Читать книгу Raumkrieger im Wurmloch: 6 Science Fiction Abenteuer auf 1660 Seiten - Mara Laue, Alfred Bekker, Frank Rehfeld - Страница 19

4. Teil: Ernstfall

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Kurt, Tom und Wladimir kehrten zum Lagerplatz der Gardisten zurück.

Der Fähnrich rief die Männer zusammen.

In knappen Worten informierte er sie über die neue Lage.

"Männer, dies ist jetzt keine Übung mehr, sondern ein scharfer Einsatz. Dass wir praktisch ohne Ausrüstung dastehen, sollte uns nicht weiter bekümmern. Wir werden schon zurecht kommen. Auch, wenn wir einer Schar schwer bewaffneter Kelradan gegenüberstehen."

"Die Gefangenen sind wach", stellte Sam Uitveeren fest. "Allerdings haben wir ihnen bislang die Knebel nicht abgenommen. Schließlich wollten wir nicht riskieren, dass sie uns durch einen Schrei verraten."

"Das werden sie nicht", versicherte Kurt. "Sie wurden wohl ebenso Opfer des Kelradan-Überfalls wie die Besatzung des Außenpostens und die Männer der Sternschnuppe SPECTRAL."

Einige Augenblicke lang herrschte unter den Soldaten betretenes Schweigen.

Schließlich meldete sich André Souan zu Wort.

"Habt ihr irgendeine Ahnung, was mit Karalaitis geschehen ist?"

Kurt schüttelte den Kopf. "Nein, aber vielleicht können uns da die Gefangenen weiterhelfen."

Den beiden überwältigten Gardisten waren inzwischen die schweren Panzeranzüge abgenommen worden. Fest verschnürt lagen sie am Boden. Sam Uitveeren und Nick Gonglor begannen damit, die beiden von ihren Knebeln und Fesseln zu befreien.

"Tut uns Leid, dass wir euch grob behandelt haben", sagte Tom Black Feather an die beiden Rekruten gerichtet. "Aber wir dachten, dass eure Seite mit gezinkten Karten spielt, in dem ihr Multikarabiner einsetzt..."

"Schon gut", knurrte einer der beiden. Ein rothaariger Mann mit Sommersprossen.

"Wer seid ihr?", fragte Kurt.

"Rekrut Gary Keogh", meldete sich der Rothaarige.

"Rekrut Abdul Al-Zia", stellte sich der andere vor. "Wir gehören zum Ausbildungszug von Master Sergeant Karalaitis und hatten den Auftrag, uns hier umzusehen..."

Die beiden Männer erhoben sich. Abdul rieb sich die Handgelenke.

"Was ist geschehen?", fragte Kurt an Keogh gewandt.

"Vor drei Tagen erfolgte ein Angriff aus heiterem Himmel. Dieser Doppelkugelraumer der Kelradan legte alles in Schutt und Asche. Von der SPECTRAL ist nur ein Wrack übrig. Die meisten Besatzungsmitglieder sind umgekommen. Dasselbe gilt für die Besatzung des Vorpostens. Alles ging blitzschnell. Die Kelradan wußten genau, was sie taten. Sie vernichteten zuerst die Hypersender des Vorpostens sowie der SPECTRAL, so dass kein Notruf gesendet werden konnte."

Was der Gardist berichtete deckte sich mit Kurts Beobachtungen

"Was ist mit dem Rest von Karalaitis' Leuten?"

"Wir befanden uns zu einer Übung in einem Waldgebiet. So wurden wir von dem Angriff nicht betroffen. Andernfalls würde ich jetzt nicht hier stehen."

"Woher wissen Sie dann so genau, was sich ereignet hat, Rekrut Keogh?", hakte Kurt nach.

"Ein paar Leute von der SPECTRAL konnten fliehen. Sie stießen später zu uns. Kommandant Roy Cabezas ist auch darunter gewesen. Durch die Flüchtlinge erfuhren wir, was geschehen ist."

Abdul Al-Zia meldete sich jetzt zu Wort und ergänzte die Ausführungen des Rothaarigen.

"Master Sergeant Karalaitis wusste, dass Ihr Zug früher oder später hier auftauchen würde, um einen Hypersender zu erobern, der längst zerstört war. Karalaitis wollte Sie nicht in die Falle tappen lassen. Deshalb hat er Gary und mich losgeschickt. Wir hatten den Auftrag, Sie abzufangen und zu warnen." Abdul atmete tief durch. Er wechselte einen kurzen Blick mit Gary Keogh. Und fuhr sich anschließend mit einer fahrigen Geste über das Gesicht, so als wollte er etwas abwaschen.

"Wo befindet sich Karalaitis?", hakte Kurt nach.

"Wir bringen Sie hin, Fähnrich", versprach Abdul.

"Gut, dann sollten wir gleich aufbrechen."

Kurt hatte sich bereits halb zur Seite gedreht, als Abdul sich noch einmal zu Wort meldete. "Fähnrich, ich..." Er brach ab, druckste etwas herum.

Kurt Farmoon musterte den Rekruten und zog fragend die Augenbrauen hoch. Irgendetwas liegt dem Kerl noch im Magen, dachte Kurt. "Na los, spucken Sie schon aus, was Ihnen noch auf der Seele liegt!", forderte der Fähnrich.

"Es geht um die Art und Weise, wie wir hier her gelangten...."

"Tom hat sich bei Ihnen entschuldigt und die beiden anderen Gardisten werden das sicher auch gerne tun. Das Ganze war ein Missverständnis. Wir wussten nicht, dass Sie gute Gründe dafür hatten, mit einem Multikarabiner bewaffnet herumzulaufen."

Abdul schüttelte den Kopf. "Das meine ich nicht."

"Was dann?", fragte Kurt.

Der Gardist schluckte.

"Ihre Leute waren unbewaffnet, Fähnrich. Trotzdem haben sie es geschafft, Gary und mich zu überwältigen. Das ist einfach nur peinlich und es wäre nett, wenn Sie Karalaitis gegenüber davon nichts erwähnen würden."

Kurt grinste.

"Nicht ein Sterbenswörtchen!"

"Versprochen?"

"Bei meiner Ehre als Gardist. Karalaitis erfährt nichts", versicherte Kurt.

Wladimir konnte sich eine sarkastische Bemerkung nicht verkneifen. "Schließlich will ja niemand von uns, dass Master Sergeant Karalaitis in Depressionen versinkt, weil er den Glauben an seine Ausbildungsmethoden verloren hat!"

*


Abdul und Gary bekamen ihre Multikarabiner und die schweren Kampfanzüge zurück.

Die Gruppe räumte den Lagerplatz auf, sorgte dafür, dass es möglichst wenig Spuren ihrer Anwesenheit gab und brach schließlich auf.

Abdul Al-Zia führte den Zug an.

Sie gingen Richtung Westen.

Die Dämmerung setzte bereits ein, als sie einen Grabenbruch erreichten. Die Gardisten klettern einen steilen, felsigen Hang hinunter. Am Fuß dieses Hangs erstreckte sich ein dichtes Waldgebiet, durchzogen von einem Fluss, der weiter Richtung Südwesten mäanderte.

Abdul führte sie flussaufwärts.

Das Unterholz war dicht.

Die Soldaten mussten sich teilweise regelrecht durch das Gestrüpp hindurchkämpfen.

Schließlich wurde das Gelände felsiger und der Bewuchs entsprechend spärlich. Schroffe Massive ragten über die Baumkronen hinweg. Der Fluss entsprang irgendwo in diesen Bergen und hatte sich in Jahrmillionen seinen Weg durch den Stein gebahnt.

Eine Klamm war auf diese Weise entstanden.

Eine schmale Schlucht, in deren Mitte das Flussbett lag. Zu beiden Seiten gab es einen schmalen Uferstreifen, auf dem man laufen konnte. Bei höherem Wasserstand war die Klamm unpassierbar.

"Wir müssen noch etwa eine halbe Stunde flussaufwärts gehen", erklärte Gary Keogh an Kurt gewandt. "Dann finden wir in der Felswand einen Höhleneingang."

Der Zug setzte seinen Weg fort.

Abdul und Gary gingen voran.

Etwa zwanzig Minuten lang waren sie dem Flussbett gefolgt. Der Wasserstand war ausgesprochen niedrig. Am Ufergestein gab es Spuren, die davon zeugten, dass er bis zu einem Meter höher steigen konnte.

Die Vegetation wurde immer spärlicher. Nur vereinzelt wuchsen noch Sträucher und Bäume. Die Wurzeln fanden in dem steinigen, geröllhaltigen Untergrund einfach keinen Halt.

Inzwischen wurde es dunkel. Der Abendmond war aufgegangen, aber in der engen Schlucht würde man ihn vermutlich erst gegen Mitternacht sehen.

Es war also ziemlich dunkel in der Klamm.

Plötzlich blieben Gary und Abdul abrupt stehen.

Abdul hob die Hand und bedeutete den anderen anzuhalten.

"Was ist los?", fragte Kurt.

Abdul antwortete nicht.

Stattdessen pfiff er auf zwei Fingern.

Aus der Dunkelheit antwortete ein Pfiff.

"Alles in Ordnung!", rief Abdul.

Eine Bewegung in der Dunkelheit ließ Kurt zunächst reflexartig den Paralysator emporreißen.

Zwei Gardisten mit Multi-Karabinern im Anschlag sprangen aus den Büschen.

Wie Schatten wirkten sie.

Das spärliche Mondlicht glänzte auf den Kampfhelmen.

"Das ist Fähnrich Farmoons Gruppe", erklärte Abdul.

Einer der Bewaffneten nahm den Kampfhelm ab.

"Schön, dass Sie es geschafft haben!", meinte er und grüßte militärisch.

"Verzichten wir auf diese Förmlichkeiten", erwiderte Kurt.

Der Rekrut deutete mit der ausgestreckten Hand flussaufwärts.

"Es ist nicht mehr weit. Hinter der Biegung ist der Eingang zur Höhle. Master Sergeant Karalaitis erwartet Sie schon!"

Abdul führte die Gruppe weiter, während die beiden Posten zurückblieben.

Es dauerte nur noch wenige Minuten, bis sie den Eingang der Höhle erreichten.

"Folgen Sie mir einfach!", forderte Abdul an Kurt gewandt. "Ich weiß, dass es ziemlich dunkel hier ist, aber jede Form von Beleuchtung könnte den Feind auf uns aufmerksam machen!"

"Schon klar", knurrte Kurt.

Er tastete sich an der Felswand entlang. Der Eingang der Höhle war verhältnismäßig schmal. Der Gang machte nach wenigen Metern eine Biegung. Der flackernde Schein eines Lagerfeuers erhellte den gewölbeartigen Raum, in dem Karalaitis und seine Rekruten kampierten. Schatten tanzten an der Wand. Das Gemurmel unter den Männern erstarb.

Kurt Farmoon blieb stehen.

Einer der Männer am Feuer erhob sich. Es war niemand anders als Jannis Karalaitis.

Der Balte nahm Haltung an und salutierte.

Schließlich war Kurt Farmoon als Fähnrich inzwischen an dem Master Sergeant in der Hierarchie der Garde vorbeigezogen.

"Lassen Sie den Unsinn, Master Sergeant Karalaitis", sagte Kurt.

"Sie sind der Ranghöhere", erinnerte ihn Karalaitis.

"Wie auch immer. Ich freue mich, Sie wohlbehalten, hier anzutreffen."

Karalaitis' Körperhaltung entspannte sich. Er nickte. "Wir sind in einer schlimmen Lage. Vor allem, weil wir keinen Kontakt zur Außenwelt haben. Die einzigen beiden Hyperfunksender sind zerstört. Aber ich nehme an, dass Abdul und Gary Ihnen das bereits berichtet haben."

Kurt nickte.

"Das haben sie. Und wir haben auch gesehen, was die Kelradan-Angreifer aus dem Vorposten gemacht haben."

Karalaitis Gesicht wurde düster.

Er ballte unwillkürlich die Hände zu Fäusten. "Es hat viele Tote dort gegeben. Außerdem dürften ein Reihe unserer Leute in Gefangenschaft sein. Unser Trupp hatte einfach Glück, gerade nicht am Ort des Geschehens zu sein, denn ich glaube kaum, dass wir etwas gegen die Waffen des Doppelkugelraumers hätten ausrichten können." Karalaitis schluckte. Er nahm im nächsten Moment jedoch wieder Haltung an und deutete auf einen Mann, der sich inzwischen auch erhoben hatte.

"Ich habe die Ehre, Ihnen Roy Cabezas vorzustellen, den Kommandanten der SPECTRTAL."

Jetzt war es Kurt Farmoon, der salutierte.

Roy Cabezas, der erste Mann auf dem Mars.

Für Kurt Farmoon war Cabezas eine lebende Legende.

"Es freut mich sehr, Sie kennen zu lernen", sagte Kurt etwas steif.

Cabezas lächelte nachsichtig.

"Die Freude liegt ganz auf meiner Seite, auch wenn die Umstände nicht gerade günstig sind. Ich habe schon eine Menge von Ihnen gehört, Fähnrich Farmoon. Sie sind der entscheidende Kopf hinter der Entwicklung des X-Space JUMPER ZERO."

"Nun, ich..."

"Seien Sie nicht zu bescheiden, Farmoon."

"Jedenfalls sind Sie zweifellos der ranghöchste anwesende Offizier, Kommandant Cabezas. Also hätten Sie auch Anspruch auf das Kommando."

Cabezas zuckte die Achseln und machte eine wegwerfende Handbewegung. "Ich bin Raumfahrer und habe darüber hinaus einige Zeit als Gefangener einer künstlichen Intelligenz zugebracht, die in mir einen willkommenen Gesellschafter sah. Alles, womit ich mich auskenne sind Rechner. Aber Situationen wie die, in der wir uns gerade befinden, können Sie mit Sicherheit viel besser meistern, Fähnrich Farmoon."

"Aber..."

"Kein aber. Ich verzichte auf das Kommando. Sagen Sie uns, was wir machen sollen, um aus diesem Schlamassel wieder herauszukommen."

Kurt nickte schließlich.

"Wenn Sie meinen."

Eine kurze Pause entstand. Jannis Karalaitis nutzte sie dazu, um wieder zu Wort zu kommen und das Gesprächsthema auf das Wesentliche zu lenken. "Wenn die CALLISTO in fünf Tagen kein Signal durch den inzwischen zerstörten Hyperfunksender des Vorpostens empfängt, wird sie im Boulanger-System auftauchen und direkt in ihr Verderben fliegen", stellte der Master Sergeant fest. "Der Kelradan-Raumer ist der CALLISTO ohne Zweifel an Kampfkraft weit überlegen. Ich habe mir schon das Hirn zermartert, aber bislang habe ich keine Möglichkeit gefunden, wie wir Major Acondo und seine Leute warnen können." Der Master Sergeant atmete schwer und warf Kurt Farmoon einen bitteren Blick zu. "Ein Hyperfunksender lässt sich leider nicht so leicht zusammenbasteln wie eine Bombe, die Roboter zu zerstören vermag!", fügte er schließlich noch hinzu. "Das zweite Problem, um das wir uns kümmern müssen, sind die Gefangenen, die die Kelradan gemacht haben."

"Haben Sie irgendeine Ahnung, was die Kelradan überhaupt hier suchen?"

"Ich nehme an, dass sie von den Tirifotium-Vorkommen auf Eldorado gehört haben. So etwas weckt natürlich die Gier."

"Aber würde das Kelradan-Imperium deswegen einen Konflikt mit Terra riskieren?", fragte Wladimir.

Karalaitis schüttelte den Kopf. "Es sind wahrscheinlich keine regulären Truppen des Imperiums. Soweit unsere Leite das herausfinden konnten, trägt der Doppelkugelraumer, von dem der Angriff ausging, keinerlei offizielle Kennung der Kelradan-Flotte."

"Das kann natürlich auch Tarnung sein", warf Wladimir ein. "Eine verdeckte Operation oder dergleichen."

"Ich glaube eher, dass wir es mit Abtrünnigen zu tun haben. Irgendeine Rebellenorganisation, die auf eigene Faust handelt."

Das Kelradan-Imperium mit seiner Zentralwelt Kelradania umfasste nominell mehr als zehntausend besiedelte Planeten. Die humanoiden und äußerlich den Menschen zum verwechseln ähnlichen Kelradan hatten die Alienwandler-Technologie schon ein paar Jahrhunderte früher als die Menschheit von Terra entdeckt. So hatten sie ein weit verzweigtes Netz von Kolonien schaffen können. Aber gerade in den Randbezirken des Reiches stand die Herrschaft Kelradanias mehr oder minder nur auf der Datenfolie. Ein dermaßen ausgedehnter Machtbereich ließ sich einfach nicht bis ins letzte kontrollieren und von einer einzigen Zentralwelt aus lenken.

"Es gibt Dutzende von Autonomiebewegungen in den Kolonien", erläuterte Karalaitis. "Allerdings berichten unsere Medien darüber kaum. Man muss sich schon bemühen, die entsprechenden Berichte aus dem Datennetz zu fischen, wenn man sich dafür interessiert."

"Was unser nächstes Vorgehen angeht, ändert sich durch die Frage, ob es sich um Renegaten oder reguläre Kelradan Verbände handelt, erst einmal nichts", stellte Kurt fest. Er sah Karalaitis ins Gesicht. "Ich nehme an, Gary Keogh und Abdul Al-Zia waren nicht die einzigen Posten, die Sie in der Umgebung verteilt haben." Kurt ließ den Blick durch die Höhle schweifen. Seiner Schätzung nach waren von den etwa vierzig Mann in Karalaitis' Truppe etwa die Hälfte nicht in der Höhle.

"Richtig", sagte Karalaitis.

"Ich schlage vor, Sie holen als erstes alle Männer zurück. Natürlich bis auf ein paar Posten in unmittelbarer Nähe des Höhleneingangs, die verhindern sollen, dass uns hier unliebsamer Besuch überrascht."

"Wir sind auf Boten angewiesen", erinnerte Karalaitis. "Jegliche Form von Funkkontakt wäre unser Ende! Also wird es ein paar Stunden dauern, bis alle hier sind."

"Dann schicken Sie die Boten jetzt los. Wir brauchen nämlich an den kommenden drei Tagen jeden Mann."

Roy Cabezas hob die Augenbrauen.

"Heißt das, Sie haben einen Plan?", fragte der Kommandant der SPECTRAL.

Kurt zuckte die Achseln.

"Plan ist ein bisschen übertrieben. Eine vage Idee würde ich eher sagen. Aber mit Ihrer beider Hilfe wird sicher noch ein richtiger Plan daraus!"

*


In den nächsten Stunden trafen nach und nach die von Karalaitis ausgesandten Gardisten in der Höhle ein.

In dieser Zeit wurde intensiv über das weitere Vorgehen beraten.

Kurt Farmoon wandte sich an Roy Cabezas. "Wissen Sie, wo sich die Gefangenen befinden?"

"Soweit wir wissen im Doppelkugelraumer."

Kurt nickte leicht. Sein Blick wurde nachdenklich. Er kratzte sich im Nacken. "Genau dort befindet sich auch der einzige Hyperfunksender im gesamten Boulanger-System."

"Und wie sollen wir an den herankommen?", fragte Karalaitis. "Auf dem Landweg halte ich das für unmöglich."

"Aber durch die Luft könnte es klappen. Ich werde zusammen mit Tom Black Feather den X-Space JUMPER ZERO hier her holen. Es wäre natürlich wichtig, dass die Kelradan vorher abgelenkt und auseinandergezogen werden."

"Dafür wären meine Leute prädestiniert", sage Karalaitis. "Schließlich verfügen wir über Mulitkarabiner und gepanzerte Anzüge, während Ihre Leute ja nur mit Paralysatoren ausgerüstet."

Kurt nickte.

"Ganz meine Meinung. Aber vielleicht hätten Sie für meine Einheit ein paar Handgranaten übrig."

Karalaitis grinste. "Die werden wir schon zusammenbekommen."

"Unser Plan sieht also folgendermaßen aus: Ihre Frischlinge greifen die Kelradan an. Und zwar noch im Morgengrauen. Meine Leute warten hier in der Höhle, bis ich mit dem Absetzer zurück bin. Dann fliegen wir zum Vorposten und versuchen mit dem Hypersender des Kelradan-Raumers die CALLISTO zu warnen."

"Wie wollen Sie in den Kelradan-Raumer hineingelangen?", fragte Roy Cabezas.

Kurt zuckte die Achseln. "Ich weiß nicht genau, was die Invasoren dort eigentlich machen. Als wir den Raumer beobachteten, waren mehrere Hangars offen. Sie haben umfangreiches Gerät ausgeladen. Wenn wir Glück haben, können wir einfach in einen der Hangars hineinfliegen. Die Kelradan werden uns erst im letzten Moment sehen, aber nicht orten können."

Wladimir nickte heftig.

"Die machten einen sehr selbstsicheren Eindruck. Es sah wirklich nicht danach aus, dass sie noch mit irgendwelchem Widerstand rechnen würden."

"Und wenn kein Hangar offen ist?", fragte Cabezas.

"Dann werden wir improvisieren müssen. Ein Großteil unserer Gegner dürfte zu diesem Zeitpunkt damit beschäftigt sein, Jagd auf Master Sergeant Karalaitis und seine Leute zu machen." Kurt atmete tief durch. "Kein Mensch sagt, dass es einfach wird, aber ich sehe eine gute Chance."

Karalaitis grinste.

"Die Chancen stehen meiner Ansicht nach um einiges besser, als in Ihrem Übungseinsatz gegen die Roboter!"

Kurt lachte.

Mag er damals auch wie ein Rohrspatz geschimpft haben, aber der Vorfall scheint Karalaitis stark beeindruckt zu haben, sonst würde er nicht immer wieder darauf zurückkommen, überlegte der Fähnrich.

"Wir haben drei Tage Zeit bis die CALLISTO im Boulanger-System auftaucht ", stellte Wladimir fest. "Zwei Tage, um den Absetzer herzubringen und die Kelradan abzulenken. Den Dritten, um die Gefangenen zu befreien und die Warnung abzusetzen. Ein knapper Zeitplan, aber zu schaffen."

"Ich sehe noch eine weitere Schwierigkeit", meldete sich Karalaitis noch einmal zu Wort. Er wandte sich direkt an Kurt. "Der Hypersender kann sich überall in dem Doppelkugelraumer befinden! Sie werden kaum Zeit haben, ihn zu suchen. Man wird Sie und Ihre Leute sofort angreifen. Meiner Ansicht nach haben Sie keine Chance, den Hypersender rechtzeitig zu erreichen."

Kurt lächelte.

"Während des letzten halben Jahres habe ich im Rahmen der Entwicklung des X-Space JUMPER ZERO so gut wie nichts anderes gemacht, als die Konstruktionen verschiedenster Raumschifftypen miteinander zu vergleichen, um für den Absetzer das Optimum herauszuholen."

Karalaitis runzelte die Stirn.

"Heißt das, Sie kennen sich auch mit Kelradan-Raumer aus?"

"Die kenne ich inzwischen besser als die City meiner Heimatstadt Dresden. Glauben Sie mir!"

*


Noch vor Morgengrauen brach Karalaitis mit seinen Leuten auf. Er würde einen weiten Bogen marschieren müssen. Schließlich lag es nicht in seiner Absicht, die Kelradan auf den Unterschlupf in der Höhle aufmerksam zu machen.

Kurts Männer sowie die wenigen Flüchtlinge aus dem Vorposten und der Besatzung der SPECTRAL sollten zunächst in der Höhle bleiben.

Zur selben Zeit, als Karalaitis' und seine Truppe sich für den Aufbruch fertig machte, war auch für Kurt und Tom die Nacht zu Ende.

Vor ihnen lag der Zwei-Tages-Marsch zurück zum Absetzer.

"Lenken Sie die Aktivitäten der Kelradan wann immer es möglich ist Richtung Norden oder Nordosten", sagte Kurt an den Master Sergeant gewandt, der jetzt in voller Kampfmontur vor ihm stand. Das Visier des Kampfhelms, der mit der Zielerfassung des Multikarabiners verbunden war, hatte Karalaitis hochgeklappt. Der Anzug war noch deaktiviert.

"Das werden wir schon hinkriegen", meinte der Balte. "Diese Männer sind zwar noch nicht lange dabei, aber das wirklich Wichtige lernt man ohnehin nur im Einsatz. Außerdem haben sie sich während unseres Überlebenstrainings als äußerst zäh erwiesen. Ich sehe also keinen Grund, warum sie mit ein paar Kelradan-Rebellen und ihren Robotern nicht fertig werden sollten!"

"Ich wünsche Ihnen viel Glück, Master Sergeant!", sagte Kurt.

"Ich Ihnen ebenso. Wahrscheinlich werden Sie am Ende eine etwas größere Portion davon brauchen, wenn unser Plan wirklich klappen soll!"

Karalaitis drehte sich um und gab den Männern den Befehl zum Aufbruch.

"Wir sollten jetzt auch zusehen, dass wir uns auf den Weg machen", sagte Tom Black Feather an Kurt gewandt.

Kurt nickte. Er überprüfte kurz das Energiemagazin seines Paralysators und sah sich die knappen Vorräte an, die er genau wie seine Männer bei sich getragen hatte.

Bei der bisherigen Einteilung hätten diese Vorräte noch für knapp einen Tag gereicht. Wenn alles wie geplant gelaufen wäre, hätten wir den Hypersender innerhalb dieser Zeit unter Kontrolle gehabt, überlegte Kurt. Aber diese Gedanken führten zu nichts. Der Angriff der Kelradan hatte die gesamte Situation auf den Kopf gestellt.

Tom, der seine Vorräte ebenfalls überprüft hatte, schien Kurts Gedanken zu erraten.

"Uns wird ein bisschen der Magen knurren, schätze ich", meinte er.

"Es gibt Schlimmeres", erwiderte Kurt.

"Wenn wir auf der Erde wären, wüsste ich wie wir uns wochenlang ohne Vorräte durchschlagen könnten", sagte Tom. "Hier auf Eldordo möchte allerdings nicht riskieren, dass wir uns durch den Genuss heimischer Pflanzen irgendeinen Durchfall-Virus einhandeln und außer Gefecht gesetzt werden."

"Davon abgesehen dürften wir zum Beeren-Sammeln auch kaum Zeit haben", sagte Kurt.

Roy Cabezas hatte sich inzwischen von seinem Lagerplatz erhoben. Er trat auf Kurt zu.

"Ich habe eine Bitte an Sie, Fähnrich Farmoon."

"Worum geht es?", fragte Kurt.

"Wenn Sie mit Ihrem Absetzer zurück sind und den Doppelkugelraumer anfliegen, dann möchte ich dabei sein."

Auf Kurts Stirn erschien eine tiefe Furche. "Sie?", fragte er verwirrt.

Roy Cabezas lächelte. "Im Vergleich zu Ihnen und Ihren Leuten bin ich ein alter Mann. Für einen Kampfeinsatz bin ich im übrigen auch völlig unzureichend trainiert. Aber keiner von Ihnen dürfte sich mit der Funktionsweise von Kelradan-Rechnern auskennen."

"Sie etwa?"

Cabezas nickte.

"Ich erfasse die Eigenarten von Rechnerprogrammen auf intuitiver Basis."

"Ich weiß, dass Sie auf dem Mars in die Gefangenschaft eines uralten Computers gerieten", sagte Kurt.

"Ja", bestätigte Cabezas. "Jahrelang verbrachte ich in der Gefangenschaft des Einsamen, wie sich der Rechner selbst titulierte. Eine immer noch unbekannte Spezies hatte diese Maschine auf dem Mars zurückgelassen und sich selbst überlassen. Er brauchte Gesellschaft und benutzte mich für seine Unterhaltung, bis ich schließlich befreit werden konnte. Aber in dieser Zeit war ich so eng mit einer künstlichen Intelligenz verbunden, wie ansonsten kaum ein anderes menschliches Wesen. Einen Hypersender zu aktivieren dürfte mir nicht allzu schwer fallen. Selbst wenn er von den Kelradan stammt."

Kurt überlegte kurz.

Im Rahmen der Entwicklung des X-Space JUMPER ZERO hatte sich Kurt Farmoon zwar intensiv mit der Technologie der Kelradan auseinander gesetzt. Aber sein Schwerpunkt hatte eindeutig auf ihren Errungenschaften auf dem Gebiet der Hochenergie- und Triebwerkstechnik gelegen.

Jemanden wie Roy Cabezas dabei zu haben, konnte von entscheidendem Vorteil sein.

"Okay, Sie sind dabei", versprach Kurt. "Aber ich muss Sie eindringlich warnen. Dieser Einsatz wird kein Zuckerschlecken."

"Das habe ich auch nicht erwartet", gab der Kommandant der SPECTRAL zurück.

Wenig später waren Kurt Farmoon und Tom Black Feather abmarschbereit.

Sie verließen die Höhle, noch ehe der Morgenmond am Himmel stand.

*


Karalaitis und seine Männer hatten zunächst die Klamm verlassen und sich dann in nördlicher Richtung durch den Wald geschlagen. Die Vegetation war dicht. Das Unterholz verhinderte ein schnelleres Vordringen.

Mit Hilfe eines Seilzugs überquerten die Gardisten mehrfach den Fluss, der wie der gekrümmte Körper einer sich zusammenziehenden Klapperschlange durch den Urwald mäanderte. Karalaitis' Absicht war es, den kürzesten Weg zu nehmen, von Norden her auf den zerstörten Außenposten vordringen zu können.

Die Gardisten legten nur kurze Pausen ein.

Karalaitis drängte darauf, dass keine Zeit verloren ging.

Gegen Mittag erreichten sie den Grabenbruch, erklommen dessen Steilhänge und gelangten in die bewaldeten Gebiete, die sich nordwestlich jener Anhöhen erstreckten, die das Tal des Vorpostens wie ein Ring umgaben.

"Einen Vorteil haben wir auf unserer Seite", meinte Karalaitis grimmig. "Wir hatten Zeit genug, während ihrer Ausbildung das Gelände um den Vorposten herum kennen zu lernen."

Zweifellos war eine Annäherung vom Nordwesten her am Vielversprechendsten.

Vor allen Dingen gab es immer die Möglichkeit eines schnellen Rückzugs in die unübersichtlichen Waldgebiete, an die sich noch weiter nördlich schroffe Felsmassive anschlossen.

Ein Gebiet, das weit genug von der Höhle entfernt war und hervorragende Rückzugsmöglichkeit bot.

Schließlich erreichte die Gruppe den Waldrand.

Karalaitis ließ seine Leute ausschwärmen und in Stellung gehen. Die Multikarabiner wurden mit Explosionsgeschossen geladen.

Auf einem der Hügel, die das Tal des Vorpostens umgaben, waren mehrere Gleiter der Kelradan gelandet.

Roboter bewegten sich auf der Hügelkuppe und schwärmten von dort aus sternförmig aus.

Zahlreiche Bewaffnete patrouillierten auf und ab.

Karalaitis wandte sich an Jay Rajav Singh, einen indischstämmigen Rekruten, der davon träumte, bei der Garde im neu eingerichteten Studiengang Datenübertragungstechnik promovieren zu können.

Bis es soweit war, lag allerdings noch ein weiter Weg vor ihm, dessen erste Etappen er allerdings mit Bravour genommen hatte.

"Was glauben Sie, was die da machen, Singh?", fragte er.

Jay wandte den Kopf in Richtung seines Kommandanten.

Das Visier seines Kampfhelms hatte er hochgeklappt.

So wie alle anderen Gardisten auch. Die Kampfanzüge und die Helme würden erst aktiviert werden, wenn der Angriff unmittelbar bevorstand. Andernfalls waren die Energieabstrahlungen vielleicht anmessbar und die Möglichkeit eines Überraschungsangriffs war dahin.

"Sir, den geologischen Daten nach, die in dem Datenmaterial über Eldorado standen, das wir durchgearbeitet haben, werden genau dort Tirifotium-Vorkommen vermutet."

Karalaitis grinste.

"Immerhin haben Sie dieses Material wenigstens gelesen, Singh!"

"Dazu hatten wir doch den Befehl!"

"Aber ich möchte nicht wissen, wie viele aus unserem Zug, diesen Befehl auch befolgt haben. Aber Sie sehen, dass es tatsächlich auf jede Kleinigkeit ankommen kann."

Jay deutete hinüber zu den Kelradan.

"Wir haben es also mit gewöhnlichen Tirifotium-Räubern zu tun."

"Tirifotium-Räuber ja. Das steht fest. Ob gewöhnlich, weiß ich nicht. Aber das werden wir noch herauskriegen. Auf jeden Fall sind diese Leute gottverdammte Killer! Sie haben den Vorposten rücksichtslos zerstört und die Besatzung größtenteils getötet. Und dafür werden sie bezahlen."

"Da bin ich Ihrer Meinung, Sir", sagte Jay.

"Wir werden uns als erstes die Gleiter vornehmen. Sonst jagen sie uns nach dem ersten Schuss wie die Hasen. Ein paar von uns müssen noch etwas näher heran. Ich nehme an, dass sich auch hinter der Hügelkuppe noch Gleiter befinden, die wir so nicht erreichen können."

Das Gelände zwischen Waldrand und Hügel war nur mit vereinzelten Büschen bewachsen, hier und da gab es auch Felsblöcke und große Findlinge, die Deckung bieten konnten.

"Caine, Al-Zia und Singh, Sie kommen mit mir. Wir müssen versuchen, in eine Position zu gelangen, von der aus wir auf Gleiter und Kampfroboter feuern können, die sich auf der anderen Seite der Kuppe befinden. Keogh?"

"Ja, Sir?", meldete sich der Rothaarige.

"Sie führen während meiner Abwesenheit das Kommando."

"Jawohl, Sir."

"Sobald wir das Feuer eröffnen, tun Sie und der Rest des Zuges es auch. Ziele sind in erster Linie Gleiter und Kampfroboter. Es geht darum, in den ersten Sekunden des Gefechtes den Großteil davon zu zerstören oder unbrauchbar zu machen. Verstanden?"

"Ja, Sir", bestätigte Gary Keogh.

"Für unsere Rückkehr brauchen wir euren Feuerschutz, sonst haben wir keine Chance."

"Schon klar, Sir."

"Nachdem wir zurück sind, ist schneller Rückzug in den Wald angesagt. Wir haben keineswegs vor, uns gegen die Übermacht der Teil aufzureiben. Wenn es nach Plan läuft, dann folgen sie uns und wir können einen Großteil ihrer Einsatzkräfte über längere Zeit hinweg binden."

Andy Caine, ein Gardist schottischer Abstammung, den Karalaitis für den riskanten Vorstoß ausgesucht hatte, klappte das Helmvisier herunter.

"Den Anzug aktivieren wir erst im allerletzten Moment", wies Karalaitis ihn an. "Los, folgt mir!"

Karalaitis lief in geduckter Haltung voran, nahm Deckung hinter einem Gebüsch.

Die Rekruten Andy Caine, Abdul Al-Zia und Jay Rajav Singh folgten ihm.

Vorsichtig tasteten sie sich weiter vorwärts und hielten dabei stets ihre Gegner im Auge.

Die Kelradan waren gut bewaffnet. Sie trugen schwere Blaster bei sich, waren aber nicht sonderlich aufmerksam. Für die bewaffneten Kampfroboter galt dies natürlich nicht. Ihre Optik war unbestechlich. Wie glühende Augen wirkten die entsprechenden Sensoren, deren Anordnung entfernt an ein humanoides Gesicht erinnerte.

Karalaitis führte seine Männer in einem Bogen an den Hügel heran. Sie umrundeten die Anhöhe, arbeiteten sich dabei von Busch zu Busch, von Felsbrocken zu Felsbrocken vor. Wenn sie entdeckt wurden, endete der Plan in einem Desaster. Niemandem war das so klar wie Jannis Karalaitis.

Nur wenn auf einen Schlag wenigstens der Hauptteil der gegnerischen Gleiter und Roboter ausgeschaltet wurden, hatten sie eine Chance.

Karalaitis ging voran. Er bewegte sich mit katzenhafter Geschmeidigkeit. Daran änderte auch der schwere Kampfanzug nichts. Kaum ein Laut war zu hören, wenn er vorwärts stieß.

Der Balte führte seine Männer schließlich zum Nachbarhügel. Dort gab es gute Deckungsmöglichkeiten.

Die Kelradan hatten sich nicht die Mühe gemacht, ihn mit Posten zu besetzen.

Warum auch?

Sie rechneten nicht mehr mit ernsthaftem Widerstand.

Karalaitis und seine Männer gingen auf der Hügelkuppe in Stellung.

"Habe ich es doch geahnt!", murmelte der Master Sergeant.

Fünf Gleiter waren am Fuß des Hügels abgestellt worden, in unter dem die Kelradan offenbar ein leicht abbaubares Tirifotium-Vorkommen vermuteten.

Vier Kampfgleiter und eine große Transporteinheit.

Ein Kelradan in grauer Kombination erteilte lautstark Anweisungen.

Mit Blastern bewaffnete Kampfroboter patrouillierten auf ihren skelettartigen Beinen auf und ab.

"In die geöffneten Schotts der Gleiter hineinhalten!", wies Karalaitis seine Männer an.

"Das gibt ein schönes Feuerwerk, Sir!", meinte Abdul.

Karalaitis nickte grimmig.

Er klappte sein Helmvisier herunter und aktivierte den Kampfanzug.

Er legte den mit Explosivgeschossen geladenen Multikarabiner an, zielte auf das offene Schott eines Kampfgleiters.

Eine Sekunde verstrich.

Karalaitis feuerte.

Das Explosivgeschoss traf genau.

Seine Wucht riss einem der Trageroboter den Kopf vom Rumpf. Einen Sekundenbruchteil später verwandelte sich der Gleiter in eine Explosionshölle.

Abdul, Andy und Jay feuerten ihre Multikarabiner nur Sekundenbruchteile später ab. Außerdem wurde jetzt auch vom Waldrand aus geschossen. Innerhalb weniger Augenblicke explodierte ein Gleiter nach dem anderen. Mörderische Druck- und Hitzewellen schossen aus den geöffneten Schotts der getroffenen Gleiter heraus und erfassten sowohl die Roboter als auch die Kelradan.

Wie Puppen wurden einige von ihnen durch die Luft geschleudert. Die Detonationen verursachten einen ohrenbetäubenden Lärm.

Innerhalb kürzester Zeit waren nur noch zwei Gleiter funktionsfähig.

Ihre Schotts waren geschlossen gewesen. Einer von ihnen startete.

Er flog einen Bogen.

Der zweite aktivierte gerade die Antigravaggregate.

"Al-Zia! Einen Schneidbrenner!", rief Karalaitis. Über Helmfunk bekam Abdul Al-Zia diese Worte in die Ohren gedröhnt.

Er verstand sofort.

Abdul schaltete den Multikarabiner auf konzentriertes Blasterfeuer um.

Ein äußerst energiereicher Strahl traf den gerade startenden Gleiter am Heck. Die Panzerung der Außenhülle war jedoch sehr hartnäckig. Der Gleiter erhob sich, während Abdul ihn mit seiner Zielerfassung verfolgte und ein handgroßes Loch in die Außenhülle brannte.

Jannis Karalaitis zielte ebenfalls.

Er feuerte ein Explosionsgeschoss durch die entstandene Öffnung.

Der Gleiter explodierte.

Die Sichtscheiben platzten aus ihren Halterungen heraus. Der Gleiter trudelte zu Boden und begrub einige Kelradan und ihre Kampfroboter unter sich. Schreie gellten durch den Explosionslärm.

Jener Gleiter, der sich bereits in der Luft befand, flog zunächst in Richtung des Doppelkugelraumers, der noch immer seinen Platz neben dem Wrack der SPECTRAL auf dem Landefeld des zerstörten Vorpostens innehatte.

Inzwischen hatten die Gardisten das Feuer auf die Roboter eröffnet. Sie wurden mit Blasterstrahlen beschossen. Die Trefferquote war hoch. Die Gardisten schalteten eine Kampfmaschine nach der anderen aus.

Hier und da starb auch ein Kelradan unter dem konzentrierten Strahlenbeschuss von Karalaitis' Leuten.

Diejenigen, die überlebt hatten, gingen in Deckung.

Von den Robotern schaffte es kaum ein halbes Dutzend diesen Angriff funktionstüchtig zu überstehen. Für die Kelradan bedeutete dies eine nachhaltige Schwächung.

Inzwischen kam der Gleiter wieder heran.

Eine schimmernde Aura umgab ihn.

Offenbar war sein Schutzschirm aktiviert.

Im Tiefflug kam er heran.

Punktgenau zischten die Blasterstrahlen aus den seitlich angebrachten, schwenkbaren Geschützbatterien heraus. Der Boden wurde buchstäblich versengt. Sträucher und Gras fingen Feuer, ein verbrannter Geruch hing in der Luft.

Ohne einen gepanzerten Schutzanzug wie die Soldaten der schwarzen Garde ihn besaßen, konnte man einen derartigen Angriff selbst dann nicht überleben, wenn der Blasterstrahl einen gar nicht getroffen hatte.

Keiner der Rekruten, mit denen Jannis Karalaitis sich so weit vorgewagt hatte, war dumm genug, mit Blasterfeuer zu antworten.

Das war reine Energieverschwendung.

Der Schutzschirm absorbierte den Großteil des Blasterstrahls und die Energiemagazine waren dann im nu entleert.

Der Gleiter wandte sich nun dem Waldrand zu, nahm die dort in Stellung gegangenen Gardisten unter Feuer. Wie Blitze zuckten die Energiestrahlen in rascher Folge durch die Luft.

Mächtige Bäume wurden innerhalb kürzester Zeit zu kahlen, rindenlosen Pfählen aus Holzkohle.

Teilweise knickten sie ein. Baumkronen fingen Feuer. Die Flammen loderten kurz auf, ehe sie wieder erstickten, weil sie keine Nahrung mehr fanden.

Zu schnell hatte das Feuer der Blasterbatterien alles versengt.

Karalaitis hörte die Todesschreie seiner Männer herübergellen.

Grimmig umfasste er den Multikarabiner.

Er musste den Kopf einziehen, denn vom anderen Hügel aus wurde der Stoßtrupp jetzt massiv unter Feuer genommen.

Die verbliebenen Kampfroboter sowie die bewaffneten Kelradan schossen buchstäblich aus allen Rohren. Ein wahrer Hagel an Blasterfeuer und Explosionsgeschossen prasselte in Richtung von Karalaitis und seinen drei Begleitern.

Der Balte hörte Andy Caines Todesschrei über Helmfunk.

Ein Blasterstrahl hatte ihn voll erfasst, als er in Stellung gehen wollte, um das Feuer zu erwidern. Wie eine Nadel durchdrang dieser Strahl die Panzerung. Er sank schwer zu Boden, den Multikarabiner hielt er dabei umklammert. Regungslos blieb Andy Caine liegen.

Abdul Al-Zia, Jay Rajav Singh und Karalaitis verteidigten sich so gut es ging.

Sie erwiderten das Feuer.

Einen der Roboter brachte Karalaitis höchstpersönlich mit einem Kopftreffer seines in den Blastermodus geschalteten Multikarabiners zur Strecke.

Bei einem weiteren gelang Abdul Al-Zia dasselbe Kunststück.

Jay robbte inzwischen zu Andy Caine hinüber.

"Für Andy können wir nichts mehr tun!", meldete er über Helmfunk und nahm dem Toten die Waffe ab und hängte sie sich auf den Rücken.

Der Kampfgleiter kehrte inzwischen zurück, kam erneut im Tiefflug heran.

Karalaitis wusste, dass die Besatzung sie abknallen würde wie Hasen. Gegen Angriffe aus der Luft gab es auf Hügelkuppen kaum eine Verteidigung.

"Zielen Sie auf die Koordinaten, die ich Ihnen übermittle!", rief er. "Mit Explosivmunition!"

Die Zielkoordinaten wurden mit einem einfachen Eingabefehl an die Anzeigen in den Helmvisieren der anderen beiden Gardisten weitergegeben.

Die markierte Stelle war hinten am Heck.

Ein Feldprojektor, der durch das Antigravaggregat gespeist wurde.

Zwei Explosivgeschosse wurden punktgenau abgefeuert.

Lediglich Abdul schoss mit Blasterstrahlen. Sein Vorrat an Explosivmunition war aufgebraucht.

Sein Blasterschuss sorgte für eine kurzzeitige Schwächung des Energieschirms. Die Explosion, die Sekundenbruchteile später erfolgte, konnte den Schirm als Ganzes nicht zerstören, drückte ihn jedoch so zusammen, dass der Feldprojektor in Mitleidenschaft gezogen wurde. Der Gleiter trudelte. Ein konzentrierter Strahltreffer in der Nähe des Triebwerks gab ihm den Rest. Das Gefährt knallte zu Boden.

Im nächsten Moment explodierte es.

*


Fünf Mann hatten die am Waldrand in Stellung gegangenen Gardisten verloren.

Gary Keogh sah erstaunt zu, wie der Kampfgleiter der Kelradan als brennendes Wrack auf den Boden schlug.

"Teufel, Karalaitis kann jedem von uns noch etwas vormachen!", staunte der Rothaarige.

Er hatte den Helmfunk eingeschaltet, so dass alle mithören konnten.

Auch Karalaitis.

"Ziehen Sie sich in den Wald zurück", befahl der Master Sergeant. "In Kürze dürften die Kelradan sich gefangen haben und mit weiteren Kampfgleitern auf die Jagd nach uns gehen!"

"Kommt nicht in Frage, Master Sergeant Karalaitis!", erwiderte Gary Keogh.

"Sie haben sich einen schlechten Moment für eine Meuterei ausgesucht, Rekrut Keogh. Also tun Sie was ich sage."

"Und was wird aus Ihnen, Sir?"

"Wir kommen schon durch, Keogh."

"Wir geben Ihnen Feuerschutz, bis Sie hier sind!"

Vom gegenüberliegenden Hügel her war kaum noch Beschuss zu vermelden. Die Kampfroboter mussten sämtlich ausgeschaltet worden sein. Der konzentrierte und äußerst gezielte Beschuss sowohl vom Waldrand aus, als auch durch den Stoßtrupp, hatten offenbar dafür gesorgt, dass sich die letzten überlebenden Kelradan ruhig verhielten und in ihrer Deckung auf Verstärkung warteten.

Verstärkung, die zweifellos bald eintreffen würde.

Anders waren die Aktivitäten nicht zu deuten, die Karalaitis und seine Begleiter rund um den zerstörten Vorposten ausmachen konnten. Bewaffnete Kelradan stiegen an Bord mehrerer Kampfgleiter.

Roboter wurden jeweiligen Maschinen zugeteilt.

Ein halbes Dutzend größerer Mannschaftsschweber standen den Kelradan zur Verfügung.

Die Jagd beginnt, dachte Jannis Karalaitis. Genau so, wie es sein sollte.

"Sehen wir zu, dass wir auf den Heimweg kommen!", wandte er sich über Helmfunk sowohl an Abdul und Jay, als auch an die Männer, die es sich nicht nehmen ließen, am Waldrand auszuharren.

Karalaitis erhob sich, schlich in geduckter Haltung davon.

Auf den gegenüberliegenden Hügel erfolgte ein vereinzelter Beschuss mit Blasterfeuer.

Der Strahl ging dicht über den Master Sergeant hinweg, versengte auf der Kuppe eines weiteren Hügels einen einsamen Baum. Karalaitis hatte nichts abbekommen.

Er robbte über den Boden.

Abdul und Jay folgten seinem Beispiel.

Schließlich erreichten sie hinter einem Felsbrocken eine sichere Deckung.

Blasterfeuer zischte an ihnen vorbei. Ein Explosionsgeschoss wurde abgefeuert.

"Wir sollten uns beeilen Männer", wandte sich Karalaitis an seine beiden Begleiter. "Oder hat einer von Ihnen Lust, hier zu warten, bis die Kelradan ihre Verstärkung herbeigeholt haben?"

Eine Antwort darauf war überflüssig.

Die Männer hetzten hinter die nächste Deckung, verbargen sich dann hinter Büschen.

Karalaitis führte sie auf demselben Weg, wie sie her gefunden hatten zurück. Das letzte Stück war ziemlich heikel. Karalaitis, Abdul und Jay rannten über einige Dutzend Meter freies, ungeschütztes Gelände, während über den Hügelkuppen bereits die Gleiter der Kelradan auftauchten.

Sie feuerten auf die drei Männer, die dem Wald entgegenrannten.

"Versucht den Feldprojektor des Antigravaggregats zu treffen!", drang Gary Keoghs Stimme durch die Helmlautsprecher der Gardisten. "Das ist die empfindliche Stelle dieser Dinger!"

Aber diesmal hatten die Gardisten mit dieser Strategie weniger Glück.

Sie feuerten zwar aus allen Rohren, konnten aber den entscheidenden Treffer nicht landen.

Die Gleiter hingegen konnten die geballten Feuerkraft ihrer Blasterbatterien einsetzen.

"Rückzug in den Wald!", befahl Karalaitis über Helmfunk. "Verteilt euch, bildet Gruppen von höchstens drei Mann. Und deaktiviert eure Anzüge, sobald ihr weit genug im Wald seid."

*


Die Gardisten flohen in das dichte Unterholz des Waldes, während mehrere Gleiter über den Baumwipfeln kreisten.

Die Soldaten befolgten Karalaitis' Befehle und verteilten sich in kleinen Gruppen. Auf diese Weise wurde es dem Gegner erschwert, sie mit einem massiven Schlag entscheidend zu treffen.

Immer wieder kam es zu Strahlschüssen der Blasterbatterien.

Die Kelradan-Besatzungen waren offenbar weit weniger darin geübt, schwache Energiesignaturen aufzuspüren, etwa die elektromagnetischen Emissionen, die von den Energiemagazinen der Multikarabiner ausgingen.

Jeder durchschnittliche Gardist wäre ihnen darin überlegen, ging es Karalaitis grimmig durch den Kopf. Um so besser für uns.

Zusammen mit Abdul und Jay bildete der Master Sergeant eine Gruppe.

Im Gegensatz zu den anderen Gardisten schien Karalaitis keine besondere Eile damit zu haben, im Wald unterzutauchen.

Immer wieder drehte er sich um, blickte zurück, um nach eventuellen Aktivitäten des Feindes Ausschau zu halten.

Wieder schnellte ein Gleiter im Tiefflug dicht über die Baumwipfel hinweg, da diese selbst in der Randzone des Waldes oft genug über zwanzig Meter hoch waren, konnten die Energiesignaturen der Waffen selbst bei Könnern nicht zuverlässig aufgezeichnet werden.

"Ich wette, dass sie uns bald eine Kolonne Roboter auf den Hals hetzen werden!", prophezeite Karalaitis.

"Wieso?", fragte Abdul.

Der Master Sergeant verzog das Gesicht und bleckte dabei grimmig die Zähne. Wie ein Raubtier wirkte er dabei.

"Weil die Kelradan bald darauf kommen werden, dass sie mit ihren Gleitern hier nicht viel anfangen können, zumal wir uns in kleine Gruppen aufgeteilt haben!", erwiderte der Balte.

Wieder feuerte einer der Gleiter seine Blasterbatterien ab. Die Strahlen zuckten durch das dichte Blätterdach der Bäume hindurch. Geäst und Blätterwerk gerieten in Flammen, die jedoch schnell wieder verloschen.

Die Strahlschüsse versengten den Boden. Ein unangenehmer, verbrannter Geruch verbreitete sich. Tiere stoben zu Dutzenden aus ihren Verstecken auf. Karalaitis bemerkte einen Riesenfalter, dessen Flügel durch die Thermoabstrahlung in Brand geraten waren. Er flatterte verzweifelt und trudelte zu Boden.

Aus einem der Büsche zuckte ein Strahl empor und traf den Gleiter an dem unten angebrachten Feldprojektor des Antigravfeldes.

Ein Volltreffer.

"Ein Meisterschuss!", gab Karalaitis anerkennend durch den Helmfunk. "Wer hat den abgegeben?"

"Hier Rekrut Ron Dales. Das war ich, Sir!"

"Sie scheinen ja doch etwas gelernt zu haben, Dales!"

Der Gleiter sackte augenblicklich in die Tiefe, brach durch die Baumkronen hindurch. Äste knackten. Baumstämme wurden zur Seite gedrückt und brachen. Wie überdimensionale Totschläger sensten sie durch den Wald.

Der Gleiter landete hart.

Das Außenschott öffnete sich.

Mehrere Kampfroboter der Kelradan sprangen heraus. Die Bewegungen ihrer skelettartigen Körper waren erstaunlich behände und federnd. Sie feuerten unablässig mit ihren Blastern um sich. Mehrere Kelradan folgten ihnen. Die Roboter gaben ihnen Feuerschutz, so dass sie ins Freie gelangen konnten.

Abdul tauchte aus der Deckung hevor, die er hinter einem dicken Baumstamm gefunden hatte.

Er zielte kurz und feuerte den Multikarabiner ab. Der Gardist hatte das offenstehende Schott des abgestürzten Gleiters ins Visier genommen. Mit einem zischenden Geräusch schlug ein Explosivgeschoss dort ein. Im nächsten Moment ertönte ein ohrenbetäubendes Detonationsgeräusch. Mehrere der Kelradan-Roboter wurden durch die Luft gewirbelt.

Aber es wurde auch zurückgefeuert.

Ein wahrer Hagel an Strahlenschüssen zischte in Abduls Richtung.

In der Nähe schlug ein Explosivgeschoss ein.

Abdul warf sich zu Boden. Die Erde unter ihm zitterte. Dreck und in die Höhe gesprengtes Wurzelwerk regnete auf ihm ab. Ein knarrendes Geräusch ertönte. Einer der riesigen Bäume fiel zu Boden und riss einen weiteren mit sich.

"Alles klar, Al-Zia?", hörte er die Stimme seines Master Sergeants über den Helmfunk.

"Ja, Sir!"

"Wir müssen hier weg. Die werden noch weitere Kräfte hier her bringen und dann wird es kritisch!"

Karalaitis und Jay Rajav Singh hatten sich ebenfalls zu Boden geworfen.

Die Roboter der Kelradan durchkämmten das Unterholz.

Wahllos sengten sie mit ihren Blastern rechts und links in die Vegetation hinein.

Ein unterdrückter Schrei gellte.

Einen der Gardisten hatte es offenbar erwischt.

Karalaitis hatte den Verdacht, dass es Dales war.

Die Richtung stimmte in etwa.

Der Master Sergeant hörte die Schritte der Roboter, die knackenden Äste unter ihren Metallfüßen und das Zischen der Energiestrahler.

Eine Stimme rief ein paar Worte in der Sprache der Kelradan.

"Sie wollen keinen von uns am leben lassen!", gab Jay Rajav Singh über Helmfunk durch.

"Woher wissen Sie das, Jay? Soweit ich mich erinnere, gehörte ein Translatormodul nicht zu unserer Ausrüstung?", fragte Karalaitis zurück. Wozu auch? Es hatte niemand damit gerechnet, dass man es brauchen könnte.

"Ich hatte mich für ein Studium extraterrestrischer Sprachen eingeschrieben, bevor sich zur Garde ging", erklärte Jay. "Ein Grundkurs in Kelradan gehörte zum Pflichtprogramm..."

Weitere Worte wurden unter den Kelradan gewechselt.

Die Gardisten kauerten derweil in ihrer jeweiligen Deckung und warteten darauf, die Feinde aus dem dichten Unterholz auftauchen zu sehen.

"Eine weitere Roboter-Einheit wird gerade am Waldrand abgesetzt", berichtete Jay. "Zumindest geht das aus dem hervor, was die Kelradan sagen."

"Dann sind sie jetzt offenbar etwas vorsichtiger im Einsatz ihrer Kampfgleiter", murmelte Karalaitis grimmig.

Dazu hatten die Kelradan auch allen Grund.

Schließlich war bereits ein beträchtlicher Teil ihrer Gleiterflotte zerstört.

Weitere Verluste konnten sie sich in dieser Hinsicht nicht leisten, wenn sie ihren illegalen Tirifotium-Abbau gegen Angriffe der Gardisten schützen wollten.

Einer der Kampfroboter tauchte ganz in der Nähe von Karalaitis auf.

Der Master Sergeant hatte sich hinter einen knorrigen Baum verschanzt.

Er sprang vor, den Multikarabiner im Anschlag.

Seine Reaktion war schneller als die der Maschine, die ihm gegenüberstand.

Ein Strahlschuss erfasste den Roboter und brannte ihm ein Loch genau dorthin, wo sich seine zentrale Rechnereinheit befand.

In den Oberkörper.

Das Glühen in den künstlichen Augen des Roboters verschwand.

Er fiel vornüber und ging scheppernd zu Boden.

Sein Fuß bewegte sich fortwährend.

Ansonsten war er außer Gefecht.

Einen weiteren Roboter erwischte Karalaitis im nächsten Moment.

Ein Schrei zu seiner Linken ließ Karalaitis zur Seite blicken.

Abdul Al-Zia war vom Strahl eines Blasters getroffen worden. Er wurde zurückgeschleudert. Der Strahl bohrte sich durch seine Panzerung. Aber das geschah so langsam, dass er noch zurückfeuern konnte, ehe er starb.

Sein Gegner war ein Kelradan.

Abduls Strahlschuss traf ihn mitten in die Brust.

Getroffen sank der Kelradan zu Boden. Sein Körper schlug mit einem dumpfen Geräusch auf dem Waldboden auf.

Wut erfasste Karalaitis.

Abdul war ein sehr guter Mann gewesen.

Ein Gardist ganz nach dem Geschmack des Master Sergeants.

Karalaitis hatte bereits eine große Zukunft für ihn in der Garde gesehen. Ein Weg, wie ihn jüngst Kurt Farmoon beschritten hatte, schien auch für den begabten Araber geradezu vorgezeichnet zu sein.

Aber das alles hatte ein einziger Blasterschuss jetzt beendet.

Für immer.

Karalaitis nahm aus den Augenwinkeln heraus eine Bewegung wahr. Für einen kurzen Moment war er unaufmerksam gewesen. Das rächte sich jetzt.

Ein Kelradan-Roboter tauchte von hinten aus dem Unterholz hervor. Er gehörte offensichtlich zu jener Gruppe, die vor wenigen Augenblicken am Waldrand abgesetzt worden war.

Karalaitis fasste den Multikarabiner in beiden Händen, wirbelte herum und feuerte sein letztes Explosionsgeschoss in Richtung des Roboters.

Die Maschine wurde durch die Detonation förmlich zerrissen.

Einzelteile flogen durch die Luft.

Karalaitis warf sich zu Boden, während ein Strahlschuss dicht über ihn hinweg zischte und sich anschließend in einen morschen Baumstumpf hineinfraß. Der Master Sergeant rollte sich ab, riss den Multikarabiner empor und erledigte noch einen weiteren Roboter, der auf ihn zustürmte.

Hinter sich spürte er eine Bewegung.

Schnelle Schritte.

Es waren zwei Kelradan.

Einer von ihnen richtete seine Strahlpistole auf Karalaitis' Kopf. Er sagte ein paar Worte in seiner Sprache. Ein Translator am Gürtel übersetzte sie.

"Keine Bewegung, sonst geht es dir schlecht..."

Offenbar wollten die Kelradan ihn lebend, um Informationen aus ihm herauspressen zu können.

Karalaitis zuckte zur Seite, riss gleichzeitig die Mündung seines Multikarabiners herum. Der Kelradan war schneller. Er feuerte, aber der Strahlschuss bohrte sich dicht neben Karalaitis in den Boden. Karalaitis Blasterfeuer erfasste den Kelradan am Kopf.

Der zweite Kelradan hob gerade die Waffe.

Karalaitis wusste sofort, dass er keine Chance hatte, dem Gegner zuvor zu kommen.

Doch von Anfang an hatte er nicht einen einzigen Gedanken daran verschwendet aufzugeben.

Aber der Kelradan kam nicht mehr zum Schuss.

Ein Schatten erhob sich hinter ihm.

Das dumpfe Geräusch eines Handkantenschlags folgte, der den Kelradan am Genick traf. Er sank zu Boden.

Dahinter ragte die Gestalt von Jay Rajav Singh auf.

"Nichts wie weg hier, Sir!", rief er.

Er hatte sich offenbar in den Büschen verborgen gehalten und dann von hinten an den Kelradan herangeschlichen. Um Blasterfeuer einzusetzen, war ihm offenbar das Risiko zu groß gewesen, dass der Strahl den Körper des Kelradan durchdrang und Karalaitis in Mitleidenschaft gezogen wurde.

Karalaitis war innerhalb eines Augenaufschlags wieder auf den Beinen.

"Danke, Singh!", knurrte er und ließ den Blick schweifen.

"Kommen Sie!", rief Jay, der genauso wachsam war. Überall im Unterholz wurde jetzt gekämpft.

Vom Waldrand her durchkämmte offenbar eine viel größere Anzahl von Robotern das Gebiet, als Karalaitis befürchtet hatte.

Bevor der Balte Jay folgte, nahm er einem der getöteten Kelradan noch den Translator und die Strahlpistole ab.

Man konnte nie wissen, wozu man beides gebrauchen konnte.

Die beiden Männer hetzten anschließend in geduckter Haltung durch das Unterholz, suchten hinter den dicken, knorrigen Bäumen jeweils für kurze Zeit Deckung und nutzten den Sichtschutz, den großblätterige Stauden ihnen boten.

Zwei Roboter und ein Kelradan tauchten urplötzlich zwischen den Büschen auf.

Jay und Karalaitis erledigten sie mit einer raschen Folge von Blasterschüssen, ehe ihre Gegner die Situation überhaupt begriffen hatten.

Karalaitis fand trotz der Umstände noch Zeit genug, sich kurz über den toten Kelradan zu beugen, um ihn einer oberflächlichen Durchsuchung zu unterziehen. Er suchte nach Rangabzeichen oder ID-Codierungen. Irgendetwas, das ihn identifizieren konnte.

"Das ist kein Kampfanzug des Kelradan-Imperiums", stellte Jay fest.

"Leider trägt er nichts bei sich, anhand dessen man ihn identifizieren könnte!", erwiderte Karalaitis.

"Sollte es sich um eine verdeckte Operation des Imperiums handeln, wäre das auch kaum zu erwarten", erwiderte Jay.

Geräusche ließen sie zunächst erstarren und sich dann vorsichtig umsehen.

Es waren Schritte.

Schritte von Robotern, wie Karalaitis zu erkennen glaubte.

Er hatte dafür ein intuitives Ohr entwickelt.

Die Männer schlichen vorwärts.

Beiden war klar, dass es jetzt in erster Linie um das nackte Überleben ging.

Sie mussten zusehen, so schnell, wie möglich tiefer in den Wald zu gelangen.

Weiteren Gefechten mussten sie daher fürs Erste aus dem Weg gehen, wollten sie nicht die Aufmerksamkeit des Feindes auf sie lenken.

Fast lautlos schlichen Jay und Karalaitis vorwärts.

Der Junge hat wirklich etwas gelernt, ging es dem Master Sergeant anerkennend durch den Kopf. Mit etwas Glück rettet ihm die Plackerei der letzten Wochen hier auf Eldorado jetzt das Leben...

*


Überall schienen die Kämpfe jetzt abgeflaut zu sein. Gespenstische Ruhe lag über dem dichten Urwald. Kanas und Jay hatten sich in ein besonders üppig bewachsenes, unwegsames Gelände vorgearbeitet. Die Bäume waren hier nicht ganz so hoch wie ansonsten in den Wäldern von Eldorado üblich. Das hatte seine Ursache darin, dass sie an einem Hang wuchsen, der wenig Halt bot.

Die beiden Gardisten kletterten ihn empor.

Karalaitis' Gedanken waren voller Grimm und Rachedurst bei den Gefallenen.

Bei Andy Caine, Abdul Al-Zia und Ron Dales.

Wie viele aus dem Zug es sonst noch erwischt hatte, wusste Karalaitis natürlich nicht.

Er hoffte, dass sich die Verluste in Grenzen gehalten hatten.

Der Master Sergeant fühlte sich für seine Männer verantwortlich. Er hatte sie hier her, in diesen Einsatz geführt. Auch wenn niemand hatte ahnen können, dass aus einem zwar harten, aber im Grunde harmlosen Übungseinsatz um die fiktive Eroberung eines Hypersenders blutiger Ernst werden würde, so empfand Karalaitis doch so etwas wie Schuld.

Es ist absurd, sagte eine klare deutliche Stimme in seinem Bewusstsein. Die Stimme der Vernunft. Du hast im Vorfeld alles getan, um diesen Männern ein Überleben in Situationen wie dieser zu ermöglichen...

Karalaitis und Jay hatten schließlich den Hang erklommen und kamen nun in sehr unebenes, aber dicht bewachsenes Waldgebiet.

Hin und wieder tauchten Gleiter der Kelradan auf.

Durch das Blätterdach wirkten sie wie große Schatten. Nur vereinzelt schossen sie mit ihren Blastern durch das Geäst.

Zumeist hielten sie sich nun aber in größerer Höhe.

"Die haben sich bei uns blutige Nasen geholt!", schloss Jay Rajav Singh. "Jetzt sind sie vorsichtiger beim Einsatz ihrer Gleiter!"

Karalaitis nickte.

"Aber sie werden ihre Jagd nicht aufgeben", war er überzeugt.

"Noch anderthalb Tage, dann ist Fähnrich Farmoon mit dem Absetzer zurück", meinte Jay.

Karalaitis lachte heiser auf.

"Wenn es gutgeht", schränkte er ein. "Aber wenn Farmoon die Sache in die Hand nimmt, dann wird es gutgehen..."

"Sir, Sie halten große Stücke auf den Fähnrich, nicht wahr?"

"Das tue ich. Sie sollten ihn sich als Vorbild nehmen, Singh. Als Beispiel dafür, wie schnell man es in der Garde zu etwas bringen kann, wenn man die richtige Begabung hat."

Jay zuckte die Achseln.

"Fähnrich Farmoon ist eben ein Glückskind", meinte er.

Karalaitis schüttelte entschieden den Kopf. "Nein, das ist kompletter Unsinn, Rekrut Singh. Mit Glück hat sein Erfolg nun wirklich nicht das Geringste zu tun."

*


Das Gelände, in das Jay Rajav Singh und Jannis Karalaitis vordrangen, wurde immer unwegsamer und zerklüfteter. Immer wieder flogen Kampfgleiter der Kelradan über sie hinweg. Die Kampfanzüge der Garde unterdrückten sowohl die Infrarotabstrahlung als auch die Bio-Impulse, so dass es für die Invasoren ohnehin schwierig war, die jetzt in kleinen Gruppen operierenden Gardisten zu orten.

Der Helmfunk war natürlich in dieser Phase der Operation absolut tabu.

Jede Gruppe musste sich allein durchschlagen.

Aber ein Gardist war genau dafür auch ausgebildet.

Er stellte eine Kampfeinheit dar, die völlig auf sich gestellt operieren vermochte. Auch ohne Verbindung zu irgendeiner Einsatzleitung, die leicht ausgeschaltet werden konnte.

Blieben noch die Energiepatronen der Multikarabiner, die angemessen werden konnten und ein gewisses Risiko darstellten.

Aber in der Regel sorgte das bewaldete Gelände dafür, dass die Gleiter nicht tief genug sinken konnten.

Natürlich konnten die Kelradan jederzeit sowohl Roboter als auch Kämpfer über Antigravfelder auf dem Boden absetzen.

Aber angesichts der Tatsache, dass diese Landeeinheiten immer nur auf kleinere Gruppen von Gardisten treffen konnten, würden sie sich unweigerlich verzetteln und dabei starke Kräfte binden.

Genau das war der Sinn dieser Mission.

Kräfte binden, die zur Verteidigung des Doppelkugelraumers in zwei Tagen nicht rechtzeitig zur Verfügung standen.

Bis jetzt war diese Rechnung aufgegangen.

Jay registrierte die Bitterkeit, die Karalaitis erfüllte. Er schwieg fast die ganze Zeit über.

Der Master Sergeant wirkte in sich gekehrt und noch düsterer und grimmiger, als man es von ihm ohnehin gewohnt war.

Den Tod von Andy Caine und Abdul Al-Zia schien er den Kelradan persönlich übel zu nehmen.

Schließlich erreichten die beiden Soldaten den Fuß einer felsigen, nur spärlich bewachsenen Anhöhe. Schroffe Wände und steile, geröllhaltige Hänge kennzeichneten diesen Ort. Nur hier und da vermochten sich Büsche oder gar Bäume mit ihrem Wurzelwerk in dem kargen Untergrund halten.

Gewaltige Eisgletscher mussten diese Brocken in grauer Vorzeit hier her geschleift haben. In ein Gebiet, dessen Untergrund ganz anders beschaffen war. Der Unterschied war selbst für geologische Laien nicht zu übersehen. Jetzt verwitterte dieser ehemals massive Riesenbrocken langsam. Wind und Wetter hatten einen zerklüftetes Relief in den Stein gemeißelt.

Karalaitis stoppte.

Den Multikarabiner legte er über die Schulter.

Sein Helmvisier war hochgeklappt.

Er ließ kurz den Blick hinauf zu den Baumwipfeln schweifen.

Die letzte Begegnung mit einem Kelradan-Gleiter war fast zwei Stunden her.

Karalaitis deutete die Anhöhe hinauf.

"Wir gehen dort hinauf", bestimmte Karalaitis lakonisch.

Jay wusste, was der Master Sergeant damit bezweckte.

"Man dürfte eine gute Aussicht von dort oben haben!", meinte er.

"Ich möchte mir einen Überblick verschaffen", kündigte Karalaitis an. "Die Kelradan sind mir schon fast ein bisschen zu ruhig..."

Sie machten sich an den Aufstieg. Ein schmaler Pfad führte hinauf. Der hohe Sauerstoffgehalt der Atmosphäre erleichterte das Klettern. Jay und Karalaitis hatten sich natürlich während ihrer Zeit auf Eldorado längst an diesen Effekt gewöhnt.

Die beiden Gardisten kletterten einen steilen, rutschigen Hang empor und gelangten schließlich auf einen schmalen Pfad, der weiter hinauf zur Kuppe führte.

Dicke Felsbrocken boten überall Deckung.

Ein Detonationsgeräusch ließ Karalaitis und Jay kurz innehalten.

"Das kam von dort", meinte Jay und deutete Richtung Südosten.

"Das erste Kampfgeräusch seit längerer Zeit", stellte Karalaitis fest.

"Unsere Jungs wissen sich ihrer Haut schon zu wehren!", meinte Jay.

Karalaitis lachte bitter.

"Das hätte ich von Dales, Al-Zia und Caine auch gedacht."

Jay schwieg.

Er hatte das Gefühl, dass jede weitere Bemerkung, Karalaitis Grimm nur noch verstärkte.

Als die beiden Männer eine Höhe erreicht hatten, die einen ersten Rund-um-Blick erlaubte, hielt Karalaitis inne. Er ließ den Blick über den Wald schweifen.

Der Fluss war deutlich erkennbar. Aber er war nicht die einzige Schneise, die durch das Grün des Waldes gezogen wurde.

Es gab regelrechte Bahnen, die beinahe parallel zueinander verliefen.

"Was ist das?", erkundigte sich Jay.

"Ich dachte, Sie hätten das Datenmaterial über Eldorado genau studiert, bevor Sie hier her kamen, Rekrut Singh", tadelte Karalaitis.

Jay zuckte die Achseln. "Wir sind jetzt schon ziemlich lange in diesen Wäldern, aber so etwas habe ich noch nicht gesehen. Es sieht aus, als hätte jemand versucht, Schneisen für Straßen oder Siedlungen zu schlagen."

Karalaitis verzog das Gesicht zu einem dünnen Lächeln.

"Diese Schneisen stammen noch nicht einmal von irgendeiner Intelligenz. Die hiesigen Riesenschnecken verursachen sie, wenn sie durch die Wälder streifen."

"Die, deren Körper von einem Säureschleim bedeckt ist?"

"Genau", nickte Karalaitis. "Es kommt nicht oft vor, dass sich diese an sich harmlosen Biester in die Wälder verirren. Normalerweise bevölkern sie die Grasebenen. Bislang hat sich noch niemand die Mühe gemacht zu erforschen, weshalb die Riesenschnecken in die Wälder gehen. Man vermutet, dass sie hin und wieder ganz bestimmte Pflanzen zu sich nehmen müssen, die nur in den Wäldern zu finden sind. Hängt entweder mit ihrem Stoffwechsel zusammen oder mit ihrem komplizierten Paarungsverhalten. Aber das soll uns jetzt nicht weiter kümmern..." Er wandte Jay einen düsteren Blick zu. "Komisch, ich hatte eigentlich gedacht, Sie wären der hundertfünfzigprozentige Typ, der das Datenmaterial mehr oder weniger auswendig lernt."

"Den relevanten Teil habe ich hier drin", versicherte Jay und tockte sich dabei gegen den Helm.

Karalaitis machte eine wegwerfende Handbewegung. "Was während des Einsatzes relevant ist, weiß man vorher nie. Merken Sie sich das. Sie haben vielleicht gedacht, dass Sie hier eine Übung absolvieren, bei der Ihnen beigebracht wird, wie Sie in der Wildnis auf sich gestellt überleben und einen Hypersender gegen Feinde mit ausgefeilter Tarntechnik verteidigen."

"Richtig."

"Sie haben gesehen, wie schnell sich die Prämissen ändern können."

"Ja, Sir."

Eine Gruppe von Kelradan-Gleiter tauchte jetzt auf.

Sie flogen in breiter Formation über die Wälder, entfernten sich immer mehr voneinander.

"Die suchen systematisch das Gebiet ab", stellte Karalaitis fest. "Unsere Strategie geht auf. Sie sind dazu gezwungen, den Hauptteil ihrer Streitmacht einzusetzen, um uns auch nur auf den Fersen zu bleiben. Dadurch, dass wir uns aufgeteilt haben, stehen sie vor einer unangenehmen Wahl: Entweder mit Kanonen auf Spatzen schießen oder gar nichts tun."

Karalaitis und Jay setzten ihren Aufstieg fort.

Nach einer Viertelstunde erreichten sie die Kuppe. Ein paar Felsblöcke boten hier spärliche Deckung. Außerdem hatten es etwa ein Dutzend Bäume geschafft, ihre Wurzeln in dem harten Untergrund zu verankern und wurden dafür mit einem Platz an der Sonne belohnt. Um in den Genuss des Sonnenlichts zu gelangen, hatten sie es gar nicht nötig, besonders hoch zu wachsen.

Jay verzehrte einen Teil seiner am Mann mitgeführten Ration.

Karalaitis verzichtete darauf.

Der Master Sergeant hatte nichts gegessen, seit er mit seinen Leuten die Höhle in der Klamm verlassen hatte.

Karalaitis blickte noch einmal in Richtung der Gleiter.

Insgesamt sieben Einheiten waren von der Hügelkuppe aus zu sehen.

Zwei davon näherten sich jetzt zusehends.

"Sieht aus, als kämen sie direkt auf uns zu!", stellte Jay fest.

Karalaitis schwieg dazu.

Seine Augen wurden schmal.

Er überprüfte seinen Multikarabiner.

Die Flugrichtung der beiden Gleiter, die sich aus der Gruppe gelöst hatten, war eindeutig. Zielstrebig bewegten sie sich auf die Anhöhe zu, auf deren Kuppe Karalaitis und Jay sich gerade befanden.

"Sie können uns doch nicht geortet haben!", stieß der Inder hervor.

"Genau das scheint aber der Fall zu sein!", murmelte Karalaitis. "Los, in Deckung!"

Die beiden Männer verbargen sich hinter Felsblöcke, während der Gleiter sich sehr rasch näherte. Ein schneller Abstieg in den Wald wäre nicht mehr möglich gewesen.

Der Gleiter verharrte über der Kuppel.

Die Blasterbatterien bewegten sich suchend.

In diesem Moment schoss etwas aus dem nahen Wald heraus.

Von zwei verschiedenen Stellen ging dieser Beschuss aus. Die Projektile trafen den Gleiter exakt an den Feldprojektoren des Antigravaggregats.

Das sind unsere Leute!, erkannte Karalaitis.

Der Gleiter trudelte seitwärts. Vergeblich versuchte der Pilot, die Flugbahn des Schwebers zu stabilisieren. Die Blasterbatterien feuerten wild in der Gegend herum. Strahlen durchzuckten die Luft.

Der Gleiter schrammte über die Baumwipfel und krachte schließlich hart zu Boden. Dabei zog er eine Schneise der Verwüstung hinter sich her.

Der zweite Gleiter drehte im selben Moment ab.

Karalaitis riss seinen Multikarabiner empor und feuerte.

Sein Schuss traf den Heckbereich.

Der Schutzschild nahm dem Beschuss den Großteil seiner Wirkung.

Gleichzeitig wurde erneut aus dem Dschungel heraus geschossen. Von zwei verschiedenen Positionen aus, so wie beim Angriff auf den ersten Gleiter.

Die Explosionsgeschosse trafen diesmal nicht exakt ihr Ziel. Sie verfehlten den Feldprojektor. Der Schutzschirm brach kurzzeitig zusammen. Jay und Karalaitis erfassten die Situation sofort und eröffneten ebenfalls das Feuer.

Jay landete einen Treffer, der den instabil gewordenen Schutzschirm durchdrang und ein Loch in die Außenhülle brannte.

Mit Schlagseite flog die Maschine davon.

"Sie scheinen eines der Antriebsaggregate getroffen zu haben!", rief Karalaitis.

Beide Männer mussten im nächsten Moment die Köpfe einziehen.

Die Blasterbatterie des Gleiters trat in Aktion und versengte nahezu jeden Quadratzentimeter auf der Kuppe.

"Weg hier!", rief Karalaitis dem Rekruten zu.

Sie rutschten einige Meter einen steilen, geröllhaltigen Hang auf der Nordseite hinunter, verbargen sich erneut hinter Felsbrocken.

Aus dem Dschungel heraus folgte ein weiteres Explosivgeschoss, das den Gleiter vollends aus der Bahn warf.

Im Sinkflug schrammte er durch die Baumkronen und anschließend durch das Unterholz.

Aus der Ferne näherten sich weitere Gleiter.

Karalaitis fragte sich, wer sich dort unten wohl im Wald verborgen hatte und dermaßen geschickt gegen die Kelradan vorging. Eigentlich gab es in dem Ausbildungszug, den der Master Sergeant gegenwärtig kommandierte, nur einen einzigen Schützen, der mit dieser Präzision den Multikarabiner zu benutzen wusste. Eine Präzision, die man bei vielen Scharfschützen vergeblich suchte, die bereits jahrelang im Dienst waren.

"Los, kommen Sie Jay", rief Karalaitis. "Dort unten in dem Gestrüpp gibt es Arbeit für uns!"

Er hatte den Multikarabiner mit beiden Händen gepackt und stolperte weiter den Hang hinunter. Jay folgte ihm.

Es war anzunehmen, dass von den Insassen der beiden Gleiter der Großteil überlebt hatte und jetzt in der Umgebung ausschwärmte.

Außerdem näherte sich bereits ein weiterer Schweber.

Karalaitis fragte sich, was sie wohl angelockt haben mochte.

Zwei Gardisten, die eine Anhöhe erklommen hatte, waren nun wirklich kein lohnendes Ziel, dass den Einsatz in zwei Gleitern rechtfertigte. Und die beiden bislang unsichtbaren Schützen auch nicht,

Karalaitis lief in den Wald, kämpfte sich durch das Unterholz. Jay blieb ihm auf den Fersen.

Schließlich hielten sie inne und lauschten.

Karalaitis glaubte, ein Geräusch gehört zu haben.

Hinter einem dicken Baumstamm bemerkte der Master Sergeant eine Bewegung. Er wirbelte herum, konnte sich aber gerade noch rechtzeitig zurück halten.

Er senkte den Lauf des Multikarabiners, als er einen Mann im schweren Kampfanzug der Garde hervortreten sah.

An der Namenskennung konnte Karalaitis sofort sehen, wen er vor sich hatte.

"Dales!", stieß er hervor. "Ich hatte gedacht, Sie wären tot!"

"Ich hatte Glück", stellte Dales fest. Er hob sein Helmvisier.

"Es hat nicht mich, sondern McFadden erwischt. Er befand sich keine zwei Meter von mir entfernt."

Dales schluckte.

Ein Ruck ging durch seinen Körper.

"Freut mich, Sie wohlauf zu sehen, Master Sergeant. Wir müssen Garcia helfen!"

"Ist außer Ihnen beiden sonst noch jemand hier in der Gegend?", fragte Karalaitis.

Dales schüttelte den Kopf. "Nein, Sir."

Schritte waren zu hören. Schnelle Schritte auf trockenem Waldboden. Äste knackten.

Ein Mann kämpfte sich durch das Unterholz.

"Ich habe die Boje!", rief er.

Augenblicke später erstarrte er kurz, als er auf Karalaitis und Jay blickte.

In der Rechten hielt er seinen Karabiner, mit der Linken ein Modul, das er offensichtlich einem Ortungsgerät ausgebaut hatte.

"Deaktiviert?", fragte Dale.

"Ja."

Karalaitis runzelte die Stirn. Er deutete auf das Modul, das von Dales als Boje bezeichnet worden war.

"Ich habe das Ding mit Hilfe des Energiemagazins einer erbeuteten Strahlwaffe und einer Komponente, die einem der abgeschossenen Kampfroboter entstammt, etwas umgebaut", erklärte Dales grinsend.

Karalaitis verstand sofort.

"Sie haben die Gleiter angelockt!", erkannte er.

"Zwei sind in die Falle getappt", erwiderte er. "Es war eine Kleinigkeit, die Impulse so zu verstärken, dass die Kelradan darauf aufmerksam werden mussten..."

"Hat ja auch geklappt!", kommentierte Rekrut Paco Garcia das Geschehene. "Zwei Gleiter dürften mehr oder minder kampfunfähig sein."

Karalaitis nickte.

"Respekt, Männer! Sie beide haben sich etwas Blinkendes für Ihre Uniformbrust verdient."

"Danke, Sir", sagte Dales.

Garcia schwieg.

Er kaute auf der Unterlippe herum.

"Leider werden die Kelradan nicht so positiv über diese Aktion denken", murmelte er und blickte sich im Wald um.

"Sehen wir zu, dass wir hier wegkommen", meinte Dales.

Schneller Rückzug war ein wichtiger Bestandteil der Taktik, die Karalaitis Rekrutentruppe während dieses Einsatzes bislang angewandt hatte. Eine Taktik mit der man zahlenmäßige und waffentechnische Unterlegenheit zumindest teilweise ausgleichen konnte.

Die Gardisten schlugen sich durch das dichte Unterholz.

Garcia führte die Gruppe an.

Sie gingen Richtung Nordwesten und entfernten sich damit von den Absturzpositionen der beiden Gleiter.

Karalaitis ärgerte sich insgeheim darüber.

Viel lieber wäre er zum Angriff übergegangen und hätte genau den umgekehrten Weg eingeschlagen.

Aber davon sagte er kein Wort. Die Vernunft sagte ihm, dass erstens zumindest ein Teil der Besatzungen noch kampffähig sein würden und zweitens damit zu rechnen war, dass in Kürze weitere Gleiter herannahten.

Die Gardisten beeilten sich. Die Männer legten trotz des sehr unwegsamen Geländes ein hohes Marschtempo vor.

Gleiter flogen über sie hinweg.

Das leise Summen der Antriebsaggregate dröhnte unangenehm in den Ohren. Karalaitis überlegte, ob sich vielleicht später eine Gelegenheit ergab, zu den Gleiterwracks zu gelangen. Selbst eine oberflächliche Untersuchung ergab vielleicht wertvolle Hinweise darauf, mit wem sie es bei den Invasoren eigentlich zu tun hatten.

Karalaitis wusste sehr wohl, dass es für seine Hypothese von den Renegaten oder Rebellen unter den Kelradan bisher lediglich vage Anhaltspunkte gab.

Aber keinen Beweis.

*


Die Dämmerung setzte bereits ein, als Karalaitis, Jay Rajav Singh, Paco Garcia und Ron Dales eine Lichtung in Flussnähe erreichten. Der namenlose Fluss, der bis hinauf zu der Klamm mit der Höhle führte, in der sich Roy Cabezas und die Überlebenden der SPECTRAL sowie der Vorposten-Besatzung befanden, war hier bereits wesentlich breiter geworden und hatte sich in mehrere flache Arme aufgeteilt, bevor er sich schließlich etwa fünfzig Kilometer nordöstlich in das sogenannte Große Meer ergoss.

Erste Nebelschwaden hingen über dem Fluss und krochen langsam in Richtung der mit hohem Gras bewachsenen Uferzonen.

Ein Gleiter der Kelradan war dort gelandet.

Etwa ein Dutzend Kelradan und doppelt so viele Kampfroboter waren in das Gelände ausgeschwärmt.

In breiter Formation durchkämmten sie die Umgebung.

Was sie dazu veranlasste, ausgerechnet an diesem Ort in Aktion zu treten, darüber konnte nur spekuliert werden.

Die Gardisten verbargen sich in den dichten Büschen.

Karalaitis hielt es für unwahrscheinlich, dass die Multikarabiner der vier Gardisten angemessen worden waren. Dasselbe galt für Infrarot- und Bioimpulse, die ja von den Anzügen der Gardisten unterdrückt wurden. Karalaitis dachte kurz an die Möglichkeit, dass die Kelradan vielleicht auch in dieser Gegend Tirifotium-Vorkommen aufgespürt hatten.

Vielleicht ist es auch nur der günstige Landeplatz gewesen, der sie hier her geführt hat, überlegte der Balte. Schließlich gab es in dieser unwegsamen Waldregion nicht allzu viele Plätze, die sich dazu eigneten, Kämpfer und Roboter abzusetzen.

Ein paar Kelradan standen in der Nähe des Gleiters und unterhielten sich. Einer deutete mit den Armen auf die andere Seite des Flusses.

"Ich denke, wir sollten schleunigst den Rückzug antreten", meinte Paco Garcia. "Gegen so eine Übermacht haben wir kaum eine Chance. Und ein Kampf Mann gegen Mann beziehungsweise Roboter ist immer am risikoreichsten."

Karalaitis verzog grimmig das Gesicht.

Er bleckte die Zähne wie ein Raubtier.

"Wir bleiben hier!", entschied er.

Die Front aus Robotern und Kelradan-Kämpfern war einfach bereits zu dicht herangekommen. "Ich habe keine Lust, in einer Treibjagd die Rolle des Wildes einzunehmen", erklärte Karalaitis nach kurzer Pause. "Die Vegetation hier bietet genügend Möglichkeiten, um sich zu tarnen. Wir warten in unseren Verstecken ab, bis die Meute im Wald verschwunden ist."

"Und wie geht der Plan dann weiter?", hakte Jay etwas skeptisch nach.

In Karalaitis' Augen blitzte es. Er wandte sich zu dem Inder herum und fragte: "Als wir uns während des Überlebenstrainings an dieser verfluchten Steilwand hinabgeseilt haben, haben Sie mir auch vertraut, Rekrut Singh."

"Natürlich."

"Warum tun Sie es jetzt nicht?" Karalaitis deutete hinüber in Richtung des Gleiters. "Wenn die Meute im Wald verschwunden ist, werden wir uns den Gleiter vornehmen. Drei Mann stehen außerhalb der Maschine. Ich nehme an, dass sich noch mindestens drei weitere Kelradan im Inneren befinden. Vermutlich außerdem noch ein paar Roboter. Es bleibt also Arbeit genug..."

"Sie wollen in den Besitz des Gleiters gelangen", erkannte Jay.

"Zumindest könnten wir unsere Energiemagazine aufladen, falls sich jemand einigermaßen mit Kelradan-Technik auskennen sollte", ergänzte Ron Dales.

"Und etwas Nachschub an Explosivgeschossen und Handgranaten wäre sicher auch nicht schlecht."

"Mir geht es vor allem darum, herauszufinden, wer unser Feind ist", erklärte Karalaitis.

*


Die Gardisten verteilten sich am Waldrand. Sie verbargen sich in dichten Stauden oder unter großblätterigen Pflanzen, die den Boden überwucherten. Mancherorts rankten sie sich die langen Stämme der Urwaldriesen empor und hatten hier und da sogar die Kronen erreicht.

Karalaitis hatte den Gardisten während des Überlebenstrainings immer wieder eingeschärft, äußerst vorsichtig zu sein. Zwar war bislang keine wirklich giftige Pflanze auf Eldorado bekannt geworden, aber das musste nichts heißen. Selbst auf der Erde des Jahres 2959 nahmen Biologen an, dass immer noch etwa ein Viertel aller Arten von Fauna und Flora unbekannt waren.

Um wie vieles wahrscheinlicher war es da, dass sich auch auf Eldorado noch die eine oder andere biologische Überraschung verborgen hielt.

Risiken einer fremden Fauna und Flora gehörten zu den Gefahren, mit denen ein Angehöriger der Raumgarde während seiner Einsätze immer wieder konfrontiert wurde.

Die Gardisten kauerten in ihren Verstecken, während sich die Kelradan und ihre Roboter näherten.

Deren Formation zog sich jedoch mit jedem Meter, den sie weiter in Richtung des Waldrandes vordrangen, mehr und mehr auseinander.

Etwa alle fünf bis zehn Meter war ein Bewaffneter - entweder Kelradan oder Roboter.

Karalaitis bemerkte aus seinem Versteck heraus, dass die Kelradan eine umfangreiche technische Ausrüstung mit sich führten. Infrarotspürer waren ebenso dabei wie Nachtsichtgeräte und Ortungstechnik. Allerdings musste man im Umgang mit dieser Technik auch entsprechend in Übung sein, um beispielsweise den Energiespeicher eines Multikarabiners anmessen zu können oder Energiesignaturen zweifelsfrei zu identifizieren.

Die Kelradan, mit denen es Karalaitis und sein Trupp zu tun hatte, trauten ihrer Ausrüstung wohl auch nicht hundertprozentig. Offenbar verließen sie sich mehr auf ihre Blaster, die sie schussbereit in den Händen hielten.

Vorsichtig drangen sie in das Unterholz vor.

Die Roboter schickten sie dabei vor, damit die sich als erste durch das dichte Gestrüpp kämpften und damit einen ersten Trampelpfad anlegten.

Die Kelradan redeten nicht viel.

Nur hin und wieder wurden ein paar Worte zwischen ihnen gewechselt.

Der Translator, den Karalaitis einem getöteten Kelradan abgenommen hatte, war selbstverständlich deaktiviert, so dass der Balte kein Wort von dem Gesagten verstand. Davon abgesehen hatte er ohnehin noch keine Gelegenheit gefunden, sich in die Funktionsweise des Gerätes einzufinden. Aber das machte nichts. Die Befehle, die der offensichtliche Anführer dieser Kelradan-Kolonne seinen Leuten zubrüllte, waren auch ohne Sprachkenntnisse nachvollziehbar.

Karalaitis kauerte zwischen mehreren großblättrigen Stauden. Der Multikarabiner war ebenso deaktiviert wie der Rest seiner technischen Ausrüstung. Schließlich wollte Karalaitis nicht entdeckt werden. Was die im Umgang mit Ortungsgeräten offenbar nicht sonderlich geübten Kelradan dieses Trupps anging, machte er sich wenig Sorgen. Aber der Gleiter steckte womöglich voller hochempfindlicher Abtaster.

Und je nachdem, wer dort an der Konsole saß, würde der Kelradan vielleicht die Energiesignatur eines Multikarabiners aufzeichnen. Wer sich damit auskannte, dem fiel der Unterschied zu den Abstrahlungen der Kelradan-Blaster sofort auf.

Ein Kelradan trat sehr nahe an Karalaitis Versteck heran.

Der Fuß des Kelradans war kaum einen halben Meter von dem Master Sergeant entfernt. Karalaitis hielt den Atem an.

Notfalls war er in der Lage, einen Gegner mit bloßen Händen zu töten. So schnell, dass der Betreffende nicht einmal mehr Gelegenheit zu einem Schrei hatte.

Der Kelradan blieb stehen.

Einer der anderen rief etwas.

Im nächsten Moment zischten Energiestrahlen durch den Wald.

Mehrere der Kelradan und etwa die Hälfte der Roboter feuerte mit ihren Blastern auf einen ganz bestimmten Strauch.

Fledermausartige Wesen, deren Flügelspannweite jedoch etwa die Länge eines menschlichen Arms hatte, stoben in die Höhe davon. Manche von ihnen brannten und trudelten kreischend zu Boden.

Es waren Hunderte von Tieren, die durch das Strahlfeuer hochgescheucht worden waren.

Offenbar hatte einer der Kelradan eine verdächtige Bewegung gesehen und sofort losgeschossen.

Einem Roboter traute Karalaitis jedenfalls keine derartige Kurzschlussreaktion nicht zu.

Wir können von Glück sagen, dass denen nicht einfällt, einfach das gesamte Waldstück in Flammen aufgehen zu lassen, ging es dem Master Sergeant durch den Kopf.

Der Kelradan, dessen Fuß jetzt kaum zwanzig Zentimeter von seinem Gesicht entfernt war, nachdem der Kerl noch einen Schritt zur Seite gemacht hatte, ging nun endlich weiter.

Überall knackte es im Unterholz.

Der Kelradan-Trupp drang weiter in den Wald vor.

Karalaitis wartete noch etwas ab, bis er glaubte, dass sich die Invasoren weit genug entfernt hatten. Er aktivierte seinen Anzug und den Multikarabiner wieder. Per Helmfunk gab er ein codiertes, sehr schwaches Signal ab, dass den anderen Gardisten bedeutete, dass die Operation begann.

Karalaitis erhob sich und verließ sein Versteck. Vorsichtig folgten die anderen seinem Beispiel.

Von den Kelradan und ihren Robotern war weit und breit nichts mehr zu sehen.

Karalaitis drang bis zu einem der letzten Bäume am Rande der Lichtung vor.

Die vom Fluss heraufquellenden Nebelschwaden zogen inzwischen über die vorgelagerte Wiese. Der Gleiter war kaum noch zu erkennen, so dicht war die Wand weißer Watte, die ihn jetzt umhüllte.

Nur schemenhaft war einer der Kelradan zu sehen, der mit dem Blaster in der Hand auf und ab patrouillierte. Ein Roboter befand sich in seine Nähe.

"Gebt mir Feuerschutz und haltet mir den Rücken frei, falls die Waldläufer doch noch zurückkehren!", forderte Karalaitis an die anderen gewandt.

Er wartete eine Bestätigung gar nicht erst ab.

In geduckter Haltung schlich er vorwärts.

Im hohen Gras fand Karalaitis Deckung, als der Kelradan plötzlich in seine Richtung blickte.

Offenbar bemerkte der Mann nichts.

Dasselbe galt für den Roboter.

Karalaitis rappelte sich auf, legte an. Ehe der Roboter auch nur einen einzigen Energiestrahl abfeuern konnte, hatte Karalaitis ihn bereits durch einen Kopftreffer ausgeschaltet.

Der Kelradan riss den Blaster empor. Ein Energiestrahl zischte dicht über Karalaitis hinweg, der sich zu Boden hechtete und für seinen Gegner im hohen Gras verschwand. Der Master Sergeant riss den Lauf seiner eigenen Waffe empor und feuerte. Getroffen sank der Kelradan zu Boden.

Karalaitis war sofort wieder auf den Beinen. Er türmte durch den Nebel in Richtung des Gleiters. Jay und die anderen kamen aus der Deckung und folgten ihm. Die grauweißen Schwaden waren jetzt die wichtigsten Verbündeten. Andernfalls hätten die Gardisten über ein Feld mit freier Sicht laufen müssen.

Einen weiteren Roboter schaltete Ron Dales mit einem gezielten Schuss aus.

Am offenen Schott standen zwei Kelradan.

Sie zuckten zurück, wollten das Schott schließen, aber Paco Garcia zerstörte mit einer gezielten Ladung den Schließmechanismus.

Die beiden griffen jetzt ebenfalls zu ihren Waffen.

Den ersten schaltete Karalaitis mit einem Strahlschuss aus. Der zweite wurde nicht richtig getroffen. Er trug einen Panzeranzug, der dem in der Garde üblichen Standard entsprach. Er taumelte zurück ins Innere des Gleiters.

Karalaitis stürzte durch den offenen Schott.

Der Kelradan war schwer verletzt. Die Waffe war ihm entfallen.

Der Atem ging rasselnd.

Lange hatte er nicht mehr zu leben.

Aus den Augenwinkeln heraus nahm Karalaitis eine Bewegung wahr.

Er blickte in den Lauf einer Strahlpistole, die sich in der Hand eines hochgewachsenen Kelradan befand, dessen Kopf vollkommen kahlrasiert war.

Sein dunkles Gesicht war zur Maske verzerrt.

Karalaitis ließ blitzartig den Fuß hochschnellen. Sein Tritt traf den Kelradan an der Gurgel. Wie ein gefällter Baum schlug er zu Boden. Aus der Strahlpistole löste sich ein Schuss und versengte eine Konsole. Der beißende Geruch verbrannten Kunststoff verbreitete sich.

Karalaitis beugte sich zu dem Sterbenden hinab.

Er aktivierte den Translator und versuchte das Gerät so zu konfigurieren, dass es zwischen Standard-Sprech und dem Kelradan-Idiom übersetzte.

"Spar dir deine...Mühe...", röchelte der Sterbende. Er verzog das Gesicht vor Schmerz. "Ich musste eine Weile untertauchen... War...deshalb auf ... einer eurer Kolonien. Blue Star..."

"Red schon! Wer seid ihr?"

"Jedenfalls dienen wir...nicht...dem Imperium..."

"Dann seid ihr Rebellen gegen die Zentralregierung auf Kelradania?", schloss Karalaitis.

Seine Vermutung hatte sich bestätigt.

Der Kopf des Verletzten war zur Seite gerutscht. Die Augen waren starr geworden. Er lebte nicht mehr. Karalaitis fluchte innerlich. Er rappelte sich auf.

Er ging zur Steuerkonsole.

Aber der ungezielte Strahlenschuss des kahlköpfigen Kelradan hatte dafür gesorgt, dass der interne Kristallsensor offenbar vollkommen tot war.

"Was ist", fragte Jay, der den Außenschott des Gleiters als zweiter hinter sich gelassen und ins Innere vorgedrungen war.

Paco Garcia und Ron Dales warteten draußen und hielten die Augen offen.

"Lässt sich dieser Vogel wieder flottmachen?", fragte Jay Rajav Singh.

"Ich fürchte, hier läuft gar nichts mehr", meinte Jannis Karalaitis.

Paco Garcia meldete sich über Helmfunk.

"Sie kehren zurück! Wir müssen weg hier!"

"Sind sie schon am Waldrand?", fragte Karalaitis.

"Nein. Aber ich habe vorhin einen Schwarm aufgescheuchter Riesenfalter zu den Wipfeln fliegen sehen. Soweit ich weiß, sind die aber um diese Tageszeit normalerweise nicht mehr aktiv."

Karalaitis wandte sich an Jay Rajav Singh.

"Sehen Sie, wie wichtig es ist, das Datenmaterial zum Einsatzort immer genauestens zu kennen?", grinste er.

Jay verdrehter die Augen.

"Eins zu null für Sie, Master Sergeant."

"Kommen Sie, Rekrut Singh! Helfen Sie mir, diesen Schweinehunden einen gebührenden Empfang zu bereiten."

*


Die Gardisten marschierten auf das Flussufer zu. Gerade noch sahen sie die ersten Kelradan und die sie unterstützenden Kampfroboter aus den Nebelschwaden auftauchen. Sie eröffneten sofort das Feuer.

Die Gardisten verzichteten auf Gegenfeuer.

Stattdessen hetzten sie weiter in den Fluss hinein.

Karalaitis wusste, dass der Wasserstand in diesem Gebiet zumeist nicht tiefer als einen Meter betrug. Es gab ein paar tiefere Stellen, aber der Großteil des breiten Flussbettes war mit Sandbänken gefüllt.

Der Nebel war ihr Verbündeter.

Dichte Schwaden hingen auf der Wasseroberfläche. Die Sicht betrug schließlich nur noch wenige Meter. Aber für die Infrarotspürer der Kelradan blieben sie natürlich sichtbar.

Sie wateten weiter durch das Wasser.

Karalaitis spürte die schwache Strömung an seinen Beinen ziehen.

Die Stimmen der Kelradan waren leise zu hören.

Offenbar hatten sie gerade entdeckt, dass ihre beim Gleiter zurückgebliebenen Kameraden tot waren.

Als sie etwa ein Drittel der Flussbreite hinter sich gelassen hatten, hörten sie hinter sich ein ohrenbetäubendes Detonationsgeräusch. Metallteile flogen im hoben Bogen durch die Luft und landeten zum Teil noch am anderen Flussufer. Todesschreie mischen sich in den Explosionslärm.

Karalaitis blieb stehen und drehte sich um.

Man kann auch einen defekten Kelradan-Gleiter mit ein paar Tricks in eine Bombe verwandeln, Fähnrich Farmoon!, durchzuckte es ihn. Die Energiespeicher der Triebwerke und der Antigravaggregate ließen sich dabei in eine Explosionskraft verwandeln, gegen die das, was man mit ein paar Energiepatronen erreichen konnte, wie ein laues Lüftchen wirken musste.

"Fürs erste wird uns wohl niemand folgen", stellte Jay fest.

"Da sei dir mal nicht zu sicher", meldete sich Ron Dales zu Wort.

Auch Paco Garcia war dieser Ansicht. "In Kürze wird es hier von Kelradan-Gleitern nur so wimmeln", war er überzeugt.

"Ich kann es kaum erwarten, sie vom Himmel zu holen", erklärte Ron. "Ein paar Explosivgeschosse habe ich noch..."

Die Männer sanken in dem schlammigen Flussgrund bis über die Knöchel ein. In der Mitte des Wasserlaufs gab es ein paar Meter, die etwas tiefer waren. Das Wasser ging den Gardisten dann etwa bis zum Rippenbogen. Danach wurde es wieder flacher.

Sie erreichten schließlich das andere Ufer.

Die Gardisten wandten sich nach Süden. Sie folgten eine Weile dem Flusslauf.

Inzwischen stand der Abendmond am Himmel.

Es wurde dunkel.

Die Gardisten kämpften sich weiter vorwärts durch das dichte Unterholz. Für Karalaitis lag es auf der Hand, dass ihre Gegner sie jetzt um so intensiver jagen würden.

Viel Zeit, um in den Wäldern unterzutauchen blieb ihnen nicht.

"Ich könnte mir denken, dass die uns für eine viel größere Gruppe halten—angesichts des Erfolgs, den wir hatten", meinte Ron Dales, als sie einen etwas weniger dichten Mischwald erreichten. Die Bäume standen hier weiter auseinander und waren weniger hoch.

Karalaitis konnte Rons Äußerung nur zustimmen.

"Genau darauf läuft unsere Strategie ja hinaus", meinte er. "Mir soll's recht sein, wenn sie die Hälfte ihrer Kräfte auf uns konzentrieren. Um so freiere Hand hat dafür der Rest von uns."

Sie marschierten weiter bis zum Aufstieg des Mitternachtsmondes. Auf einer bewaldeten Anhöhe schlugen sie ihr Nachtlager auf. Unter den gegenwärtigen Bedingungen hieß das: Schlafen im schweren Kampfanzug, denn niemand konnte vorhersagen, wann sie dem Feind wieder begegnen würden. Von Gleiterpatrouillen der Kelradan war nirgends etwas zu sehen. Aber das musste nichts heißen.

"Entweder, sie sind sehr vorsichtig geworden und verfolgen einen besonders genialen Plan, oder sie haben uns schlichtweg verloren", sagte Jay.

Paco Garcia lachte. "Als besondere taktische Genies haben sich unsere Gegner bislang nicht entpuppt."

Karalaitis bleckte die Zähne. "Andernfalls wären wir nicht mehr am leben", knurrte er.

Die Gardisten aßen etwas von ihren knappen Rationen.

Karalaitis teilte die Wachen ein. Es musste immer einer von ihnen die Lage peilen, damit sie nicht überrascht werden konnten. Die Kelradan waren ihnen schließlich zahlenmäßig und von der Schwere der Bewaffnung her weit überlegen. Wenn sie sich entschlossen, ein bestimmtes Gebiet mit allen Kräften gründlich zu durchkämmen, gab es selbst für Gardisten kaum ein Entkommen. Da nützte es dann auch nichts, wenn die anderen Gruppen dafür freie Hand für ihre Aktionen hatten.

Jay legte sich auf den Rücken.

Er kaute einen Bissen aus seiner Ration. Sehr nährstoffhaltig und konzentriert - aber ein richtiges Menü war etwas anderes. Jay kaute langsam, weil er wusste, dass es so schnell nichts mehr geben würde.

Das Licht des Mitternachtsmondes leuchtete durch die Baumwipfel.

Einen Tag müssen wir noch durchhalten, ging es ihm durch den Kopf. Zumindest, wenn es glatt gehen sollte und Fähnrich Farmoon den Absetzer zurückbringt.

Ein codiertes Funksignal würde in dem Moment jeden der Gardisten aus Karalaitis Gruppe erreichen, die sich in den Wäldern versteckt hielten. So wussten sie, wann der eigentliche Angriff auf den Kugelraumer begann.

Jay lauschte den Geräuschen des Waldes. Vielfältige Tierstimmen bildeten ein eigentümliches Konzert.

Erst jetzt stellte Jay fest, wie hundemüde er war.

Die Strapazen der vergangenen Tage hatten ihre Spuren hinterlassen. Im Gegensatz zu Karalaitis oder den Männern aus Kurt Farmoons Zug, verfügten die Rekruten noch nicht über Routine und Erfahrung. Der erste scharfe Einsatz, und das völlig überraschend, dachte Jay. Mit den Pfadfinderspielen, die normalerweise unsere Ausbildungszeit bestimmt hätten, hat das alles nichts mehr zu tun...

Man hatte sie ins kalte Wasser geworfen.

Sie hatten schwimmen müssen und die meisten hatte das auch geschafft.

Karalaitis' Stimme drang in Jays Bewusstsein und riss ihn aus seinen Gedanken heraus.

"Hört mal zu", sagte er. "Es ist vielleicht nicht gerade der passende Zeitpunkt, um darüber nachzudenken, aber..."

Jay richtete sich wieder auf. Er war sofort hellwach.

Seine Augen waren schmal, als er in Karalaitis' Richtung blickte.

"...aber bis jetzt wissen wir nur verdammt wenig darüber, wer eigentlich unser Feind ist", fuhr Karalaitis fort. "Wer hat diese Kelradan hier hergeschickt und mit welchem Auftrag, außer, das sie Tirifotium stehlen sollen. Aber dahinter muss noch mehr stecken. Vermutlich brauchen sie das Tirifotium nur, um einen kurzfristigen Mangel an diesem Wundermetall auszugleichen."

"Sie könnten auch an einem illegalen Schwarzhandel damit beteiligt sein", meinte Ron Dales. "Wenn es sich wirklich um Rebellen handelt, dann wäre das doch eine ideale Finanzierungsquelle."

Karalaitis hob die Augenbrauen.

"Eine interessante Hypothese. Aber ich würde gerne weniger spekulieren und mehr wissen. Und das geht nur, wenn wir einen dieser Kelradan lebend unsere Gewalt bekommen würden."

"Gefangene?", wunderte sich Paco Garcia. Bislang hatten sich die Gardeangehörigen mit Gefangenen nicht belastet. Angesichts der Kräfteverhältnisse und der kleinen Einheiten, in denen Karalaitis' Zug sich für diese Operation aufgeteilt hatte, war das auch gar nicht anders möglich.

Jay atmete tief durch.

Das war typisch für Karalaitis.

Kaum der Übermacht der Kelradan entkommen - und schon dachte er daran, selbst in die Offensive zu gehen.

Etwas, das unmöglich war, schien es für ihn nicht zu geben.

"Wenn sich also eine günstige Gelegenheit ergibt, dann denke ich, wisst ihr, was ihr zu tun habt, oder?"

"Ja, Sir!", war die einhellige Antwort.

"Dürfte ja nicht so schwer sein, einen der Kerle mit den Multikarabiner im Paralysestrahlen-Modus zu erledigen", meinte Paco Garcia.

"Paralysestrahlen?", echote Karalaitis zweifelnd. Er schüttelte entschieden den Kopf. "Die Wirkung hält zu lange an. Wir müssen aber bald mehr über die andere Seite erfahren, um Kurt Farmoon und seine Gruppe eventuell noch warnen zu können, falls sich wesentlich neue Aspekte ergeben. Schließlich sollen sie nicht ins offene Messer laufen."

*


Ein greller Blitz weckte Karalaitis.

Aus dem Dunkel des Waldes heraus war ein Energiestrahl abgefeuert worden. Er hatte den wachhabenden Paco Garcia voll erfasst. Getroffen sank der Gardist zu Boden.

Im Wald war Lärm zu hören. Überall schien Bewegung im Unterholz zu sein.

Karalaitis griff nach seiner Waffe und feuerte.

Die ersten Todesschreie gellten. Sein Helmvisier, dessen Anzeige mit der Zielerfassung des Multikarabiners verbunden war, hatte er auf Nachtsichtmodus geschaltet.

Die heranrückenden Kelradan und Roboter waren deutlich zu erkennen.

Ron Dales war ebenfalls sofort auf dem Posten.

Jay Rajav Singh brauchte eine Sekunde länger.

Ron feuerte ein Explosivgeschoss in Richtung der Gegner, Karalaitis schleuderte eine Handgranate. Er hatte sich diese Granaten bis zu diesem Augenblick aufgespart. Aber jetzt blieb ihm keine Wahl gegen einen derart massiven Angriff musste entschlossen vorgegangen werden. Ein Detonationsgeräusch schallte durch den Wald.

Mehrere Roboter und Kelradan flogen wie Puppen durch die Luft.

Auf dem Hügelkamm gab es eine Mulde. In die zogen sich die Gardisten zurück. Von hier aus konnte man sich gut verteidigen. Sie lagen am Boden und feuerten unablässig in Richtung der herannahenden Gegner.

Immer wieder gelang es vor allem Ron Dales, Roboter mit ganz gezielten Treffern außer Gefecht zu setzen.

Ein großer dunkler Schatten verdeckte für einen kurzen Moment das Licht des Morgen- und des Mitternachtsmondes, die etwa für den Zeitraum einer Standard-Stunde gemeinsam am Himmel von Eldorado zu finden waren.

Ein Kelradan-Gleiter.

Er feuerte eine Explosivladung ab, die jedoch ihr Ziel knapp verfehlte und dicht neben der Mulde einen ein Meter tiefen Krater in den Boden riss.

Todesschreie gellten zur selben Zeit durch den Wald.

Das Feuer ebbte schließlich etwas ab.

Die Kelradan und ihre Roboter zogen sich zurück, gingen in Deckung und warteten ab. Mit derart heftiger Gegenwehr hatten sie offenbar nicht gerechnet.

"Wahrscheinlich wollten uns diese Brüder im Schlaf überraschen", knurrte Karalaitis.

"Das wäre ihnen ja auch beinahe geglückt", erwiderte Jay. Er wandte kurz den Blick. "Sie haben uns eingekreist, Master Sergeant. Wir sitzen in der Falle."

"Die erste Feststellung ist richtig, aber was hier für wen zur Falle wird, muss sich noch erweisen", gab Karalaitis grimmig zurück.

Der Gedanke daran, sich den Kelradan zu ergeben, schien ihm völlig abwegig zu sein.

Ron Dales meldete sich zu Wort. "Wenn dieser Gleiter hier nochmal auftaucht, hole ich ihn vom Himmel", versprach er.

"Die sind ganz schön vorsichtig bei ihren Einsätzen aus der Luft geworden", stellte Karalaitis zufrieden fest. "Dazu dürften Sie ganz gehörig beigetragen haben, Dales."

"Danke, Sir."

Sie schwiegen eine Weile.

Karalaitis Blick fiel auf die Leiche von Paco Garcia, die mitten zwischen den Linien lag. Es gab keine Möglichkeit, den Toten zu bergen. Kalter Grimm kochte in Karalaitis hoch. Aber im Moment gab es nichts, was er tun konnte, außer in seiner Deckung auszuharren.

"Die wissen ganz genau, dass sie am längeren Hebel sitzen", meinte Jay düster. "Unsere Energiemagazine werden sich langsam aber sicher entleeren."

"Ich habe schon lange meine Explosivgeschosse verbraucht", unterbrach Karalaitis den Rekruten.

"Die Zeit arbeitet für unsere Gegner."

"Ich glaube nicht, dass sie lange abwarten werden", meine Karalaitis.

"So?", fragte Jay. "Glauben Sie, dass sie in Kürze einfach versuchen, den ganzen Hügel in die Luft zu jagen?"

"Dazu sind sie noch selbst zu nahe dran. Sie würden entweder ebenfalls Opfer ihrer Bombe werden oder ihr Ring würde so groß, dass wir bei einem Ausfallversuch eine Chance hätten zu entkommen."

"Den Eindruck, dass sie uns lebend fangen wollen, habe ich jedenfalls nicht", meinte Ron.

"Nein, das ist bestimmt nicht ihr Plan. Aber ich wette, dass sich bald etwas bewegen wird."

*


Der Morgenmond versank langsam, während die Sonne Boulanger ihre ersten Strahlen zwischen den Bäumen hindurchschickte.

Der Nebel aus den Flusstälern hatte jetzt auch dieses Gebiet erreicht. Er stand in dicken Frühdunstschwaden zwischen Karalaitis' Leuten und ihren Gegnern.

Mit dem Infrarotspürer konnte man diese Schwaden durchdringen.

Vorausgesetzt, es waren Lebewesen, die angriffen. Denn nur deren Körpertemperatur unterschied sich maßgeblich von der Umgebungstemperatur. Zumindest, wenn es sich um Warmblütler handelte. Bei allen anatomischen Unterschieden im Körperinneren von Menschen und Kelradan, so waren sie sich doch in dieser Hinsicht gleich.

Für Roboter galt das jedoch nicht.

Ihre Betriebstemperatur unterschied sich kaum von der Umgebung. Lediglich in den Arealen des Robotkörpers, in denen Energie erzeugt wurde, war im Infrarotbild vielleicht ein unscheinbares Flackern oder ein geringfügiger Farbunterschied zu sehen.

Die Kelradan schickten also ihre Maschinenkämpfer los, um die drei Terraner auszuschalten.

Der Summton eines Gleiterantriebs war durch den Nebel hindurch zu hören.

Offenbar setzte dort ein Transporter weitere Roboter ab.

Einen Angriff aus der Luft wagten die Kelradan offenbar nicht mehr. Zu groß waren die Verluste an wertvollen Gleitern gewesen. Außerdem bedingte die Tatsache, dass die Garde-Kampfanzüge Infrarotabstrahlung und Bioimpulse extrem dämpften, dass ein Luftangriff uneffektiv war, so lange sich die Gardisten unter einem relativ dichten Blätterdach aufhielten.

Der erste Roboter tauchte aus dem Nebel auf, feuerte seine Blasterstrahlen ab. Ein Explosivgeschoss landete mitten in der Mulde. Karalaitis, Jay und Ron mussten die Köpfe einziehen. Erde und Gestein wurden emporgeschleudert. Eine Welle aus Druck und Hitze ging über die Gardisten hinweg. Ohne die Hitzebeständigkeit der gepanzerten Schutzanzüge wären sie bei lebendigem Leib geröstet worden. Ron Dales schnellte blitzschnell aus der Deckung, legte den Multikarabiner an.

Die Anzeige der Zielerfassung in seinem Helmvisier hatte den Roboter in ihrem Zentrum.

Ein Energiestrahl traf die Maschine genau dort, wo sich der zentrale Kristallsensor befand.

Erneut trat ein Roboter aus dem Nebel hervor.

An mehreren Seiten drohten sie durchzubrechen. Im Schutz des Nebels vermochten sie so nahe an Karalaitis und die beiden anderen Gardisten heranzukommen, dass die Abwehr immer schwieriger wurde. Zudem besaßen sie keinerlei Selbsterhaltungstrieb wie lebende Kämpfer - gleichgültig ob Kelradan, Mensch oder irgendeiner anderen bekannten Spezies angehörig.

Immer heftiger wurde der Beschuss.

Die Gardisten vermochten kaum noch aus ihrer Deckung herauszutauchen.

Eine der Maschinen schaffte es sogar, bis in die Mulde vorzudringen. Karalaitis drehte sich am Boden herum, feuerte den Multikarabiner auf den Roboter ab. Der Energiestrahl schmorte ihm den Kopf weg.

Er stand noch immer mit dem Blaster in den Greifhänden am Ende der Teleskoparme da. Ohne die rotglühenden "Augen", die seine optischen Sensoren beherbergen, war er blind. Ein weiterer Strahlschuss war notwendig, um seine zentrale Steuereinheit auszuschalten.

Der Roboter krachte zu Boden.

Karalaitis nahm ihm den Blaster ab, öffnete des Energiemagazin.

Ein paar Handgriffe und er führte eine energetische Überlastung herbei.

Karalaitis wusste, dass ihm maximal ein paar Sekunden blieben, um den Blaster loszuwerden.

Er schleuderte die Waffe des Roboters von sich.

Gerade noch rechtzeitig.

Noch in der Luft explodierte die Waffe.

Mehrere der angreifenden Roboter wurden zerfetzt.

In dieses Explosionsgeräusch mischten sich weitere Laute. Geräusche, die nicht vom Einsatz irgendwelcher Waffen stammten. Äste knackten, ganze Baumstämme gingen zu Boden. Etwas schien über den Boden zu schaben. Ein scharfer, beißender Geruch begann die Luft zu erfüllen.

Auf der anderen Seite wurde das Feuer eingestellt.

Wirres Stimmengewirr drang zu Karalaitis und den beiden anderen Gardisten hinüber.

Der Summton von Gleitertriebwerken war wieder zu hören.

"Verdammt, was ist da los?", rief Jay.

Karalaitis blickte sich um.

Er sah Baumstämme, deren Wipfel über die Nebelbänke hinausragten, einfach zur Seite knicken. Überall ächzte und knackte es.

Eine Ahnung stieg in Karalaitis auf.

Der beißende Geruch wurde stärker.

"Die Riesenschnecken", murmelte er.

Im nächsten Moment sah er den ersten dieser an sich harmlosen Kolosse dicht am Fuß der Anhöhe daherkriechen. Nur teilweise tauchte der massige, von einer säurehaltigen Schleimschicht bedeckte Körper aus dem Nebel heraus.

Der Koloss kroch mit einer Geschwindigkeit, die etwa mit einem langsamen Radfahrer vergleichbar war. Was immer sich ihm in den Weg stellte, es wurde einfach zur Seite gedrückt. Karalaitis erinnerte sich an die Schneisen in den Wäldern, die weit zu sehen waren und von denen man beinahe den Eindruck gewinnen konnte, dass es sich um planmäßig angelegte Wege handelte.

Hin und wieder drangen stöhnende, dumpfe Laute durch den Wald, die entfernt an die Töne von Robben erinnerte. Der Boden erzitterte außerdem. Karalaitis spürte ein unangenehmes Drücken in der Magengegend.

Jay stöhnte auf.

Ron ebenfalls.

"Was geht hier vor sich?", rief der Scharfschütze unter den Rekruten. "Mir ist plötzlich kotzübel."

"Infraschall", stellte Karalaitis fest. "Sehr tiefe Tonfrequenzen, die das Ohr nicht hört!"

"Aber mein Magen schon!", beschwerte sich Ron.

"Wir sind die ersten, die herausgefunden haben, dass diese Riesenbiester Infraschall erzeugen", stellte Karalaitis fest. "Sie können sich darauf etwas einbilden, Dales."

"Na, großartig."

Um Infraschall zu erzeugen war ein gewisses Körpervolumen nötig. Auf der Erde verständigten sich Elefanten über Hunderte von Kilometern auf dieser Basis. Das eine Spezies wie die Riesenschnecken etwas Ähnliches entwickelt hatte, lag eigentlich nahe, zumal die einzelnen Herden offenbar Wanderungen von gigantischem Ausmaß durchführten. Zumindest wenn man nach den Schneisen in den Wäldern ging.

Irgendwann, wenn die Umstände auf Eldorado sich beruhigt und die Kolonisierung eingesetzt hatte, würde sicher ein Heer von Exobiologen die Eigenschaften und das Verhalten der Riesenschnecken genauestens erforschen.

Für Karalaitis stellten sie im Moment nichts weiter als einen willkommenen, unvorhergesehenen Faktor dar.

Einen Faktor, der die Karten neu mischte und ihn und seine beiden Begleiter vielleicht aus der Klemme half.

Karalaitis sprang auf.

"Das müssen wir ausnutzen!", rief er den beiden anderen zu. Links und rechts des Hügels schoben sich die Kolosse daher, rammten dabei rücksichtslos alles um, was sich ihnen in den Weg stellte.

Kein Gleiter, kein Roboter und schon gar kein Kelradan oder Mensch war gut beraten, sich dieser Urgewalt entgegenstellen zu wollen.

Die Riesenschnecken hegten, so schien es, gegen niemanden irgendeine Feindschaft. Und als Pflanzenfresser standen weder Menschen noch Kelradan auf ihrem Speiseplan.

Es war einfach so, dass sie es gewohnt waren, auf Grund ihrer extremen Größe sowohl ihre Umgebung als auch die darin siedelnden Lebensformen einfach zu ignorieren.

In der natürlichen Umwelt Eldorados gab es nichts, was ihnen hätte gefährlich werden können. Nichts, außer vielleicht ihrer eigenen Trägheit bei der Fortpflanzung.

Sie taten einfach, was ihnen am naheliegendsten erschien, und zogen ihres Weges. Davon konnte sie niemand abhalten.

Die Kelradan und ihre Roboter waren gezwungen, sich zurückzuziehen.

Karalaitis zögerte kurz.

Auf dem Hügel waren sie zumindest vor den Kolossen recht sicher. Zumindest hatte bis jetzt keines dieser schneckenartigen, schleimigen Wesen den Versuch gemacht, sich über den Hügel zu schieben.

Offenbar vermieden sie jede überflüssige Anstrengung.

Immer weitere dieser gewaltigen Wesen kamen aus dem Nebel hervor. Aber sie bogen entweder links oder rechts des Hügels ab und verschwanden anschließend wieder in den grauen Schwaden.

"Was haben Sie vor?", fragte Jay.

"Schalten Sie die autarke Not-Sauerstoffversorgung Ihrer Anzüge ein, schließen Sie die Helme!", wies Karalaitis die beiden Männer an. "Was das Magendrücken angeht, reißen Sie sich einfach zusammen."

"Sie wollen doch nicht zwischen diesen Biestern herlaufen!", ereiferte sich Ron Dales.

"Haben Sie einen besseren Vorschlag? Es ist ein gewisses Risiko dabei, aber mit geschlossenen Helmen bekommen wir jedenfalls keine Lungenverätzung oder dergleichen." Karalaitis lachte. "Keine Angst, Männer! Diese Biester sind harmlos! Lassen Sie sich nur nicht von ihnen in den Boden walzen und vermeiden Sie es in die säurehaltigen Schleimpfützen zu treten! Ihre Schuhe werden's Ihnen danken!"

*


Karalaitis, Jay und Ron marschierten zwischen den Riesenschnecken her, deren gewaltige Körper sich über den Waldboden wälzten. Die Männer wichen ihnen aus, durchdrangen schließlich die Nebelzone.

Dort erst sahen sie, was für eine gewaltige Herde es war, der sie gerade begegneten.

Die Kolosse beachteten die drei Männer nicht weiter. Allerdings hätten sie sie auch ohne Zögern in den Boden gewalzt, wenn sie nicht aufpassten und rechtzeitig auswichen.

Auf ihrem Weg begegnete ihnen ein regloses Exemplar dieser Spezies.

Ein Kadaver, wie sich wenig später herausstellte, als die Männer auf die andere Seite gelangten.

Deutlich waren die Spuren von Verbrennungen durch Energiefeuer zu sehen. Die Überreste eines Kelradan und eines Roboters—beide halb von Säure zerfressen—lagen auf dem Waldboden.

"Diese Narren!", schimpfte Karalaitis.

Ron Dales deutete Richtung Süden. "Dort ist eine Anhöhe", sagte er. "Wir sollten so schnell wie möglich dorthin. Ich schätze nämlich, dass die Jagd auf uns keineswegs zu Ende ist!"

"Sie haben recht, Dales", sagte Karalaitis.

*


Etwa eine Stunde später hatten sie die Kuppe der Anhöhe im Süden erreicht. Sie erhob sich über den sie umgebenden Wald und wurde durch eine Reihe größerer Felsen auf ihrer Kuppe gekrönt.

Ein hervorragender Ort, um die Gegend zu überblicken.

Deutlich waren die Spuren der Riesenschnecken-Herde zu sehen, deren Weg sich von diesem Aussichtspunkt aus noch kilometerweit verfolgen ließ.

Mehrere Gleiter patrouillierten in der Gegend herum. Am Horizont tauchten weitere Einheiten auf.

"Machen wir uns bereit", sagte Karalaitis.

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