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Kapitel 4 – Verwechslungen

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Nachdenklich schritt Königin Aluanda in ihren Gemächern auf und ab. Zwar hatte sich der Kämpfer der Prophezeiung gefunden, doch ahnte sie, dass die große Schlacht um das Wohl und Wehe ihres Königreiches bevor stand. Es musste schnellstmöglich eine Lösung her. Ihr Mittagessen, was aus einem Stück Brot und Fisch bestand, hatte sie nicht angerührt. Hastig trank sie einen Schluck Wein aus ihrem Kelch und marschierte schnellen Schrittes zum Thronsaal. Zwei bewaffnete Kammerdiener begleiteten sie. Trotz des bewaffneten Begleitschutzes umgab die Herrscherin noch immer der Mantel der Furcht. Der Schock über den schrecklichen und beinahe vollständig gelungenen Anschlag auf sie und ihre Regentschaft saß noch immer tief. Jedes Mal, wenn sie sicher von ihren Privatgemächern an den gewünschten Ort gelangte durchströmte sie ein Gefühl der Erleichterung. Mit einem starken Mann als König an ihrer Seite würde sie sich sicherer fühlen. Den aus der Menschenwelt gekommenen Marcel würde sie für dieses Vorhaben nicht mehr gewinnen können. Sie wusste von der gegenseitigen Liebe zwischen ihm und ihrer Kammerzofe Ezechia. Königin Aluanda hegte keinen Groll gegen ihre Zofe. Sie gönnte ihr dieses private Glück. Magier Octurian betrat den Thronsaal und begrüßte die Königin höflich und in voller Würde und holte Aluanda in die hiesige Welt zurück.

„Ihr seht nachdenklich aus, Majestät“, erkundigte sich der weise Magier besorgt.

„Nun, wo sich die Prophezeiung zu erfüllen droht, wird alles so greifbar so reell. Dann dieser Anschlag auf die Krone von jemandem, der an unserer Seite kämpfen sollte. Ich fürchte, dass ich versagen werde. Wegen mir ist Alplanden dem Untergang geweiht.“ Ihre Stimme wurde mit jedem Wort verzweifelter. Die Augen der Königin schienen sich mit Tränen zu füllen. Octurian bemerkte dies, nahm sie beim Arm und führte sie etwas beiseite.

„Majestät“, sprach er leise, damit nicht jeder der geladenen Heeresführer und Gäste mitbekam, wie angeschlagen die Königin war. „Euer Handeln war bisher immer richtig und wird es auch immer sein. Vertraut Euch selbst. Ich erinnere mich an Euren Großvater, König Salazarus der Dritte. Er war ein gütiger und gerechter König, das Volk liebte ihn, doch sein Neffe schaffte es Söldner um sich zu scharen und eine wahre Schlacht auf dem Hof der Burg einzuläuten. Er hat die Schlacht gewonnen und die Aufrührer, als er sich von seinen Verletzungen erholt hatte, selbst gerichtet und plötzlich war seine Beliebtheit dahin. Das Elfenvolk wollte keinen rachsüchtigen Tyrannen auf dem Thron, sondern einen gütigen, gerechten und weisen König. Diese Stimmung brachte Euren Großvater dazu von seiner Regentschaft zurückzutreten und den Weg für Euren Vater freizumachen. Wäre Unwyn getötet worden, Euch hätte wohl das gleiche Schicksal gedroht.“

„Ihr habt ja Recht“, entgegnete Aluanda ungeduldig. „Beliebtheit beim eigenen Volk ist ja schön und gut, aber ich fürchte eher die Orks und Trolle. Wir brauchen auf schnellstem Wege die Verbundenheit mit den Drachen. Ihr selbst wisst, dass es von hier ein Marsch von drei Tagen ist, bis man auf den Gipfeln des Sarangebirges ist, wo sich die Drachen befinden. Ob sie Marcel als den Auserwählten anerkennen, steht auch in den Sternen. Ich will ihn auch nicht ohne eine gut gerüstete Armee aufbrechen lassen, denn die Reise ist weit und beschwerlich. Das heißt damit fehlen uns auch hier wieder Männer, falls Fürst Zorshrek seine Truppen in eine Schlacht führt.“

„Falls er sie in die Schlacht führt. Wir haben allerdings Unwyn in der Hinterhand“, bemerkte Octurian.

„Wie meint Ihr das?“

„Wenn Zorshrek auf Unwyn vertraut und erst nach Erhalt einer Botschaft reagiert, schicken wir ihn eine Woche nachdem Marcel zum Gebirge, wo die Drachen ruhen aufgebrochen ist, über die Mentfruberge und lassen ausrichten, dass der Auserwählte auf dem Weg zu den Drachen ist. Zorshrek wird versuchen unsere Armee im Sarangebirge abzufangen und dort wenn alles nach Plan läuft weder Drachen noch Marcel und seine Garde vortreffen. Es ist ein hohes Risiko, Majestät, aber es würde uns eines bringen: Zeit.“

Nickend dachte Königin Aluanda über die Idee ihres ersten Beraters nach. Es war in der Tat ein Risiko, aber was für eine Wahl hatte sie. Alle anderen Wege würden in eine Blitzschlacht führen, in der sie zahlenmäßig unterlegen war. „Also gut“, flüsterte sie zu Octurian. „Ich werde Eure Idee in der Besprechung erläutern. Wir müssen agieren, bevor Zorshrek reagieren kann.“

Octurian lächelte. „So gefallt Ihr mir besser, Majestät.“

Die beiden drehten sich um, erwiderten die Grüße der bereits eingetroffenen und geladenen Elfen und nahmen auf ihren Plätzen an der Stirnseite der langen Tafel Platz. In der Mitte des Tisches lag eine Karte ausgebreitet. Kurze Zeit später betraten Lord Harbor, Marcel Gerber und Strewberry den Thronsaal und nahmen auf drei freien Plätzen in der Nähe der Königin und des Magiers Platz.

„Ich freue mich, dass Ihr meine treuen Kommandeure und Heeresführer meiner Einladung gefolgt seid und an dieser Runde Platz genommen habt. Wir haben Dinge von großer Tragweite zu besprechen. Wie sicherlich Euch allen bekannt ist, wurde die Krone vor zwei Tagen Opfer eines heimtückischen Anschlags aus den eigenen Reihen. Wir haben zwei Kammerdiener verloren und eine Kammerzofe wurde schwer verwundet. Ziel des Attentates war es mich zu stürzen und Fürst Zorshrek die Herrschaft auf dem Silbertablett zu servieren. Nur dank des beherzten Eingreifens von unserem neuen Freund Marcel, der aus einer anderen Welt in unsere Mitte getreten ist, ist es zu verdanken, dass Alplanden so besteht, wie Ihr es alle kennt. Aufgrund dieses Ereignisses ist damit zu rechnen, dass Zorshrek seine Heere aufstellt und schon bald in die Schlacht gegen uns ziehen wird. Da auch der schwarze Magier Grindelmort Voldewald in seine Intrigen verstrickt ist, werden auch die Nachtelfen dieser Armee angehören. Diese Schlacht alleine zu gewinnen könnte schwierig bis unmöglich werden. Deswegen möchte ich nun Nägel mit Köpfen machen.“

Königin Aluanda hielt kurz inne und blickte in die gebannten Gesichter der Runde. „Marcel“, fuhr sie fort und der Angesprochene erschrak kurz. „Ihr brecht alsbald in die Berge auf, um Euch zum Sarangebirge zu begeben. Dort werdet Ihr das Bündnis mit den Drachen erneuern. Sobald Ihr sie auf unserer Seite habt, kehrt Ihr so schnell wie möglich zurück. Ich werde Euch mit Lord Harbor und Strewberry ein kleines Heer auf die Reise mitschicken. In der Zwischenzeit werden wir unsere Wachbereitschaften an den Grenzen erhöhen. Je früher wir über Truppenbewegungen unserer Feinde Bescheid wissen, umso besser. An alle Kommandeure mahne ich nochmals: Haltet Eure Truppen in Kampfbereitschaft. Wir müssen gewappnet sein.“

„Das ist ja alles schön und gut“, warf Magister Torjon ein, der ebenfalls eingeladen war. „Doch haben wir schon öfters erleben müssen, dass wir Zwerge bei einem Angriff von Trollen und Orks ganz schlechte Karten haben. Sollten sie mit ihren Truppen Alplanden überrennen, wird unsere Siedlung dem Erdboden gleichgemacht.“

Aufgebrachtes Gemurmel setzte nach diesen Worten ein. Königin Aluanda hob ruhig und beschwichtigend die Hand. „Beruhigt Euch. Magister Torjon, ich verstehe Eure Sorge, sehr sogar. Octurian, ich frage Euch und Eure Weisheit. Wie können wir den kleinsten Untertanen unseres Reiches Schutz gewähren?“

Der Magier dachte nach, ehe er sich erhob und den Anführer der Zwerge direkt ansprach. „Torjon, mein alter Freund. Ihr und Euer Volk braucht keine Furcht zu hegen. Wir bieten Euch und den Bewohnern von Kuhlidorf das große Gästehaus unter dem Goldenen Bergfried an. Dort könntet Ihr alle unterbringen. Was haltet Ihr davon?“

Der alte Zwerg ließ sich die Worte des Magiers durch den Kopf gehen, er nickte und dem Zauberer mit pathetischer Stimme antwortete: „Ja, das ist eine sehr gute Idee. Und ich verspreche Euch, sollte es zum Äußersten kommen, werden wir an Eurer Seite kämpfen und sterben. Für Alplanden und unsere Königin!“

„Für Alplanden und unsere Königin!“, stimmten die anderen in der Runde ein.

„Ihr dürft nun gehen“, bestimmte Aluanda. „Außer Lord Harbor, Marcel und Strewberry. Ihr drei bleibt zur weiteren Unterredung noch hier.“

Nach und nach verließen die Anwesenden den Thronsaal bis nur noch die Königin, der Magier Octurian und die drei angesprochenen Männer im Raum waren.

„Ich möchte mit euch Dreien die letzten Details Eurer Mission besprechen“, sagte sie. „Der Trupp, der Euch begleitet und beschützt, Marcel fasst 40 Mann. Das ist die höchste Zahl, die ich Euch entbehren kann. Ihr verlasst die Burg über das Osttor. Dann folgt den Pfad bis zur Meidesbrücke. Dort haltet Ihr Euch gen Westen und folgt den Pfad von Bembardos. Dieser sollte Euch binnen drei Tage auf die Gipfel des Sarangebirges bringen. Erneuert das vor Jahrtausenden erschaffene Bündnis, welches mein Vorgänger König Rowentorian der Erste und der Anführer der Drachen Zupandrak geschlossen haben. Wir wissen, dass die Nachfolger dieses Bündnisses viel dafür getan haben, dass wir nur noch Bruchstücke dieses Bundes vorweisen können und wir bereuen uns es zutiefst. Reicht dem Führer der Drachen dieses Amulett. Es wurde vor 40 Jahren von Sir Faljon den Drachen aus ihrer Schatzkammer entwendet. Ich kann nicht rückgängig machen, was geschehen ist, doch ich möchte Frieden schließen mit unseren Freunden aus alter Zeit. Nicht nur in Zeiten der Gefahr und Not, sondern in Zeiten des Friedens. Überreicht ihnen unsere guten Wünsche und kehrt hoffentlich mit froher Kunde heim, Marcel. Ganz Alplanden bangt mit Euch über den guten Ausgang Eures Auftrages.“

Marcel nickte. „Eure Majestät, ich werde alles Erdenkliche tun, um dem erfolgreichen Abschluss der Quest nicht im Wege zu stehen.“

Fragend blicken ihn die Königin und die drei Männer an.

„Ich bitte vielmals um Verzeihung, Majestät. Ich werde alles Erdenklich tun, um der erfolgreichen Erledigung meiner Aufgabe nicht im Weg zu stehen.“

„Das ist sehr lobenswert“, sagte Octurian. „Bedenke aber, dass Drachen ihren eigenen Willen haben. Wenn du sie zwingen willst mit Gewalt, wirst du untergehen. Aber sie haben auch Gefühle. Bedenke das bei deinem Abwägen.“

Marcel nickte. „Ich werde Euren weisen Rat befolgen, mächtiger Octurian.“

„Wir vertrauen Euch voll und ganz“, ergänzte die Königin. „Und nun brecht auf. Nehmt ausreichend Proviant mit, denn Ihr habt einen langen Weg vor Euch.“

Die drei Männer nickten.

„Meine Königin“, begann Lord Harbor. „Ich werde die Truppen zusammenziehen. In zwei Stunden werden wir abreisen. Dann haben wir die Meidesbrücke erreicht und können am Pfad das erste Nachtlager errichten.“

„So sei es, mein lieber Lord Harbor. Unsere Gedanken sind bei der Reise von Euch, Marcel, Strewberry und den anderen 40 Reiter. Wir vertrauen auf euer Geschick.“

War es eine Träne, die in den Augen der Königin blitzte? Marcel verneigte sich, wie die anderen beiden Männer und verließ mit ihnen den Thronsaal. Im Gang angekommen, nahm sich Harbor Marcel und Strewberry an seine Seite.

„Zwei Stunden habt Ihr zum Packen und zu allen anderen wichtigen Dingen. Nutzt sie weise. In zwei Stunden reiten wir vom Burgtor aus los. Marcel, du bekommst die Schimmelstute von gestern. Sie scheint dich zu mögen und du bist gut bei ihr im Sattel gesessen.“

„Ganz, wie Ihr befehlt.“

Ihre Wege trennten sich. Während Lord Harbor und Strewberry durch das Haupttor des Schlosses auf den Burghof traten, ging Marcel den Gang zu seinem Gemach. Ezechia hatte ihn schon sehnsüchtig erwartet und bemerkte den traurigen Blick in seinen Augen.

„Was ist los, mein Prinz?“, fragte sie sanft.

„Die Königin schickt uns ins Sarangebirge. Wir sollen das Bündnis mit den Drachen erneuern, ehe sich Zorshrek zur Schlacht aufstellen kann. Und um keine Zeit zu verlieren, reisen wir in zwei Stunden ab.“

Marcel kramte ein zwei Ledertuniken aus dem kleinen Schrank, ein Kettenhemd, eine Lederhose, einen Eisenhelm und ein Kurzschwert. Er wollte, wenn es zum Kampf kommt eine zweite Waffe haben und nicht das Schwert von Konik durch Unachtsamkeit verlieren, beschädigen und beschmutzen. Mit einem traurigen Blick war Ezechia hinter ihn getreten.

„Ich habe damit gerechnet, dass dieser Moment naht, aber dass er so früh schon ist“, flüsterte sie ihm ins Ohr.

„Ich hätte es auch gerne länger herausgezögert“, erwiderte Marcel. „Und am liebsten würde ich dich mitnehmen, meine Prinzessin, aber ich glaube unter 40 Männern, von denen 39 ohne weibliche Begleitung unterwegs wären, wäre das sehr schwer für beide Seiten auszuhalten.“

„Du hast ja Recht. Aber du hast ja noch ein wenig Zeit. Und ich wüsste, wie wir das Burgtor gut im Blick haben können.“

Ihre zarten Hände schoben sich unter das weiße Hemd und berührten den muskulösen Oberkörper. Sie leitete Marcel in die Nähe des Fensters, wo der Tisch stand. Mit einer einzigen Handbewegung hatte sie Teller, Becher und was sich sonst noch darauf befand heruntergefegt. „Entführe mich noch einmal in den siebten Himmel, wie du in deiner Welt sagst“, flüsterte sie lüstern. „Vielleicht ist es unsere allerletzte Gelegenheit dafür.“

Ohne weitere Vorreden zogen sich die beiden aus. Ezechia legte sich rücklings auf den Tisch, während Marcel sie sanft an den Rand des Tisches legte und ihr stehend das gab, was sie von ihm wollte. Immer wieder blickte er runter durch das Fenster in den Hof. Sie schafften ihr Liebesspiel zweimal durchzuziehen, ehe sich die ersten Reiter im Burghof sammelten. Hastig zog sich Marcel an, während Ezechia ein paar Tropfen seines Liebesnektars aufleckte und genüsslich schluckte. Dann zog sie sich ihr weißes Nachthemd über den Kopf und schlüpfte in ein grün-goldenes Kleid. Mit einer passenden Kopfhaube bedeckte sie ihr Haar. Marcel nickte mit einem Lederrucksack gewappnet und den beiden Schwertern an seinem Gürtel ihr kurz zu und dann folgte Ezechia ihm. Auf dem Weg in den Burghof trafen sie Strewberry und Senja. Marcel und Strew umarmten die Gefährtin des Anderen herzlich und dann gingen sie gemeinsam zum Burghof. Von den Gefühlen des nahenden Abschieds abgelenkt, merkten sie nicht, wie sie beobachtet wurden.

Hinter Weinfässern hatte sich Ginygritte versteckt, die das Szenario ausspähte. Sie beobachtete das genaue Vorgehen. Die herzzerreißenden Abschiedsszenen bei den Gefährtinnen von Strewberry und Marcel und dann wie sich der über 40-Mann starke Reitertrupp in Bewegung setzte. Die beiden Frauen blieben noch lange stehen und winkten hinterher. Ginygritte überlegte einen Überraschungsangriff, doch es war zu offensichtlich. Zu viele Wachen der Königin und die Königin und Magier Octurian waren beim Abschied mit anwesend gewesen. Wenn es stimmte, was sie gehörte hatte, waren der Auserwählte seine Reiter unterwegs ins Sarangebirge. Sie wusste, dass sie damit fast eine Woche Zeit hatte einen Plan zu entwerfen und ihn umzusetzen. Teuflisch grinsend wandte sie sich um und ging ihrer Arbeit in der Küche der Königin nach. Insgeheim hatte sie gehofft durch ihre Küchentätigkeit einen Giftanschlag auf den Hofstaat durchführen zu können, doch da alle Speisen vorm Servieren vom Vorkoster geprüft wurden wäre dieser Plan zu schnell aufgeflogen. Es musste ein mit List und Tücke durchdachter Plan entwickelt werden.

Auf der anderen Seite der Mentfruberge hatte sich Grindelmort Voldewald eine Audienz bei Fürst Zorshrek geholt. Der schwarze Magier berichtete von dem Einschleusen der Kopfgeldjägerin an den königlichen Hof.

„Seid versichert mein Herr, wenn Ginygritte Erfolg hat, werdet Ihr schneller auf den Thron von Burg Karamurg setzen, als dieses Königreich erschaffen wurde.“

„Das will ich hoffen“, knurrte Zorshrek. „Ich hoffe, dass unser kleiner Spion Unwyn keine weiteren Fehler mehr macht. Kommt angeritten, um von der Ankunft des Auserwählten zu berichten, aber kennt keine weiteren Details. So ein Schwachkopf. Hätte er gewartet, hätten wir schon jetzt das Heer positionieren können.“

„Gutes Personal ist so schwer zu finden, mein Fürst“, schleimte der dunkle Zauberer. „Seid siegesgewiss, dass schon bald Euer Exil in dieser Einöde ein Ende hat.“

Die Augen des Orks funkelten zornig. „Wenn Eure Versprechen nur leere Worte sind, werdet Ihr ein Teil meiner persönlichen Galerie sein.“ Der Zauberer schluckte schwer. „Meiner Galerie der ausgehöhlten Ratgeberköpfe!“, fügte er grinsend hinzu.

Voldewald hielt dem Blick stand. „Meine Magie würde ohne Eure Bösartigkeit nicht funktionieren. Euch gebührt der Thron über Alplanden. Und ich werde Euch loyal beraten, mein Fürst.“

„Das will ich hoffen“, entgegnete Zorshrek. „Und nun bewegt Euch hinfort. Eure Audienz ist beendet.“

„Wie Ihr wünscht.“ Mit einer schleimigen Verbeugung, kehrte sich Grindelmort Voldewald um und verließ den Thronsaal. Mit zornigem Blick ließ er die öde Steinfestung hinter sich, zückte seinen Zauberstab und teleportierte sich davon. Sekunden später materialisierte sich der Schwarze Magier an einer Ruine in Krannwald. Krannwald war eine Bergsiedlung in den Höhen der Amaroti-Berge, nördlich von Aluandas Königreich lagen. Vor Jahren, als die Nachtelfen im Frieden mit den Elfenvölkern lagen florierte der Handel zwischen den Völkern und Krannwald war eine blühende Stadt, die sich von den Bergen bis ins Tal schlängelte. Das Königshaus der Elfen gestattete den Nachtelfen einen eigenen Regenten, um die Politik in der Stadt zu betreiben, die sogenannten Wächter des Nordens. Einer dieser Wächter, Telon der Starke missbrauchte seine Macht und rief sein Nachtelfenvolk zu Revolte gegen das Königshaus, welches die Elfen in einer verlustreichen Schlacht niederschlagen konnten. Mit ihrem Bündnispartner den Drachen wurde Krannwald bis auf wenige Häuser vollständig zerstört. Die prächtige Burg Krannwald stand nur noch in Ruinen und hier hatte sich Grindelmort Voldewald sein Refugium eingerichtet. Er nahm das alte Herrenzimmer ein und hatte einige andere Räume mithilfe seiner Magie bewohnbar gemacht. Eine kleine Gruppe seiner engsten Anhänger und Ratgeber lebten ebenfalls in den zugigen Räumen der Ruine. Die restlichen Nachtelfen lebten in den alten Häusern und Hütten, die nicht dem Drachenfeuer zum Opfer gefallen waren. Ihre Aufgabe war der Bergbau. Für seine schwarze Magie benötigte Grindelmort spezielle Edelsteine, die nur im Innern des Berges Amaroti zu finden war. So gab es der Schwarzmagier seinen Schergen weiter, doch sein Ziel war eine alte Legende von Alplanden. Im Bergmassiv soll sich einer Erzählung zu Folge ein Edelstein befinden, dessen Essenz seinem Besitzer wahrhaft göttliche Allmacht verleihen würde. Für die grausamen Herrscher-Pläne von Grindelmort ein wichtiger Faktor. Im Besitz dieser Macht wollte er alle Völker in Alplanden ausrotten, die Drachen bannen und mit seinen Nachtelfen über Alplanden herrschen. Sollte jetzt Marcel an die Führung über die Drachen gelangen, fürchtete Grindelmort seine Felle davon schwimmen zu sehen. Sein Bündnis mit Zorshrek war ein Zweckbündnis, welches auf dünnem Eis gebaut war. Sollte es scheitern, waren auch seine Macht dahin und sein Leben verwirkt. Wütend schnaufend lief er durch die ehemalige Empfangshalle der Burg.

„Alvur!“, brüllte er durch den Gang.

„Ihr habt gerufen, Mylord Voldewald“, antwortete ein gebückter Nachtelf in schwarzem Umhang gekleidet kriecherisch und kam ihm auf halbem Weg entgegen.

„Wie weit kommen wir voran?“

„Es gab erfolgreiche Sprengungen in den verschiedenen Stollen, Mylord. Die Ausbeute an Edelsteinen ergab zehn Phiolen an magischer Essenz, die wir heben konnten.“

„Gut. Gab es besondere Vorkommnisse oder Entdeckungen?“

„Nein“, entgegnete der erste Diener des Magiers.

„Setzt die Arbeiten fort. Tag und Nacht, wenn es sein muss. Wir brauchen mehr Phiolen. Mehr Macht.“ Der schwarze Magier wirkte zornig.

„Ich werde es ausrichten.“

„Dann geht und lasst mich allein.“

Mit einer tiefen Verbeugung verließ Alvur seinen Herrn, während Grindelmort Voldewald die Halle verließ und in seine Kammer ging. Der Zorn wuchs. Der Spiegel mit dem milchigen Glas bekam einen mächtigen Fluch des Magiers zu spüren, ehe er in tausend Scherben zerbarst.

„Wird mir je die Macht zu Teil werden, die mir von Geburt in die Wiege gelegt wurde?“, sagte er zu sich selbst. Zorshreks Armee ist mächtig, aber sind die Trolle und Orks doch nur Kampfmaschinen ohne Schläue und ohne List. Für einen Aufstand mit meinen Nachtelfen ist unsere Zahl zu klein und unsere Waffen zu schwach, dank Telons Unfähigkeit. So kann ich nicht die Stärke unseres Volkes nutzen.“

Der dunkle Zauberer ging zu einem Bücherregal und nahm sich ein Buch in einem schwarzen Umschlag heraus. An der Stelle, wo ein Lesezeichen eingelegt war, schlug er es auf. Es war ein Zauber, den er bereits angewandt hatte. Die Beschreibung schien seine Laune zu heben. Ein zufriedenes und glückliches Lächeln huschte über seine schmalen Lippen.


Die Reitergruppe um Marcel Gerber, Lord Harbor und Strewberry kamen gut voran. Die Sonne stand bereits knapp über dem Horizont, bereit die Abenddämmerung einzuleiten. Marcel schloss auf seiner Schimmelstute zu Harbor auf.

„Wo befinden wir uns?“, wollte er wissen.

„In etwa zwei Meilen sollten wir den Pfad von Bembardos erreichen. Dort gibt es nettes kleines Gasthaus, wo wir uns gut erholen, unsere Vorräte auffüllen und was Leckeres essen können“, erwiderte Harbor. Sein Atem begann bereits sichtbar zu werden. Die Wärme des Tages begann durch die Kühle der nahenden Nacht abgelöst zu werden. Lord Harbor blickte sich um. In seinem Blick lag Entschlossenheit. Er wollte die Nacht auf keinen Fall in der Kälte verbringen. „Beschleunigt den Schritt Eurer Pferde!“, befahl er.

Die Reiter nickten und beschleunigten den Trab der Pferde. Marcel setzte sich hinter Lord Harbor, um sich mit Strewberry unterhalten zu können.

„Sag mal, Strew. Könnte man nicht über diese Brücke, wie hieß sie noch gleich das Sarangebirge erreichen?“, fragte er den erfahrenen Krieger.

„Du meinst die Meidesbrücke? Vergiss es, das ist viel zu riskant“, entgegnete Strewberry. „Sicherlich sind wir schneller oben, doch spätestens auf halber Strecke müssen wir aufgrund des Geländes die Pferde zu Fuß hinaufführen. Altnar, der Erbauer hat diesen einen Weg konstruiert, um sich selbst ein Denkmal zu setzen. Es heißt sein Trupp wurde auf dem Brückenpfad von den Kuslaks angegriffen. Als Träger des Drachenrings, welches früher das Bündnis mit den Drachen deutlich machte, konnte er die weißen Drachen auf dem Gipfel des Berges um Hilfe bitten. Kardrak und seine Drachen bereiteten den Kuslaks ein wahres Inferno. Aus Dankbarkeit und aufgrund der Tatsache, dass die Meidesbrücke verschiedene Routen und Grenzübergänge des Königreiches verbindet hat er den Bembardos Pfad konstruiert.“

„Was sind Kuslaks?“

„Die Echsenvölker jenseits des Meeres, welches Alplanden umgibt. Sie leben auf den Habanera Inseln und sind Krieger, die dem Tod nicht abgeneigt sind. Ihre Waffen sind zwar altbacken aus tropischen Hölzern, aber brandgefährlich. Ich kenne nur die Geschichten, da sie einen Kleinkrieg mit den Trollen ausfechten, aber ein Kommandant hat mir erzählt, dass die Lanzen, Speere und Schwerter mit Schlangengift eingerieben werden, welches nahezu tödlich ist. Nur Octurian ist in der Lage das Gegengift zu brauen und früher sind viele Soldaten mit einer Phiole des Gegengiftes am Gürtel losgezogen“, erzählte Strewberry.

Marcel blieb wissbegierig. „Wie viele Völker gibt es denn noch in Alplanden und rund um Alplanden?“

„Zum einen das Drachenvolk, wir Elfen, die Zwerge, dann die Orks und Trolle, die sich an der südwestlichen Grenze befinden. Es gibt auch Nachtelfen, die früher ein loyales und treues Bündnisband mit uns hatten. Des Weiteren haben wir noch die Kuslaks jenseits des Meeres. Es wird berichtet, dass im Nordmeer sich auf den Eisinseln die Wiedergänger befinden. Tote Elfen aus grauer Vorzeit, die durch schwarze Magie wiederbelebt wurden und es kaum ein Mittel gegen sie gibt. Jahrtausende sollen sie Ruhe gehalten haben, doch nun berichten immer wieder Seefahrer von mysteriösen Vorkommnissen auf den Inseln. Es wird eisblauen Lichtern berichtet“, erzählte Strewberry seinem Freund.

Belustigt blickte Marcel ihn an. „Also die Kuslaks kaufe ich dir ja noch ab, aber Wiedergänger aus dem Eis? Das halte ich fast für unmöglich.“

„Ich kann nur erzählen, was mir zugetragen wurde“, antwortete Strewberry.

Nach einer halben Stunde erreichte der berittene Tross dann endlich das Gasthaus. Lord Harbor stieg von seinem schwarzen Schlachtross, reichte es seinem Knappen, damit dieser es festhielt und betrat das Gasthaus. Das prächtige Landhaus am Fuße des Bergpfades wirkte mächtig und bot 200 Reisenden Platz. Hinzu kam noch ein großer Pferdestall, wo die Pferde der Reiter unterkommen konnten. Lord Harbor begrüßte den Eigentümer des Hauses Albus Gotor. Der schlaksige, braunhaarige Elf hatte das Haus von seinen Eltern übernommen, womit es in der siebten Generation blieb. Als er Harbor erblickte, erwiderte er seinen Gruß.

„Harbor, alter Freund. Wie geht’s dir?“

„Albus. Sehr gut. Ich bin mit ein paar Mannen im Auftrag des Königshauses unterwegs und wir wollen unser Nachtlager in deinen Räumlichkeiten aufschlagen. Solltest du nicht genug Platz haben, wir haben auch Zelte dabei.“

„Wie viele seid ihr?“, fragte Albus höflich.

„40 und entsprechend viele Pferde.“

Albus Gotor blickte in ein Buch, das auf dem Tresen lag. Hier notierte er die Anzahl der Gäste seines Hauses.

„Führt die Pferde in den Stall. Ich gebe Podrick, Willem und Evnissa Bescheid, dass sie sich um eure Tiere kümmern. Wenn ihr wollt, kann ich morgen unseren Schmied bitten sich die Pferde nochmal anzusehen. Ich vermute, ihr wollt ganz hoch in das Sarangebirge?“

Harbor nickte. „So ist es. Zerschlagenes aus der Vergangenheit soll geheilt werden und ein neues Bündnis des Friedens in Zeiten der Gefahr geschaffen werden.“

„Ich verstehe. Auf jeden Fall solltet ihr einen Schmied nach euren Pferden schauen lassen. Sicher ist sicher, bevor Eure Truppen die beschwerliche Reise antreten. „

„Danke für deine Sorge, Albus. Angesichts der Wichtigkeit der Mission sollten wir deinen Rat befolgen. Unser Aufbruch auf Burg Karamurg war ziemlich übereilt.“

Albus lächelte freundlich. „Seid meine Gäste. Bringt eure Pferde in den Stall, ich werde sofort nach meinem Stallpersonal schicken lassen.“

„Wie immer eine Ehre dein bescheidenes Gasthaus zur Übernachtung nutzen zu dürfen. Und ich hoffe, du hast ein gutes Mahl und Besäufnis einkalkuliert. Meine Mannen sind nach dem Ritt doch sehr ausgehungert.“

„Dann werde ich das Feuer in der Küche noch etwas befeuern und ein weiteres großes Fass Bier reinrollen lassen, mein Freund. Die Rechnung schicke ich an die Krone?“, fragte Albus.

Harbor nickte und Albus Gotor begann die Vorbereitung für die große Anzahl an Gästen zu treffen. Der Hauptmann der Elfen verließ das Gasthaus und forderte seine Mannen dazu auf, ihre Pferde in den Stall zu bringen. Von der Kälte der Nacht angeschlagen, stiegen die Reiter ab, nahmen ihre Pferde am Zügel und führten sie in den großen Stall. Drei Elfen standen bereit, um sich um die Reittiere ihres Besuchs zu kümmern.

„Verdammt“, flüsterte Marcel, als er mit Strewberry und den anderen in Richtung des Gasthauses lief. „Ich habe nichts zum Bezahlen dabei.“

„Mach dir darum keinen Kopf. Wie ich Harbor kenne geht der Aufenthalt hier zu Lasten der Krone, also hau bitte ordentlich rein, denn so ein vorzügliches Essen wird es auf dem Rest der Reise vermutlich nicht mehr geben“, entgegnete Strewberry grinsend.

„Wer weiß, ob wir überhaupt nochmal ein so opulentes Mahl einnehmen können“, stimmte Marcel nach kurzem Überlegen ein. „Lass uns reinhauen.“

„So will ich dich hören, mein Freund.“

Kaum hatten alle Reiter das Gasthaus betreten und an einer großen Tafel Platz genommen war aus der Ferne ein Donner zu vernehmen und das laute Klatschen starken Regens. Mit zwei Kellnerinnen versorgte Albus Gotor die Gäste mit gut gefüllten Bierkrügen.

„Seid froh, dass ihr bei diesem Wetter nicht mehr draußen seid“, meinte er, als ein gleißender Blitz das schwache Fackellicht im Gastraum aufhellte und ein kraftvoller Donner folgte.

„Unsere Zelte würden dieser Gewalt der Natur nicht Stand halten“, bestätigte Lord Harbor. „Wir sollten den Göttern danken, dass wir dein Gasthaus so zeitig erreicht haben.“

Nach gut anderthalb Stunden der munteren Unterhaltung und viel nachgeschenktem Bier brachte Albus ein saftig gebratenes Spanferkel an die Tafel. Mit flottem Schnitt löste er das Fleisch von dem Tier und verteilte es auf die Holzteller. Dazu gab es knusprig gebackenes Schwarzbrot aus dem Feuerofen. Das gut gefütterte Nutztier war von den hungrigen Kriegern innerhalb kürzester Zeit bis auf die Knochen vertilgt. In kleinen Bechern brachte Albus seinen Gästen auf einem großen Holztablett einen Schlummertrunk in Form von Honig vermischt mit feinem Wein. Auf ihren Gastgeber anstoßend prosteten die Männer von Lord Harbor unter einem lauten Donnerschlag sich gegenseitig zu, ehe sie ihre Zimmer in der oberen Etage des Gasthauses bezogen. Lord Harbor teilte sich ein großes Zimmer mit Marcel und Strewberry. Der Lordkommandant nahm eine relativ unbequeme Liege, während sich seine beiden Kämpfer auf den beiden Betten des Gemachs zur Nachtruhe begaben. Zwar protestierten sie lautstark, aber Harbor bestand darauf. „Ihr seid noch jung. Ich bin alt und meine Knochen sind unbequemere Schlafstätten gewohnt. Und wenn ihr nicht Ruhe gebt, dann könnt ihr eure Nacht im Regen verbringen und ich lade mir zwei vollgebaute Wirtshausdirnen ein.“

Die Worte des Kommandanten zeigten Wirkung und wenn auch widerwillig bezogen Strew und Marcel ihre Quartiere für die Nacht. Draußen stürmte, regnete, blitzte und donnerte es munter weiter. Ist das ein Wetter, dachte Marcel bei sich. Hoffentlich wird unsere Reise durch das Unwetter nicht erschwert.


Auch über die Burg Karamurg tobte das heftige Unwetter. Mit skeptischem und müdem Blick stand Octurian am Fenster seines Labors und schaute in die stürmische Nacht. Er dachte an Marcel und seine Mission in Richtung Sarangebirges. Das Wetter auf dem Weg zum Gipfel konnte mitunter sehr launisch werden. Die Kerzen waren bereits fast komplett heruntergebrannt. Müde blickte er zu den Notizen und Unterlagen, die sich auf seinem Schreibtisch türmten. Er beschloss sein Tagwerk für heute zu beenden und zu Bett zu gehen. Mit schwerem Gang wandte er sich vom Fenster ab und hinkte in Richtung Tür. Langsam sperrte er die Tür hinter sich zu und nahm sich eine Fackel aus dem Treppenaufgang um mit einigermaßen gutem Licht in seine Gemächer im Dachgeschoss des Bergfrieds zu gelangen. Seine alten Knochen hatten mittlerweile Mühe den zerbrechlich wirkenden Körper die Stufen hinaufzubewegen, aber er wollte sämtliche Kräfte der Natur spüren. Nach mühevollem Aufstieg, schloss er die Tür zu seinem Gemach auf, als ihn von hinten ein Schlag auf den Hinterkopf traf. Er wollte schreien, doch der Schlag raubte ihm die Luft. Vor seinen Augen explodierten tausend Sterne und er sank geräuschvoll zu Boden. Der Urheber des Angriffs packte den reglosen Körper des Magiers und schleifte ihn in das Schlafgemach. Dort fesselte er den alten Mann, nahm sich dessen Kleidung aus seinem Kleiderschrank und streifte sich einen langen weißen Bart über. Zu guter Letzt griff er sich den Gehstock des Magiers.

„Du wirst leben. Vorerst. Aber erst einmal habe ich etwas zu erledigen für meinen Meister“, sagte eine unbekannte weibliche Stimme.

Geknebelt, gefesselt und kaum fähig sich zu rühren warf der weiße Magier der verkleideten Frau einen verächtlichen Blick zu.

„Wie süß“, spottete sie. „Gefesselt wie eine Fliege im Netz einer Spinne. Doch auch du wirst für den Verrat des Könighauses an mir büßen.“ Höhnisch lachend verließ die Frau das Schlafgemach und ließ den zappelnden alten Mann zurück. Octurian wusste, dass seine Chancen sich aus der Lage zu befreien, verschwindend gering standen. Verzweifelt brachte er alle Konzentration und magische Kräfte seiner Gedanken auf, um sich von den Fesseln zu befreien. Wenn es ihm gelingen würde die doppelt geknoteten Taue an seinen Handgelenken zu lösen. Nach drei erfolglosen Versuchen gab er auf und versuchte über den Schlaf neue Kräfte zu sammeln.


Die brünette Kammerzofe von Königin Aluanda, Ezechia hatte sich in der Schlafkammer der Dienerinnen ihr Nachtlager eingerichtet. Sie wollte nicht ohne ihren Marcel in dem großen Gemach schlafen. Stattdessen überließ sie es ihrer neugewonnenen Freundin Senja dort zu nächtigen. Die schwarzhaarige Wirtin der Taverne „Zur Schwarzen Sonne“ hatte ihr Nachtlager im Gasthaus einer Bedienung für ihr nächtliches Vergnügen überlassen. Mit Ezechia hatte sie rasch Freundschaft geschlossen und nach der tränenreichen Verabschiedung am Burgtor bot die Hofdame ihr an, das verwaiste Gemach ihres Geliebten für die Nacht nutzen zu dürfen. Das tobende Unwetter half überhaupt nicht dabei raschen Schlaf zu finden. Plötzlich hörte sie Schritte auf dem Gang. Senja lauschte. Die Tür zu ihrem Gemach wurde geöffnet. Wer das nur sein mag, dachte sie bei sich. Sie versuchte sich schlafend zu stellen, als etwas zu Boden fiel und zwei Hände nach ihr griffen. Erschrocken fuhr sie herum und spürte einen kräftigen Schlag ins Gesicht. Senja schmeckte warmes Blut an ihrer Lippe. „Was wollt …?“ Weiter kam sie nicht. Als sie ein weiterer Schlag ins Gesicht traf. Ihre Sinne schwanden. Die Hände zerrten an ihr und zogen sie aus dem Bett. Mit einem dumpfen Schlag schlug Strewberrys Freundin auf dem Holzboden im Schlafgemach aus. Der Sturz ging schwer auf die Rippen, sodass ihr die Luft kurz wegblieb. Schwärze breitete sich vor ihren Augen aus. Die Person zog sie an den Armen über den Flur. Erst rieb der Teppichboden an ihren nackten Füßen, dann spürte sie die kalten Marmorfliesen der Schlossgänge, ehe Steinboden ihr bedeuteten, dass sie sich auf dem Burghof befinden musste.

„He da!“, rief eine Stimme der Unbekannten zu. „Magier Octurian, was tut Ihr denn da?“

Die Unbekannte blickte sich um. Eine der Nachtwachen auf den Zinnen der Burg hatte sie im Fackelschein ins Visier genommen. Aber er hatte sie nicht erkannt, sondern sie mit dem Namen ihrer Tarnung angeredet. „Ein Notfall. Die junge Ezechia hatte über Unwohlsein und Schmerzen geklagt. Als ich nach ihr sah fiel sie ihn Ohnmacht. Ich bringe sie gerade in mein Zauberlabor, um ihr besser helfen zu können.“

„Soll Euch jemand helfen, sie dort hinzubringen? Wenn Ihr sie so weiter schleift sind ihre Füße am Ende nur noch blutige Fetzen.“

„Eilt euch.“

Der wachhabende Elf, verschwand kurz, ehe er zurückkam und mitteilte, dass jemand auf dem Weg sei. Er leuchtete von oben mit seiner Fackel, als sich ein Soldat der Garde der Unbekannten und der bewusstlosen Senja näherte.

„Mächtiger Octurian, haltet ein. Ich helfe Euch“, rief er beim heraneilen.

Die verkleidete Unbekannte nickte und senkte den Blick. Um keinen Preis wollte sie auffallen. Ohne die Unbekannte eines weiteren Blickes zu würdigen, packte der Elf Senja an den Füßen und die Unbekannte setzte ihren Weg in Richtung des Bergfriedes fort. Vorsichtig trugen sie die Bewusstlose über die Stufen bis sie an der Tür des Labors standen. Die Unbekannte schwitzte. Verzweifelt versuchte sie die Tür zu öffnen und den richtigen Schlüssel zu finden. Der dritte Schlüssel passte dann. „Manchmal ist man doch sehr zittrig, wenn es um Leben und Tod geht“, murmelte sie mit tiefer Stimme und versuchte so wie Octurian zu klingen.

Der andere Elf lächelte. „Da sagt Ihr was, Magier Octurian. Ich helfe Euch sie auf die Liege zu packen.“

„Danke.“ Der Elf und der vermeintliche Zauberer trugen Senja in das Labor. Ein paar Kerzen waren noch nicht ganz runtergebrannt und verliehen dem Raum eine gewisse Helle. Ein Kerzenschein fiel auf das Gesicht der noch immer besinnungslosen Senja. Auch der Elf blickte beim Weggehen auf das Gesicht.

„Das ist nicht Ezechia, Meister. Das ist Senja, die Wirtin aus der Schwarzen Sonne. Wer seid Ihr? Ihr seid nicht Octurian.“ Er stürzte los und schrie: „HILFE! SCHARLATAN! VERBRECHEN! ALARM IM BERGFRIED!“

Geistesgegenwärtig zog der falsche Magier seinen Stock und verpasste der schreienden Elfe einen kräftigen Schlag in den Rücken und schließlich auf den Hinterkopf. Das rotblonde Haar färbte sich blau. Eine klaffende Wunde verteilte ihr blaues Blut auf den Nacken des Elfen. Entgeistert wandte sich die Unbekannte wieder ihrem Opfer zu. Im Kerzenlicht fiel es ihr auch auf. Es war nicht Ezechia, mit deren Geiselnahme sie Marcel in eine Falle locken wollte, sondern Senja. „Verdammt“, fluchte sie. Sie nahm die Kapuze unter welcher eine wallende rote Haarpracht versteckt war ab und riss sich unter einem kurzen Schmerzensschrei den falschen Bart vom Gesicht. Unter dem Mantel des Magiers Octurian war eine weiße Bluse zu erkennen. Es war die Kopfgeldjägerin der Alplanden, Ginygritte. Was sollte sie nur tun. Instinktiv zerrte sie den ohnmächtigen rotblonden Elfen in das Labor und verriegelte die Tür von innen. Das Labor lag knapp 50 Meter über der Erde. Dieses von Draußen zu erreichen stellte eine schiere Unmöglichkeit da. Man musste die Tür aufbrechen und für diesen Fall sollte nun Senja das Druckmittel sein. Was aus dem ausgeknockten Elfen wurde, das war Ginygritte egal. Ihr Ziel war freies Geleit zu bekommen, um Marcel in die Hände des schwarzen Magiers Grindelmort Voldewald zu führen.


Im Gasthaus am Bembardos Pfad tobte das Unwetter noch ein wenig weiter. Da das Unwetter aus Nordosten kam und somit die Burgbewohner Blitz und Donner überstanden hatten, zogen nun die letzten Ausläufer über die Unterkunft. Ein greller Blitz, gefolgt von einem Donnerschlag, der die Wände erzittern ließ, zuckte über den dunklen Nachthimmel. Schweißgebadet saß Strewberry in seinem Bett auf. „Wir müssen zurück!“, stammelte er. „Zurück zur Burg.“

„Schlaf weiter!“, grummelte Harbor, während Marcel schlaftrunken aufstand und sich seinem neuen Freund zuwandte.

„Was ist los?“, fragte er. „Hast du schlecht geträumt?“

Apathisch saß der junge Elf in seinem Bett, zitterte am ganzen Körper wie Espenlaub und sein Blick war starr vor Angst. „Senja … Senja …“, stammelte er.

„Was ist mit Senja? Was hast du geträumt?“

„Ich habe nichts geträumt. Senja ist in Gefahr. Sie ist überfallen worden und im Bergfried im Labor von Magier Octurian.“

„In Ordnung“, grummelte Harbor von seiner Liege. „Wenn du das nächste Mal vor dem zu Bett gehen, deine sechste Portion Spanferkel essen willst, dann pfeffere ich sie dir eigenhändig vom Teller. Du bist überfressen, kannst nicht schlafen und hast schlecht geträumt. Es wird schon alles gut sein auf der Burg.“

„Ihr versteht nicht“, entgegnete Strewberry immer noch kreidebleich, aber etwas gefasster. „Ich hatte schon früher diese Fähigkeit. Elfen, die mir besonders nahe stehen bauen eine geistige Verbindung auf von der sie nichts wissen und ich sehe, wenn sie in Gefahr sind.“

Wütend feuerte Lord Harbor sein Kissen in Strewberrys Gesicht. „Jetzt halte endlich dein dämliches Maul! Wir haben eine lange Mission vor uns und hier die Möglichkeit gut zu ruhen. Stattdessen müssen wir uns dein wirres Traumgeseire anhören! Ich hab es satt mit dir!“

„Marcel“, flüsterte er, „so glaub mir doch. Senja ist in Gefahr und Ezechia und die Königin werden es auch sein. Wenn wir jetzt losbrechen sind wir bis zum Nachmittag zurück.“

„Ich weiß nicht, was ich noch glauben soll“, erwiderte Marcel leise und mit Skepsis. „Seitdem ich hier bin passiert eine Geschichte, an die ich nie geglaubt habe nach der anderen. Ich will Harbor und die anderen nicht zurück lassen.“

„Wir lassen ihnen eine Nachricht da“, drängte Strewberry. „Bitte. Alleine schaffe ich es nicht. Wir brauchen Fackeln und zwei Pferde. Hilf mir, mein Freund.“

Furchtvoll und vorsichtig blickte Marcel zur Liege. Der Kopf Harbors war unter die Decke geschlungen, um so wenig Lärm wie möglich mitzukriegen.

„Lass uns gehen.“

Hastig zog Strewberry aus seiner Tasche, die er am Gürtel getragen hatte ein Stück Pergament und eine Feder.

„Wo hast du das her?“, fragte Marcel.

„Ich wollte eigentlich Senja von unserer Reise berichten. Aber Senjas Leben zu retten, erscheint mir wichtiger als Reisetagebücher.“

Ohne langes Überlegen kritzelte er eine kurze Botschaft auf das Pergament und legte es auf den Tisch im Zimmer. Marcel und Strewberry zogen sich so leise wie möglich an, schnappten ihre Waffen und schlichen sich heraus. Die Tür zum Gasthaus war nicht abgesperrt. Die zwei schlichen zum Stall. Mit zwei Fackeln bewaffnet, suchten sie ihre treuen Reittiere heraus. In den Nachbarboxen machte sich bei den anderen Pferden Unruhe breit. Vorsichtig und ohne weitere Nebengeräusche gelang es ihnen ihre Tiere aus dem Stall zu führen. So leise wie möglich liefen sie mit den Zügeln neben ihnen her, ehe sie den Kiesweg zum Gasthaus verlassen hatten. Mit der Fackel in der einen Hand und dem sehr schlammigen Pfad unter den Stiefeln war es nicht sehr einfach die Pferde zu besteigen. Als sie aufsaßen, ritten sie los. Marcel hatte alle Mühe seine Stute mit einer Hand zu steuern und zu kontrollieren, während Strewberry getrieben von der Angst um seine neue Freundin es fast spielerisch beherrschte. Der braun-weiße Araberhengst, den er ritt war perfekt auf Strewberry eingestellt und die beiden verstanden sich blind.

„Lass uns kurz anhalten, Strew“, rief er seinem Freund zu, der daraufhin sein Pferd stoppte.

„Was ist los?“

Marcel stieg von seiner Schimmelstute ab, warf die Fackel auf den Boden und trat sie aus. „Sie stört. Ich folge dir einfach, mein Freund“, gab er als Antwort.

„In Ordnung. Schwing dich wieder hoch, wir wollen weiter.“

Marcel stieg auf und Strewberry beschleunigte sofort seinen Hengst. Die weiße Stute hielt dem schnellen Galopp stand und Marcel fiel es nun wesentlich leichter sich auf die Bewegungen und der Schnelligkeit des Pferdes einzulassen. Würden sie es rechtzeitig schaffen Strews Freundin zu retten und die Burg zu erreichen? Was würde die Reaktion auf ihre nächtliche Flucht von Lord Harbor und seinen Reitern sein? Würde er ihnen nachreiten? War es überhaupt richtig was sie machten? Tausend Gedanken schossen Marcel durch den Kopf, doch er war fest entschlossen seinem Freund zu helfen, auch um seine Liebe Ezechia zu beschützen. Wenn dieser unbekannte Gegner eine Elfe entführen konnte, dann könnten auch weitere folgen.

Der Drachenprinz

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