Читать книгу Die flüsternde Mauer - Manuela Tietsch - Страница 7

Nicht allein

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Ich hielt die Luft an, als sich meine Hand weiter in der dunklen Leere umsah. Jäh stieß ich auf Widerstand. Die Leere war gar nicht so leer wie gedacht. Es fühlte sich an wie Stoff. Das Gewebe eines Stoffes, der auseinanderzufallen drohte, als ich darüber strich. Unwillkürlich zuckte ich zusammen, als mir klar wurde, dass der Stoff sich warm anfühlte. Und da war es wieder, das Atmen, ganz nah. Meine Hand lag noch auf dem Stoff in der Dunkelheit, ich spürte, wie der Stoff sich in gleicher Regelmäßigkeit wie der Atem hob und senkte. Meine Hand lag offenbar auf einem Brustkorb und der Atem, den ich die ganze Zeit vernommen hatte, kam aus dem Loch. Dort auf der anderen Seite stand ein Mensch und dem Brustkorb nach ein Mann. Ein eisiger Schauer lief mir über den Rücken. Ich musste meine Hand herausziehen, sofort! Noch bevor ich meinem Trieb nachgeben konnte, wurde sie plötzlich gegriffen und festgehalten. Ich schrie laut auf. Ich hatte solche Angst. War das der Geist? Ich konnte die langen gekrümmten Fingernägel spüren, wie Krallen.

Der Mann auf der anderen Seite schrie ebenfalls auf. Ich versuchte meine Hand wegzuziehen, doch er hatte Kraft und hielt mich fest. Leise, beschwörend begann er zu sprechen:

„Helfet mir, wer auch immer ihr seyn möget.“

Er ließ los, allerdings nur, um seine Hände an meinem Arm entlang zu führen bis zur Öffnung des Loches. Ich zog erneut, doch er hielt mich.

„Bitte,“ rief er mit verzweifelt klingender Stimme, „bitte gehet nicht fort, lasset mich nicht alleyn!“

Noch während ich am Zerren war, um meinen Arm loszubekommen, drang der Sinn seiner Worte zu meinem Bewusstsein durch. Er hatte Angst, wie ich. War er womöglich wie ich hier heruntergefallen und wartete auf Hilfe? Das würde bedeuten, meine Hoffnung einen Weg nach draußen zu finden, war umsonst gewesen. Er hatte die gleiche Angst, hier in der Dunkelheit allein zu sein, wie ich. Warum wusste ich nicht, doch mein Widerstand wurde bedeutend schwächer. Ich rang mich durch, ihn anzusprechen.

„Wer sind Sie und was machen Sie da drinnen? Wo gibt es einen Weg nach draußen?“

„Wo ihr stehet, da gäb es keynen Weg nach draußen?“, fragte er nach.

Ich schüttelte den Kopf und wurde mir erst im zweiten Augenblick bewusst, dass er das nicht sehen konnte. Er war also so eingesperrt wie ich. „Nein, hier gibt es nicht einmal eine Tür!“

„Ihr seyd eyne Frouwe oder gar eyn Frouwelin?“, fragte er in die Dunkelheit.

Ich spürte wie er zitterte, noch stärker als ich selbst. Er musste vom Markt sein, der Sprache nach. Es war jedoch ganz schön abgefahren, in solch einer schrecklichen Lage, die Marktsprache zu benutzen. War er ein Irrer?

„Mein Name ist Alanis“, antwortete ich ihm.

„Könnet ihr mir gar helfen?“ Ein Zittern lag in seiner Stimme, die ansonsten angenehm wohltönend klang, als hätte er Angst ich würde mich plötzlich in Luft auflösen oder ihn dort stehen lassen und gehen.

„Ich weiß nicht,“ hörte ich mich sagen, „ich kann versuchen die Steine weiter zu lockern, bis Sie hindurchpassen.“

Seine Finger wanderten tastend wieder nach unten bis zu meinem Handgelenk, los ließ er mich nicht.

Mit einer Hand hielt er sie fest und es kostete ihn unendlich viel Kraft dies zu tun, auch weil seine Nägel im Weg waren. Doch wenn er sie losließ, dann ging sie womöglich und das konnte er nicht wagen. Nicht jetzt, nachdem sie ihn aus seinem Schlaf geweckt hatte. Er würde jämmerlich zugrunde gehen. Spürte sie seine Angst? Wer war sie? Er erkannte ihre Stimme nicht. War sie eine der Bedienerinnen? Oder eine Hofdame, die bei seiner Familie zu Besuch war? Er suchte mit seiner freien Hand vorsichtig nach dem Dolch. Wenn er nach unten fiel, war alles verloren. Schließlich bekam er ihn zwischen die Finger und zog ihn heraus. Wenn er ihn ihr übergab, dann war er jegliche Hoffnung los. Hatte er eine Wahl? Sie war seine einzige Möglichkeit in die Freiheit zu gelangen. Er legte ihr den kalten Dolch in die Hand. Sie zuckte zurück und fragte erschrocken:

„Was, was ist das?“

„Eyn Dolch, der helfet euch, da ihr so gnädig seyd die Steyne freyzukratzen.“

„Warum haben Sie es denn nicht selber schon gemacht?“ Sie war misstrauisch.

„Das hätt ich, doch die Steyne wären gar viel zu fest gewesen. Ich hätt es nicht geschaffet. Außerdem hätt ich eyne lange Zeyt geslafen.“

Er hielt mich noch immer fest. Wie lange war er schon hier unten eingesperrt gewesen? Ich konnte ihm schon nach dieser kurzen Zeit nachfühlen, wie schrecklich es war.

„Wenn ich helfen soll, müssen Sie mich erst einmal loslassen“, sagte ich nachdrücklich. Seine Hände zuckten und ich konnte fühlen, wie er mit sich rang. Schließlich ließ er meine Hand los. Er atmete erregt, als rechnete er mit allem, auch, dass ich ihn hier zurückließ.

„Ich helf euch von meyner Seyte aus“, sagte er leise.

„Gut, vereint schaffen wir das schon.“ Ich begann mit dem großen Dolch zu kratzen. Es ging bedeutend leichter als mit dem Klappmesser und auch schneller. Stein um Stein lockerte sich, und ich legte sie neben mich auf den Boden der Kammer.

„Ich glaube, wir könnten den Rest zum Einsturz bringen!“

„Ich könnt mich nicht groß rühren, es sey gar eng hier.“

„Ich werde versuchen zu ziehen.“

Gesagt getan, ich zog mit Kraft an dem etwa kniehohen Rest der ersten Mauer. Ich wollte nicht daran denken, dass dahinter noch eine weitere auf mich wartete. Mit einem lauten Krachen fielen die Steine schließlich auf meiner Seite auf den Boden, einer auf meinen Zeh. Ich schrie auf.

„Verdammt!“

„Was sey euch widerfahren?“, fragte er ängstlich.

„Mein Zeh, so ein blöder Stein.“ Ich hielt und rieb mir den Zeh, bis der Schmerz nachließ. „Ich mache jetzt weiter.“

„Ich dank euch von Herzen, edles Frouwelin.“

Wie gestelzt er sich ausdrückte. Trotz der Lage, in der wir uns befanden, musste ich darüber schmunzeln. „Bist du vom Markt?“

„Wie meynet ihr? Welcher Markt?“

„Ist schon gut, hilf lieber weiter mit.“ Er hatte `ne Macke, bestimmt, aber er schien nicht bösartig zu sein, sondern eher zurückhaltend. Ich strengte mich an, ich hatte die Nase gestrichen voll vom Maueraufkratzen, und ich hatte verdammt noch mal schrecklichen Hunger! „Wie lange bist du schon hier unten?“

„Ich könnt es nicht mit Bestimmtheyt sagen.“

„Verstehe, so geht es mir auch und ich bin wahrscheinlich nur ein paar Stunden hier.“ Ich spürte, dass die Steine so gelockert waren, dass ich den Versuch wagen konnte, sie umzureißen. „Ich versuch es jetzt.“ Ich zog mit letzter Kraft an dem Mauerrest. Es dauerte viel zu lange, kostete mich meine ganze Überwindung, doch es gelang endlich. Auch diese Mauer brach nach innen ein. Ich tastete den Rand ab. Es war zwar kein Loch für Riesen, indes ein Mensch mit üblicher Größe würde hindurchpassen.

„Ich glaube, du kannst durchgehen!?“

„Ich könnt nicht“, kam es flüsternd aus der Öffnung.

Ich war verwirrt. Hatte er nicht darum gebeten, dass ich ihm helfen sollte? „Wieso nicht?“

„Meyne Beyne zittern gar zu heftig.“

Seine Stimme klang brüchig, als würde er im nächsten Augenblick in Tränen ausbrechen. Ich streckte den Arm aus, ertastete seine Hände. Er zitterte wie Espenlaub. Es war seltsam, obwohl ich ihn nicht kannte, noch irgendetwas von ihm wusste, so verband uns doch die Einsamkeit und die Angst. Ich zog ihn mit leichtem Druck in meine Richtung. Er streckte einen Arm aus und stützte sich schwer auf meine Schulter. Er schien tatsächlich Beine aus Gummi zu haben. Langsam stieg er durch die entstandene Öffnung über den knapp kniehohen Mauerrest, bis er neben mir stand. Doch er ließ mich nicht los, sondern stützte sich weiterhin schwer auf mich.

„Setz dich doch erst mal auf die Steine.“ Ich versuchte ihm stützend nach unten zu helfen. „Warst wohl doch ein bisschen zu lange dort? Wie bist du da eigentlich reingefallen?“

„Ich sey nicht gefallen, ich glaub, ich wär schon eynige Wochen hier.“

Ich musste auflachen, konnte nichts dafür. „Dann wärst du längst verdurstet oder hattest du Wasser?“

An seiner Körperbewegung konnte ich spüren, dass er den Kopf verneinend schüttelte.

„Ihr habet wohl Recht, Frouwelin, doch meyn Gefühl saget mir anderes.“

„Wenn ich ehrlich bin, habe ich auch jegliches Zeitgefühl verloren.“

„Wo seyen wir hier, wisset ihr das?“

„Ich habe keine Ahnung. Nur, dass es sich um zwei Räume handelt, die keine Tür haben und durch einen Gang verbunden sind.“ Ich kratzte mich am Kopf. „Und in diesem Gang sind wir gerade.“

„Hm. Und wie seyd ihr hier hereyn gelanget?“, fragte er nach.

„Ich habe einen Schlüssel aus Holz gefunden, ihn in eine passende Öffnung in die Wand gedrückt und plötzlich gab der Boden unter mir nach.“ Zu dumm, dass ich den Schlüssel noch mitgerissen hatte, sonst hätte ihn vermutlich jemand gefunden und nachgesehen oder die Tür wäre gar nicht zugefallen.

„Eyne Falltüre! Und von wo seyd ihr gefallen?“

„Wie von wo?“

„Von welchem Gang aus?“

Ich überlegte. Ich war im oberen Stockwerk gewesen. „Ich glaube der Gang über dem Gang in dem die Bilder hängen.“

„Von welchen Bildnissen redet ihr?“

„Ach, ich weiß nicht. Vielleicht war es auch woanders? Irgendwie weiß ich gerade gar nichts mehr.“ Ich lehnte mich an die Wand und ließ mich daran heruntergleiten. Er saß neben mir auf den Steinen.

„Ich würd´ gar so gern eynen Schluck Wasser trinken, hättet ihr welches dabey?“

Ich holte meinen Rucksack hervor und die Flasche heraus. „Hier, lass noch was drinnen.“ Ich tastete nach ihm und bekam seine Hand zu fassen, in die ich die Flasche drückte.

Er schien zu zögern. „Wie, wie sey sie zu öffnen?“

Ich schüttelte den Kopf, was wusste der eigentlich? Ich nahm ihm die Flasche wieder ab, öffnete und reichte sie ihm erneut. Ich hörte, wie er trank und schluckte, ganz zaghaft und bedächtig. Er trank höchstens fünf Schlucke, dann reichte er mir die Flasche zurück. Ich bemerkte, dass einige seiner Fingernägel abgebrochen zu sein schienen.

„Das war´s schon?“, fragte ich nach.

„Es sey schon eyne Weyle her, ich glaub gar, es sey besser nicht zu viel auf eynmal zu trinken.“

„Ich glaube, wenn ich solchen Durst hätte, könnte ich nicht warten!“

„Das sey jahrelange Übung. Den eygenen Körper und seyne Triebe zu beherrschen ist das erste, was eyn Ritter lernen müsst!“

Ein Ritter? Er hielt sich also für einen Ritter. Nun gut, solange er ritterliche Ehre besaß! Mir sollte es recht sein. Ich fühlte mich schlecht. Ich hatte noch die Brote und einen Apfel im Rucksack. Ich räusperte mich. „Möchtest du auch etwas zu essen?“

Ich hörte, wie er die Luft einzog. Es dauerte allerdings eine Weile, bis er sich zu einer Antwort durchrang.

„In meynen kühnsten Träumen hätt ich nicht gewaget daran zu denken. Was könnet ihr mir denn anbieten?“

Ich zog die Brotdose heraus. „Hier, eine Scheibe Brot oder einen Apfel, was dir lieber ist.“

„Vielleycht gar eyne Hälfte des Apfels?“

„Du kannst auch den ganzen haben.“

„Neyn, das bekäm mir nicht und so hättet ihr auch noch eyne Hälfte für euch.“

Ich suchte den Apfel heraus und brach ihn in zwei Hälften. Die eine Hälfte legte ich in die Brotdose, auch wenn mir der Magen knurrte und die andere reichte ich ihm. Wieder hörte ich in der Dunkelheit, wie er den Apfel aß und das allein schien mir so sinnlich wie nichts sonst. Noch niemals hatte ich einen Menschen erlebt, der so genussvoll und gleichzeitig zaghaft einen Apfel aß. Es schien mir eine Ewigkeit zu dauern, bis er ihn aufgegessen hatte.

„Das wär eynes der kostbarsten Geschenke gewesen, die ich erhalten hätt. Ich danke euch.“ Er atmete entspannt ein und aus. „Ich wollt gleych eyn wenig den Raum auskundschaften.“

„Wo kommst du eigentlich her? Gehörst du zu den Marktleuten?“

„Ich sey hier in dieser Burg geboren worden.“

Na bestens, dann kannte er sich ja aus. Wieso steckte er dann in einer Mauer? Ich verstand das nicht. Meine Frage nach den Marktleuten beachtete er nicht. „Wenn du die Burg hier seit deiner Kindheit kennst, dann müsstest du doch auch diesen geheimen Gang kennen?“

„Ich bitt euch, seyd nicht böse Frouwelin, ich könnt mich an diesen Raum gar nicht erinnern.“ Er seufzte, als ärgerte er sich selber darüber.

„Und wenn wir keinen Weg nach draußen finden?“

„Dann kämpften wir uns durch die Mauer, so wie ihr es begonnen habet.“

Das wollte ich gar nicht hören. Dazu hatte ich nicht die geringste Lust. „Es gibt doch zumindest die Falltür!“

„Seyd ihr groß genug, um an die Decke zu reychen? Ich sey eyn großer Mann, doch so groß nicht.“ Er erhob sich. „Ich geh jetzt eynmal herum.“

Ich beeilte mich ebenfalls aufzustehen und ihm hinterher zu gehen, eine Hand immer an der Wand. Er wirkte angestrengt, legte immer wieder Verschnaufpausen ein. Es schien mir wie eine Ewigkeit, bis wir zu unserem Ausgangspunkt, dem Loch in der Mauer, zurückkehrten. Unser Erkundungsgang blieb erfolglos. Auch er hatte keinen Ausweg oder eine Tür finden können. Wir blieben eingeschlossen und gefangen. Ich spürte durch die Dunkelheit wie erschöpft er durch den Weg geworden war. Er setzte sich wieder auf die Steine.

„Seyd mir nicht böse, doch ich müsst eyne Rast eynlegen.“

Ich setzte mich neben ihn. Er roch gut. Ich lachte kurz auf. Wie konnte ich in so einem Augenblick, in so einer Lage, wahrnehmen, dass er gut roch? Das war doch verrückt. Ich konnte den Geräuschen, die er verursachte, entnehmen, dass er in meine Richtung sah. Was konnte ich ihm sagen, weshalb ich gelacht hatte? Wohl kaum, dass er für meine Nase angenehm nach Mann, männlichem Schweiß und Holzfeuer roch! Allerdings, das musste ich mir eingestehen, vermischte sich sein Geruch auch mit muffigem Modergeruch. Er wartete auf eine Entgegnung. Ich räusperte mich. „Tut mir leid, ich weiß auch nicht, warum ich lachen musste. Ich glaube, ein bisschen um nicht zu weinen.“

„Ich verstehe“, sagte er und verstand doch gar nichts. Wo kam diese Frau her? Warum sprach sie so seltsam? Und sie benahm sich nicht, wie er es von Frauen gewohnt war. Jedenfalls hatte sie ihn gerettet. Sie hatte ihn aus seinem Schlaf erlöst und ihm zu trinken und zu essen gegeben und sie saß neben ihm. Er verstand nichts mehr. Wie lange war er eingesperrt gewesen? Er hatte jegliches Zeitgefühl verloren. Er versuchte sich das gehässig grinsende Gesicht der Dame von Feuerberg vorzustellen, doch es wollte ihm nicht recht gelingen. Und er war sich nicht sicher, ob er einen Ausweg finden würde. Niemand würde ihn suchen, dafür hatte die Zauberin von Feuerberg gesorgt. Sie war eine mächtige Zauberin, das musste er ihr lassen, ihn unter den Augen seiner Familie in eine Wand einzumauern war eine Leistung! Wenn auch eine schreckliche! Allerdings, offensichtlich hatte sie einen Fehler gemacht, denn sonst hätte er nicht nach so kurzer Zeit wieder erweckt werden können. Wahrscheinlich hatte sie vergessen ihn zu umzubringen!? Oder wollte sie ihn nicht töten, sondern lebendig einmauern und langsam sterben lassen? Das schien wahrscheinlicher. Wie hatte ihn diese Frau finden und befreien können? Und seltsam, wenn er sie sich in der Dunkelheit vorstellte, hatte er ganz klar ein Gesicht vor sich. Als würde er sie kennen und doch wieder nicht. Er fragte sich, von was für einem Schlüssel sie gesprochen hatte, er musste sie noch einmal danach fragen. Handelte es sich womöglich um den Schlüsselstein?

„Verehrtes Frouwelin, seyd mir nicht gram, doch ich legte mich gern, bevor ich versuchte eynen Ausweg zu finden, noch eyn wenig slafen.“ Denn obwohl er gerade erst erwacht war, spürte er doch große Müdigkeit.

Jetzt wo er es sagte, spürte ich ebenfalls eine bleierne Müdigkeit. Ich hatte nichts gegen ein Schläfchen einzuwenden. „Mir geht es genauso.“

„Ich nehme nicht an, dass ihr eyne Decke bey euch traget?“

„Leider nicht.“ Mir war auch kalt. Ich wusste, wenn wir näher zusammenrücken würden, wäre uns wärmer. Traute er sich zu fragen? Wahrscheinlich musste ich es tun. Ich hoffte, er verstand dies nicht als Einladung zu anderen Dingen.

„Wenn wir uns näher zusammenlegten, wäre uns wärmer.“

„Da habet ihr Recht, ich hätt nicht gewaget euch dies anzubieten.“ Er räusperte sich. „Seyd versichert, dass ich euch nicht zu nahe treten wollt.“

Ich langte in seine Richtung, um zu ertasten wie weit entfernt er saß. Wir rutschten beide weiter nach unten und lehnten uns befangen Seite an Seite an. Mir fiel auf, dass ich nicht mal seinen Namen wusste. Fragen wollte ich ihn aber jetzt auch nicht. Das Bild des „Ritters ohne Namen“ schoss mir ins Gedächtnis. Es war schon seltsam, hier gefangen in der Dunkelheit zu sitzen, nahe bei einem wildfremden Mann, sozusagen auf Tuchfühlung und nicht einmal zu wissen, wie er aussah. Ich schloss die Augen, die ich trotz der Dunkelheit immer geöffnet hatte, in einer unsinnigen Erwartung doch irgendwo einen Lichtstrahl zu entdecken. Schnell spürte ich die Müdigkeit stärker werden, und als ich seinen Atemzügen lauschte, bemerkte ich, dass er bereits eingeschlafen war und das wiederum schläferte mich ein.

Die flüsternde Mauer

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