst üblichen Pflichtquoten (zum Beispiel das Pflichterbe für den „missratenen Sohn“) ausgehebelt werden. Vielleicht wollte Herr Zumwinkel, der frühere Chef der Deutschen Post, ja auch nur dafür sorgen, dass seine Haushälterin per Testament gut versorgt wird, als er mithilfe der LGT Bank einen – wohl leider unversteuerten – Millionenbetrag in eine Stiftung in Liechtenstein investierte. Details über das Familienleben Herrn Zumwinkels sind mir nicht bekannt. Der Deal flog aber dann doch auf (CDs mit den Daten vieler „Stifter“ wurden von deutschen Behörden aufgekauft, Sie werden sich erinnern, liebe Leserinnen und Leser) und Herr Zumwinkel wurde zu einer eher milden zweijährigen Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt. Heute wäre, nicht zuletzt aufgrund des o. g. AIA, eine Affäre Zumwinkel in Liechtenstein praktisch nicht vorstellbar.

Als ich mit Urs darüber spreche, dass die Schweiz unter den sogenannten Steueroasen den ersten Platz einnimmt, jubelt er sarkastisch und voller Begeisterung. „Super, wir sind Weltmeister!“ Ich habe ihm gerade den Financial Secrecy Index (FSI) 2018 gezeigt, der seit einigen Jahren vom internationalen Tax Justice Network herausgegeben wird. Luxemburg stand in diesem Ranking übrigens 2011 noch auf dem dritten Platz und ist jetzt auf Platz 6 zurück gefallen und mit Guernsey (10.), Jersey (18.), Malta (20.) und Zypern (20.) belegen einige meiner Reiseziele beachtliche vordere Plätze. Liechtenstein rangiert auf einem äußerst bescheidenen 46. Platz, noch hinter der Isle of Man (42.), aber vor Vanuatu (66. Platz). Vanuatu steht allerdings vor Antigua and Berbuda (2.) und den Bahamas (3.) auf dem ersten Platz, wenn es ausschließlich um finanzielle Geheimnistuerei geht und die Größe des Landes außen vorgelassen wird (diese wird im Gesamtergebnis aber berücksichtigt, da sie sich auf den finanziellen Schaden für die Welt auswirkt).

Transparency International und andere NGOs halten sicherlich deutlich mehr von der Aussagekraft des FSI als Urs oder andere Finanzexperten, wie es mit Statistiken halt so ist. Für die allgemeine Öffentlichkeit steht die Schweiz somit an der Spitze der Steueroasen. Haben wir ja schon immer gewusst, natürlich, immer diese Schweizer! Wir Deutschen hingegen, wir sind sauber. Das sah ja bereits im Jahre 2009 der damalige deutsche Finanzminister Per Steinbrück ganz genauso, als er von der Schweiz die Herausgabe von Listen mit den Namen deutscher Bankkunden forderte und im Interview erklärte: "Dass eine solche Liste erarbeitet werden könnte, (…) ist umgangssprachlich formuliert, die siebte Kavallerie im Fort Yuma, die man auch ausreiten lassen kann. Aber die muss nicht unbedingt ausreiten. Die Indianer müssen nur wissen, dass es sie gibt."

Nun, es kam bekanntermaßen dann doch nicht zu einem Kavallerie-Angriff des in Finanzgeschäften vorbildlich transparenten Deutschlands. Äh, Moment mal, was sehe ich denn da? Deutschland auf Platz sieben? Kann doch gar nicht sein, da stimmt doch was nicht! Und die Amerikaner, wo stehen die Vereinigten Staaten von Amerika, die großen Vorkämpfer für die internationale finanzielle Transparenz? Waren es doch vornehmlich die USA, die die Schweiz und andere Steueroasen zwangen, ihre Bankgeheimnisse zu beerdigen, um vornehmlich illegale Geldabflüsse aus dem „land of the free“ zu unterbinden. Herzlichen Glückwunsch zur Silbermedaille, liebe USA. Weiter so und ihr verdrängt die Schweiz demnächst vom Spitzenplatz.

Bezüglich der USA hat Urs so seine ganz eigene Meinung. Früher war er öfter mal dort. Er würde auch jetzt gerne mal wieder dorthin reisen, nach Alaska, der Natur wegen. Kann er aber nicht. Im Rahmen der amerikanischen Strategie, Schweizer Banken in die Knie zu zwingen, wurden diese gezwungen, Listen derjenigen ihrer Mitarbeiter an die USA auszuhändigen, die irgendetwas mit amerikanischen Kunden zu tun hatten. Urs steht auf so einer Liste und müsste befürchten, zwar in die USA einreisen, aber nicht unbedingt auch gleich wieder ausreisen zu können. Irgendwie ist das ja auch nicht ganz fein, von den Amerikanern, mit riesigem Druck die ganze Welt dazu zu bringen, finanzielle Transparenz herzustellen, und diese dann selbst nicht einzuhalten. Vielleicht sollte ich das Motto meiner Reise, „klein, aber (nicht immer) fein“, noch einmal überschlafen. Das hatte Joe ja schon für Luxemburg eingefordert, und jetzt ist es vornehmlich ein – selbstverständlich neutraler – Schweizer, der mir das Bankgeheimnis verrät und letztlich auch die als Finanzdienstleister tätigen Kleinstaaten schon dadurch exkulpiert, indem er mir vorführt, das „die Großen“ sicherlich nicht feiner sind. Merci vielmals, Urs!


Ilse, Urs und eine mir namentlich nicht bekannte Kuh

Klein, aber (nicht immer) fein - Teil 1

Подняться наверх