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c) Die Garantie der Berufsfreiheit als Eckpfeiler des Gesamtsystems
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Art. 12 Abs. 1 GG verbrieft die Freiheit des Bürgers, jede Tätigkeit, für die er sich geeignet hält, als Beruf zu ergreifen[533]. Dazu gehören nach Art. 12 Abs. 1 S. 1 GG das Recht auf die freie Wahl des Berufes, des Arbeitsplatzes und der Ausbildungsstätte, das Art. 12 Abs. 1 S. 2 GG um das Recht der freien Berufsausübung ergänzt. Jeder soll möglichst frei über die ökonomische Grundlage seiner Lebensführung entscheiden, sodass sich der grundrechtliche Schutz des Art. 12 Abs. 1 GG auf den Beruf in allen seinen Aspekten erstreckt. Beruf ist jede auf Erwerb gerichtete Beschäftigung, die sich nicht in einem einmaligen Erwerbsakt erschöpft und in ideeller wie materieller Sicht der Schaffung und Erhaltung der Lebensgrundlage einer bestimmten Person dient[534]. Art. 12 GG konkretisiert damit das Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit und zielt auf eine möglichst unreglementierte Berufstätigkeit ab[535].
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Mit der freien Berufsausübung und dem freien Unternehmertum ist prinzipiell das Ideal von ökonomischem Wettbewerb verbunden, der damit zum Eckpfeiler der volkswirtschaftlichen Gesamtleistung wird[536]. Einschränkungen der Berufsfreiheit sind im Rahmen einer Globalsteuerung auf der Marktebene bis hin zu einer „gelenkten Marktwirtschaft“[537] zulässig. Grenzen werden erreicht bei einer Steuerung bis auf Branchenebene etwa nach dem Modell der sog. „Planification“[538] und erst recht bei Ansätzen zu einer Mikrosteuerung auf Unternehmensebene – wie zum Beispiel staatlichen Investitionskontrollen – nach dem Modell eines „gemäßigten Sozialismus“.
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Die Berufsfreiheit schließt freilich nicht aus, dass der Gesetzgeber Berufe rechtlich ordnet und damit fixiert oder vereinheitlicht[539]. Damit wird gewährleistet, dass ein Beruf nur von Personen wahrgenommen werden kann, die die notwendigen Voraussetzungen dieses Berufs erfüllen, und andere von der Ausübung dieses Berufes ausgeschlossen werden[540]. Die abwehrrechtlichen Wirkungen der Berufsfreiheit wiegen umso stärker, je schwerer die hoheitlichen Eingriffe wirken. Eingriffe dürfen grundsätzlich nicht weiter gehen, als es die sie legitimierenden öffentlichen Interessen erfordern[541].
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Auch die Berufsfreiheit, die damit sowohl individuelle Rechte als auch den Wettbewerb einzelner als Gesamtpfeiler der wirtschaftlichen Gesamtleistung sichert, muss von der Gemeinschaft weitestgehend durchgesetzt werden. Anknüpfungspunkt sind dabei die elementaren Voraussetzungen der freien Berufswahl und -ausübung als Elemente der allgemeinen Handlungsfreiheit[542]. Das Modell des homo oeconomicus spezifiziert diese Voraussetzungen insbesondere auf den Schutz der Freiheit der Willensbildung und die Sicherung der individuellen Orientierung im Wirtschaftsleben, soweit dies zur individuellen Präferenzbildung und -verfolgung notwendig ist[543]. Wird in diese Freiheiten eingegriffen erscheint umgekehrt eine Individualfreiheiten beschränkende Sanktion als verhältnismäßige Reaktion auf diesen Rechtsbruch. Das Strafrecht ist freilich auf einen elementaren Schutz dieser Freiheit beschränkt und darf nicht zu einer – durch ein auswucherndes Verwaltungssanktionenrecht gesicherten – Bestandsgarantie ganz bestimmter Zustände hypertrophieren. Gerade in Zeiten eines erheblichen Strukturwandels sichert die Berufsfreiheit gesellschaftliche Flexibilität, die nicht durch übermäßige Reglementierungen eingeengt werden darf[544].