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MEINE GROSSE LIEBE ZUM EIS. GELATO, AMORE MIO

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Mein Papa hatte den tollsten Beruf der Welt. Und damit war ich der Star unter den Kindern unserer Straße. Damals, als ich so etwa drei Jahre alt war. Wenn Papa von der Arbeit kam, scharrten sich die Nachbarskinder um seinen Wagen. Manchmal hörten wir ihn schon von Weitem. Immer wenn er die große Glocke läutete, deren Klang uns so vertraut war und Vorfreude in uns weckte.

Papa war der Größte, wenn er uns nach Feierabend in seinem Wagen die letzten Eisreste in die kleinen Becher strich. Manchmal durften wir auch mit in den Eiswagen und bestaunten die großen Behälter und wie geschickt Papa uns das Eis aus den tiefen Bottichen holte.

Papas Eis war natürlich das beste der Welt. Aus dem damals kleinen Sortiment spendierte er uns oft ein Stracciatella-Eis. Damit konnte man so ein wunderbares Spiel spielen. Jeder löffelte fröhlich vor sich hin und wer ein besonders großes Stück Schokolade im Mund bemerkte, zeigte es stolz den anderen. Wer das größte Stück in seinem Becher fand, hatte gewonnen. Und für den Gewinner läutete Papa noch einmal die große Glocke. Toll, da schauten die Nachbarskinder aus den Fenstern und waren sicher neidisch auf so einen Papa.

1975 kam mein Vater Renzo mit 25 Jahren aus der norditalienischen Provinz Veneto nach Deutschland. Er stammt aus dem kleinen Ort Motta di Livenza ganz in der Nähe der berühmten Eismacher-Region, dem Zoldotal in den Dolomiten. Die Kunst des Eismachens lernte er allerdings erst in Deutschland bei einem befreundeten Gelatiere in Ratingen bei Düsseldorf. Es war keine leichte Zeit für ihn, ganz allein in einem fremden Land, ohne die Sprache zu sprechen, und mit nur wenig Geld. Aber er war fleißig und ehrgeizig und machte sich so schnell wie möglich selbstständig. Bald kaufte er sich einen gebrauchten VW-Bus, rüstete ihn zu einem Eiswagen um und gab Gas.

Papa wurde Eismann mit Leib und Seele. Für ihn war es das Schönste zu sehen, wie alle sich immer freuten, wenn er mit seinem Wagen durch die Straßen fuhr und in den Siedlungen anhielt. Die Kinder strömten auf ihn zu, mit diesem Lächeln voller Vorfreude. Aber nicht nur die Kinder waren begeistert von diesem charmanten jungen Italiener. Bald waren ihm auch die netten, hübschen deutschen Mädchen reihenweise verfallen. Aber Papa hatte nur Augen für eine von ihnen, die mit den schönen schokoladenbraunen Locken – Gabi. Sie holte sich gerne ein Zitroneneis, wenn er in der Pause vor den Schulhof fuhr. Ihr spendierte er so lange sein köstliches Eis, bis sie ihm und seinem Charme nicht mehr widerstehen konnte. Das sprichwörtliche „Liebe geht durch den Magen“ funktioniert also sogar mit Eis. Renzo und Gabi sagten bald „Sì“ zueinander. Sie wurden stolze Eltern von zwei deutsch-italienischen Mädchen, die sie genauso süß fanden wie ihr Gelato. Jeden Urlaub verbrachten wir alle gemeinsam natürlich in Italien – und wir liebten es.

AUCH OMA RÜHRT MIT AN

Das Eis für seinen Wagen machte Papa immer in unserem Keller. Dort hatte er eine kleine Eisküche aufgebaut. Mamas Mutter Erika half ihm oft dabei. In der Küche wurde alles frisch zubereitet, das Mark aus Vanilleschoten gekratzt, unzählige Eier aufgeschlagen und zusammen mit Zucker zu einer Eismasse gekocht, deren Rezeptur nur Papa und Oma kannten. Schließlich kam die Masse in die große Eismaschine und es dauerte eine ganze Weile, bis Papa das fertige Eis mit einem riesigen Spatel aus dem Bottich holen konnte. Wenn er sich dann mit dem frischen Eis auf seine Runde machte, kochte Oma im Keller oft schon für die nächste Fuhre vor.


VOM EISWAGEN ZUR EISDIELE

Sein Geschäft lief so gut, dass Papa 1980 in Düsseldorf eine richtige Eisdiele eröffnen konnte – das Eiscafé Venezia, im typischen Stil der Zeit mit viel glänzendem Chrom und mit rotem Kunstleder gepolsterten Stühlen. Hier zeigte Papa dann sein ganzes Können als Gelatiere und dachte sich immer wieder tolle neue Variationen aus. Wie sein legendäres Pizza-Eis. Es sah tatsächlich aus wie eine Pizza – mit Erdbeer- statt Tomatensauce und mit Pfirsichen belegt. Als Käse dienten Kokosraspel oder weiße Schokolade. Eine damals außergewöhnliche Kreation. Damit war er einer der Vorreiter.

Mit dem Eiscafé verbinde ich noch immer die schönsten Erinnerungen. Es hat mein Leben geprägt. Heute hat mein Vater statt einer Eisdiele eine Pizzeria. Aber unsere gemeinsame Liebe zum Eis ist geblieben.

Giro Gelato

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