Читать книгу Zur Theorie des Wirtschaftsstrafrechts - Marco Mansdörfer - Страница 100
a) Grenzen normativer Steuerung
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Mit den vorstehenden Erwägungen sind zugleich die Grenzen der normativen Steuerung der Wirtschaftsprozesse beschrieben: Die sanktionenrechtlich flankierte hoheitliche Rahmenordnung muss ihre Zielvorgaben insgesamt offen gestalten in Bezug auf die Mittel zum Einhalten der ordnungspolitisch gesetzten Rahmen (sog. Rechtscompliance), flexibel sein in Bezug auf unterschiedliche Ablauf- und Verfahrensgestaltungen[494] und neutral sein gegenüber allen unternehmensstrategischen Entscheidungen.
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Gerade in Bezug auf die Gestaltung der Verfahren zum individuellen Wirtschaften, in Bezug auf die Ausgestaltung der konkreten Abläufe in einem Unternehmen und in Bezug auf die jeweils verfolgte Unternehmensstrategie kann eine staatliche Steuerung allenfalls durch weiche, genuin öffentlich-rechtliche Anreizsysteme, nicht dagegen durch rein punitiv wirkende Sanktionen erfolgen. Traditionelle Beispiele für derartige Anreizsysteme sind die Gewährung von Subventionen, steuerliche Erleichterungen oder die Berücksichtigung der sozialen Wertschöpfungsbilanz einer Unternehmung bei der öffentlichen Auftragsvergabe. In der jüngeren Diskussion kommt hierzu noch die Ausgestaltung des Finanzmarkts, wie etwa die Abhängigkeit von Unternehmungen von einem stärker volatilen Aktienmarkt oder die Möglichkeit der Refinanzierung durch klassisches Fremdkapital (insbesondere Kredite oder Anleihen). Staatliche bzw. bezugsgruppenorientierte Steuerung erfolgt also durch die Vorgabe und Ausgestaltung der Rahmenbedingungen einer staatlichen Präferenzordnung in Bezug auf ökonomische Ziele.
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Da gesetzliche Vorgaben häufig nur Handlungsspielräume vorgeben, innerhalb derer sich ein Wirtschaftssubjekt bewegen darf, können andererseits selbst die von der Rechtsordnung gewährten einzelnen Handlungsspielräume im Zusammenwirken insgesamt zu weit gehen, sodass in der Summe das Ausnutzen aller gewährten Handlungsspielräume zu einem nicht mehr tolerierten Schadensrisiko führt, das folgerichtig als rechtlich missbilligtes Verhalten eingestuft wird. Ein Beispiel für ein strafrechtlich missbilligtes Verhalten ist der Fall, in dem gesetzlich vorgeschriebene Sicherheitsstandards jeweils nur bis zur äußersten Grenze gewahrt würden, sodass das Endprodukt in Verbindung mit einer nur minimalen Instruktion des Verbrauchers in einer Anzahl von Fällen zu Gesundheitsschädigungen führt. Eine weitere allgemeine Grenze zulässigen Unternehmerverhaltens verläuft dort, wo der mit der staatlichen Risikoverteilung geschaffene Vertrauenstatbestand durch neue Tatsachen – z. B. neue wissenschaftliche Erkenntnisse – erschüttert wurde.