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Kapitel 3 – Die Jägerin

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Die aufgehende Sonne hatte kaum Kraft, um die Berggegend zu erwärmen, doch das war der Person egal. Sie war komplett in schwarz gekleidet und trug einen schwarzen Umhang mit Kapuze, die sie sich tief in ihr Gesicht gezogen hatte. Vorsichtig blickte sich die Gestalt um und lächelte. In dieser unwegsamen Landschaft war sie dank ihrer Fähigkeiten im Vorteil. Seelenruhig steckte sie einen hölzernen Stab in eine Tasche, die an ihrem Gürtel befestigt war. Die Person war der magischen Künste mächtig und konnte sich von einem Ort zum anderen teleportieren. Die restliche Strecke wollte sie zu Fuß gehen, denn das Ziel, was sie suchte schweifte des Öfteren in den Morgenstunden durch die felsige Landschaft. Es dauerte nicht lange, als die Gestalt in ihrem Gang innehielt und sich an eine schroffe Felswand presste. Eine rothaarige hagere Frau, die in Kleidung aus verschiedenen Fellen gekleidet war und Pfeil und Bogen bei sich trug, eilte an dem schwarzgekleideten Wesen vorbei.

„Hab ich dich also gefunden, Ginygritte!“, rief die Kapuzengestalt.

Irritiert stoppte die Angesprochene ab und wandte sich um. Die unbekannte Gestalt trat aus ihrem Versteck und näherte sich mit langsamen Schritten.

„Wer seid Ihr?“, fragte Ginygritte und sie richtete ihre Waffe auf die schwarze Gestalt.

Diese lache höhnisch und hob beschwichtigend die Arme. „Steck dein Spielzeug wieder weg, ich habe einen Auftrag für dich.“

Skeptisch hob sie die Augenbraue, ehe sie ihre Waffen senkte. „Auftrag? Was soll das für ein Auftrag sein?“

„Du bist interessiert? Freut mich. Dann will ich mich dir offenbaren. Ich bin Grindelmort Voldewald.“

Die Gestalt nahm im selben Moment die Kapuze ab und Ginygritte erschrak. Vor ihr stand ein Elf, größer von der Statur als die Elfen aus dem Königreich, seine Glatze war von Narben durchzogen, seine Augen schlitzförmig und rotleuchtend. Seine Haut glänzte und wies Schuppen, wie die eines Reptils auf.

„Ihr herrscht über diese Wesen, die man Nachtelfen nennt und seid der dunklen Künste mächtig?“, fragte sie erschrocken und sie bereute es schon fast, dass sie sich umgedreht hatte.

„So ist es, meine Schöne. Und so lange du brav mitspielst, stehst du unter meinem Schutz und meiner Herrschaft.“ Er zog sein Gesicht zu einem höhnischen Grinsen.

„Was verlangt Ihr also von mir?“, entgegnete Ginygritte ohne auf das Gesäusel von Grindelmort Voldewald einzugehen.

„Immer zur Sache auf den Punkt kommen, das hört man von dir und das finde ich gut“, erwiderte der schwarze Magier. Er zog einen Beutel, der schwer klimperte aus seiner Tasche. „Hier befinden sich 10.000 Argon, also 10.000 Silberstücke. So viel verlangst du doch für deine Aufträge?“

Ginygritte nickte mit ernstem Gesicht. „So ist es. Was soll ich tun?“

„Zuerst einmal möchte ich, dass du nach Alplanden reist und die Burg Karamurg unter die Lupe nimmst. Dort soll sich meinen Quellen zu Folge ein Mensch befinden, der gekommen ist die Prophezeiung aus dem Buch des Schicksals zu erfüllen.“

„Und ich soll die Lage auskundschaften und ihn töten?“, fragte Ginygritte.

Grindelmort schüttelte den Kopf. „Nein, du sollst ihn schwächen und zu mir bringen. Ich brauche ihn noch, um alles zu bekommen, was mir zusteht.“

Ginygritte verstand. „Ihr wollt ihn nicht an Zorshrek ausliefern?“

Der Zauberer lachte dunkel. „Nicht, dass dich was angehen würde, aber Zorshreks Herrschaft über Alplanden wäre ein Alptraum. Nein, ich werde ihn ausspielen und herrschen.“

„Und nach Euch? Wer käme dann an die Krone? Euer Volk soll ziemlich besitzergreifend und kriegerisch sein in Nachfolgekriegen.“

Die schmalen roten Augen von Grindelmort Voldewald blitzten gefährlich auf. „Es gibt nicht viel, was mich auslöschen kann, Ginygritte. Und es gäbe da gewiss die eine oder andere Kandidatin, die mir einen Erben schenken dürfte.“

„Ich will es besser gar nicht weiter wissen“, entgegnete Ginygritte hastig und nahm den Beutel an sich. „Ich werde sogleich alles vorbereiten und dann über die Berge nach Alplanden reisen.“

„Ausgezeichnet, meine Liebe.“

Sie wandte sich zum Gehen um, als Grindelmort sie heftig am Arm packte und zu sich zog. „Solltest du allerdings versagen“, zischte er, „wirst du in Zukunft nicht mehr zum Jagen kommen! Dann werde ich dich meinem Volk als Hure vorwerfen.“ Er drückte ihr einen Kuss auf die Lippen, ehe er sie losließ und sie angewidert nach hinten stolperte und rücklings auf dem Boden lag. „Gut liegen kannst du schon mal“; spottete er, zog seinen Zauberstab und teleportierte sich weg.

Angewidert und beschämt lag die rothaarige Frau auf dem Boden. Sie gehörte weder zur einen noch zur anderen Seite. Ihr Vater war ein Nachtelf, der ihre Mutter eine Elfe in Alplanden vergewaltigt hatte. Von beiden Seiten ausgestoßen, zog ihre Mutter sie in dieser Berggegend groß, bis sie als Ginygritte anfing für sich selbst zu sorgen sich aus Gram über das Geschehene in den Tod stürzte. Bis heute empfand Ginygritte Groll gegen den königlichen Hof von Königin Aluanda. Aluandas Vater Ottward, der ihrer Mutter mehr hätte helfen können. Zornig sprang sie wieder auf die Beine, klopfte sich den Dreck aus der Fellkleidung und trat den Weg zu ihrer Hütte an, wo ihre Waffen lagerten. Sie packte einen Dolch, ein Kurzschwert und Pfeil und Bogen ein. In einer Tasche verstaute sie etwas Proviant, eine weiße Tunika mit einem schwarzen Rock, um sich vor Ort besser tarnen zu können und füllte ihre Feldflasche mit dem Quellwasser des Berges. Lange stand sie an der Quelle und dachte nach. Sie verabscheute die Elfen, die im Schutz des Königreiches Alplanden stand, doch dieser Grindelmort Voldewald war ihr auch nicht ganz koscher. Es war ihr Job Auftragsmorde durchzuführen und sie lebte nicht schlecht davon, denn gerade die Nachtelfen schickten gerne einen ungeliebten Konkurrenten in den Tod und sie waren durch die angrenzenden Argon-Mienen sehr wohlhabend. Andererseits dachte sie, würde sie den Auftrag nicht ausführen, würde Voldewald sie zu einer Hure der Nachtelfen machen. Ihr wurde schlecht von diesem Gedanken. Einen Menschen sollte sie entführen und zu dem schwarzen Magier bringen, was soll dabei schon schiefgehen, dachte sie bei sich. Menschen hatten in Alplanden und Umgebung den Ruf über keine besonderen Kräfte verfügen zu können. Selbst, wenn dieser Mensch der Auserwählte aus der Prophezeiung war, so konnte er nicht besser als ein Elf oder ein Nachtelf sein. Ginygritte tauchte ihre Hände in das kalte, klare Wasser Bergquelle und wusch sich ihr Gesicht. Es war erfrischend und dämpfte die Hitze der Aufregung. Dann nahm sie ihr Bündel auf und trat die Reise bergabwärts in Richtung Königreich an.

Auf Burg Karamurg von Königin Aluanda herrschte reges Treiben. Mit Übungswaffen ausgestattet ließ Lord Harbor den Schwertkampf trainieren und auch den Auserwählten Marcel Gerber schickte er in die Trainingsstunde.

„Im Angriff seid Ihr super, Marcel, aber Ihr müsst besser parieren!“, rief er seinem Schützling zu, als dieser sich einem Stockangriff seines Trainingspartners ausgesetzt sah.

„Es ist mit Stöcken gar nicht so einfach, wie es aussieht“, entgegnete Marcel und versuchte verzweifelt die Angriffe zu parieren. Ein Stockschlag traf ihn auf seinen Lederschutz, den am Oberkörper trug.

„Tz tz tz“, grinste Harbor kopfschüttelnd. „Seid froh, dass wir nur Stöcke benutzen. Ein richtiges Schwert hätte Euch jetzt verwundet und auf einem Schlachtfeld, fernab einer Burg kann das tödliche Folgen haben.“

Marcel Gerber und sein Übungspartner standen sich verschwitzt gegenüber. „Du musst darauf achten, was ich mit den Augen machen“, sagte der Soldat, der mit Marcel übte. „Pass auf. Sieh mir genau in die Augen.

Marcel gab sich alle Mühe die Anweisung umzusetzen. Er fixierte die Augen des Elfen und führte seinen Stock entsprechend. Nach holprigem Beginn parierte er jeden Schlag mit einer Meisterleistung.

„Links hoch“, rief der Gegner und Marcel vollzog diese Bewegung, während er unten rechts zustieß.

„He, du hast doch gesagt Links hoch“, protestierte Marcel.

„Ich habe es gesagt, aber meine Augen haben meine Bewegung verraten“, entgegnete er. „Schalte in der Schlacht die Ohren aus und verlasse dich ganz auf deine Augen. Für einen Auserwählten hast du echt gut gekämpft.“

„Das war ordentlich“, bestätigte Harbor, der herbeigeeilt kam. „Strewberry hat Euch ganz schön rangenommen.“

Der Angesprochene lächelte und reichte Marcel seine Hand. „Ich bin ein Bastard und das nicht nur von Geburt“, erzählte er. „Als uneheliches Kind ist es sehr schwer sich durchzusetzen, du musst dir alles erkämpfen. Vielleicht liegt mir deshalb der Schwertkampf so gut.“

„Freut mich deine Bekanntschaft zu machen“, antwortete Marcel. „Dir möchte ich wahrlich nicht auf dem Schlachtfeld gegenüber stehen.“

Strewberry lachte charmant auf. Unter seinem dunkelblonden schulterlangen Haar waren ein paar Schweißtropfen auf der Stirn zu sehen. „Das sagen so einige Recken, die mir gegenüberstanden, dass sie sich gewünscht diese Begegnung wäre nie passiert.“ Er reichte Marcel seine Feldflasche. „Nimm dir einen Schluck, mein Freund.“ Marcel tat ihm den Gefallen, öffnete den Deckel und schnupperte am Getränk.

„Was ist das?“, wollte er wissen.

„Soldaten Ale“, antwortete Strewberry freundlich. „Es ist vielleicht nicht ganz so fein, wie das Bier auf der Burg, aber es wird dir trotzdem schmecken. Und man kann es unterwegs selber gut brauen.“

Mit skeptischem Blick nahm Marcel einen Schluck. Für den ersten Moment fühlte es sich an, als wäre ein Pelz über seine Zunge geronnen, aber dann entfaltete das Getränk seine volle Wirkung. Es war nicht so süffig wie das Bier auf der Burg, aber es hatte eine herrliche herbe Note, die gleichzeitig auch erfrischte.

„Wie findest du es mein Freund?“

„Anfangs dachte ich, du wolltest mich vergiften, aber wenn sich der Geschmack voll entfaltet ist es echt lecker. Danke, Strewberry.“

„Nicht dafür. Sag mal, was erzählt man über dich? Du hast dich in die hübsche Zofe unserer Königin verschossen?“

Marcel erschrak. „Woher weißt du?“

Strewberry lächelte. „Der Kampf mit Unwyn hat sich schnell herumgesprochen und so wie du bei ihr reagiert hast, da müsste man blind sein, um das nicht zu erkennen. Also, stimmt es?“

Mit leicht geröteten Wangen antwortete Marcel: „Ja, ich habe mich in Ezechia verliebt und ihr geht es nicht anders.“

Stolz klopfte Strewberry Marcel auf die Schultern. „Na aber hallo. Und sie ist von edlem Geschlecht. Ihre Cousine ist die Königin, also verpatze es nicht bei ihr.“

„Das habe ich nicht gewusst. Sie ist die Cousine der Königin?“

„Lass dich davon nicht abschrecken. Im Vergleich zur kämpferischen Jungfrau unserer Königin, ist Ezechia ein kleiner Wildfang. Meinen Avancen konnte sie leider widerstehen, doch vielleicht bin ich halt nur für das Kämpfen bestimmt und nicht für die Liebe“, meinte Strewberry nachdenklich.

Nun war es an Marcel seinen neuen Freund aufzuheitern. „Jetzt male mal nicht so schwarz, Strewberry. Für dich wird es bestimmt auch jemanden geben. Es wird ja nicht nur die Königin und Ezechia als Damen hier auf der Burg geben.“

„Da liegt das Problem“, entgegnete Strewberry. „Auf dem Feld bin ich ein Heißsporn, mutig, tapfer und weiß das Risiko einzuschätzen. Bei Frauen mache ich mir seit dem Korb von Ezechia in die Hosen.“

Er blickte sich um. Sie waren ungestört von den Anderen. Man merkte, wie sehr diese Schüchternheit an ihm nagte. „Armer Krieger“, grinste Marcel, um sofort nachzusetzen. „Was hältst du davon, wenn ich Ezy von deinem Problem erzähle. Vielleicht kann sie dir behilflich sein. Die Königin hat so viele Dienerinnen, da wäre es doch gelacht, wenn du da leer ausgehst.“

„Und was ist, wenn sie mich auslacht?“, fragte Strewberry.

Marcel zuckte mit den Schultern. „Dann war es nicht die Richtige. Man darf nur nicht die Hoffnung aufgeben und den Kopf in den Sand stecken.“

„Du meinst so?“

Strewberry hatte sich auf den Boden gekniet und versuchte mit seinem Kopf durch die Sägespäne zu dringen.

„Was machst du da?“, schrie Marcel entsetzt und versuchte den Elf vor dem Ersticken zu retten. Rasch hatte er den Kopf befreit und Strewberry blickte ihn verwirrt an. „Du sagtest doch, Kopf in den Sand stecken.“

„Alles klar, ich muss mit solchen Sprichwörtern hier vorsichtig sein“, sagte Marcel zu sich selbst, ehe er sich an Strewberry wandte. „Nein, das war nur eine bildliche Darstellung von Aufgeben oder Nichtaufgeben. Man bezeichnet das so in der Welt, wo ich herkomme.“

„Ach so.“

„Und die Geschichte würde ich meinem Date aber nicht erzählen, nicht dass sie schreiend vor dir wegrennt“, grinste Marcel.

„Date? Was ist das?“, fragte Strewberry.

Verdammt, dachte Marcel bei sich, ich muss echt besser an die Fernsehserien halten. „Also ein Date ist eine Bekanntschaft, ein Rendezvous oder eine Romanze. Oder ganz einfach ein Treffen mit der Frau, beziehungsweise Elfe, die du gerne kennenlernen möchtest.“

„Ach so. Lass uns zum Mittag in die „Schwarze Sonne“ einkehren.“

„Schwarze Sonne?“

Strewberry nickte. „Jetzt hab ich was, was du nicht kennst. Die Schwarze Sonne ist eine Taverne im Osten des Burghofes. Dort gibt es die allerbeste Forelle und die nettesten Dirnen. Wie sieht es aus? Kommst du mit?“

„Also die Forelle klingt nicht schlecht, aber die Dirnen überlasse ich dir.“

„Das ist nett. Übrigens, nenn mich ruhig Strew. Das ist kürzer. Stell dir vor, du bist in der Schlacht in Not und willst mich rufen, dann ist Strew schneller ausgerufen, als Strewberry. Spätestens beim Berry hast du dann das Schwert durch die Kehle bekommen.“

Marcel lächelte. „Wie nett. Das muss wirklich nicht sein.“

Die beiden Kämpfer gingen über den Übungsplatz in Richtung Osten. Ein Haus mit schwarzen Ziegeln und einigen Rissen in den Wänden erwartete sie. „Die Schwarze Sonne“. „Nach dir, mein Freund“, sagte Strewberry vergnügt und so betraten sie das Lokal. An einem Holztisch mit zwei wacklig aussehenden Holzstühlen nahmen die beiden Platz. Eine schwarzhaarige, anmutige Elfe trat an den Tisch. Ihr Gewand war kurz geschnitten und betonte ihre weiblichen Reize. Sie trug kniehohe Stiefel mit Absatz und sorgte dafür, dass Strewberry seine Blicke nicht von ihr lassen konnte.

„Seid gegrüßt, die Herren. Was darf es denn sein?“, fragte sie mit einem verführerischen Augenaufschlag.

Marcel hatte als Erstes die Fassung gefunden und antwortete: „Eine Forelle nach Art des Hauses und habt Ihr Soldaten Ale?“

Die Elfe lächelte. „Na klar. Semjon, der Eigentümer dieses Wirtshauses hat es persönlich erfunden. Und für deinen Freund, Strew?“

„Ich nehme das gleiche, Senja“, antwortete er.

„Kommt sofort“, entgegnete sie lächelnd und ging zurück an den Tresen.

„Das ist deine Gelegenheit, Strew“, flüsterte Marcel. „Sie mag dich und du magst sie. Wo ist dein verdammtes Problem?“

Strewberry verzog das Gesicht. „Sie mag doch jeden Gast. Die machen hier allen schöne Augen.“

„Was ist, wenn sie das einfach nur macht, weil sie sich irgendwie ihr Dach über den Kopf verdienen will? Weil ihr kein edler Krieger mit gutem Sold zur Verfügung steht?“, fragte Marcel.

„Du meinst?“

Marcel nickte. „Sprich sie an. Mach ihr Komplimente. Versuch ein Treffen mit ihr außerhalb der Taverne zu vereinbaren.“

„Aber wie …?“, wollte Strew einwerfen, als Senja mit zwei gut gefüllten Krügen Bier auftauchte und sie den beiden Männern servierte.

„Sagt mal, Senja“, begann Marcel und achtete gar nicht auf die Tritte, die ihm Strew unter dem Tisch versetzte. „Mein Freund ist ein bisschen schüchtern und so frage ich in seinem Namen, wann Euer Dienst heute endet?“

Die Schwarzhaarige grinste geschmeichelt in Strews Richtung, der puterrot anlief. „Ich habe heute Tagschicht, das heißt, wenn die Sonne untergeht, endet auch mein Dienst.“

Marcel versuchte mit Blickkontakt Strewberry die nächste Frage stellen zu lassen. Der tapfere Krieger wirkte fast wie ein Häufchen Elend in der Gegenwart von Frauen, doch er probierte es. „W… willst du, wollt Ihr Euch … nach … Eurem Dienst … auf ein kleines Abendessen im Kerzensche… in treffen? Also nicht hier, in dieser überaus schönen Taverne, sondern in Kuhlidorf gibt es ein nettes Wirtshaus, wo Elfen und Zwerge, die was von sich halten einkehren“, fügte er schnell hinzu.

Senja lächelte. „Das war doch jetzt nicht so schwer, mein lieber Strewberry. Mögt Ihr mich heute Abend hier abholen?“

Strewberrys eisblaue Augen funkelten. „Sehr gerne.“ Er nahm seinen Krug mit dem Bier und prostete Marcel zu. „Danke, mein Kamerad und auf Euch, liebe Senja.“ Er setzte den Krug zum Trinken an, verschüttete vor Aufregung einen großen Schluck auf seinem Wams. Senja lachte liebevoll auf, ging an den Tresen und holte ein Tuch, mit dem sie Strewberry die Stelle trocknete. „So sieht’s doch besser aus. Ich schau mal, was die Forellen für Euch und Euren Freund machen. Bis gleich.“

Strewberry blickte ihr verliebt hinterher. Ihre Hüften schwankten in einem verführerischen Takt, von dem der Kämpfer ganz gefesselt war. Marcel grinste und nahm einen Schluck Bier. Als er den Krug abgestellt hatte, blickte er in das Gesicht seines neuen Freundes.

„Sag mal, hast du sie noch alle?“, fragte er leicht verärgert.

„Warum? Ist doch alles gut gelaufen. Und glaub mir, sie mag dich auch. Schau mal.“

Am Nebentisch hatte einer sein Bier verschüttet, doch es kam keine Senja oder eine andere Bedienung, die das Malheur beseitigten. Strewberry grinste stolz, doch dann veränderte sich seine Miene. „Was soll ich denn heute Abend mit ihr machen?“

Marcel überlegte kurz. „Du führst sie schick essen, liest ihr jeden Wunsch von den Lippen ab und bringst sie nach Hause. Damit hast du schon den ersten Keim deiner Liebe gepflanzt.“

„Kannst du denn nicht mitkommen?“, fragte er.

Marcel schüttelte den Kopf. „Ich würde gerne, aber Ezechia darf heute aus dem Krankenlager aufstehen und sie wollte sich bei mir bedanken.“

Strewberry nickte. „Ah stimmt, das hatte ich ganz vergessen. Dann haben wir beide heute ein, wie nanntest du das noch gleich? Ein Date?“

Marcel hob den Krug und prostete Strew zu. „Du lernst schnell. Auf dich und deine Liebe.“

„Auch so.“

Sie lachten und scherzten eine Weile, ehe Senja mit zwei dampfenden Holzbrettern ankam auf denen zwei dampfende Forellen lagen. Umrankt wurde die Speise mit verschiedenen Gemüsen und einer Kräutersahnesauce. Marcel lief bei dem Anblick das Wasser im Mund zusammen. „Du hast nicht übertrieben, Strew. Das sieht lecker aus.“

„Könnte ich einen Kameraden wie dich, jemals belügen?“, fragte Strewberry grinsend.

„Weiß nicht. Sag du es mir.“

„Na, ihr scheint euch ja königlich zu amüsieren“, unterbrach die schwarzhaarige Bedienung die Unterhaltung. „Einmal Forelle mit Gemüse und Kräutersahnesauce für den Vorfühler.“ Sie reichte Marcel das eine Brett. „Und noch einmal Forelle mit Gemüse und Kräutersahnesauce für den mutigen Krieger, der dann doch noch seine Zunge gelöst bekommen hat. Lass es dir schmecken.“

„Dankeschön.“

Strew und Senja warfen sich zärtliche Blicke entgegen, ehe Senja ihre Arbeit wieder aufnahm und an hinter den Tresen zurückkehrte. Marcel genoss den leckeren Fisch, während Strew mehr oder weniger im Essen herumstach.

„Schmeckt es dir nicht?“, wollte Marcel wissen.

„Doch schon. Aber ich bin einfach tierisch nervös“, erwiderte Strewberry.

„Ich verstehe. Das ist leicht zu erklären. Du hast Schmetterlinge in deinem Bauch. Und bevor du nachschaust, nein du hast nichts Falsches gegessen. Das sagt man in meiner Welt so, wenn man verliebt ist und die Gefühle auf dem absoluten Höhepunkt sind. Liebe schließt gewissermaßen den Magen.“

„Ach so“, seufzte Strewberry erleichtert. „Ich dachte schon, dass ich etwas Falsches gegessen habe oder dass es gar kein Fisch, sondern ein Insekt war.“

Marcel gluckste und verschluckte sich fast an einem Stück Fisch. Mit einem guten Schluck Soldaten Ale spülte er den Hustenreiz hinab. Die beiden aßen sich gut unterhaltend auf und gaben Senja ein gutes Trinkgeld.

„Was hast du noch vor?“, fragte Strewberry als sie über den Hof der Burg liefen.

„Eigentlich ausruhen oder das was Harbor geplant hat. Ich hoffe, dass es das mit dem Üben und Trainieren war. Ich bin irgendwie etwas müde und will eigentlich für Ezy heute fit sein“, erwiderte Marcel und gab sich Mühe ein Gähnen zu unterdrücken.

„Ah, ich verstehe. Fit sein“, schloss Strewberry augenzwinkernd. „Ich werde mal mit Harbor reden, dass er dich ganz besonders rannimmt.“

„Unterstehe dich“, konterte Marcel und hob lachend seine Faust.

„Schon gut“, gab Strewberry lachend zurück. „Ohne dich hätte ich nicht dieses Rendezvous mit dieser Schönheit.“

„Du sagst es.“

Sie schritten Richtung Burgtor, als Lord Harbor ihnen entgegengelaufen kam. Marcel schickte ein Stoßgebet gen Himmel, dass es das mit dem Üben heute gewesen war.

„Strewberry. Marcel. Wie gut, dass euch beide hier treffe.“

Marcel schwante bei diesen Worten Übles. „Wie können wir Euch helfen, Harbor?“

„Ich möchte, dass Ihr Euch morgen um die Mittagsstunde im Thronsaal einfindet. Ihre Majestät möchte sich mit uns beratschlagen, was die Strategie mit Zorshrek und seinen Schergen betrifft. Was hattet Ihr denn befürchtet?“

Marcel und Strewberry spürten beide ein Gefühl der Erleichterung. „In Ordnung, Ihr könnt mit uns rechnen“, erwiderten sie aus einem Mund.

„Das freut mich. Gehabt Euch wohl.“

Sie beobachteten den großen Hauptmann, wie er an ihnen vorbeilief und in den Stallungen der Soldaten verschwand.

„Das war knapp“, flüsterte Marcel.

„Du sagst es“, entgegnete Strewberry. „Lass uns ein wenig ausruhen, damit wir fit für unsere Holden sind. Wir sehen uns dann Morgen.“

„Mach’s gut. Viel Erfolg. Du wirst es schaffen, da bin ich mir sicher.“

„Danke.“

Marcel kehrte langsam in sein Gemach zurück, zog seine verschwitzte Trainingsausrüstung aus und machte sich frisch. Danach schlüpfte er in ein frisches Hemd, zog eine schwarze Hose an, mit schwarzen Stiefeln und streifte sich ein rotbraunes Wams über das Hemd. Er betrachtete sich in dem kleinen Spiegel, der am Fenster stand. Das Klopfen an seiner Tür riss ihn aus seinen Gedanken. „Herein!“, rief er und die hölzerne Tür wurde geöffnet. Magier Octurian stand mit Ezechia in der Tür. „Guten Abend“, begrüßte ihn der alte weise Mann. „Ich hoffe das Training hat dir gut getan?“

„Lord Harbor und Strewberry haben einen ganz schön hart rangenommen, aber am Ende waren sie sehr zufrieden mit mir.“

„Du hast es im Blut“, erwiderte der Magier. „Laut dem Buch des Schicksals ist der Auserwählte ein Meister im Schwertkampf.“ Hinter ihm scharrte Ezechia nervös mit den Füßen. „Oh ja, ich vergaß, dass ich dir die liebe Ezechia vorbeibringen sollte. Du weißt ja, das Alter. Man schwelgt in Erinnerungen und vergisst ganz die Zeit.“

Octurian trat zur Seite und Ezechia trat vor. Dankbar und ohne weiteres Wort fiel sie Marcel in die Arme. Lange hielten sie inne, ehe sich hinter ihnen Octurian räusperte.

„Wenn ihr beiden Turteltäubchen euch einen Moment gedulden könnt, dann lasse ich gerade die Pagen mit dem Essen in dein Gemach, Marcel“, meinte der alte Magier der Elfen freundlich.

Verschämt unterbrachen sich die beiden Liebenden und Marcel nickte kurz und höflich. „Lasst sie rein, Octurian.“

Der Magier klatschte in die Hände und vier Pagen, in Uniform der Königin traten in das Zimmer und servierten Platten mit köstlichem Essen und platzierten es auf dem Tisch. Die Platten hatten ein köstliches Menü parat. Es gab eine heiße Waldpilzterrine, verschiedene Gemüse, Hirschbraten und gegrillten Fasan. Dazu gab es einen Krug mit Wein und ein kleines bereits angestochenes Fass mit Bier.

„Lasst es euch schmecken“, sagte Octurian, „und genießt den Abend, ihr Beiden.“ Der Magier schloss die Tür zum Gemach und ließ die beiden alleine.

„Mein Held“, flüsterte Ezechia und hauchte ihm einen Kuss auf die Lippen und Marcel erwiderte diesen.

Als sich ihre Lippen voneinander gelöst hatten, blickten sich beide verliebt in die Augen. „Wir sollten etwas essen, bevor es kalt wird“, flüsterte Ezechia.

„Du hast Recht, bitte setz dich.“ Marcel schob der jungen brünetten Elfe einen Holzstuhl, auf dem sie sich niederließ zu und setzte sich ihr gegenüber. Sie betrachteten das aufgetragene Essen. Wein war schon in bronzene Becher eingegossen. Sie prosteten einander zu, ehe Marcel Ezechia einen Teller mit der Waldpilzsuppe auftat. Er musste lächeln und Ezechia erwiderte es, ehe sie nach dem Grund seines Lächelns fragte.

„Ich musste an Strew denken“, antwortete Marcel.

„Strew? Du meinst Strewberry, der Kommandant aus Lord Harbors Armee?“, wollte Ezechia wissen.

„Ja“, entgegnete Marcel. „Wir haben zusammen uns im Kampf trainiert und waren danach was essen.“

Ezechia grinste. „Strewberry ist ein netter und schüchterner Mann, aber ein großartiger Kämpfer.“

„Er hat heute einen romantischen Abend mit Senja aus der Schwarzen Sonne“, berichtete Marcel. „Er hat etwas Hilfe von mir benötigt, aber dann hat es sofort gefunkt zwischen den beiden.“

„Ihr wart in der Schwarzen Sonne? Ich hoffe du wurdest nicht belästigt. Einige der Damen, die dort arbeiten sind sehr aufdringlich. Sie wollen alle nur das Eine von Männern.“

„Nein, Senja hat Strewberry und mich die komplette Zeit bewirtet.“

„Wir müssen unbedingt mal in das Wirtshaus „Am Brunnen“ da ist es sehr schön“, schwelgte Ezechia. „Ich will dich an keine Wirtshausdirne in der Schwarzen Sonne verlieren“, fügte sie sorgenvoll hinzu.

„Keine Sorge“, entgegnete Marcel und fasste zärtlich die Hände der jungen Elfe. „Dich werde ich für Nichts auf dieser Welt verlassen.“

„Auch nicht für deine eigene Welt, wo du herkommst?“, fragte sie besorgt.

Damit hatte sie seinen wunden Punkt getroffen. „Das möchte ich heute nicht entscheiden“, antwortete er. „Im Moment gibt es aber keinen Ort, wo ich lieber sein möchte, als hier und der Hauptgrund dafür, das bist du.“

Sie verzog ihre Lippen zu einem Schmollmund. „Also werde ich meinen Helden bald verlieren?“

„Was soll ich sagen?“, versuchte Marcel die Situation zu retten. „Es ist noch nicht einmal klar, ob ich lebend aus der Schlacht hervortrete. Als Krieger für die Königin bin ich eine Zielscheibe auf zwei Beinen oder auf einem Pferd. Ich habe mich ein bisschen daran gewöhnt nicht in meiner Zeit zu sein, aber ich denke schon oft daran, was meine Eltern wohl machen, wie es meinen Freunden geht.“ Er hielt inne und beide schwiegen sich eine Zeit lang an.

„Es tut mir leid“, beendete Ezechia die unbehagliche Stille. „Ich wollte dich nicht unter Druck setzen. Aber es fühlt sich alles so richtig an. Nicht geträumt oder eine flüchtige Romanze. Es war kein Zufall, dass du hier gelandet bist. Es ist deine Bestimmung, dein Schicksal. Aber, wenn du dem Schicksal keine Chance geben möchtest, dann verstehe ich das. Es war falsch von mir.“

Tränen leuchteten in ihren Augen und berührten Marcels Herz. Hastig nahm er das Stofftuch an seiner Seite und rückte näher an sie heran, um ihr die Tränen aus den Augen zu wischen. „Ezy, ich mag dich sehr. Ich würde sogar fast so weit gehen, dass ich dich liebe. Dein Blick als wir uns das erste Mal begegneten machte mir die Entscheidung zu bleiben besonders einfach. Doch ich weiß beim besten Willen nicht, was passiert. Was uns erwartet. So lange ich hier bin, bist du mein Ein und Alles. Meine Königin.“

Er hauchte ihr einen zarten Kuss auf die Stirn und sie nahm mit ihren sanften Händen seinen Kopf und blickte in seine grünen Augen. Dann küsste sie ihn auf die Lippen und ihre Zunge wurde fordernder. Marcel erwiderte das Zungenspiel, dann ließ sie von ihm ab. „Ich hoffe so sehr, dass wir für immer zusammen bleiben“, flüsterte sie. „Auch, wenn du aus einer anderen Zeit bist, so fügst du dich so perfekt in unser Königreich ein. Du bist mein Auserwählter, da mag kommen, was will. Und wenn du gehst, dann werde ich mit dir gehen.“

„Nichts würde mir mehr gefallen“, antwortete Marcel und hauchte einen Kuss auf die Hand Ezechias, die er gerade berührte. „Was macht Eure Wunde?“, fragte er, als sie schmerzverzerrt das Gesicht verzog.

„Es wird besser, mein Held, seht selbst“, entgegnete sie und schob den Träger ihrer Tunika über die nackte Schulter. Ein feiner blauer Schnitt, der am Verheilen war, kam zum Vorschein. „Es heilt sehr gut, dank deiner Hilfe und der Medizin von Magier Octurian.“

„Ich hätte es mir nicht verzeihen können, wenn dieser Unhold dich getötet hätte“, erwiderte Marcel erleichtert. „Alleine der Gedanke zu spät gekommen zu sein, hätte mich zu allem bereitgemacht. Ich hätte ihn direkt im Thronsaal kalt gemacht.“ Seine Hand zitterte aufgeregt.

„Kalt gemacht?“

„Entschuldige, Ezy. So sagen wir bei uns, wenn jemand getötet wird. Durch den Tod wird der Körper der Person ganz kalt und deswegen sagen wir bei einem Mord: Der wurde kaltgemacht.“

Sie lächelte zärtlich. „Deine eigenwilligen Worte aus deiner Welt sind faszinierend. Schon alleine deswegen möchte ich dich nicht gehen lassen.“

Sie aßen und unterhielten sich gut. Ezechia erhob sich. Marcels Blick trübte sich. „Du musst jetzt gehen?“, fragte er traurig.

Ezechia schüttelte den Kopf. „Nur, wenn du mich fortschickst.“

„Wie meinst du das?“

Sie ging auf ihn zu, nahm seine Hand und er erhob sich. „Komm mit“; flüsterte sie verführerisch. Sie führte ihn in Richtung des Bettes und schubste ihn sanft in die Decken und Kissen, sodass er rücklings auf seinem Nachtlager lag. Sie beugte sich über ihn und küsste ihn auf die Lippen, wanderte mit ihren Küssen langsam herunter zum Hals und öffnete mit geschickten Handgriffen die Knöpfe seines Hemdes. Ihre Liebkosungen gingen die nackte Brust hinab. Er wusste, worauf sie aus war und es gefiel ihm. Vorsichtig hob er sie von sich und legte sie sanft ins Bett. Dann streifte er mit vorsichtigen Handbewegungen die Tunika von ihren Schultern, küsste ihre Lippen und wanderte weiter hinab an ihren schmalen Hals. Ezechia war weiter. Sie nestelte an den Schnüren seiner Hosen und streifte sie ihm von seinen Hüften bis zu den Knien. Dort hinderten die Stiefel die Hose an einem weiteren Fall. Marcel ließ von ihrem freien Oberkörper kurz ab, setzte sich auf und zog mit raschen Handgriffen die Stiefel aus. Ezechia folgte seinem Beispiel und zog ihre Samtschuhe von ihren nackten Füßen. Sie wirkten klein und zerbrechlich. „Zeig mir bitte, wie man in deiner Welt die Frauen liebt“, flüsterte sie. Marcel packte sie vorsichtig und zog sie eng an sich. Ihre Küsse wurden immer fordernder. Sie streifte sich lüstern ihre Tunika von ihrem Körper und schmiegte sich an ihn. Beide wussten, was sie wollten und so verschmolzen sie miteinander und gaben sich der Leidenschaft ihrer Liebe hin, als sei es ihr letzter Tag auf Erden. Die Kerzen in Marcels Gemach waren schon fast heruntergebrannt und die Nacht weit vorangeschritten, als sie erschöpft und verschwitzt in die Kopfkissen sanken. Sie küssten sich zärtlich, Ezechia kuschelte sich in Marcels Armen und sie schliefen glücklich und zufrieden Seite an Seite ein.

Während das Rendezvous zwischen Marcel und Ezechia glücklich verlief und die Pflanze ihrer Liebe weiter wuchs, versuchte sich im benachbarten Kuhlidorf Strewberry daran das Herz der bezaubernden Senja zu erobern. Die schwarzhaarige Schönheit hatte ein dunkelgrünes Gewand mit goldenen Stickereien angezogen und wartete vor der Taverne „Zur Schwarzen Sonne“ auf ihren Strewberry. Der nervöse Jüngling hatte ein schwarzes Hemd mit Schnürung am Hals angezogen, trug eine schwarze lederne Hose und dazu braune knöchelhohe Stiefel.

„Es tut mir leid“, begrüßte er sie zerknirscht. „Ihr denkt bestimmt, dass ich aussehe als wenn jemand gestorben ist, aber wenn ich ehrlich bin sind das meine feinsten Sachen. Ich hoffe, dass ich Euch auch so noch gefalle.“

Als Antwort küsste sie ihn sanft auf die Stirn. „Ihr hättet Euch für mich nicht hübscher kleiden können, mein tapferer Krieger.“

An seinem Gürtel hatte er hinter seinem Rücken eine Rose versteckt, die er mit einer galanten Handbewegung hervorholte. „Ich fand sie im Garten des Burghofes und sie erinnerte mich an Eure Schönheit. Nur im Gegensatz zu unserer Liebe ist ihre Zeit auf dieser Welt vergänglich.“

Dankbar nahm sie die Blume entgegen, roch daran und schob sie sich vorsichtig in ihr offenes schwarzes Haar und flöchte eine Strähne um sie festzuhalten.

„Jetzt schaut Ihr aus, wie eine elfgewordene Rose“, brachte Strewberry erstaunt hervor.

„Ich danke Euch. Dafür, dass Ihr den Frauen gegenüber sehr schüchtern seid, sprecht Ihr recht poesievoll“, erwiderte sie.

„Ich habe ein paar Ratschläge von Marcel erhalten und mich in der Bibliothek ein wenig in die Romantik eingelesen.“

„Ihr macht mich sprachlos und glücklich“, flüsterte Senja und küsste ihn auf die Lippen. „Wollen wir losgehen?“

„Sehr gerne.“

Das frischverliebte Paar verließ den Burghof über das Stadttor. Der wachhabende Soldat winkte die beiden durch und winkte Strewberry viel Glück und dem Paar einen romantischen Abend. Die Sonne ging langsam über Alplande unter und die Verliebten genossen den Augenblick. Nach einem kurzen Fußweg von fünfzehn Minuten erreichten sie eine große Hütte am Rand von Kuhlidorf, wo das Zwergenvolk beheimatet war. Strewberry öffnete die Tür des Lokals und ließ seiner Senja den Vortritt. Ein elegant gekleideter Zwerg begrüßte die Beiden und bot ihnen einen Tisch in der Mitte des Gasthauses an. In der Nähe der Küche des Wirtshauses saß Magister Trojon mit seiner Ehefrau und die beiden genossen wohl gerade den Wein, der in einer gläsernen Karaffe auf den Tisch stand. Er grüßte höflich, als er Strewberry und Senja erblickte. Für ihn als Magister war es wichtig, dass die Beziehung mit dem Heer der Königin respektvoll ablief. Die Elfen waren wichtige Verbündete, andernfalls würde Kuhlidorf recht schnell in die Hände der Feinde des Königreiches fallen. Strewberry erwiderte den Gruß, ehe er sich seiner Dame des Abends zuwandte. Bei einem Kellner, der die beiden bediente bestellte Strewberry eine Karaffe des guten Hausweins mit zwei Kelchen, zwei Vorspeisen, zwei Hauptgänge und zwei Nachtische. Während sie auf ihre Bestellung warteten unterhielten sich die beiden angeregt, so sehr, dass sie fast ihre Vorspeise eine Gemüseterrine nach Art des Hauses vergaßen entgegenzunehmen. Verlegen schenkte Strewberry seiner Senja den Becher mit etwas Wein und reichte ihn ihr. Dann füllte er seinen Becher und sie stießen miteinander an. Vorsichtig führte sie den Holzlöffel mit etwas Suppe an ihren Mund und genoss die wärmende Speise mit jeder Geschmacksknospe ihrer Zunge. Senja lächelte Strewberry liebevoll zu. „Ihr habt einen ausgezeichneten Geschmack mit diesem Wirtshaus bewiesen. Ich genieße jede Sekunde mit Euch, als wäre es die Letzte.“

„Ein so liebreizendes Mädchen, wie Ihr es seid, verdient so ausgeführt zu werden. Der Abend ist jeden Einsatz von Marcel wert.“

„Dann sollten wir auf ihn anstoßen und ihm ebenfalls so ein Glück wünschen, wie ich es mit Euch habe“, entgegnete sie.

Leise klirrend berührten sich die beiden Kelche und dann nahmen sie einen tiefen Schluck. Die Suppe hatten sie fast aufgegessen, als die Hauptspeise gebracht wurde. Es gab geschmortes Filet vom Hirsch mit Preiselbeeren, verschiedenen Wildkräutern und Knollengemüse. Sie genossen auch diese Speise und lernten sich näher kennen. Senja berichtete Strewberry von ihrer Kindheit. Schon mit 12 Jahren wurde sie von ihrer Mutter in die Freudenhäuser von Maidengarten mitgenommen, wo sie anschaffen musste, ehe sie Semjon, der Besitzer der Taverne „Zur Schwarzen Sonne“ an den Burghof mitnahm und ihr eine Anstellung in seinem Gasthaus verschaffte. Von ihrer Mutter hat sie seit jenem schicksalhaften Tag nie wieder etwas gehört. Semjon war ein Ziehvater für sie. Er ließ sie mietfrei in der Dachkammer der Taverne wohnen, verlangte von ihr nie, dass sie sich auf ein Techtelmechtel mit den Gästen einließ. Nun sei Semjon allerdings schwer krank und so führte Senja in seinem Namen die Taverne.

„Das bedeutet Euch gehört eine von Alplanden dunkelsten Orten?“; fragte Strewberry erstaunt.

Sie nickte. „Wobei ich mir immer geschworen habe, sollte mir jemals wahre Liebe begegnen die Taverne zu veräußern und diesem Mann voll und ganz zur Verfügung zu stehen und seine Frau zu sein.“

„Nun ja, es wäre sicherlich hervorragend, wenn Ihr die Forelle nach Art des Hauses exquisit nur für mich zu bereiten würdet, doch soll meine Liebe kein Grund sein, Euch einzuschränken.“

Ihre Blicke und Gesichter trafen sich. Sie beugte sich vor und küsste ihn zärtlich, danach immer fordernder.

„Ich weiß, wie das Leben schmeckt und das Leben schmeckt, was ich will“, flüsterte sie verschwörerisch.

„Entscheiden müsst Ihr es, doch ich lege Euch kein Ultimatum vor, Mylady“, erwiderte Strewberry. „Ich verspreche Euch ein warmes Heim, Treue und einen tapferen kleinen Mann.“

„Redet Ihr von Euch oder von dem, was sich unter Eurer Kleidung befindet, mein Krieger?“, fragte Senja verschmitzt.

„Ihr habt mich auf dem falschen Fuß erwischt, das muss ich eingestehen.“

Den Nachtisch ließen sie unberührt wieder zurückgehen. Sie wollten Zeit. Zeit für sich alleine. Die Karaffe Wein war geleert und Strewberry beglich mit ordentlichem Trinkgeld die Rechnung. Sie standen auf und verließen das Restaurant. Der Halbmond war aufgegangen und hüllte die Wälder in bleiches diffuses Licht. Langsam und gemütlich Hand in Hand gingen die beiden den Hügel hinauf. Sie merkten nicht, dass sie verfolgt wurden. Am Burgtor angekommen, ließ sie die Torwache mühelos passieren. Im Schein des Mondes gingen sie über den Burghof bis zur Taverne.

„Wann kann ich Euch wiedersehen?“, fragte Strewberry.

„Gar nicht“, neckte Senja. „Solange, du nicht dein höfliche Förmlichkeit mir gegenüber ablegst.“ Sie lächelte und blickte ihm tief in die Augen.

„Wann kann ich dich wiedersehen?“, fragte Strewberry erneut.

„Ich möchte dich am liebsten gar nicht loslassen“, flüsterte sie. „Komm doch zu mir.“

Strewberry blickte sich um.

„Schämst du dich etwa, Strew?“, fragte Senja mit Schmollmund.

„Nein, ich dachte, ich hätte Schritte vernommen, aber war wohl nur das laute Pochen meines Herzens. Gerne komme ich mit dir nach oben.“

Mit einem Kuss auf die Lippen, wandte sich Senja an und zündete eine Kerze an. „Sei bitte leise. Nicht, dass uns Semjon oder die anderen Bedienungen hören“, flüsterte sie.

„In Ordnung.“

Leise schlichen die beiden Verliebten nach oben. Strewberry verschwendete seine Gedanken nur noch an Senja und drängte den Gedanken an das Geräusch in den Hintergrund. Wenn etwas sein würde, würde ja Alarm geschlagen werden, dachte er bei sich. Nach drei Treppenaufgängen erreichten sie die Dachkammer von Senja. Die schwarzhaarige Schönheit hatte dort eine Schlafnische, eine Wasch- und Ankleidegelegenheit, sowie eine kleine Kochstelle. Sie schien sich ein wenig zu schämen.

„Bitte beachte nicht das Durcheinander“, sagte sie leise. „Zum Ruhen nach der Arbeit ist es doch befriedigend.“

„Ich finde es sehr schön, Senja“, erwiderte er und küsste sie zärtlich.

„Und du bekommst keinen Ärger, wenn du nicht in deine Soldatenunterkunft einkehrst?“, wollte sie wissen.

„Im Vergleich zu deiner Stube ist die nur ein Kämmerchen“, entgegnete er und ihr Küssen wurde fordernder.

Ihre Kleidungen verteilten sich überall im Raum, bis sie sich nackt gegenüber standen. Senja spürte die Regung in Strewberrys Leistengegend und so ließ sie sich auf ihr Bett fallen. Strewberry folgte ihr langsam und liebkoste ihren ganzen Körper, ehe er in sie eindrang und sie unter rhythmischem Stöhnen nahm. Er wusste, dass sie als Dirne eine Menge Erfahrung mit anderen männlichen Elfen gesammelt hatte, doch das war ihm egal. Strewberry dachte an ihr Versprechen, dass sie für ihn das Gastronomiegewerbe aufgeben wollte, um allein für ihn da zu sein. Rhythmisch bewegten sich ihre Körper, ehe sie beide gleichzeitig kamen und er vorsichtig von ihr herunterrollte. Der Duft ihrer schwarzen Haare war durch die Rose noch intensiver geworden. Sie lächelte ihn glücklich an. „Möge diese Nacht doch nie enden“, flüsterte sie, ehe sie die Augen schloss und ins Land der Träume sank.

Unerkannt im Schatten der Nacht kletterte eine Gestalt an der Ostseite über die Burgmauer. Sie hatte einen toten Winkel, der von den Wachen auf der Mauer nicht eingesehen werden konnte, ausgemacht und nutzte diesen, um in der Dunkelheit in den Burghof zu gelangen. Wie leichtsinnig, dachte sie, dass auf dem Burghof selbst sich keine Wachen befanden. Sie hätte sich auch als Dirne tarnen können, die aus Maidengarten hierhergekommen war, um ihr Glück in der Taverne als Bedienung zu versuchen, doch das erschien ihr zu einfach. Rasch eilte sie über den Burghof und versteckte sich in einer Nische am Fuß des Bergfrieds. Sie kannte sich aus, denn sie hatte sich schon öfters unerkannt auf der Burg als Spionin aufgehalten. Unter ihrer schwarzen Kapuze verbarg sich ein roter Haarschopf. Ginygritte lächelte. Sie war nun dort, wo sie sein wollte. Nun hatte sie alle Trümpfe in der Hand den Auserwählten auszuspionieren und Grindelmorts Plan in die Tat umzusetzen. Die Kopfgeldjägerin war eine Meisterin der Tarnung. Den halben Nachmittag und den ganzen Abend war sie um die Burg im Dickicht herumgeschlichen, hatte Strewberry und Senja fast bis zum Burgtor verfolgen können. Ginygritte lächelte. Sie schlich leise, wie eine Eule auf der Jagd über den Burghof, erreichte die Stallungen und schaute sich dort unbemerkt um. In einer leeren Box versteckte sie ihren Beutel mit den Waffen unter dem Stroh und zog sich um. Sie kleidete sich als einfache Wirtshaus-Dirne und wollte in den Tavernen der Burg nach Arbeit fragen. Kurz fröstelte es sie, als sie nackt und verletzlich in dem Stall stand. An einem Gürtel unter ihrer Tunika verbarg sie ihren Dolch und das Kurzschwert. Den Pfeil und den Bogen ließ sie in ihrer Tasche zurück. Ginygritte blickte durch das Fenster nach draußen. Bis Sonnenaufgang war noch lange hin. Sie ging in die Hocke und fiel in eine Art Nachtstarre. Mehr war für sie nicht nötig, um sich von den Strapazen des Tages zu erholen. Kaum waren die ersten Strahlen der Morgendämmerung am Horizont zu erkennen, stand Ginygritte auf und verließ ihr Versteck. Ihre Tasche mit Pfeil und Bogen hing sie sicherheitshalber doch um ihre Schulter. Unbemerkt schlich sie draußen und wartete bis das Treiben auf dem Hof der Königin begann.

Die Sonnenstrahlen schienen durch das Fenster und weckten Marcel. In seinen Armen schlummerte noch immer Ezechia. Er blickte an ihr herab. Sie wirkte so verletzlich, so zerbrechlich, so schützenswert. Mit einem sanften Kuss auf die Stirn weckte er sie auf. Müde blinzelte sie ihn an und schmiegte sich an seine nackte muskulöse Brust.

„Willst du denn wirklich schon aufstehen?“, flüsterte sie gähnend. „Es ist doch noch Zeit. Zeit für etwas Besseres.“

Entgeistert blickte er sie an. „Was meinen, Prinzessin?“

Sie antwortete nicht. Ihre Hände verschwanden unter der Bettdecke und im nächsten Moment wanderten ihre Finger mit zarten Berührungen den nackten Körper auf und ab. Ein Schauer, wie ein warmer Sommerregen durchfuhr Marcels Körper. „Du unersättlicher kleiner Nimmersatt“, flüsterte er liebevoll und knabberte zärtlich an ihrem Ohrläppchen.

„Wieso? Wenn ich dich heute den ganzen Tag nicht sehe, muss ich doch eine Erinnerung haben bis zum Abend. Außerdem möchte ich dir zeigen, wie wir Elfen lieben können. Auch wenn die Königin es nicht mag, wenn wir in solchen Büchern lesen, so sollte man doch in allen Lebenslagen belesen sein“, antwortete sie.

„Da bin ich mal gespannt“, entgegnete er und ließ seiner Ezechia die Führung. Sie hatte nicht zu viel versprochen und Marcel war erstaunt vom Liebesakt auf Elfenart. Ezechia verführte ihn einmal in den Himmel oder wieder zurück. Glücklich und verschwitzt sank sie an seine Seite.

„Ich hoffe nur, wir bekommen in Zukunft kein Problem, wenn du es lieber auf Elfenart und ich es lieber auf die Art, wie du es in deiner Welt mit den Frauen machen würdest haben möchtest“, flüsterte sie grinsend.

„Ein bisschen Abwechslung schadet doch nicht. Es gibt in meiner Welt so viele Techniken, um eine Frau zu beglücken.“

„Schön“, antwortete sie verträumt. „Ich will alle kennenlernen.“

Marcel lächelte verträumt und blickte Ezechia in die Augen. „Weißt du, dass wir in unserer Welt Geräte haben mit denen wir in die Luft steigen können?“

„Nein. Erzähl mir davon. Sind sie etwa wie Drachen?“

„Nicht ganz. Eher wie riesige Vögel mit mächtigen Schwingen“, entgegnete Marcel. „Und man vergleicht das Liebesspiel einer Frau gerne mit einem Flug in diesen Flugzeugen.“

„Wie denn das?“ Marcels Worte erfüllten Ezechias Neugier mit einem Hauch von Erregung.

„Man soll sie mindestens fünfmal am Tag besteigen und dann in den siebten Himmel führen und sicher landen“, erklärte er ihr die Metapher.

Ezechia lachte laut auf. „Dann habe ich ja noch viermal gut, Herr Flugmaschinenführer.“

Marcel hob verführerisch die Augenbraue. „Allzeit bereit, Madame.“

„Madame?“

„Ja. So bezeichnet man sein Mädchen oder die Dame an seiner Seite. Du bist MEINE DAME“, erklärte er.

„Bereit zum Abheben, mein Herr“, flüsterte sie keck.

Sie liebten sich und verpassten das Frühstücksbankett im Thronsaal, doch das war ihnen egal. Nach einem ausgiebigen Liebesspiel, einer langen Wäsche und in frische Kleidung gehüllt, nahmen sie mit den Resten des Vorabendes vorlieb, ehe sich Marcel auf die Suche nach Lord Harbor begab und Ezechia ihren Pagendienst aufnahm. Sie freuten sich auf den Abend und behielten die heiße Nacht und den feurigen Morgen in ihrem Herzen.

„Ihr habt ein ausgiebiges Frühstück verpasst, Marcel“, begrüßte Lord Harbor den Auserwählten, als er die Halle betrat.

„Ein frisches Frühstück vielleicht“, flüsterte er kaum vernehmbar, „aber dafür wurde ein anderer Hunger gestillt.“

„Keine weiteren Worte, Marcel. Keine weiteren Worte“, grinste Lord Harbor. „Ihr wisst um den Termin mit der Königin später?“

„Ja“, sagte Marcel. „Ich hoffe nur, dass Strewberry auch einen erfolgreichen Abend hatte.“

„Zwei Kämpfer im Liebesglück“, schüttelte Harbor lachend den Kopf und blickte sehnsüchtig zu dem Platz, wo vorher noch Königin Aluanda gesessen hatte. Er hatte eine Schwäche für die junge Regentin, doch war er vom Stand her kaum dazu bestimmt, die Herrscherin des Königreiches zu ehelichen.


Der Drachenprinz

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