Читать книгу Abstellkammer - Makabere Kurzgeschichten - Margret Jacobs - Страница 8
Fragezeichen
ОглавлениеEs klingelte. Schon wieder.
Ich starrte auf den Hörer der Sprechanlage, vor meiner Nase, an der Wand. Weiß aus Plastik. Das Ding gab keine Ruhe. Vielleicht sollte ich es abnehmen und in eine Socke stecken, damit das Klingeln nicht mehr zu hören ist.
Aber das wäre eine Illusion. Und eine Provokation dazu. Der Typ könnte auf die Idee kommen, nach oben die Treppen zu ersteigen und direkt vor mir zu stehen. Gut, die Wohnungstür wäre noch dazwischen. Aber er wäre hier. Direkt neben meinem persönlichen Raum. Undenkbar!
Ich nahm ab. Wieder die gleiche Stimme, die sagte: Ich würde doch jetzt ausziehen. Es wäre doch Zeit und ich wäre doch unrechtmäßig in dieser Wohnung.
>>Nein, ich bin gerade eingezogen. Die Leute, die ausgezogen sind, wo die jetzt sind, weiß ich nicht.<<
Ich versuchte, um die Sache herum zu reden. Als ob sie dadurch besser würde.
>>Aber, Sie können da nicht wohnen bleiben! Das ist eine Wohnung für eine Familie und nicht für eine Einzelperson!<<
So ein Quatsch!, denke ich und lege den Hörer wieder auf.
Erneutes Klingeln.
>>Übrigens<<, sagt die brüchige, alte Männerstimme zu mir. >>Ich bin der Herr Frohn aus dem ersten Stock.<<
>>Aha<<, erwidere ich, immer noch bemüht, die Fassung zu bewahren. Ich versuche, so unbeteiligt wie möglich zu wirken.
Verfluchter Mobber! Das ist der alte Kerl aus dem Erdgeschoss! Die alte Männerstimme verrät ihn doch! Ein Klicken, dann Ruhe am anderen Ende. Er scheint von der Sprechanlage weg gegangen zu sein. Vorsichtiges Aufatmen.
Ich schleiche Tage später mit den Müllsäcken in den Hinterhof. Dazu muss ich an den Wänden des Mobbers vorbei. Der steht immer am Fenster und beobachtet, wer in das Miethaus reingeht und wer das Miethaus verlässt. Ich werde beobachtet und gesehen.
Am anderen Ende der Erdgeschosswohnung steht stets die Ehefrau des Mobbers und hält das andere Ende des Miethauses im Auge.
Als die Architekten das Miethaus geplant haben, hatten sie wohl nicht an Mobber gedacht. Die Wohnung von Herrn und Frau Bunkel ging entlang der gesamten Auffahrt zum Hinterhof und hatte große Fenster, wodurch stets beobachtende Augen stierten. Es war immer ein Spießrutenlauf von der Haustür bis zu den Müllcontainern zu gelangen.
Wenn ich dachte, ich hätte es diesmal geschafft, kam die Überraschung. Wie diese hier:
Bücher im Container. Und anderes Zeug. Vielleicht zog jemand aus. Ich gab mich nicht der Hoffnung hin, es könnte Herr und Frau Bunkel sein.
Rasch huschte ich über den gepflasterten Weg zurück zur Haustür. Ich kam aber nur wenige Schritte weit. Auf der Höhe von Frau Bunkels Schlafzimmerfenster gab es ein Geräusch. Ich versuchte meine Schritte zu beschleunigen ohne das es aussah, als würde ich gleich laufen.
>>Ach, Frau Müller! Ich sehe sie gerade, wie sie eben zum Müllcontainer gegangen sind. Ziehen sie aus! Jaaaaa?!<<
Ich biss mir innerlich auf meine Unterlippe. Wegen den weggeworfenen Büchern kam sie vermutlich auf so einen Gedanken.
Ich setzte ein Grinsen auf mein Gesicht und ließ meine Augen Kälte sprühen.
>>Neeeeiiiinnnn! Ich ziehe nicht aus!<<
Frau Bunkels Gesichtszüge glitten nach unten. Das eh schon künstliche Lächeln auf ihren verkniffenen Lippen verschwand gänzlich. Mit Genugtuung stellte ich fest, dass sie ihre Enttäuschung nicht verbergen konnte.
>>Neeeeiiiinnnnn?!<< Sie schien mir nicht zu glauben.
Hoffentlich hatte ich ihr den Vormittag verdorben!
Ein Räuspern folgte, als hätte sie sich verschluckt. Sie schien verwirrt und irgendwie aus der Fassung geraten zu sein.
Ich nutzte ihre Verwirrung und ging schnell weiter. Eins zu Null für mich!