Читать книгу Raumkrieger im Wurmloch: 6 Science Fiction Abenteuer auf 1660 Seiten - Mara Laue, Alfred Bekker, Frank Rehfeld - Страница 15

2. Teil: Sommer 2959, Terra

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Wladimir Krylenko klopfte mit den Fingerknöcheln auf die glatte, metallische Oberfläche des X-Space JUMPER ZERO, dem Prototyp des neuen, mit "X-Space"-Effekt-Antrieb ausgestatteten Absetzers für verdeckte Operationen der Raumgarde. Das Raumfahrzeug stand auf einem Landefeld am Rand von Star City, auf dem sich ansonsten vor allem schnelle Transport-Jets und andere Schweber befanden. Die meisten davon mit den Emblemen der Garde.

Einige Kampfgleiter waren auch darunter.

"Du kannst stolz auf das sein, was du geleistet hast, Kurt", stellte Wladimir fest.

Kurt Farmoon befand sich ein paar Meter entfernt. Mit Hilfe eines handgroßen Kontrolmoduls überprüfte er die Tragflächen des pfeilförmigen, einem Stealth-Bomber des frühen einundzwanzigsten Jahrhunderts ähnelnden Absetzer.

Kurt beendete seine Kontrolle mit einem Tastendruck auf dem kleinen Display des Moduls und wandte sich zu Wladimir herum. Es gab keine verräterischen Energieabstrahlungen oder -reflexionen. Außerdem keine Unregelmäßigkeiten in der Außenhaut, die in der Lage sein musste, ungeheuer großen Belastungen standzuhalten.

"Allein hätte ich gar nichts geschafft", sagte Kurt. "Es war eine Leistung des gesamten Teams. Und dazu gehört Professor Ravanelli ebenso wie du!"

"Nur nicht zu bescheiden, Kurt. Fest steht, dass es ohne dich und deine Initiative den X-Space JUMPER nicht gäbe. Ich nehme an, du wirst es bald zum Fähnrich schaffen."

Kurt winkte ab.

"Ganz so schnell geht das auch nicht."

Er näherte sich ein paar Schritte, blieb dann vor Wladimir stehen und sagte: "Es ist alles bereit für den Testflug morgen."

"Es wird schon alles glattgehen!", meinte Wladimir.

Kurt lachte auf.

"Das dachten die Siedler der GALAXIS damals auch, als sie in die Tiefen des Alls vordrangen. Du weißt ja, wo sie gelandet sind. Tausende von Lichtjahren entfernt von ihrem eigentlichen Ziel."

"Die hatten eben keine Ahnung von Alienwandler-Mathematik!", wandte Wladimir ein.

Kurt grinste.

"Daran wird es wohl gelegen haben."

"Na, dann kann dem TIMPE JUMPER ja nichts passieren."

"Schon deswegen nicht, weil morgen nur der Magnetantrieb für den Start von der Oberfläche aus auf Herz und Nieren geprüft wird."

"Dann steht uns die richtige Bewährungsprobe noch bevor!"

Kurt lachte. "Formsache!", meinte er. In Wahrheit war er sich seiner Sache natürlich längst nicht so sicher. Auch etwas, dass der Theorie nach eigentlich reibungslos klappen musste, konnte in der Praxis an irgendeiner übersehenen Kleinigkeit jämmerlich scheitern.

"Hör zu, Wladimir. Ich dachte, dass du mich auf diesem ersten Testflug begleitest."

"Nichts dagegen, Kurt! Ich kann's kaum erwarten, diesen Vogel mal unter annähernd realistischen Bedingungen zu testen"

"Naja, ein Kampfeinsatz wird das nicht gerade. Wir fliegen ein bisschen in der Gegend herum und kehren dann zurück."

Wladimir lachte.

"Wir könnten bei der Gelegenheit doch die terranische Raum- und Flugüberwachung ein bisschen testen."

"Du meinst, wenn wir hier unbemerkt durchkommen, dann gelingt uns das auch auf irgendwelchen Hinterwäldler-Planeten, auf die man uns vielleicht in den Einsatz schickt!"

Wladimir nickte.

"Das wollte ich damit sagen", bestätigte er.

"Klingt verlockend, aber lass das weder Angham noch Ravanelli hören. Wir würden nämlich gegen ein Dutzend Vorschriften verstoßen!"

Wladimir deutete zum Rand des Landefeldes.

Hinter einem abgestellten Jet tauchte dort die Gestalt einer jungen Frau auf. Das lange, dunkle Haar wehte in dem leichten Wind, der über das Landefeld strich.

Teresita!

Kurt Farmoon atmete tief durch.

"Ich glaube, die Lady ist deinetwegen hier, Kurt. Auch wenn ich nichts dagegen hätte, wenn es anders wäre!"

Wladimir grinste schief.

Kurt ging Teresita entgegen.

"Hallo", sagte sie. "Unser Projekt steht so gut wie vor dem Abschluss, oder?"

"Das würde ich nicht sagen", meinte Kurt. "Was wir haben ist ein Prototyp, der erst noch eingehend getestet werden muss. Zufrieden bin ich, wenn die Raumgarde eine ihrem Bedarf entsprechende X-Space JUMPER-Flotte ihr eigen nennt und wir die Dinger auch einsetzen können."

Sie lächelte.

"Kurt, du weißt genau, was ich meine. Der Hauptteil der Arbeit ist getan. Wenn du die Tests nicht vermasselst, liegt der ganze Rest in den Händen von hohen Offizieren und Politikern, die darüber entscheiden, wohin die Geldströme fließen." Sie schwieg. Ihrer beider Blicke begegneten sich, verschmolzen für einen kurzen Moment miteinander.

Sie hatten in den letzten Monaten gemeinsam an dem Projekt X-Space JUMPER gearbeitet und waren sogar ein paarmal miteinander ausgegangen.

"Kurt, ich bin hier, weil ich dir etwas sagen möchte."

Kurt Farmoon hob das Kinn.

"Ja?"

"Ich möchte mich verabschieden. Morgen früh fliege ich mit einem Jet nach Neu Delhi."

Kurt war überrascht.

"Ich verstehe nicht... Was willst du in Neu Delhi?"

"An der Universität von Neu Delhi gibt es neuerdings ein Institut für Hochenergie- und Triebwerkstechnik. Die wollten mich als Dozentin..."

"Hättest du nicht auch hier, bei Professor Ravanelli alle Möglichkeiten?"

"Professor Ravanelli selbst hat mich nach Neu Delhi an seinen Kollegen Professor Sindramaran empfohlen. Ravanelli plant nämlich ein Forschungssemester einzulegen..."

Kurt Farmoon war überrascht.

"Er hat mir ebenso wenig von seinen Plänen erzählt wie du!"

Sie drückte ihm einen Kuss auf die Wange.

"Ich bin überzeugt davon, dass wir uns irgendwann mal wiedersehen, Kurt."

Damit drehte sie sich um und ging.

Kurt sah ihr nach.

Warum lässt du sie jetzt gehen?, fragte er sich. Kurt kannte die Antwort. Er war einfach noch nicht bereit dazu, eine Frau die erste Stelle in seinem Herzen einnehmen zu lassen. Das hatte Teresita instinktiv gespürt. Und vielleicht war eine ähnliche Erkenntnis auch der Grund dafür gewesen, dass Laura Domrath ihn seinerzeit verlassen hatte.

*


Am nächsten Morgen fand der Testflug statt. Kurt überließ Wladimir die Position des Piloten, während er selbst als Copilot fungierte. Auf diese Weise konnte Kurt die Triebwerksanzeigen besser verfolgen. 35 Silos aus Nabal-Metall bildeten das Herz des Antriebs. Sie waren kleiner als bei den bisher gebauten "X-Space"-Effekt-Antriebssystemen. Aber das Nabal-Metall, aus dem diese Mikro-Silos gefertigt waren, hatte dafür einen besonders hohen Reinheitsgrad, sodass es keine Leistungseinbußen gab und eine Fehltransition zumindest theoretisch so gut wie ausgeschlossen war.

Die Mikro-Silos waren gleichzeitig auch der Kern des Magnetfeld-Antriebs. Zusätzlich gab es noch einen Hochleistungsreaktor, dessen Energie in den Silos gespeichert werden konnte. Beim Eindringen in ein Sonnensystem konnte man den Reaktor abschalten, wodurch es keinerlei verräterische Emissionen gab, die von jemandem hätten angemessen können.

Wenn alles funktionierte, existierte der X-Space JUMPER ZERO für die Ortungssysteme anderer Schiffe oder Bodenstationen nicht.

Ein dumpfes, brummendes Geräusch ging durch den neuen Absetzer, als Wladimir Krylenko den Magnetantrieb aktivierte.

Der Start ging reibungslos vonstatten.

Wladimir ließ den X-Space JUMPER eine Runde über Star City drehen.

"Lässt sich wunderbar handhaben, dieser neue Magnetantrieb", meinte Wladimir.

"Die angezeigten Werte sind auch alle in Ordnung. Läuft wie geschmiert!"

Wladimir steuerte den Absetzer im Tiefflug auf die nahen Berge zu. Es machte ihm sichtlich Freude, den X-Space JUMPER nur wenige Meter über der Erdoberfläche dahinschnellen zu lassen.

"Die einzige Möglichkeit, uns jetzt noch aufzuspüren ist die Sicht", stellte Kurt zufrieden fest.

"Diese Möglichkeit versuche ich gerade durch meinen Kurs zu minimieren."

"Wenn du so dicht über der Erde fliegst, dürfte es für einen eventuellen Gegner ohnehin zu spät sein, wenn er uns sieht."

Wladimir lachte.

Er zog den Absetzer mit der Spitze nach oben.

"Ich werde auf maximale Beschleunigung schalten", kündigte er an.

"Tu das. Aber bedenke bitte dabei, dass die gesamte Erdatmosphäre sowie der erdnahe Weltraum dicht befahrene Gebiete sind."

"Für wen hältst du mich?"

"Ich meine es ernst, Wlad. Ein Zusammenstoß wäre jetzt wirklich das letzte, was wir gebrauchen könnten."

Wladimir schüttelte den Kopf. "Du redest schon, als wärst du bereits Fähnrich."

"Was?"

"Hör zu, noch bist du kein Offizier, der etwas von der Verantwortung für das große Ganze daherreden muss!"

"Das sehe ich anders", erwiderte Kurt.

Wladimir lachte.

"So?"

"Wozu sind wir denn in der Garde, Wlad? Wozu, wenn nicht deshalb, weil wir etwas für die Menschheit tun wollen."

Wladimir zuckte die Achseln. Der ernste Tonfall, den Kurt jetzt angeschlagen hatte, schien ihm zu missfallen. "Von der Seite betrachtet hast du natürlich recht", lenkte der Russe ein.

Innerhalb weniger Augenblicke hatte der Absetzer die Erdatmosphäre verlassen und tauchte in die Schwärze des Alls ein.

"Die Beschleunigungswerte sind optimal", sagte Kurt. "Optimaler könnte es gar nicht laufen!"

"Sag, wohin ich den Vogel fliegen soll, Kurt!"

"Bis zur Marsbahn, dann geht es heimwärts. Für einen ersten Test reicht das vollkommen."

"Wie du meinst."

Sie schwiegen eine Weile. Kurt überprüfte immer wieder die Messwerte am Magnettriebwerk. Er konnte es kaum glauben, wie perfekt dieser Antrieb funktionierte. Wichtig waren ihm vor allem die Werte der eigens für diesen Flug an der Außenhaut angebrachten Sensoren, deren Aufgabe es war, die eventuellen verräterischen Emissionen anzuzeigen. Energiesignaturen, Strahlung -—alles, was ein feindliches Ortungssystem im Ernstfall vielleicht anmessen konnte.

Auch an diesen Werten gab es nicht das Geringste auszusetzen.

Das Raumschiff flog auf der Marsbahn eine Kurve und kehrte Richtung Erde zurück.

"Soll das wirklich schon alles gewesen sein?", fragte Wladimir leicht enttäuscht.

"Unsere heutigen Tests sind erfüllt ", erklärte Kurt. "Zumindest der Teil, der für uns derzeit relevant ist."

"Das Wichtigste ist jedoch nicht geschehen!"

Kurt sah Wladimir überrascht an. "Wovon sprichst du eigentlich?"

"Na, wir könnten doch mal die Ortungssysteme der terranischen Flug- und Raumkontrolle auf die Probe stellen. Wenn wir da durchkommen, dann haben wir die Gewissheit, dass die Tarnung des X-Space JUMPER auch dann funktioniert, wenn man uns auf irgendeinem Hinterwäldlerplaneten für eine verdeckte Operation absetzt."

"Was schlägst du vor, Wlad?", fragte Kurt. "Raus damit, dir schwirrt doch irgendetwas im Kopf herum!"

"Wie wäre es mit ein paar Extra-Runden über dem Raumhafen von Terra Town?", grinste Wladimir.

Kurt zögerte erst. Dann grinste er ebenfalls.

"Ich bin dabei!"

Der X-Space JUMPER ZERO näherte sich wieder der Erde, tauchte schließlich wieder in die Atmosphäre ein, die aus dem Weltraum nur wie eine hauchdünne, bläuliche Aura wirkte.

Wladimir lenkte den Absetzer auf den nordamerikanischen Kontinent zu.

Terra Town, der Kommunikations- und Wirtschaftsknotenpunkt des Planeten Erde mit seinem Raumhafen Space City war überhaupt nicht zu verfehlen. Man brauchte nur den zahllosen Peilsignalen folgen, die von dort ausgingen.

Allerdings musste der Pilot immer mehr auf der Hut sein, je weiter er sich dem Raumhafen näherte. Der Verkehr an Luft- und Raumfahrzeugen wurde immer dichter. Die jeweiligen Besatzungen vermochten den X-Space JUMPER erst auszumachen, wenn sie ihn sahen.

Aber Wladimir war ein geschickter Pilot.

Das große Landefeld von Space City tauchte vor ihnen auf. Zahllose Raumschiffe befanden sich dort. Es gab rund um die Uhr Starts und Landungen.

"Ich möchte die langen Gesichter der Jungs im Tower sehen, wenn wir plötzlich auftauchen, ohne dass sie uns je auf dem Ortungsschirm hatten!", lachte Wladimir.

Plötzlich zeichnete sich ein gewaltiger Schatten rund um den X-Space JUMPER ab. Wie bei einer Sonnenfinsternis.

Nur war es nicht der Mond, der das Licht der Sonne verdeckte, sondern ein Nugrou-Raumer der Terranischen Flotte.

Der Raumkreuzer befand sich offenbar im Landeanflug.

"Verdammt!", entfuhr es Wladimir.

Geistesgegenwärtig zog er die Schnauze des X-Space JUMPER hoch und ließ ihn durch das offene Innere des Rings hindurchschnellen. Dicht zischte der Absetzer dabei an der Außenhaut des Ringwulstes vorbei, ehe er sich im nächsten Moment in einer Höhe von fast hundert Metern über dem Raumhafen befand.

"Das war knapp!", stieß Kurt hervor.

"Es beweist aber, wie gut sich das Ding hier manövrieren lässt! Der Magnetantrieb ist ein voller Erfolg. Und das ist doch die Hauptsache."

"Ich hoffe, Angham sieht das auch so locker!"

"Wir werden angefunkt."

"Dann öffne mal die Phase, Wlad!"

"Okay!"

Während Wladimir den Absetzer in einem weiten Bogen erst über den Raumhafen Space City und anschließend über Terra Town zog, um damit die Flugbahn wieder zu stabilisieren, ertönte die Stimme eines Mitarbeiters der Raumhafenkontrolle.

"Unbekanntes Flugobjekt! Sie fliegen ohne die übliche ID-Kennung und hätten beinahe eine Kollision verursacht. Bitte identifizieren Sie sich umgehend. Andernfalls müssen im Interesse der Sicherheit Abwehrmaßnahmen ergriffen werden. Ich wiederhole: Andernfalls werden Abwehrmaßnahmen ergriffen, die Ihre Zerstörung zur Folge haben können!"

"Schick denen schon unser ID-Signal", meinte Kurt. "Und dann nichts wie zurück nach Star City."

Wladimir war ziemlich blass geworden.

"Ich schätze, das gibt noch Ärger", meinte er.

"Wenn dadurch nicht das ganze Projekt gefährdet wird, soll mir das gleichgültig sein", erwiderte Kurt.

"Das Projekt gefährdet?", fragte Wladimir. "Wieso das denn? Wir haben doch gerade die Leistungsfähigkeit des neuen Absetzers bewiesen."

Kurt lachte.

"Ja, wenn wir das nächste Mal eine Gruppe Gardisten mitten auf dem Landefeld eines stark frequentierten Raumhafens absetzen sollen, brauchen wir einfach nur einen besseren Piloten -—oder wie soll ich das jetzt verstehen?"

"Sehr witzig!"

"Nein, im Ernst, Wlad: Du warst großartig. Um ein Haar hätte die ganze Sache nämlich ins Auge gehen können!"

"Du sagst es!"

Kurt blickte auf die Anzeigen. "Scheint so, als bekämen wir von der Raumkontrolle noch etwas zu hören", stellte er fest und öffnete eine Funkphase.

"Hier Damien Nergal von Ortungs-Z des Raumhafens Space City. Wir haben Ihr ID-Signal erhalten."

"Hier Schütze Kurt Farmoon vom 14. Zug der Raumgarde. Tut mir leid, Sir, wir befinden uns auf einem Übungs-Testflug", erklärte Kurt. "Was geschehen ist, konnten wir nicht vorhersehen."

"Ich will Ihnen meine persönliche Meinung zu diesem Vorfall nicht vorenthalten, Farmoon!", erwiderte Damien Nergal mit gereizt klingendem Unterton. "Die Privilegien, die Ihre Einheit genießt, gehen hier schon lange allen auf die Nerven. Wir haben Ihren Absetzer erst gesehen, als einer unserer Leute aus dem Fenster sah! Keine Ahnung, welche Art von Tarnung Sie da verwendet haben—aber es hätten nur Zentimeter gefehlt und ein Kreuzer der Terranischen Föderation wäre mit Ihnen kollidiert. Können Sie sich die Katastrophe überhaupt vorstellen, an der Sie gerade buchstäblich vorbeigeschrammt sind?"

"Ja, Sir, das kann ich!", bestätigte Kurt Farmoon kleinlaut. Er war nicht auf Streit aus - und außerdem eindeutig im Unrecht. Das wusste er selbst nur zu gut.

"Ich werde diesen Vorfall nicht auf sich beruhen lassen, Farmoon", fuhr Damien Nergal fort. "Es muss endlich Schluss damit sein, dass Ihr Elite-Krieger glaubt, euch hier alles herausnehmen zu können! Es wird eine offizielle Meldung geben und ich hoffe sehr, dass man Sie nie wieder an die Pilotenkonsolen einer solchen Maschine lässt!"

Weder Kurt noch Wladimir bekamen die Gelegenheit dazu, noch etwas zu erwidern.

Die Verbindung wurde unterbrochen.

"Einen Freund haben wir heute nicht gewonnen", stellte Wladimir trocken fest.

Kurt Farmoon seufzte. "Ich höre im Geiste schon die Gardinenpredigt Anghams!"

"Wie heißt es so schön: Augen zu und durch, Kurt!"

"Klingt nicht gerade optimistisch!"

"Wir werden es überleben."

"Wir schon. Ich hoffe nur, dass dieser Vorfall keine negativen Auswirkungen auf unser Projekt hat!"

*


"Sind Sie beide eigentlich völlig von Sinnen?", fragte Angham mit noch immer hochrotem Kopf. Seit geschlagenen zehn Minuten standen Kurt Farmoon und Wladimir Krylenko nun bereits vor dem Kommandanten der Raumgarde stramm und mussten sich dessen gepfefferte Strafpredigt anhören. Professor Ravanelli war ebenfalls anwesend und genauso verärgert über den Beinahe-Zusammenstoß mit einem Raumkreuzer der Terranischen Föderation.

"Lieutenant Damien Nergal von der Raumkontrolle in Space City ist jemand, dem die Raumgarde schon lange ein Dorn im Auge ist", fuhr Angham in etwas gedämpfteren Tonfall fort. "Was ich Ihnen jetzt sage, unterliegt eigentlich der Verschwiegenheit. Ich sage es Ihnen aber trotzdem, um Ihnen klar zu machen, was für Mühen es mich kosten wird, Sie beide aus der Schusslinie herauszuhalten!" Der Generalmajor atmete tief durch. Er musste seinem Ärger im wahrsten Sinn des Wortes erst einmal Luft machen. "Lieutenant Nergal hat sich für eine Versetzung zur Raumgarde beworben, ist aber auf Grund seiner eher durchschnittlichen Qualifikationen nicht genommen worden. Klar, dass er jetzt bei jeder Gelegenheit versucht, uns in die Suppe zu spucken. Von wegen unserer angeblichen Privilegien. Uns würde man alles durchgehen lassen und so weiter. Sie kennen das ja alles. Und diesmal ist er sogar noch im Recht! Das ist es, was mich am meisten daran ärgert."

Sowohl Wladimir Krylenko als auch Kurt Farmoon hatten schon mehrfach und sehr zerknirscht geäußert, wie leid ihnen die ganze Angelegenheit tat.

In der jetzigen Situation hielt Kurt es für das beste, einfach zu schweigen und abzuwarten, bis das verbale Gewitter seines Vorgesetzten vorüber zog.

"Es war wirklich unverantwortlich", nutzte nun Professor Ravanelli eine Pause in der Standpauke des Garde-Kommandanten aus, um sich einzumischen. "Wenn Sie tatsächlich mit dem Nugrou-Raumer kollidiert wären, hätte das Schlagzeilen gemacht, die keinem von uns lieb sein können. Mal abgesehen davon, dass Sie sowohl die Nugrou-Raumerbesatzung, Ihr eigenes Leben und die Unversehrtheit unseres einzigen Prototyps fahrlässig gefährdet haben!"

Es folgten einige Augenblicke betretenen Schweigens.

Schließlich ergriff Angham das Wort.

"Sie können sich rühren. Stehen Sie bequem. Ich möchte es damit bewenden lassen. Nehmen Sie sich das, was Ihnen gesagt wurde zu Herzen und ich werde alles tun, um die Sache auf kleiner Flamme zu halten." Angham hob den Zeigefinger. "Nicht um Ihrer Beiden willen!", stellte er dann klar. "Sie hätten eine öffentliche Abreibung vielleicht sogar verdient - trotz Ihrer hervorragenden Leistungen, die Sie für die Raumgarde erbracht haben. Aber wer so verantwortungslos handelt, der muss es sich eigentlich schon gefallen lassen, dafür an den Pranger, vielleicht sogar vor ein Gericht gestellt zu werden. Aber hier geht es auch um den X-Space JUMPER. Wenn es eine offizielle Untersuchung gibt, wird zwangsläufig bekannt, woran wir arbeiten. Und das kann in niemandes Interesse sein. Ich denke, so viel Verständnis werden die Kollegen von der Terranischen Föderation für uns wohl noch haben..." Angham machte eine Pause und fügte schließlich noch hinzu: "Sie fliegen den Prototyp in Zukunft nie wieder ohne offizielle ID-Kennsignal. Jedenfalls nicht, solange Sie innerhalb des Sol-System operieren. Ist das klar?"

"Ja, Sir", erwiderten Wladimir und Kurt wie aus einem Mund.

Anghams Gesichtsausdruck wurde etwas entspannter.

"Andererseits ist es ja gut zu wissen, dass die Tarnung des neuen Absetzers offenbar wirklich perfekt ist."

"Es werden noch eine Reihe weiterer Tests nötig sein", erklärte Professor Ravanelli. "Insbesondere, was den Mikro-"X-Space"-Effektantrieb angeht..."

"Sie werden sich in dieser Hinsicht auf ein Minimum beschränken müssen", erklärte Angham.

Wladimir, Kurt und der Professor sahen den Kommandanten der Raumgarde überrascht an.

"Wie soll ich das verstehen?", fragte Ravanelli.

"Die Zeit drängt. Wie Sie wissen, haben wir am 30. November dieses Jahres Wahlen. Bis dahin möchte ich gerne sämtliche Produktionsaufträge vergeben haben, die mit diesem Projekt in Zusammenhang stehen. Kein Mensch weiß nämlich, wie es mit der Finanzierung einer Absetzer-Serie nach den Wahlen aussehen würde. Wenn wir Pech haben, wird das ganze Projekt erst einmal für Jahre auf Eis gelegt und die gesamte bisherige Entwicklung wäre umsonst gewesen."

"Um einen Test des Überlichttriebwerks kommen wir aber nicht herum", stellte Kurt klar.

Angham lächelte mild.

Die soeben erhaltene Standpauke hatte dem Selbstbewusstsein dieses jungen Mannes offenbar keinerlei bleibenden Schäden zugefügt.

"Sie sollen Ihren Test bekommen", erklärte Angham. "Unter den Bedingungen eines Manövergefechts. Wir müssen sicher sein, dass der Absetzer unter realistischen Bedingungen funktioniert, bevor wir ihn in Serie geben." Er strich sich nachdenklich über das Kinn. "Die neuen Absetzer sind zwar um die Hälfte teurer als ihre alten Einweg-Vorgänger, dafür kann man sie allerdings wiederverwenden, so dass nur eine wesentlich geringere Zahl benötigt wird. Die gesperrten Mittel könnten in die Perfektionierung und Aufstockung unserer sonstigen Ausrüstung gesteckt werden. Ich habe da schon mit ein paar maßgebliche Leuten Gespräche geführt. Aber es muss schnell gehen."

"Was schwebt Ihnen denn für eine Art Manöverübung vor?", hakte Kurt Farmoon nach.

Angham hob die Augenbrauen. "Auch was das angeht, habe ich mir erlaubt, erste Vorbereitungen zu treffen."

Kurt war darüber schon nicht mehr wirklich überrascht.

Angham fragte: "Der Planet Eldorado dürfte Ihnen nicht unbedingt bekannt sein, es sei denn Sie sind während Ihrer Arbeit am X-Space JUMPER noch dazu gekommen, regelmäßig astronomische Fachartikel zu lesen."

"Sie meinen doch nicht zufällig die Kolonie Dorado, den fünften Planeten des Deneb-Systems", warf Professor Ravanelli ein."

Angham schüttelte den Kopf. "Nein, die Namensähnlichkeit ist reiner Zufall. Eldorado ist erst vor kurzem entdeckt worden. Eine erdähnliche Welt, 1900 Lichtjahre entfernt und voller Bodenschätze. Zur Zeit gibt es dort nichts weiter als einen terranischen Vorposten. Da es dort aber jede Menge Bodenschätze gibt, wird eine Besiedlung wohl nicht mehr lange auf sich warten lassen. Vor einer Woche habe ich Master Sergeant Karalaitis mit einer Gruppe von frischen Rekruten dorthin geschickt, um dort ihren Kurs im Überlebenstraining zu absolvieren. Sie wurden von der Sternschnuppe SPECTRAL unter Kommandant Roy Cabezas dort abgesetzt."

"Ist mir auch noch lebhaft in Erinnerung", meinte Wladimir.

"Ich habe Karalaitis bereits die Manöverbefehle gefunkt. Die Aufgabe seiner Gruppe ist es, den Vorposten zu verteidigen. Sie wird dabei von Cabezas' Leuten unterstützt." Angham wandte sich an Kurt. "Sie werden einen Zug befehligen, der versucht, den Hypersender des Vorposten einzunehmen. Der Raumtransporter CALLISTO wird Sie in den entsprechenden Raumsektor bringen und Sie in dem neuen X-Space JUMPER ZERO aussetzen. Die Manöveraufgabe ist für Sie erledigt, wenn es Ihnen gelungen ist, mit dem Hypersender den Raumtransporter CALLISTO anzufunken. Gelingt Ihnen das nicht, hat die andere Seite gewonnen und die CALLISTO wird Sie nach einer Woche abholen."

Kurt nickte. "Kann ich..."

"Sie können sich Ihre Truppe selbst zusammenstellen, Farmoon", fiel der Kommandant ihm ins Wort. "Und dass alle Beteiligten auf beiden Seiten nur mit Paralysatoren ausgerüstet sein werden, brauche ich ja wohl eigentlich nicht extra zu erwähnen."

*


Der Test des Mikro-"X-Space"-Effekt-Antriebs fand am nächsten Tag statt. Diesmal flog der X-Space JUMPER ZERO mit ordnungsgemäßem Identifikationssignal und führte mehrere kleine Raumsprünge in der Umgebung des Sol-Systems durch. Die Triebwerke funktionierten einwandfrei. Es waren zwar noch ein paar Feinjustierungen vorzunehmen, aber ansonsten bestanden keinerlei Bedenken gegen den bevorstehenden Manövereinsatz des Absetzers.

"Ich nehme doch an, dass ich mit von der Partie bin, wenn wir nach Eldorado fliegen", meinte Wladimir Krylenko auf dem Rückflug nach Star City.

"Natürlich", sagte Kurt Farmoon. "Und ansonsten sind auch vorwiegend alte Bekannte dabei."

Wladimir grinste breit.

"Lass mich raten, an wen du denkst. André Souan, Antoku Seiwa, Nick Gonglor... Die üblichen Verdächtigen eben!"

"Genau."

"Es ist immer gut, mit Leuten in einen Einsatz zu gehen, auf die man sich absolut verlassen kann."

"Mit unserer neuen Technik wird das eine Spazierfahrt."

"Unterschätze mir unseren Master Sergeant nicht."

"Karalaitis?" Wladimir lachte. "Ein harter Hund, ein guter Mann—aber letztlich auch nur einer, der mit Wasser kocht, wie wir alle."

"Karalaitis und seine Leute wissen, dass wir kommen. Das ist eine Erschwernis gegenüber einem richtigen Einsatz."

"Gibt's denn auch eine Erleichterung?", fragte Wladimir.

"Die Erleichterung besteht darin, dass wir nur mit Paralysatoren aufeinander losgehen und niemand getötet wird", erwiderte Kurt.

Wladimir schwieg einige Augenblicke lang.

Sie erreichten gerade im Magnetflug die obersten Schichten der Erdatmosphäre.

"Ich wette, wir haben den Hypersender erobert, noch ehe Karalaitis und seine Truppe sich richtig nach uns umgedreht haben", meinte Wladimir schließlich voller Zuversicht.

"Als nächstes schlägst du wahrscheinlich vor, die Siegesfeier schonmal vorzuverlegen, was?", erwiderte Kurt.

"Gute Idee. Hätte ich jetzt gar nicht dran gedacht!"

*


Wenig später landete X-Space JUMPER ZERO in Star City.

Major Angham ließ sowohl Kurt als auch Wladimir zu sich rufen.

Beiden Männern schwante nichts Gutes, was die Unterredung mit dem Kommandanten der Raumgarde anging.

"Ich wette mit dir um was du willst, dass wir heute noch einmal eine Abreibung wegen des Vorfalls von gestern bekommen", war Wladimir überzeugt.

"Es wird nicht so heiß gegessen wie gekocht wird", erwiderte Kurt. "Außerdem steht Angham hinter uns. Zumindest nach außen." Kurt grinste. "Auch wenn er uns vielleicht am liebsten den Kopf abgerissen hätte, er ist in gewisser Weise auf uns angewiesen. Wer sonst könnte dieses Projekt zu Ende führen? Du hast doch gehört, wie sehr die Zeit drängt. Bis zu den Wahlen muss die Produktion auf dem Weg sein, sonst ist ungewiss, was aus der ganzen Sache wird."

Als Kurt und Wladimir das Büro des Kommandanten betraten, saß dieser relativ entspannt hinter dem Schreibtisch.

Der Adjutant hatte die beiden Gardisten gleich durchgewinkt.

Kurt und Wladimir salutierten.

Angham musterte sie einen Augenblick lang. "Stehen Sie bequem", sagte er schließlich. Wenn Kurt Tonfall und Gesichtsausdruck des Kommandanten nicht vollkommen falsch interpretierte, war der Großteil seines Zorns wegen des Vorfalls in Space City inzwischen verraucht. "Wie war der Testflug?", fragte Angham nach einer weiteren Pause.

"Alles bestens, Sir", meldete Kurt.

"Keine Komplikationen?"

"Ein paar Feinarbeiten noch, aber das ist eine Sache von wenigen Stunden. Im Prinzip ist der X-Space JUMPER ZERO klar zum Einsatz."

"Gut", sagte Angham gedehnt. "Wie Sie beide sich wohl denken können, muss ich noch einmal auf die leidige Geschichte von gestern zurückkommen. Der gegenwärtige Stand der Dinge ist, dass es keine Untersuchung gibt. Dafür musste ich einige Klinken putzen und der Raumkontrolle unserer Flotte versprechen, dass meine Leute in Zukunft bei Übungsflügen aller Art einen weiten Bogen um Space City machen."

"Danke Sir", sagte Kurt.

"Lassen Sie sich diese Sache eine Lehre sein. Aber ich will jetzt nicht meine Standpauke von gestern wiederholen. Im übrigen gibt es auch einen erfreulichen Anlass dafür, Sie hier her zu bestellen, Farmoon."

Angham überreichte Kurt Farmoon ein Dokument.

"Das ist Ihre Beförderung zum Fähnrich, Farmoon", erklärte Angham. "Mit Wirkung vom gestrigen Datum. Ich fand es bei unserer letzten Zusammenkunft allerdings als unpassend, Ihnen die Urkunde in einem Moment zu überreichen, in dem ich die größte Dummheit rügen musste, die Sie bisher in Ihrer Zeit bei der Raumgarde begangen haben. Ich hoffe, es wird auch die letzte bleiben."

Kurt schluckte.

Er war sichtlich überrascht.

"Ja, Sir, aber... Mein Promotionsverfahren ist noch nicht abgeschlossen!"

"Ich weiß", sagte Angham. "Aber so gut wie. Sie haben Ihre Arbeit eingereicht, auf deren Grundlage der X-Space JUMPER ZERO basiert. Ich denke für Sie geht es nur noch um die Note, nicht mehr um die Frage, ob Sie bestanden haben. Dem Rigorosum können Sie sich stellen, sobald Sie von Ihrem Einsatz zurück sind, Farmoon." Angham schüttelte Kurt die Hand. "Wir haben eine Ausnahme für Sie gemacht, weil es besser ist, wenn Ihr Zug bei dem bevorstehenden Manöver von einem Offizier befehligt wird - und nicht von einem einfachen Schützen." Angham lächelte verhalten. "Ich gratuliere Ihnen, Farmoon."

"Danke, Sir."

*


Am nächsten Tag fand eine Stabsbesprechung der Führungsoffiziere der Raumgarde statt. Unter anderem ging es um die Planungen zu dem bevorstehenden Manövereinsatz auf Eldorado.

Oberst Lieutenant Kenneth MacCormack übergab zum Schluss die Liste der teilnehmenden Soldaten an Angham. MacCormack war ein 2918 geborener Ire und Doktor der Geschichte. Seit seiner Beförderung zum Oberst Lieutenant war er der Einsatzleiter der Raumgarde.

Er lehnte sich in seinem Schalensitz zurück und nippte an seinem Kaffee.

Währenddessen fixierte er Angham mit seinem Blick. Der Kommandant sah sich die Liste eingehend an.

"Alles alte Bekannte und Weggefährten von Kurt Farmoon", meinte Angham schließlich schulterzuckend. "Es ist keine wirkliche Überraschung dabei."

"Schütze Wladimir Krylenko hat er zu seinem Stellvertreter bei dieser Mission gemacht", stellte MacCormack fest.

"Auch das war zu erwarten", meinte Angham. "Die beiden sind wie Pech und Schwefel. Offenbar geht Farmoon auf Nummer sicher und nimmt nur Leute, von denen er hundertprozentig weiß, dass er sich auf sie verlassen kann. Gonglor, Souan, Seiwa..." Angham lächelte mild. "An seiner Stelle würde ich genauso handeln."

"Farmoon geht bei einer derart wichtigen Mission bei der Auswahl seines Personals auf Nummer sicher -—sollten wir das nicht vielleicht auch besser tun?"

Angham war etwas überrascht.

Falten bildeten sich in seiner Stirnmitte.

"Was meinen Sie damit, Oberst Lieutenant?"

MacCormack zuckte die breiten Schultern. Etwas verlegen kratzte er sich an seinem kurzgeschorenen roten Haarschopf. "Ich will wirklich nichts gegen Farmoon sagen! Er ist wahrscheinlich ein Glücksfall für die Garde und ich erwarte noch sehr viel von ihm. Kaum einer ist in seinem Alter schon so weit wie er. Jedenfalls kann ich mich in all meinen Dienstjahren nicht an jemanden erinnern, der mit ihm vergleichbar gewesen wäre. Weder in meiner Zeit beim Raumkorps noch später in der Garde."

"Das sehe ich genauso", unterbrach Generalmajor Angham den Einsatzleiter der Garde.

Eine Pause entstand, die Angham als unangenehm empfand.

"Lassen Sie die Katze aus dem Sack, MacCormack. Was spukt Ihnen im Kopf herum?"

"Also gut, Sir. Dann werde ich offen sprechen."

"Ich habe von Ihnen nie etwas anderes verlangt, MacCormack!", gab Angham etwas ungehalten zurück.

"Wie gesagt, mir liegt es fern, den Musterschüler der Garde bei irgendwem madig zu machen. Aber ich frage mich, ob es nicht besser wäre, einen derart entscheidenden Test unter das Kommando eines Offiziers..."

"Farmoon ist Offizier!", unterbrach Angham den Oberst Lieutenant.

"...unter das Kommando eines erfahrenen Offiziers zu stellen", vollendete MacCormack schließlich doch noch seinen angefangenen Satz.

In Anghams Stirnmitte zeigte sich un eine markante Stirnfalte. Seine Augen wurden schmaler. "Farmoon war von Anfang an der Kopf dieses Projekts. Der Spiritus Rector. Ihm jetzt das Kommando zu versagen, würde einer Demütigung gleichkommen, das wissen Sie, MacCormack."

"Ja, schon..."

"Und wenn Sie an Farmoons Stelle wären, würden Sie das exakt so empfinden. Als maßlose Degradierung."

"Maßlos?", sagte MacCormack. "Ich erinnere nur an den Vorfall mit dem Raumkreuzer! Wenn da etwas passiert wäre, würden wir uns hier und jetzt wahrscheinlich über eine Entlassung dieses Mannes aus der Garde unterhalten -—nicht darüber, ob er für ein Kommando geeignet ist, das ein Höchstmaß an Verantwortung fordert."

"Er ist jung, MacCormack!", gab Angham zu bedenken. "Gerade mal zwanzig. Aber er bringt alle Fähigkeiten mit, die ein Kommandant für diesen Einsatz braucht. Also werde ich ihm das Kommando auch nicht entziehen. Ich denke gar nicht daran!"

"Sie kennen das Risiko!", gab MacCormack zu bedenken.

Angham nickte heftig.

"Ja, das ist mir bewusst. Wenn jemand absolute Sicherheit und Vorhersehbarkeit sucht, dann ist er in der Raumgarde wohl ohnehin fehl am Platz. Das gilt für die Soldaten genauso wie für den Kommandanten." Angham grinste. "Farmoon weiß, dass er keinen Fehler machen darf. Aber er wird auch keinen machen, davon bin ich überzeugt. Dazu hängt ihm das Projekt des wiederverwendbaren Absetzers viel zu sehr am Herzen. Glauben Sie mir."

MacCormacks Gesicht blieb skeptisch.

"Sagen Sie später nicht, ich hätte Sie nicht gewarnt!"

"Für uns alle hängt viel von dieser Mission ab", erklärte Angham mit einem plötzlich sehr ernsten Unterton. "Und das ist niemandem bewusster als Kurt Farmoon. Glauben Sie mir."

*


Der X-Space JUMPER ZERO brachte die Truppe nach Space City, dem Raumhafen von Terra Town, wo die CALLISTO bereits auf die Gardisten wartete.

Etwa vierzig Mann umfasste der von Kurt Farmoon zusammengestellte Zug. Eine handverlesene Einheit. Kurt hatte ein gutes Gefühl dabei, mit diesen Männern in den Einsatz zu gehen. Bei jedem von ihnen wusste er, dass er sich im Ernstfall absolut auf ihn verlassen konnte.

Dieses Mal flog Wladimir Krylenko den Absetzer mit vorschriftsmäßig eingeschaltetem Identifikationssignal.

Als sich X-Space JUMPER ZERO im Landeanflug auf den Raumhafen befand, stellte Lieutenant Damien Nergal von der Raum- und Flugkontrolle der Terranischen Föderation eine Funkverbindung her.

"Wie ich sehe, sind Sie schon wieder hier. Diesmal mit offizieller Genehmigung und mit vorschriftsmäßiger Kennung. Wer führt bei Ihnen das Kommando?"

"Fähnrich Kurt Farmoon", sagte Kurt.

Die neue Rangbezeichnung klang in Verbindung mit seinem Namen noch fremd in den Ohren des jungen Mannes.

Aber es gab nun wirklich Dinge, an die man sich schwerer zu gewöhnen vermochte.

Damien Nergal lachte rau.

"Es wundert mich, dass man Sie überhaupt noch mit so einem Tarn-Vogel herumdüsen lässt, wo Sie doch beinahe eine Katastrophe verursacht haben."

"Nichts für ungut, Lieutenant Nergal. Mein Chef hat mir dafür fast die Ohren abgerissen..."

"Was heißt hier fast? Er hätte es tun sollen."

"Ich weiß nicht, woher Ihre Animositäten gegen mich kommen, aber ich schlage einfach vor, das Kriegsbeil zu begraben, Lieutenant. Es hat doch keinen Sinn, wenn wir..."

"Mir stinkt es einfach, dass ihr Brüder von der Garde glaubt, euch hier alles herausnehmen zu können. Nur, weil ihr Eierköpfe mit akademischen Titeln gespickt seid, heißt das noch lange nicht, dass ihr euch darauf etwas einbilden solltet!"

Kurt Farmoon atmete tief durch.

Die Tatsache, dass der Einsatz endlich begann, dass alle bisherigen Tests mit dem neuen Absetzer wunderbar geklappt hatten und er nach seiner Rückkehr ins Rigorosum gehen und seine Promotion damit abschließen konnte, hatte Kurt Farmoon in eine beinahe euphorische Stimmung versetzt. Es gab Tage, an denen konnte einen einfach niemand ärgern. Nicht einmal ein Mann wie Damien Nergal. Also blieb Kurt ruhig und gedachte, den Angriff des Lieutenants mit Gelassenheit zu begegnen.

"Hören Sie, Lieutenant Nergal..."

"Die Verbindung ist bereits unterbrochen", meldete Nick Gonglor, der die Funk-Z des Absetzers gegenwärtig besetzt hielt.

André Souan wandte sich mit einem spöttischen Lächeln an Kurt.

"Ich glaube nicht, dass ihr in diesem Leben noch Freunde werdet", stellte er trocken fest.

Kurt zuckte die Achseln.

"Nergal hat nun einmal seine Ansichten", meinte er.

"Ansichten wie ein Betonklotz", ärgerte sich André.

*


Die CALLISTO war ein Beuteschiff der 400-m-Klasse, das man den Titans abgenommen hatte. Seit Gründung der Raumgarde diente es als deren Transporteinheit. Es nahm die Garde-Absetzer in ihre Hangars auf und sorgte für den reibungslosen Langstreckentransport in den Zielsektor der jeweiligen Operation. Wo immer der liegen mochte...

Hector Acondo kommandierte das Schiff. Er bekleidete den Rang eines Majors und war Angehöriger der Terranischen Flotte.

Acondo hatte gerade die Zentrale der CALLISTO betreten. Auf dem Hauptbildschirm war ein herannahendes Objekt zu sehen.

Schwarz.

Pfeilförmig.

"X-Space JUMPER ZERO nähert sich uns und sendet Identifikationspeilung", meldete sich Jack Ornelas zu Wort.

Ornelas war zweiter Offizier und für Funkverkehr und Ortung zuständig.

Hector Acondo runzelte die Stirn.

"Das ist er also, der neue Wundervogel der Raumgarde", knurrte er. "Ergeben die Ortungsscans irgendwelche Besonderheiten?"

"Nichts, Sir. Wäre da kein Identifikationssignal oder das Bild unserer optischen Sensoren, dann würden wir den Absetzer gar nicht bemerken."

Acondo war darüber aufgeklärt worden, dass ein neuer Absetzer-Prototyp seinem entscheidenden Test unterzogen werden sollte. Aber dem Kommandanten der CALLISTO war ansonsten nur das Nötigste mitgeteilt worden.

Der Kommandant der CALLISTO kannte dieses Spiel schon zu genüge.

Geheimhaltung wurde bei Operationen der Raumgarde sehr häufig groß geschrieben. So viele Informationen wie nötig und so wenig wie möglich hieß die Devise.

"Es passt mir gar nicht, dass wir den Chauffeur für eine Horde Grünschnäbel spielen sollen, die auch noch von einem Grünschnabel kommandiert werden", machte Acondo schließlich seinem Ärger Luft.

"Glauben Sie vielleicht, ich bin davon begeistert?", erwiderte Ornelas.

Acondo zuckte die breiten Schultern.

"Befehl ist Befehl", meinte er. "Also machen wir das beste daraus." Er hoffte nur, dass der gerade zum Fähnrich ernannte Grünschnabel namens Kurt Farmoon ihm nicht dumm kam.

In dem Fall kann der sich auf was gefasst machen, ging es dem Kommandanten der CALLISTO durch den Kopf. Aber da war noch eine andere Gedankenstimme im Bewusstsein des Majors der Terranischen Föderation. Eine Stimme, die von ganz weit hinten kam. Du wirst alles brav hinunterschlucken und deine Befehle ausführen, wie du es immer getan hast. Auch wenn es dir noch so sehr gegen den Strich ging.

Wenig später war X-Space JUMPER ZERO im größten Hangar der CALLISTO sicher gelandet. Der Pilot verstand offenbar sein Handwerk.

"Alles klar machen zum Start!", befahl der Kommandant. "Wir brechen auf. Stellen Sie eine Verbindung zu Farmoon her, Ornelas!"

"Sofort!"

Auf einem Nebenbildschirm erschien Augenblicke später das Gesicht des frisch gebackenen Fähnrichs. Eine Traumkarriere, die der Jungspund hingekriegt hat, dachte Acondo.

"Ich begrüße Sie an Bord der CALLISTO, Fähnrich Farmoon. Sie fliegen ja nicht zum ersten Mal mit uns..."

Kurt Farmoon grinste.

"Das ist allerdings wahr!"

"Haben Sie noch irgendwelche Ausrüstung an Bord zu nehmen, Fähnrich?"

"Nein, Sir. Alles, was wir brauchen, ist an Bord des Absetzers."

"Dann ist wohl nichts dagegen einzuwenden, dass wir jetzt starten."

"Tun Sie das. Wenn Sie nichts dagegen haben, werde ich Sie zur weiteren Besprechung gleich in der Zentrale aufsuchen."

Acondos dünnes Lächeln wirkte verkrampft.

"Wenn es sein muss", murmelte er kaum hörbar, als Kurt Farmoon die Verbindung bereits unterbrochen hatte. Ein weiterer Gedanke durchzuckte den Kommandanten der CALLISTO: Grünschnabel!

Ein dumpfes Rumoren durchlief das Schiff, als die Impulstriebwerke gestartet wurden und sich die CALLISTO von der Erdoberfläche erhob. Sie stieg rasch auf, verließ schließlich die Erdatmosphäre in Richtung Marsbahn.

Der 400-m-Kreuzer beschleunigte.

1900 Lichtjahre Richtung des galaktischen Zentrums würde die CALLISTO zurücklegen.

Eine Schiebetür öffnete sich selbsttätig und Kurt Farmoon erschien in der Zentrale.

Acondo zwang sich zu einem müden Lächeln.

"Freut mich Sie zu sehen, Fähnrich."

"Danke, gleichfalls", war Kurt Farmoons zurückhaltende Erwiderung.

Acondo wandte sich an Lawrence Faso, den Bordastronomen der CALLISTO. "Zeigen Sie dem Fähnrich mal, wohin wir fliegen", befahl der Kommandant.

"Ja, Sir", gehorchte Faso.

Er aktivierte eine Drei-D-Projektion, die den lokalen Sektor der Galaxis darstellte. Faso zoomte ein bestimmtes Gebiet heran.

Ein Ausschnitt, der offenbar die Zielregion zeigte.

"Eldorado ist der dritte Planet einer Sonne, die ein Zwilling von Sol sein könnte", erläuterte der Astronom. "Da wir uns ein ganzes Stück weiter in Richtung des galaktischen Zentrums begeben, ist die Sternendichte hier um einiges höher. Wir steuern zunächst das Nachbarsystem an. Es ist ungefähr anderthalb Lichtjahre von Boulanger entfernt."

Kurt hob die Augenbrauen.

"Boulanger?", echote er.

Faso lächelte überlegen. "Das ist der Name von Eldorados Sonne. Sie wurde nach ihrem Entdecker Albert Boulanger benannt. Der Name der Sonne dürfte noch unbekannter sein, als ihr Planet. Aber das könnte sich bald ändern."

"Vorausgesetzt die Hoffnungen auf einen wirtschaftlich ertragreichen Rohstoffabbau erfüllen sich", mischte sich Hector Acondo ein. "Aber da kann eigentlich nichts schief gehen, es sei denn, auf politischer Ebene wird plötzlich quergeschossen. Frei nach dem Motto: Wir brauchen keine neuen Kolonien, solange es auf der guten alten Erde noch Probleme gibt, die bislang ungelöst blieben."

"Ein Standpunkt, den ich nie verstehen konnte", gestand Kurt Farmoon.

Acondo zuckte die Achseln.

"Sie wissen ja auch, dass wir demnächst Wahlen haben. Da kann alles mögliche geschehen."

Inzwischen fuhr Faso mit seinen Erläuterungen fort. "Wir werden Sie in dem namenlosen Nachbarsystem absetzen und dort auf Ihren Hyperfunkspruch warten."

"Vorausgesetzt, Sie schaffen es und wir müssen Sie nicht eine Woche später irgendwo auf der Oberfläche von Eldorado aufsammeln", ergänzte Major Acondo.

Kurt grinste. "Darauf können Sie Gift nehmen!", versprach er.

*


Gut 1900 Lichtjahre hatte die CALLISTO hinter sich, als sie aus dem Hyperraum ins Normaluniversum zurückkehrte. Die namenlose Sonne vom G-Typ war das angemessene Ziel der letzten Transition gewesen. Sie trug in den Einsatzplänen die Bezeichnung AX-4321 und besaß insgesamt fünf Planeten. Es handelte sich sämtlich um Gasriesen. Zwischen dem zweiten und dritten Planeten gab es einen breiten Asteroiden-Gürtel. Einige größere Objekte aus diesem Gürtel waren vielleicht Trümmer eines sechsten Planeten, der durch die Gravitationskräfte seiner Nachbarn zerrissen worden war.

Kurt Farmoon begab sich an Bord des Absetzers.

Der X-Space JUMPER ZERO startete und verließ den Hangar der CALLISTO.

Wladimir Krylenko hatte an Bord des Absetzers wieder die Pilotenfunktion inne.

Major Acondo meldete sich über Funk.

"Ich wünsche Ihnen viel Glück, Farmoon", meinte er.

"Danke, das werden wir brauchen!", erwiderte Kurt.

"Wir sehen uns auf Eldorado. So oder so."

Kurt und Wladimir grinsten sich an.

"So oder so", bestätigte Kurt.

Die Verbindung wurde unterbrochen. Auf den Ortungsanzeigen des Absetzers war zu sehen, dass die CALLISTO ihre Impulstriebwerke startete.

Acondos Mannschaft war offenbar dabei, den 400-m-Raumer in ein stabiles Orbit um AX-4321 zu bringen.

André Souan, der die Ortungsanzeigen bediente, meldete sich zu Wort. "Eine Woche um eine namenlose Sonne kreisen, deren Planeten nichts weiter als große Gasblasen sind. Unsere Kollegen von der CALLISTO sind um ihren Job wirklich nicht zu beneiden."

Wladimir lachte.

"Du meinst, wir haben den interessanteren Job erwischt!", meinte er.

"Na, würdest du vielleicht tauschen wollen, Wladimir?", fragte Kurt.

"Um keinen Preis!", gab der Russe zurück.

Wenige Augenblicke später gab Kurt den Befehl zu einer kompletten Überprüfung der Systeme.

"Alles in Ordnung mit unserem Vogel", meldete Wladimir schließlich.

"Wir nehmen mit Magnetantrieb Kurs auf den Rand dieses Sonnensystems", bestimmte Kurt. "Sobald die Feldstärke des solaren Magnetfeldes von AX-4321 bei 30% der mittleren Stärke liegt, werden wir den "X-Space"-Effekt benutzen."

"Maximale Geschwindigkeit mit dem Magnetantrieb?", fragte Wladimir.

Kurt bestätigte dies. "Maximale Geschwindigkeit."

Die Reise bis zum Rand des AX-4321-Systems dauerte mehrere Stunden. Im Inneren des X-Space JUMPER ZERO herrschten beengte Verhältnisse. Für die 40 Mann, die zu Kurt Farmoons Zug gehörten, und ihre Ausrüstung, war nur das Nötigste an Platz vorhanden. Aber die Gardisten waren daran gewöhnt. Schließlich war dies nicht ihr erster Einsatz. Der einzige Unterschied bestand darin, dass diesmal ein neuartiger Antrieb mit geradezu phantastischen Tarnungsmöglichkeiten benutzt wurde. Ansonsten glich der Absetzer seinen konventionellen Vorgängern bis aufs Detail.

Die Stunde bis zum Erreichen jener Zone, in der das Magnetfeld von AX-4321 nicht mehr die Aktivierung des "X-Space"-Effekt-Antriebs verhinderte, nutzte Kurt Farmoon damit, sich mit Hilfe des Bord-Kristallsensors noch einmal gründlich in das vorhandene Datenmaterial über Eldorado und das Boulanger-System zu vertiefen. Erst vor einem halben Jahr war das Boulanger-System von dem Erkundungsschiff GEMINI unter dem Kommando von Kapitän Albert Boulanger entdeckt worden. Boulanger und seiner Crew war gleich der Rohstoffreichtum auf dem dritten, erdähnlichen Planeten aufgefallen, der daraufhin Eldorado getauft worden war, nach dem legendären Goldland der Indios, das die spanischen Eroberer in der neuen Welt gesucht und nie wirklich gefunden hatten.

Gold hatte im Jahr 2959 seine ehemals überragende Bedeutung als wertbeständigstes Handelsgut längst eingebüßt.

Inzwischen waren es längst andere Rohstoffe, die zur Triebfeder menschlichen Handelns geworden waren und in den nächsten Monaten und Jahren dafür sorgen würden, dass Tausende von wagemutigen Siedlern ins Boulanger-System aufbrachen.

Tirifotium zum Beispiel, das für alle Raumschiffe, die auf Alienwandler-Technik basierten, unerlässlich war.

Erste Untersuchungen legten den Schluss nahe, dass Eldorado davon große Vorkommen besaß, die darüber hinaus auch noch leicht abzubauen waren.

Aber noch war es nicht so weit.

Noch gab es nur einen einsamen terranischen Vorposten und ein paar Dutzend Rekruten der Raumgarde, die in den ausgedehnten Waldgebieten des Planeten ihr Überlebenstraining absolvierten.

Verglichen mit der Erde hatte Eldorado ein etwas wärmeres Klima. An den Polen herrschte gemäßigtes Klima. Es gab keine Eiskappen. Die Subtropen reichten dementsprechend in verhältnismäßig hohe Breitengrade hinein, während die Äquatorzone aus einem Gürtel heißer Wüstenregionen bestand.

Kurt Farmoon aktivierte eine Drei-D-Projektion der Planetenoberfläche.

Deutlich waren die blaugrün schimmernden Meere erkennbar. Auf Eldorado existierte kein zusammenhängender Ozean. Bei den Meeren handelte es sich um gewaltige Binnenseen, deren Salzgehalt sehr unterschiedlich war, wohingegen die gesamte planetare Landmasse einen einzigen, zusammenhängenden Kontinent bildete.

Die Position des terranischen Vorpostens, der die Erschließung der Bodenschätze vorbereiten sollte, war mit einer roten Marke gekennzeichnet. Er lag auf der Nordhalbkugel in einer subtropisch geprägten Zone. In der Nähe lag die Küste des sogenannten Großen Meeres, dem größten auf Eldorado existierenden Binnengewässer. Das Große Meer zog sich auf einer Breite von tausend Kilometern bis weit über den Äquator. Etwas weiter westlich lag das sogenannte Mittlere Meer, dessen Form einem Oval entsprach und das nur etwa halb so groß war wie das Große Meer. Die Wasserfärbung unterschied sich deutlich. Das Mittlere Meer wies einen deutlich stärkeren Grünstich auf und teilte diese Eigenschaft mit dem Kleinen Meer, dem Sichelmeer und dem Langen Meer, das sich auf der Südhalbkugel wie ein Graben vom Äquator bis in die Polregion zog.

"Glücklicherweise lag unser Einsatzgebiet durch die Lage des Vorpostens fest", meldete sich André Souan zu Wort. Er grinste. "Andernfalls hätte uns vielleicht ein Aufenthalt in einer dieser höllischen Wüsten blühen können!"

Kurt zuckte die Achseln.

"Das hätte noch eine weitere Schwierigkeit in dieser Übung bedeutet", meinte er.

Wladimir lachte. "Wäre vielleicht gar nicht schlecht gewesen!", fand der Russe.

André Souan sah ihn erstaunt an.

"Wieso?"

Wladimir hob die Augenbrauen.

"Na, das wird jetzt eine Spazierfahrt für uns. Wir fliegen unsichtbar in das Boulanger-System ein, landen in der Nähe des Vorpostens und erobern den Hypersender. Unsere Gegner haben doch gegen uns gar keine Chance!"

"Unter Selbstüberschätzung leidest du wohl überhaupt nicht, was?", gab André kopfschüttelnd zurück.

Wladimir zuckte die Achseln.

"Was soll denn schon groß schief gehen?"

André erwiderte: "Ich denke, Karalaitis' Truppe..."

"Karalaitis' Frischlingstruppe", korrigierte Wladimir und schnitt André damit das Wort ab.

"Genau deshalb werden die ihren ganzen Ehrgeiz aufbieten, um uns zu schlagen!", sagte der Franzose daraufhin.

Kurt Farmoon hörte dem Gespräch seiner Kameraden nur mit halbem Ohr zu. Stattdessen schaute er sich weiterhin den Datensatz zu Eldorado an.

Diese Welt war nicht nur reich an Rohstoffen.

Sie war außerdem wie geschaffen für eine Besiedlung durch Menschen. Fauna und Flora waren erst ansatzweise erforscht. Trotz einer reichen Artenvielfalt gab es keinerlei Hinweise darauf, dass Eldorado jemals von einer intelligenten Spezies besiedelt worden war.

Eine Welt wie ein Juwel, dachte Kurt. Eigentlich ein Wunder, dass diesen Edelstein bislang außer Terra noch niemand für sich beansprucht hat!

*


Jack Ornelas ließ seine Ortungstechnik auf Hochtouren laufen. Das gesamte AX-4321-System wurde intensiv abgetastet. Bislang allerdings ohne Ergebnis.

"Kein Zweifel, wir haben den X-Space JUMPER ZERO verloren", meldete Ornelas ziemlich genervt und lehnte sich in seinem Schalensitz zurück.

Hector Acondo trat neben ihn an die Konsole heran, über die Ornelas die Ortungssysteme überwachte. Tiefe Furchen zeigten sich auf der Stirn des Kommandanten der CALLISTO.

"Das gibt es doch nicht!", murmelte er.

"Sie können gerne selbst die Systeme überprüfen. Meines Erachtens laufen sie einwandfrei. Aber der Absetzer ist trotzdem verschwunden, seit er den Erfassungsbereich unserer optischen Sensoren verlassen hat."

Acondos Finger glitten über das Kristallsensor-Terminal der Konsole. Er versuchte, die Systemeinstellungen zu modifizieren. Aber im Hinblick auf den verlorenen X-Space JUMPER ZERO brachte das rein gar nichts.

Schließlich gab Acondo auf.

Er atmete schwer.

"Ich würde zu gern genauer wissen, wie die den Absetzer genau umgebaut haben... Ein verkleinerter X-Space-Effekt-Antrieb allein kann ja noch nicht alles erklären..."

Ornelas zuckte die Achseln.

"Was auch immer sich die Kameraden von der Garde auch ausgedacht haben mögen—es scheint ausgezeichnet zu funktionieren. Ich nehme mal an, sie sind längst transitiert."

Acondo nickte leicht.

Auf rein rationaler Ebene konnte er verstehen, dass sich die Raumgarde was technische Einzelheiten des neuen Absetzers anging, sehr bedeckt gehalten hatte. Schließlich waren die Details streng geheim. Aber auf der anderen Seite konnte es Acondo nur schwer ertragen, nicht zu den Eingeweihten zu gehören.

"Farmoon und seine Leute haben meinen vollen Respekt", drang Ornelas' Stimme in Acondos Bewusstsein.

Acondo schwieg.

Aber er dachte genauso.

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