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1. Minimalvorgaben bezüglich Produktionszielen und Güterarten

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Mit der Antwort auf die Frage, was produziert werden soll, wird die Art und der Umfang der Güter festgelegt, die zur Befriedigung der Bedürfnisse der Menschen in einer Volkswirtschaft dienen sollen[594]. Da die Bedürfnisse im Verhältnis zu den Möglichkeiten ihrer Befriedigung theoretisch wie praktisch unbegrenzt sind, muss zunächst eine Prioritätenliste erstellt werden. Die Wirtschaftsverfassung verhält sich in Bezug auf die Ausgestaltung dieser Prioritätenliste – solange diese Güter keine übermäßigen Gefahren in sich bergen – neutral. Aussagen, ob vorwiegend Sachgüter oder Dienstleistungen, Konsumgüter oder Produktionsgüter, Verbrauchs- oder Gebrauchsgüter, Existenz-, Kultur- oder Luxusgüter hergestellt werden sollen, sind der Wirtschaftsverfassung daher nicht zu entnehmen. Die Art der produzierten Güter und deren ökonomischer Verwendungszweck werden in wesentlichen Teilen der Selbststeuerung der Gesellschaft überlassen. Nur vereinzelt bestehen Vorgaben, die sich rechtlich aus Staatszielbestimmungen oder Grundrechten der Einzelnen und faktisch aus dem Entwicklungsstand der Volkswirtschaft ergeben. Für Strafrecht bleibt in diesem Bereich naturgemäß kaum Raum. Soweit dieses Feld der gesellschaftlichen Selbststeuerung überlassen bleibt, kann Strafrecht nur zur Gewährleistung der Grundbedingungen dieser Selbststeuerung eingesetzt werden. Strafnormen zum Schutz von Produktionszielen sind nicht, solche zum Schutz bestimmter Güterarten sind nur ausnahmsweise vorstellbar[595].

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In Bezug auf die für eine Volkswirtschaft wesentlichen Güterarten lassen sich vor allem zwei Aufgaben legitimer Staatstätigkeit ausweisen: Erstens muss die Hoheitsgewalt bestimmen, ob und inwieweit Güter zu den freien bzw. zu den knappen Gütern gehören. Freie Güter sind solche, die als unbegrenzt verfügbar gelten und daher keinen Preis haben. Knappe Güter stehen dagegen nur in begrenztem Umfang zur Verfügung, müssen teilweise erst hergestellt werden und haben daher einen Preis. Naturgüter können durch hoheitliche Maßnahmen in knappe Güter verwandelt werden, indem für ihre Bereitstellung bzw. Inanspruchnahme – wie zum Beispiel für Wasser oder den Durchgang durch ein Tal – Kosten auferlegt werden. Eine Tendenz zur Verknappung natürlicher Güter folgt namentlich aus der Staatszielbestimmung des Umweltschutzes in Art. 20a GG und aus fiskalischen Interessen der hoheitlichen Hand. Zweitens muss festgelegt werden, welche Güter als Individualgüter und welche als Kollektivgüter anerkannt werden. Individualgüter, oft auch private Güter genannt, dienen ausschließlich zur Befriedigung der Bedürfnisse eines Einzelnen. Andere Personen sollen davon ausgeschlossen sein. Dieses Ausschlussprinzip gilt bei Kollektivgütern, zum Teil spricht man hier von öffentlichen Gütern, nicht. So kann etwa das Bedürfnis nach äußerer Sicherheit, nach einer öffentlichen Infrastruktur oder nach Märkten zwar von einer Einzelperson artikuliert, aber nur zusammen mit anderen Personen befriedigt werden[596]. Handlungsaufträge zur Gewährleistung öffentlicher Güter folgen vor allem aus dem Sozialstaatsprinzip, aus der Teilhabefunktion der Grundrechte, aber auch aus der Festlegung auf eine soziale Marktwirtschaft insgesamt. Der Hoheitsgewalt obliegen insoweit Vorsorgepflichten in Bezug auf Sachgüter und Dienstleistungen, die wegen einer fehlenden Gewinnaussicht nicht von privaten Wirtschaftssubjekten über den Markt bereitgestellt werden[597]. In der Sache sind solche öffentlichen Güter etwa Sicherheit, Bildung, Kultur oder Information. Hauptaufgabe strafrechtlicher Normen ist hier die Sicherung öffentlicher Güter und knapper Individualgüter sowie die Verknappung freier Güter entsprechend der hoheitlichen Planung durch die Sanktionierung eines übermäßigen Verbrauchs. Beispiele sind Strafnormen zum Schutz der Umwelt, der strafrechtliche Eigentumsschutz oder Tatbestände wie der Subventionsbetrug oder die Korruptionsdelikte, wenn dadurch die Bereitstellung öffentlicher Güter gesichert werden soll.

Zur Theorie des Wirtschaftsstrafrechts

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