Читать книгу Raumkrieger im Wurmloch: 6 Science Fiction Abenteuer auf 1660 Seiten - Mara Laue, Alfred Bekker, Frank Rehfeld - Страница 17

3. Teil: Sommer 2959, Eldorado (Boulanger III)

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Am Rande des AX-4321-Systems wurde an Bord des X-Space JUMPER ZERO der "X-Space"-Effekt-Antrieb aktiviert. Der Absetzer legte in Nullzeit die 1,5 Lichtjahre zurück, die ihn noch von seinem Zielsystem trennten.

"Hier sind wir richtig", stellte Kurt Farmoon fest, als auf dem Panorama-Schirm die gelbe Sonne Boulanger erschien, die beinahe ein Zwilling Sols hätte sein können. Kurt wandte sich an André. "Immer vorausgesetzt, die Ortungssysteme sagen uns nicht irgendetwas Abweichendes!"

"Nein, alles ist glatt gegangen", bestätigte André. "Wir sind exakt an der angemessenen Zielposition aus dem Hyperraum getreten."

Kurt konnte keinerlei Nebenwirkungen spüren.

Von einem je nach Sprungweite mehr oder minder stark ausgeprägten Übelkeitsgefühl, wie es bei gewöhnlichen Transitionen mit Alienwandler-Technologie Gang und Gäbe war, konnte keine Rede sein.

Der Absetzer befand sich noch am Rand des Boulanger-Systems. Auf einer schematischen Drei-D-Darstellung war die gegenwärtige Position markiert. Eldorado war derzeit vom X-Space JUMPER ZERO aus nicht sichtbar. Der Planet befand sich auf der anderen Seite seiner Sonne.

"Mit Magnetantrieb unserem Ziel entgegen", befahl Kurt an Wladimir gewandt.

"Nichts lieber als das!", gab dieser zurück und aktivierte den Unterlichtantrieb. Ein sonores Brummen ließ den Absetzer einige Augenblicke lang vibrieren. "Alle Antriebssysteme arbeiten einwandfrei", meldete Wladimir nach kurzer Pause.

André Souan zoomte das Zentralgestirn des Systems näher heran.

Ein gewaltiges Naturschauspiel bot sich dort.

Der Gasriese Boulanger VI, etwa viermal so groß wie Jupiter, wenn auch nur mit der zweieinhalbfachen Masse ausgestattet, hob sich als dunkle Scheibe vor dem Hintergrund seines Zentralgestirns ab.

"So etwas sieht man auch nicht alle Tage!", kommentierte Wladimir diesen Anblick.

Das Raumschiff beschleunigte auf die mit dem Magnetantrieb erreichbare Maximalgeschwindigkeit. Die Energiespeicher des X-Space JUMPER ZERO waren prall gefüllt. Der interne Reaktor konnte abgeschaltet daher bleiben.

"Wir sind jetzt unsichtbar", stellte Kurt fest. "Schon irgendetwas von der Sternschnuppe SPECTRAL unter Kommandant Roy Cabezas zu sehen?"

"Ich nehme an, sie befindet sich im Orbit um Eldorado", vermutete André Souan. "Ich empfange allerdings bislang keine für die Sternschnuppen der Panther-Klasse typischen Energiesignaturen."

Wladimir flog den Absetzer an der Sonne Boulanger vorbei. Sie flogen an Boulganger I vorbei, einem atmosphärelosen Steinbrocken von anderthalbfacher Erdgröße, dessen sonnenzugewandte Seite eine Oberflächentemperatur von über 6oo Grad Celsius aufwies.

Schließlich tauchte Eldorado auf dem Panoramaschirm auf.

Eine blaugrün-braune Scheibe mit gut erkennbaren Wolkenwirbeln, die vor allem über dem Großen Meer zu sehen waren, während die glühend heiße Äquatorregion so gut wie wolkenlos war. Temperaturen bis zu 80 Grad Celsius zur Mittagszeit waren in den Wüstenregionen der Äquatorialzone von Eldorado keine Seltenheit.

Die Sternschnuppe SPECTRAL war allerdings nirgends zu orten. Sie umkreiste keineswegs wie erwartet den Planeten in einem Orbit.

"Die wissen, dass wir kommen", stellte Kurt fest. "Ich verstehe das nicht..."

"Das heißt, sie suchen jetzt wie die Verrückten nach uns", glaubte Wladimir.

"Ja, und die SPECTRAL hätte es aus dem Orbit doch viel leichter, uns optisch zu erfassen!"

"Die Chance ist gering", gab Wladimir zu bedenken.

"Aber vorhanden."

"Soll ich dir sagen, was ich denke, Kurt?"

"Nur zu!"

"Dass die SPECTRAL bewusst im Hintergrund gehalten wird, kann ich mir nicht denken. Das würde bei diesem Einsatz keinerlei Sinn machen."

"Und wo denkst du, ist sie dann?"

"Auf der Oberfläche. An einer strategisch günstigen Stelle."

"Du meinst auf einer Anhöhe oder dergleichen?"

"Ja."

Kurt zuckte die Achseln. "Wir werden sehen. Das einzige, was uns gefährlich werden kann sind jedenfalls optische Sensoren. Wir dürfen nie so nahe an unsere Gegner heran, dass man uns sehen kann."

"Dann müssten wir Cabezas und seiner Mannschaft direkt vor der Nase herfliegen", lachte Wladimir.

"Ich möchte, dass weiterhin intensiv nach der SPECTRAL gesucht wird. Gleichgültig, wo sie nun auch sein mag."

Wladimir grinste.

"Sonst fliegen wir ihr am Ende doch noch vor der Nase her."

Kurts Finger glitten über sein Kristallsensor-Terminal. Im Zielgebiet um den Vorposten herum herrschte noch Nacht. Die Eigenrotation von Eldorado dauerte 22 Stunden 12 Minuten.

"Ich möchte, dass du in ein Orbit einschwenkst, das uns genau in Opposition zum Vorposten bringt", befahl Kurt an Wladimir gewandt.

"Klar, wenn die im Vorposten ein gutes Teleskop haben, tauchen wir darin sonst plötzlich als kleine grüne Männchen auf!", mischte sich André Souan ein.

Wladimir hingegen war irritiert.

"Orbit?", fragte der Russe. "Ich dachte, wir landen gleich."

"Erst in vier Stunden. Dann geht im Zielgebiet die Sonne auf. Wir können darauf wetten, dass Karalaitis seine Frischlinge rings um den Vorposten verteilt hat und den Himmel mit Infrarotspürern nach uns absuchen lässt. Aber im Sonnenlicht bringen die nicht so viel Kontrast."

"Das heißt, die Chance ist größer, dass sie uns übersehen", schloss Wladimir.

Kurt nickte.

"So ist es. Außerdem bleibst du bitte während des Landeanflugs immer unterhalb des Horizonts."

"Kein Problem."

"Wir werden in einem Abstand von ca. 100 km zum Vorposten landen."

"Würden nicht auch 50 Kilometer Abstand ausreichen?", fragte André. "Du weißt, wie ich diesen Vogel fliegen kann. Wenn ich sehr dicht an der Oberfläche bleibe, wäre das Risiko entdeckt zu werden..."

"...immer noch zu hoch!", schnitt Kurt seinem Freund das Wort ab. Er schüttelte entschieden den Kopf. "Nein, ich bestehe auf hundert Kilometer Mindestabstand für die Landung. Wir dürfen in dieser Phase einfach nicht riskieren, dass die andere Seite auf uns aufmerksam wird."

"Das Risiko ist gering."

"Du vergisst, dass die andere Seite weiß, dass wir kommen. Karalaitis und seine Leute haben keine Ahnung wann und wo wir auftauchen werden, aber an der Tatsache an sich kann es für sie keinen Zweifel geben."

"Sicher, aber..."

"Wlad, das bedeutet, dass sie wissen, wonach sie suchen müssen. Zum Beispiel nach der Streustrahlung unseres Reaktors oder Auswirkungen auf das Magnetfeld, die noch in einer Entfernung von 10 Kilometern anzumessen wären. Ein normaler Gegner würde darauf gar nicht achten - Karalaitis aber mit Sicherheit! Aus diesem Grund werden wir auch soweit es irgend möglich ist, auf die Nutzung von technischem Gerät verzichten."

Wladimir zuckte die Achseln.

"Du bist der Kommandant!"

*


Der X-Space JUMPER ZERO drang in die Atmosphäre von Eldorado ein, die sich von der Erdatmosphäre durch den um jeweils etwa fünf Prozent höheren Anteil an Sauerstoff und Kohlendioxid unterschied, während der Stickstoffgehalt etwas geringer war.

Die dichte Vegetation, die vor allem die gemäßigten und subtropischen Zonen bedeckte, spiegelte sich in der Zusammensetzung der Atmosphäre wieder. Da das Verhältnis von Land zu Wasser etwa vier zu eins betrug, waren die zusammenhängenden Regenwaldgebiete in den tropischen Zonen von einer geradezu gigantischen Größe. Zumindest verglichen mit irdischen Verhältnissen. Nicht einmal im Zeitalter des Karbon hatte es auf der Erde vergleichbar große Wälder gegeben. Etwa ein Drittel der gesamten Planetenoberfläche war bewaldet. Neben den Wüsten in der Äquatorialzone gab es noch niederschlagsärmere Gebiete in den subtropischen und gemäßigten Zonen, die weniger stark bewachsen waren. Hügelige Grasländer und Hochebenen dominierten in diesen Gebieten.

Wladimir ließ den Absetzer schnell hinab zur Oberfläche sinken.

Dem vorgesehenen Landepunkt näherte er sich im Tiefflug. Er richtete sich exakt nach Kurts Vorgaben und blieb stets unterhalb des Horizonts. Die Planetenkrümmung mute immer zwischen dem Raumer und dem terranischen Vorposten liegen. Nur so konnte der Absetzer mit Sicherheit den Infrarotspürern von Karalaitis' Leuten entgehen.

Das Raumschiff flog dicht über die Baumkronen des immer wieder von größeren Lichtungen unterbrochenen Waldgebietes hinweg.

In der Ferne tauchte plötzlich eine schwarze Rauchsäule auf, die sich weit hinauf in den blauen Himmel von Eldorado schraubte.

"Das kommt genau aus der Richtung, wo der Vorposten liegt", stellte André Souan nach einem kurzen Blick auf die Ortungsanzeigen fest.

"Dieser Fuchs!", stieß Kurt hervor.

"Von wem sprichst du?", fragte André.

"Von Karalaitis natürlich!", erwiderte Kurt.

"Wieso?"

"Er versucht, uns herein zu legen. Diese Rauchsäule soll uns dazu verleiten, anzunehmen, dass irgendetwas Unvorhergesehenes passiert ist. Er will uns dazu bringen, unseren Landepunkt näher am Vorposten zu wählen, weil er ganz genau weiß, dass seine Leute nur dann eine Chance haben, uns zu entdecken!"

"Scheint, als könnten wir von unserem alten Lehrmeister immer noch was lernen", war Wladimirs Kommentar.

"Wir landen am vorgesehenen Zielpunkt", befahl Kurt. Er hatte nicht die Absicht, auf die List des Master Sergeants hereinzufallen.

Schließlich erreichte X-Space JUMPER ZERO den Landepunkt.

Er lag auf einer Lichtung in einem mäßig bewaldeten Gebiet.

Wladimir steuerte den Absetzer in die Lichtung hinein, senkte dabei die Flugbahn und schaltete den Magnetantrieb ab. Im Schwebeflug dirigierte der Pilot das Raumschiff unter das Blätterdach des nahen Waldes.

"Perfekt!", lobte Kurt. Er grinste. "Hat sich jetzt schon gelohnt, dich auf diese Mission mitzunehmen, Wlad!"

"Schön, dass ich unter einem Kommandanten dienen darf, der meine Fähigkeiten zu schätzen weiß!", erwiderte Wladimir ebenfalls grinsend.

Kurt erhob sich aus seinem Schalensessel.

Er ging in den hinteren Teil des Absetzers und wandte sich an die Männer seines Zugs, um ihnen noch einmal deutlich zu machen, worauf es jetzt ankam. Die Gardisten trugen nur ihre leichten Kampfanzüge, ohne die sonst in einem scharfen Einsatz üblichen Panzerungen. Schließlich waren beide Seiten nur mit Paralysatoren bewaffnet.

Es wurde nur leichtes Gepäck mitgenommen. Das nötigste an Vorräten. Jeder unnötige Ballast musste vermieden werden.

"Vor allen Dingen müssen wir darauf achten, soweit es irgend machbar ist, auf den Gebrauch von technischem Gerät zu verzichten, weil wir sonst verräterische elektromagnetische Emissionen, Energiesignaturen oder sonstwas abstrahlen könnten, was unsere Gegner auf unsere Position aufmerksam machen könnte. Als erstes werden wir den Absetzer so tarnen, dass ihn Karalaitis' Leute nicht einmal dann finden würden, wenn sie direkt daran vorbei marschierten..." Kurt blickte von einem zum anderen. Nick Gonglor, Antoku Seiwa, Sam Uitveeren, Rauno Aaltonen, Jake Calhoun...

Alles alte Bekannte.

Bis auf wenige Ausnahmen.

Dazu gehörte ein Mann namens Tom Black Feather, ein Blackfoot-Indianer aus Alberta, der ein hervorragender Spurenleser war.

Bei verschiedenen Übungseinsätzen hatte Kurt erlebt, wie dieser Mann aus winzigen Beobachtungen sofort Rückschlüsse zu ziehen vermochte. Der Blackfoot hatte sich intensiv mit den Traditionen seiner Vorfahren beschäftigt und versucht, sich so viel wie möglich von dem zum Großteil schon verschütteten Wissen der Prärie-Indianer Nordamerikas anzueignen. Kurt mochte den schweigsamen, bronzehäutigen Zwei-Meter-Mann, der sich mit katzenhafter Geschmeidigkeit anzuschleichen vermochte und von allen Gardisten die besten Ausdauerwerte vorzuweisen hatte.

Auf diese Männer werde ich mich verlassen können, dachte der frisch gebackene Fähnrich zufrieden. Er spürte eine gewisse Anspannung angesichts der Wichtigkeit dieses Einsatzes. Es hing einfach so viel davon ab. Aber auf der anderen Seite hatte er Vertrauen zu seinen Leuten. Es sind die besten, überlegte Kurt. Wer, wenn nicht sie können den Einsatz erfolgreich zu Ende führen?

"Ich denke, dass wir den Marsch zum Vorposten in zwei Tagen hinter uns bringen können", erklärte Kurt. "Es ist Frühling hier, und weder Fauna noch Flora dieses Planeten dürften uns vor größere Probleme stellen. Ich gehe davon aus, dass Sie alle das Datenmaterial über Eldorado eingehend studiert haben und wissen, worauf Sie achten müssen."

Zustimmendes Gemurmel entstand.

"Also los!", befahl Kurt. "Wir haben keine Zeit zu verlieren."

Die Gardisten verließen den Absetzer.

Kurt ließ etwa ein Dutzend von ihnen in der Umgebung ausschwärmen und in Stellung gehen. Der Rest begann damit, den X-Space JUMPER ZERO mit dem reichlich vorhandenen Blätterwerk zu tarnen.

Zum Schluss deaktivierte Kurt mit Hilfe einer Fernbedienung sämtliche Bordsysteme. Nicht die geringste Abstrahlung von Energie durfte noch messbar sein.

Dann begannen die Gardisten ihren Marsch.

Der Wald bestand aus Bäumen, deren Kronen sich bis zu dreißig, vierzig Meter über dem Boden befanden. Falterartige Wesen mit Flügelspannweiten von bis zu einem Meter flogen zwischen ihnen hin und her. Die Männer konnten beobachten, wie sie aus Kokons ausschlüpften, die von den Ästen herabhingen. Es waren zehntausende.

Die Riesenfalter waren ebenso harmlos wie die meisten anderen auf Eldorado beheimateten Tiere. Es gab einige Arten von Großraubtieren, in deren Beuteschema der Mensch aber nicht hineinzupassen schien. Jedenfalls waren von keiner der bisherigen Expeditionen auf Eldorado irgendwelche Angriffe bekannt geworden. Im Zweifelsfall zogen sich die einheimischen Räuber angesichts der fremden Eindringlinge in ihre Welt eher zurück.

Es gab ein paar Vorsichtsmaßnahmen, die verhinderten, dass man diese Räuber ungewollt anlockte. Insbesondere betraf das den Umgang mit Nahrungsmitteln. Die Männer wussten darüber Bescheid.

Sie gingen schweigend durch den subropischen Wald, lauschten dabei dem vielstimmigen Konzert von Tierstimmen. Hier und da erhoben sich die dunklen Schwingen gewaltiger Vögel aus den Baumkronen, die offenbar Jagd auf die Riesenfalter machten.

Doch letzte waren ihren Verfolgern überlegen.

Wiederholt registrierte Kurt, wie die Falter mit einem äußerst geschickten Flugmanöver ihre Jäger zur Verzweiflung brachten, die Falter ließen sich einfach fallen, sanken dann mehrere Meter unkontrolliert in die Tiefe und fingen den freien Fall dann erst wieder ab.

Die Raubvögel stießen ins Leere.

"Sieht hier fast aus wie in einem Garten Eden", meinte Nick Gonglor sichtlich beeindruckt. "Ich frage mich, wie viele Jahre vergehen werden, ehe diese Wälder abgeholzt sind."

"Warum sollte sie jemand abholzen wollen?", fragte André Souan. "Eine Handvoll Siedler..."

"Vergiss nicht den beabsichtigten Rohstoffabbau", gab Nick zu bedenken. "Ich prophezeie dir, das geht schneller, als du denkst. Warte es ab!"

André machte eine wegwerfende Handbewegung. "Einstweilen haben wir ein paar näherliegende Probleme, würde ich sagen", meinte er.

*


Kurt Farmoons Zug legte nur wenige Pausen ein. Überwiegend schweigend gingen sie durch den Wald. Mit Hilfe eines einfachen Kompass orientierten sie sich. Module zur Ortung führten sie zwar mit, hatten sie jedoch deaktiviert, um den Gegner nicht auf sie aufmerksam zu machen.

Von Karalaitis' Leuten gab es bislang keinerlei Spuren.

Aber je näher sie dem Vorposten kamen, desto größer wurde die Wahrscheinlichkeit, auf Angehörige der Frischlingstruppe zu stoßen.

Im Verlauf des Nachmittags gelangte die Truppe in ein Gebiet, in dem der Wald zunehmend in hügeliges Gras- und Buschland überging. Von Nordwesten her wehte ein leichter, erfrischender Wind, der die Baumkronen hin und her bewegte.

Eine Herde von etwa drei Dutzend friedlich grasenden, etwa zweieinhalb Meter großen sauroiden Zweibeinern stob davon.

Kurt ärgerte sich.

"So etwas müssen wir in Zukunft vermeiden", sagte er an die Männer gewandt. "Ich wette, Karalaitis und seine Leute werden auf so etwas achten!"

Weitere Stunden gingen dahin.

Die Gardisten hielten die Augen offen, beobachteten das Umland auf der Suche nach Zeichen für Aktivitäten ihrer Gegner.

Der Waldbewuchs wurde immer spärlicher.

Schließlich breitete sich offenes Land vor den Männern aus. Die Sonne wurde milchig und sank in Richtung Horizont.

Die Gruppe erreichte eine Anhöhe, von der man eine relativ gute Sicht hatte.

In der Talsenke war das Wrack eines Gleiters erkennbar.

Offenbar war er abgestürzt.

Die Spitze hatte sich mindestens einen Meter tief in den weichen Boden hineingegraben. Das Gefährt war in der Mitte zerbrochen, Trümmerteile lagen verstreut in der Umgebung herum.

"Sieht aus wie ein Zivilgleiter", stellte Nick Gonglor fest. "Jedenfalls kann ich keinerlei Kennungen der terranischen Flotte ausmachen."

"Sehen wir uns näher an, was da passiert ist", entschied Kurt.

"Ich weiß, es klingt absurd, aber für mich sieht das so aus, als wäre der Gleiter abgeschossen worden", stellte Wladimir fest.

Kurt dachte an die Rauchsäule, die sie beim Anflug ihres Zielpunktes am Horizont gesehen hatten.

Was, wenn tatsächlich etwas mit dem Vorposten geschehen ist?, fragte er sich. Diese Gedanke beunruhigte ihn. Dies ist verdammt nochmal eine Übung!, versuchte er sich zu beruhigen.

Aber das flaue Gefühl in der Magengegend ließ sich einfach nicht vertreiben. Und bisher war Kurt Farmoon immer sehr gut damit gefahren, sich zumindest ein Stückweit von seinen Instinkten leiten zu lassen.

Etwa eine halbe Stunde später erreichte Kurt Farmoons Truppe das Wrack.

Kurt ließ die Hälfte der Männer ausschwärmen und vor allem die umliegenden Hügel besetzen.

Schließlich musste er sicher sein, dass sie nicht beobachtet wurden.

Die Gardisten Nick Gonglor und Antoku Seiwa begannen damit, den havarierten Gleiter näher zu untersuchen.

Die Einstiegstür zum Cockpit ließ sich öffnen.

Das Cockpit selbst war leer.

Kurt wandte sich an Tom Black Feather, den Blackfoot-Indianer aus Alberta. "Sieh dich hier mal ein bisschen um, Tom. Vielleicht findest du irgendwelche Spuren, die auf den Verbleib der Besatzung schließen lassen."

Der Indianer nickte.

"Okay."

Wladimir meldete sich zu Wort. Er hatte das ziemlich zerstörte Heck des Gleiters untersucht. "Kurt, ich will dich nicht beunruhigen, aber für mich sieht das nach einem Treffer durch Strahlbeschuss aus. Sieh nur, die Außenhülle ist völlig aufgeschmolzen... Der Antrieb und die Antigravaggregate sind nur noch ein Klumpe Materie..."

"Könnte das nicht auch durch eine Hitzeentwicklung verursacht worden ein, die im Inneren des Antriebs stattgefunden hat?", fragte Kurt zurück.

Wladimirs Gesicht wirkte nachdenklich.

Aber Kurt kannte den Russen inzwischen gut genug, um zu erkennen, dass er sich wirklich Sorgen machte.

"Wenn einer von uns sich darüber ein Urteil erlauben darf, dann bist du das doch, Kurt! Schließlich hast du dich in den letzten Monaten vorwiegend mit Hochenergietechnik befasst..."

Kurt stieg auf das Wrack, sah sich den Schaden an. Zumindest, soweit das möglich war. Die Gardisten hatten keinen Strahler dabei, den man zu einem Schneidbrenner hätte umfunktionieren können. Aber ohne Werkzeug ließ sich das zerstörte Heck des havarierten Gleiters nicht auseinandernehmen und genauer untersuchen. Den Gedanken, aus den Energiepatronen mehrerer Paralysatoren etwas zu bauen, das sich wie ein Thermostrahler verwenden ließ, verwarf Kurt sofort wieder.

Die Energiesignatur wäre mindestens genauso deutlich anmessbar, wie es bei der selbstgefertigten Bombe der Fall war, mit der wir vor einem halben Jahr ein paar Blechmann-Roboter in die Luft jagen wollten, ging es Kurt durch den Kopf. Er hatte zwar keine Ahnung, wie weit Master Sergeant Jannis Karalaitis damals mit seinem Schweber entfernt gewesen war, aber fest stand, dass es ihm und seinen Begleitern wohl gelungen war, die von der Bombe ausgehenden elektromagnetischen Emissionen zu messen.

Und diesmal haben wir es wieder mit Karalaitis zu tun..., dachte Kurt. Wenn auch in einer völlig anders gelagerten Übung...

Kurt sprang wieder vom zerstörten Gleiterheck hinunter und federte geschickt ab.

Übung?, überlegte er. Ist das hier eigentlich noch eine Übung -—oder schon der Ernstfall und wir sind die Letzten, die davon erfahren?

*


Die Dämmerung legte sich wie grauer Spinnweben über Eldorado. Es wurde rasch dunkel und am Horizont wurde der erste von insgesamt drei kleinen Monden sichtbar, die Eldorado umkreisten. Die Mitglieder der Boulanger-Crew, die Eldorado zuerst betraten, hatten die Monde nach dem Zeitpunkt ihres Erscheinens am Nachthimmel benannt. Es gab dementsprechend den Abendmond, den Mitternachtsmond und den Morgenmond. Das klang poetischer als es war. Der Abendmond war ein kartoffelförmiges Gebilde. Ein Gesteinsbrocken, der sich irgendwann aus dem Asteroidengürtel jenseits von Boulanger VI gelöst und auf die Reise begeben haben musste. Der Mitternachtsmond, der im übrigen bereits zwei Stunden vor Mitternacht auftauchte, war ebenfalls ein kalter Gesteinsbrocken, während es sich bei dem Morgenmond um ein Objekt handelte, dessen Aufbau einem Kometen ähnelte. Ein Ball aus schmutzigem Eis.

Bei guter Sicht waren die drei Monde eine gute Hilfe zur räumlichen und zeitlichen Orientierung.

Die Gardisten schlugen in der Nähe des Gleiter-Wracks ihr Nachtlager auf und verzehrten einen Teil der spärlichen Nahrungsrationen, die sie mit sich führten. Sie mussten damit sparsam sein. Keiner der Männer hatte Lust, in absehbarer Zeit darauf angewiesen zu sein, sich mit Hilfe der planetaren Fauna und Flora zu ernähren. Aber das konnte Kurts Trupp nur vermeiden, indem die gestellte Aufgabe schnell und nach Plan erledigt wurde.

Rund um den Lagerplatz hatte Kurt Wachen postiert, die regelmäßig abgelöst wurden.

Das Letzte, was er und seine Leute jetzt gebrauchen konnten, war ein Überraschungsangriff von Karalaitis Truppe. Eigentlich gab es keinerlei Grund anzunehmen, dass Karalaitis und seine Frischlinge die "Angreifer" inzwischen entdeckt hatten.

Aber Kurt mochte diese Möglichkeit auch nicht ganz ausschließen.

Jemanden wie Karalaitis unterschätzte man besser nicht.

Der Abendmond hatte bereits eine Höhe von dreißig Grad erreicht, als Tom Black Feather von seinem Streifzug zurückkehrte.

"Ich konnte keinerlei Spuren entdecken", gestand er. "Das spricht eigentlich dafür, dass der Gleiter schon vor längerer Zeit abgestürzt ist. Mindestens vor einer Woche. Bei der wuchernden Vegetation hier verwischen sich dann alle Spuren. Ein einziger Regenguss reicht dazu schon aus."

"Hat es denn hier in letzter Zeit geregnet?"

"Nach der Feuchtigkeit des Bodens zu urteilen: Vor drei oder vier Tagen."

Kurt war erstaunt.

"Komisch. Ich hatte den Eindruck hier sei alles trocken."

"Man muss genau hinsehen", sagte Tom. "Die Natur hat sehr viele Methoden, um Wasser zu speichern und zu verhindern, dass es nutzlos versickert.... Wenn man sich bestimmte Blütenpflanzen ansieht und... Aber die Einzelheiten interessieren dich wahrscheinlich nicht!"

"Ich bin nur erstaunt, wie gut du über die hiesige Flora Bescheid weißt."

"Weiß ich gar nicht."

Kurt hob die Augenbrauen.

"Wie soll ich das denn verstehen?"

"Man muss nur das richtige Äquivalent suchen."

"Ach, ja?"

"Blütenpflanzen, die Wasser speichern gibt es in Alberta genauso wie hier auf Eldorado."

"Hast du irgendwelche Hinweise auf Karalaitis' Leute entdeckt?"

Tom schüttelte den Kopf.

"Nein. Aber, wenn sie nur ein bisschen während ihrer Ausbildung bei Karalaitis aufgepasst haben, dann wissen sie inzwischen auch, wie man so etwas vermeidet."

"Das stimmt natürlich."

"Außerdem sind es nur eine Handvoll Männer, die Karalaitis wahrscheinlich in einem ziemlich großen Gebiet verteilt hat." Tom zuckte die Achseln. "Schätze, es wäre reiner Zufall gewesen, wenn wir jetzt schon auf Spuren von ihnen gestoßen wären."

"Wenn das Gleiterwrack nicht wäre, würde ich dir sofort recht geben", meinte Kurt.

Wladimir kauerte in der Nähe und war gerade damit beschäftigt, eine der sparsamen Marschrationen zu sich zu nehmen.

"Ich wette, Karalaitis hat uns diesen Knochen hingeworfen, um uns verrückt zu machen!", meinte er und deutete in Richtung des Gleiter-Wracks.

"Fragt sich nur, was er damit bezweckt", murmelte Kurt.

Tom schaltete sich ein. "Wenn ihr glaubt, dass Karalaitis hinter dem havarierten Gleiter steckt, dann würde das erklären, warum sich nirgends Spuren der Besatzung finden."

Kurt hob die Augenbrauen. "Du meinst, die Maschine wurde ferngesteuert und absichtlich zum Absturz gebracht."

"Ja."

Kurt schüttelte den Kopf. "Karalaitis müsste vorausgeahnt haben, welchen Weg wir nehmen. Das ist unmöglich!"

..Ist es nicht eigentlich auch unmöglich, eine Horde von Kampfrobotern zu besiegen?", fragte Wladimir. "Wir haben es trotzdem geschafft."

"Wir hätten es geschafft, wenn Karalaitis uns nicht zuvor gekommen wäre!", kommentierte André Souan, der sich ebenfalls in der Nähe befand.

*


Den Gardisten blieben nur wenige Stunden Schlaf. Schon vor Sonnenaufgang hatte Kurt Farmoon den Aufbruch angesetzt. Die Wachtposten wechselten sich in regelmäßigen Abständen ab.

Kurt hatte sich selbst ebenso für diesen Wachdienst eingeteilt wie jeden anderen seiner Männer. Mochte er auch Kommandant dieser Einheit sein, so sah er dennoch keinen Grund, für sich selbst eine Ausnahme zu machen. Das einzige, was ihn von seinen Männern unterschied war der militärische Rang und die Funktion als Befehlshaber.

Kurt hatte sich zusammen mit Wladimir für eine Wache eingeteilt.

Er wollte die Gelegenheit nutzen, um ungestört mit seinem Stellvertreter reden zu können.

Sie machten sich etwa eine Standardstunde nach Aufgang des Mitternachtsmondes zu einer der Anhöhen in der Umgebung auf und lösten dort die Gardisten Antoku Seiwa und Sam Uitveeren ab.

Die Nacht war durch das Licht der beiden bisher aufgegangenen Monde recht hell. Allerdings würde der Abendmond in etwa einer Stunde hinter dem Horizont verschwinden. Die drei Monde Eldorados waren niemals alle zur gleichen Zeit am Himmel zu sehen.

Die beiden Männer beobachteten aufmerksam die Umgebung.

"Wenn dieses Wrack wirklich ein Ablenkungsmanöver unserer Gegner ist, dann wäre die Nacht eigentlich der ideale Zeitpunkt für einen Angriff", meinte Kurt. "Wir haben kaum technisches Gerät dabei, und ich denke, dass Karalaitis' ahnt, wie wir ausgerüstet sind."

Die Gardisten hatten nicht einmal Nachtsichtgeräte dabei. Karalaitis' Truppe hingegen konnte ihre technische Ausrüstung gefahrlos einsetzen. Zwar dämpften die einfachen Kampfanzüge der Gardisten Bio-Impulse und Infrarotabstrahlung, so dass für die Gegenseite der Einsatz jeglicher Ortungstechnik erschwert wurde. Aber unter dem Strich blieb für Karalaitis' Truppe in dieser Hinsicht ein immenser Vorteil.

Vorausgesetzt, sie wussten ungefähr, wo sie Kurt Farmoons Leute antreffen konnten.

Und genau das erschien Kurt wenig wahrscheinlich.

Aber da war noch ein anderer Punkt, der ihn nicht zur Ruhe kommen ließ.

Wladimir wusste gleich, worauf der frischgebackene Fähnrich hinauswollte.

"Du meinst, wenn alles mit rechten Dingen zuginge, hätten Karalaitis' Leute schon angegriffen!"

"Ja. Ich kann mir nicht helfen, aber ich habe ein verdammt schlechtes Gefühl bei dieser Mission. Die Rauchsäule am Horizont, der abgestürzte Gleiter... Ich habe das Gefühl, dass irgendetwas mit dem Vorposten nicht stimmt."

"Es gibt keine konkreten Beweise dafür, Kurt."

"Ich weiß."

"Und du kennst Karalaitis! Wer weiß, was der alte Fuchs sich für uns ausgedacht hat!"

"Das sage ich mir auch immer wieder—und verdammt nochmal, ich hoffe, dass du recht hast. Aber mein Bauchgefühl sagt mir, dass da was nicht stimmt."

Wladimir zuckte die Achseln.

"Eldorado ist ein Paradies. Sowohl für die Besiedlung als auch für den Abbau von Rohstoffen wie geschaffen."

"Mehr als das, Wlad! Im Datenmaterial steht etwas von Tirifotium-Vorkommen. Jedes raumfahrende Sternenreich der Galaxis, dessen Triebwerkstechnologie auf den Hinterlassenschaften der Alienwandler beruht, wird sich dieses Kleinod unter den Nagel reißen wollen, sobald diese Erkenntnis sich verbreitet."

Wladimir schwieg eine Weile.

Ein erfrischender Wind strich über die grasbewachsenen Ebenen.

In der Ferne bemerkte Kurt Farmoon einige nur als dunkle Umrisse sichtbare Gebilde, die aus der Schattenzone einer Anhöhe herausstrebten.

Die vereinzelten Bäume in der Umgebung ermöglichten eine recht zuverlässige Vergleichsschätzung der Größe. Danach waren Objekte etwa zwanzig Meter lang und drei Meter hoch.

"Was ist das?", fragte Wladimir.

"Nichts wovor wir uns fürchten müssen", meinte Kurt. Die Objekte bewegten sich recht schnell. Sie erreichten nun eine Zone, die vom Licht des Mitternachtsmondes beschienen wurde.

"Eldorado-Riesenschnecken!", entfuhr es Wladimir. "Ich habe über diese Biester im Datenmaterial einiges gelesen."

"Eine ziemlich große Herde", stellte Kurt Farmoon fest.

Die Tiere glichen gewaltigen Nacktschnecken und ernährten sich vorwiegend von Gras. Die Kolosse waren absolut friedlich, was damit zusammenhing, dass sie selbst über sehr wirksame Abwehrwaffen verfügten. Ihr Körper war mit einem stark ätzenden Schleimfilm umgeben, der auch die größten auf Eldorado beheimateten Raubtiere davon abhielt, sie anzugreifen.

Sie besaßen keinerlei natürliche Feinde.

Der einzige Faktor, der ihre Zahl in Grenzen hielt war offenbar ihre sehr komplizierte und langwierige Vermehrung. Ihre Spezies besaß insgesamt fünf Geschlechter und der Fötus musste im Lauf seiner Entwicklung jeweils von einem Geschlecht zum anderen weitergegeben werden. Die Gesamttragezeit hatte noch niemand erforscht. Die Wissenschaftler der Boulanger-Crew hatte sie auf mehrere Eldorado-Jahre geschätzt.

"Diese Herde hat denselben Weg wie wir", stellte Kurt fest. Er atmete schwer und wandte sich an Wladimir. "Wir müssen darauf gefasst sein, dass dies vielleicht keine Übung mehr ist, Wlad."

*


Noch vor Aufgang des Morgenmondes brachen die Gardisten auf und setzten ihren Marsch fort. Die Paralysatoren hielten sie ständig im Anschlag. Sie mussten jederzeit auf einen Angriff von Karalaitis' Gruppe vorbereitet sein.

Kurt Farmoon zerbrach sich den Kopf darüber, welchen Plan der Master Sergeant wohl verfolgte.

Vielleicht war es Teil seiner Kriegslist, die "Angreifer" zunächst näher an den Vorposten herankommen zu lassen. Zeitpunkt und Ort eines Gefechtes bestimmen zu können, bedeutete einen unschätzbaren Vorteil, der mitunter für den Ausgang von entscheidender Bedeutung sein konnte. Jeder Gardist lernte das schon zu Beginn der Taktik-Schulung.

Kurt wünschte sich im Augenblick nichts mehr als einen Angriff der Gegenseite. Denn das hätte bedeutet, dass sie sich tatsächlich noch immer im Rahmen einer Übung befanden und nicht in einem scharfen Einsatz.

Das Morgengrauen bot ein einzigartiges Lichtspiel der Farben. Die Sonne ging blutrot am Horizont auf, gleichzeitig sank der Morgenmond diesem entgegen. Ein eigenartiges Zwielicht entstand.

Die Gardisten hatten zu diesem Zeitpunkt schon mehrere Kilometer hinter sich gebracht. Die Marschgeschwindigkeit war recht hoch. Der hohe Sauerstoffgehalt der Eldorado-Atmosphäre trug dazu sicher bei. Außerdem war den Männern klar, dass Zeit einen der entscheidenden Faktoren in diesem Manöver darstellte. Sie mussten sich so schnell es ging dem Vorposten nähern.

Jede zusätzlich verstreichende Stunde erhöhte die Wahrscheinlichkeit, dass sie entdeckt wurden.

Das Gebiet, in das Kurts Zug jetzt gelangte, war nur noch vereinzelt mit kleinen Waldstücken bewachsen. Das Land wurde immer offener und übersichtlicher. Deckung boten Hügel und vereinzelte Baumgruppen. Von den Kronen der Bäume hingen die verlassenen Kokons der Riesenfalter herab, wurden vom Wind hin und her bewegt und verursachten dabei ein charakteristisches Rascheln.

Von den ausgeschlüpften Faltern war nichts zu sehen. Sie waren längst davongeflogen.

Kurt ließ den Zug in einer breit auseinandergezogenen Formation marschieren. Immer fünf oder sechs Mann bildeten eine Gruppe. Sämtliche Gruppen hielten Blickkontakt.

Schließlich trafen sie auf breite Schneiden im hohen Gras. Ein scharfer Geruch hing in der Luft.

"Das müssen die Spuren der Riesenschnecken sein, die wir gestern Nacht gesehen haben", meinte Kurt an Wladimir gewandt.

Tom Black Feather befand sich in ihrer Nähe.

"Die Pflanzen wurden durch den Schleimfilm weggeätzt", meinte er, ehe Wladimir etwas hatte sagen können. Der Indianer beugte sich kurz nieder, nahm etwas Erde mit den Fingern und roch daran. Dann erhob er sich wieder. "Wir sollten es vermeiden, direkt in den Spuren zu laufen", meinte der Blackfoot-Indianer.

"Wieso, glaubst du, dass unsere Stiefel von dem Schneckenschleim zersetzt werden?", fragte Kurt.

Tom schüttelte den Kopf. "Nein, keine Gefahr. Die Säure zersetzt sich offenbar schnell und geht Verbindungen mit den Mineralien des Bodens ein. Aber dabei scheinen einige gasförmige Produkte zu entstehen, die dafür sorgen könnten, dass sich unseren Leuten buchstäblich der Magen umdreht!"

Wladimir grinste.

"Wir sollten auf Tom hören", meinte er. "Unsere Rationen sind schon knapp genug bemessen. Da sollten wir sie wenigstens bei uns behalten."

Zwei Stunden später trafen sie auf die Herde der Riesenschnecken. Sie umlagerten ein Wasserloch.

Kurt und seine Leute machten einen Bogen um die gewaltigen Tiere.

Auch wenn diese Spezies als friedlich galt, wollte Kurt kein unnötiges Risiko eingehen.

*


Am frühen Abend legte die Gruppe eine Pause ein. Die Gardisten hatten die Strapazen des Marsches problemlos überstanden. Im Schutz einer Gruppe von knorrigen Bäumen kampierten die Männer. Posten wurden bezogen. Die Wahrscheinlichkeit eines Überraschungsangriffs war sehr gering. Das Gelände der Umgebung war sehr übersichtlich.

Kurt wandte sich an die Männer.

"Der Vorposten liegt in einem weiten Tal, das hinter der Hügelkette am Horizont beginnt", erklärte er. "Wir müssen damit rechnen, dass ringsum sämtliche Anhöhen mit Karalaitis' Leuten besetzt sind. Wenn man aber bedenkt, dass er noch ein paar Männer braucht, die den Außenposten bewachen, können höchstens zwei oder drei seiner Rekruten pro Anhöhe in Stellung gegangen sein. Ich habe vor, beim Angriff auf den Außenposten, den Zug zu teilen. Eine Gruppe sorgt dafür, dass Karalaitis' Leute abgelenkt werden und zieht so viel Aufmerksamkeit wie möglich auf sich. Die andere erobert den Hypersender. Aber bevor wir uns teilen und angreifen, möchte ich erst die Lage gepeilt haben."

"Das heißt, jemand muss auf eine der Anhöhen und sich umsehen!", stellte Sam Uitbeeren fest.

Kurt nickte.

"Ja, und zwar unbewaffnet. Die Energiemagazine unserer Paralysatoren sind auf bis zu dreißig Meter messbar, wenn jemand gut ist. Und Karalaitis Leute sind gut!"

"Dürfte nicht so einfach sein, sich bei diesen Geländebedingungen anzuschleichen", vermutete Wladimir. Er zuckte die Achseln.

Tom Black Feather meldete sich zu Wort.

"Ich melde mich freiwillig für den Job", sagte der Blackfoot aus Alberta. "Das Gras ist hoch, es gibt einige Gebüsche. Außerdem habe ich im Osten einen starken Bewuchs mit etwa brusthohen Stauden gesehen, hinter den man sich verbergen kann."

Kurt lächelte.

"Um ehrlich zu sein, ich hatte schon mit dir gerechnet, Tom", erklärte er. "Am besten, du suchst dir die zwei Männer aus, von denen du denkst, dass sie am geeignetsten sind."

"In Ordnung. Ich nehme Antoku und Nick mit. Kann allerdings 'ne Weile dauern, bis wir zurück sind."

"Das macht nichts. Wir liegen sehr gut in unserem Zeitplan. Ich möchte vor allen Dingen wissen, wie die Lage beim Vorposten ist. Aber das müsste von den Anhöhen aus zu sehen sein."

*


Eine halbe Stunde später kehrten die drei Gardisten bereits zurück. Antoku Seiwa und Nick Gonglor trugen jeweils einen bewusstlosen Gardisten auf dem Rücken, während Tom Black Feather zwei Multikarabiner bei sich trug.

Tom war sichtlich ärgerlich.

Er wandte sich sofort an Kurt.

"Sieh dir das hier an! Es gehörte zu den Spielregeln, dass nur Paralysatoren benutzt werden. Verdammt nochmal -—und was ist das hier?"

Wütend pfefferte er die Multikarabiner samt der dazugehörigen Kampfhelme mit dem Visier-Display zur Zielerfassung auf den Boden.

"Was ist passiert?", fragte Kurt.

Jannis Karalaitis war zwar so ziemlich jede List und jeder Trick zuzutrauen—aber nicht, dass er dabei Multikarabiner anstatt Paralysatoren eingesetzt hätte.

Es sei denn, Karalaitis hatte einen sehr guten Grund dafür!, ging es Kurt durch den Kopf.

Tom atmete tief durch, so als müsste er sich zunächst einmal von einer Zentnerlast aus Ärger und Wut befreien.

"Härte ja -—aber das hier geht gegen jede Fairness!", empörte er sich. "Wir schlichen uns an und sahen zwei Schützen, die offenbar die Aufgabe hatten, den Hügel zu bewachen. Wie du siehst, beide mit schwerem Kampfanzug und Multikarabinern bewaffnet."

"Die Kampfanzüge waren allerdings deaktiviert!", warf Sam Uitveeren ein, der den Bewusstlosen auf seinem Rücken inzwischen auf den Boden gelegt hatte. Der Mann gehörte offenbar zu Karalaitis' Frischlingstruppe. Er rührte sich nicht.

"Als wir sahen, dass die Kameraden ein falsches Spiel spielen, haben wir sie kurzerhand per K.O.-Schlag außer Gefecht gesetzt.

"Wir sollten sie fesseln und knebeln, ehe sie Schwierigkeiten machen können!", schlug Antoku Seiwa vor.

Kurt nickte dem Japaner zu.

"Gute Idee, macht das! Und zieht sie vor allen Dingen aus ihren Panzeranzügen heraus!"

Sam und Antoku ließen sich das nicht zweimal sagen.

Kurt wandte sich noch einmal an Tom.

"Habt ihr irgendetwas von der anderen Seite des Hügels gesehen?"

Tom schüttelte den Kopf.

"Nein. Nichts. Wir trafen die beiden Gardisten unterhalb der Hügelkuppe an, schlugen sie k.o. und sind dann gleich zurückgekehrt. Schließlich wussten wir nicht, ob da noch mehr von denen lauern."

"Ich möchte, dass du Wladimir und mich zu der Stelle hinführst."

Tom hob die Augenbrauen.

"Wieder unbewaffnet?"

Der Gedanke schien ihm nicht zu gefallen.

Kurt bestätigte dies. "Ja, wir können es uns einfach nicht leisten, entdeckt zu werden. Andererseits muss ich wissen, was beim Vorposten los ist, bevor ich irgendeine Entscheidung über das weitere Vorgehen treffen kann."

Tom zuckte die Achseln. "Okay, worauf warten wir dann noch?"

Kurt wandte sich an André Souan. "Für die Zeit meiner Abwesenheit hast du hier das Kommando. Ihr bleibt hier, bis wir zurückkehren. Falls irgendetwas Unvorhergesehenes geschehen sollte, zieht ihr euch zurück."

André wirkte vollkommen perplex.

"Ist das dein Ernst?"

"Ist es."

*


Wladimir und Kurt folgten Tom. In leicht geduckter Haltung schlichen sie zwischen brusthohen Stauden hindurch. Tom war sehr vorsichtig. Mit einem Gegner, der über Multikarabiner und gepanzerte Kampfanzüge verfügte, war in keinem Fall zu spaßen.

Schweigend gingen die drei vorwärts.

Tom führte sie in einem kleinen Bogen an die Anhöhe heran.

Jede nur mögliche Deckung nutzten sie aus. Hier und da gab es Gebüsche oder Felsbrocken, die wie von einer früheren Eiszeit zurückgelassene Findlinge wirkten. Glattgespült von der Kraft urzeitlicher Gletscher.

Schließlich hatten sie die Stelle erreicht, an der die beiden voll ausgerüsteten Gardisten aufgespürt und k.o. geschlagen worden waren.

"Sie hatten sich einen günstigen Platz ausgesucht", musste Kurt zugeben. "Man hat hier eine gute Übersicht."

Wladimir grinste.

"Man sieht, dass diese Frischlinge bei Karalaitis schon was gelernt haben!", meinte er.

"Aber offenbar nicht genug, um mit drei ausgebildeten Gardisten fertig zu werden, die vollkommen unbewaffnet waren", sagte Tom Black Feather mit spöttischem Unterton. Sein Ärger über die unfairen Mittel, die die andere Seite einsetzte, war noch lange nicht verraucht. "Ich schätze, den Jungs wird jetzt ganz schön der Schädel brummen. Aber das hätten sie auch zu erwarten gehabt, wenn wir Paralysatoren eingesetzt hätten."

"Gehen wir weiter", forderte Kurt. "Ich will wissen, was es hinter der Hügelkuppe zu sehen gibt."

"Dann komm!", forderte Tom.

Sie kletterten einen ziemlich steilen, rutschigen Hang hinauf. Dabei mussten sie aufpassen, kein Geröll hinunterzutreten. Die Geräusche hätten eventuell weitere Posten auf sie aufmerksam gemacht.

Das letzte Stück legten sie kriechend zurück, nahmen dabei immer wieder hinter Büschen und Felsbrocken Deckung.

Schließlich erreichten sie die Kuppe des Hügels.

Offensichtlich war sie nicht von Karalaitis' Leuten besetzt.

Die Soldaten blickten ins Tal.

Augenblicke lang sagte keiner von ihnen ein Wort.

Ein Anblick des Grauens bot sich ihnen.

Von den aus Fertigbauteilen bestehenden Baracken des Vorpostens waren nur noch rußgeschwärzte Ruinen übrig. Auf dem benachbarten Landefeld befand sich das ausgeglühte Wrack der SPECTRAL.

Deshalb haben wir Roy Cabezas' Schiff nirgends finden können, ging es Kurt bitter durch den Kopf.

Hinter dem Wrack der Sternschnuppe der Panther-Klasse befand sich ein 400-m-Doppelkugelraumer, wie er von den Kelradan benutzt wurde. Die Außenhülle des Raumschiffs wirkte zwar alt und verschrammt, aber offensichtlich war der Raumer voll einsatzfähig.

Dutzende von Kelradan sowie einige ihrer Roboter patrouillierten in den Ruinen sowie im gesamten Talgrund herum. Sie waren bewaffnet. Was sie jedoch genau taten, war nicht erkennbar.

Einer der Roboter wandte den Kopf in Richtung der drei Gardisten.

Die Optik des Roboters sah aus wie ein paar glühender Augen.

Kurt und seine Begleiter duckten sich reflexartig hinter ihre Deckung.

"Respekt, Fähnrich!", raunte Wladimir Kurt zu. "Dein Verdacht war von Anfang an richtig. Mit einem Übungseinsatz hat das alles hier nichts mehr zu tun!"

"Jedenfalls haben wir den Kameraden, die wir hier oben überwältigten, wohl Unrecht getan", meinte Tom kleinlaut. "Sie hatten allen Grund, ihre Multikarabiner zu benutzen."

"Ich frage mich, wo Karalaitis' und seine Leute stecken", murmelte Kurt. "Ganz zu schweigen von Cabezas..."

Angesichts des Wracks konnte man im Hinblick auf Roy Cabezas und seine Mannschaft nur das Schlimmste annehmen...

"Jedenfalls hatten niemand mehr Gelegenheit mehr, irgendeine Warnung abzuschicken", sagte Wladimir. "Es muss alles sehr schnell gegangen sein..."

Kurt lachte rau.

"Wundert dich das angesichts der Bewaffnung dieses 400-Meter-Raumers?" In seinem Kopf rasten die Gedanken nur so. Streckte das Kelradan-Imperium seine Hände nach Eldorado aus und gedachte, seine Ansprüche auf kaltem Weg durchzusetzen?

Es sah ganz danach aus.

Jedenfalls hatte sich die Lage nun vollkommen geändert. Nichts, von dem, was zuvor als selbstverständlich angesehen worden war, galt noch. Na, Bravo, ist das nicht eine Situation, die wie geschaffen ist für einen Einsatz der Raumgarde?, ging es Kurt durch den Kopf. Eine Handvoll nur mit Paralysatoren ausgerüstete Männer gegen ein voll ausgerüstetes 400-m-Schiff der Kelradan!

"Kehren wir zurück", befahl Kurt. Sie hatten fürs Erste genug gesehen.

Vielleicht waren die beiden bewusstlos geschlagenen Gefangenen ja inzwischen in der Lage, sich zu äußern.

Kurt Farmoon war sehr gespannt darauf, was sie wohl zu sagen haben mochten.

Raumkrieger im Wurmloch: 6 Science Fiction Abenteuer auf 1660 Seiten

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