Читать книгу Die flüsternde Mauer - Manuela Tietsch - Страница 6
Sorgen
ОглавлениеLuisa hatte den Markt schon zum zweiten Mal abgesucht. Alanis war unauffindbar. Sie hatte mit Mattes und Leonhard die Burg von oben bis unten durchkämmt, nichts. Allmählich machte sie sich doch Sorgen. Das sah Alanis nicht ähnlich, sie verschwand nicht einfach ohne ein Wort. Irgendetwas musste geschehen sein. Sie trat aus dem Zelt. Den Markt schaffte Luisa auch ohne sie, wenn Mattes oder Leo ab und zu halfen, aber wie konnte sie einfach so verschwinden? Sie überlegte scharf, was hatte Alanis ihr erzählt? Sie kannte diese Burg schon länger, war ganz aus dem Häuschen gewesen, als sie erfahren hatte, dass dieses Jahr ausgerechnet hier ein mittelalterlicher Markt veranstaltet wurde. Und was hatte sie alles angestellt, um bloß dabei sein zu können! Vielleicht sollte sie doch noch einmal zur Burgverwaltung gehen und ein weiteres Mal mit dem Burgführer alles absuchen?
Mattes kam ihr entgegen. „Schon was Neues?“
Luisa schüttelte den Kopf. „Sollten wir mal nachfragen, ob es irgendwelche geheimen Gänge gibt, die nicht für Besucher zugänglich sind?“
Mattes nickte. „Wer geht zum Stand?“
Luisa überlegte kurz. „Geh du, ich suche noch mal nach ihr.“
Während Mattes zum Zelt ging, sagte er: „Ich zieh mich um, bis gleich.“ Er verschwand im Zelt.
Luisa schritt mit zügigen Schritten die Treppe, die vom großen Hof zum kleinen Vorhof führte, hinauf und weiter zum Eingang, in dem sich das Kartenhäuschen befand. Sie trat an die offene Scheibe. „Ich bin es schon wieder. Meinen Sie, es wäre noch einmal möglich mit dem Burgführer zu reden?“
Die Kassiererin blickte nicht sehr begeistert zu ihr auf, nickte ergeben. „Ich werde ihn rufen, Augenblick.“ Sie griff nach dem Telefonhörer, wählte eine Nummer und horchte. Nach einem Augenblick sagte sie in die Sprechmuschel: „Hier ist noch einmal die Frau wegen der Vermissten.“ Sie horchte auf das, was am anderen Ende gesagt wurde und nickte, während sie auch schon wieder auflegte. „Gehen Sie bitte durch die Halle und warten dort auf Herrn Lesinski, er kommt gleich.“
Luisa bedankte sich und ging zum Ende der Halle. Sie musste nicht lange warten, sie hatte ihn wohl beim Essen gestört. „Tut mir leid, ich mach mir Sorgen, das entspricht nicht ihrer Art, ohne ein Wort zu verschwinden.“
Herr Lesinski kniff die Lippen zusammen. „Wir haben doch schon alles abgesucht.“
„Ich dachte mir, dass es noch irgendwelche Geheimgänge gibt, wo die Besucher sonst nicht hin dürfen. Alanis ist neugierig und sie war schon öfter hier auf dieser Burg, deswegen.“
„Es gibt keine Gänge und auch keine Verstecke oder Verliese, jedenfalls nichts, wo neugierige Besucher einfach so hineinspazieren könnte.“
Luisa versuchte ihn flehentlich anzusehen. „Fällt Ihnen nichts ein?“
Er schüttelte schon ungehalten den Kopf. „Ich sagte es bereits. Wenn Sie wollen, gehen wir noch einmal durch die Burg, das ist mein letztes Angebot.“
Luisa nickte dankbar. „Das ist nett, wirklich, danach bin ich bestimmt beruhigter.“
Sie folgte ihm durch die Gänge und er schloss sogar den einen oder anderen Raum auf, damit sie hineinsehen konnte. Von Alanis fehlte jede Spur. Am Ende erreichten sie die große Halle von einem anderen Gang aus. Luisa bedankte sich noch einmal und machte sich auf den Weg zum Stand. Sie verstand nicht, was hier geschah. War Alanis womöglich nach draußen gegangen und den Berg herunter gestürzt? Sollten sie einen Suchtrupp auftreiben und den Berg um die Burg absuchen? Mit einem schlechten Gefühl in der Magengegend ging sie zum Markt. Vermutlich war es das Beste, wenn sie noch wartete? Wie viele Stunden waren inzwischen vergangen, sechs oder schon sieben, acht? Sie hatte den Überblick verloren. Wahrscheinlich rief Alanis bald an und entschuldigte sich, weil sie nicht Bescheid gegeben hatte. Luisa glaubte selber nicht, was sie dachte. Ein Unglück war passiert, Alanis war die Zuverlässigkeit in Gestalt. So etwas hatte Luisa noch niemals erlebt. Sie beschloss, Mattes und Leo loszuschicken, um einen Suchtrupp zusammenzustellen. Sie mussten sich beeilen, denn in ein, zwei Stunden wurde es bereits dunkel.