Читать книгу SF Abenteuer-Paket 1006 - Raumkapitän am Schwarzen Loch: Science Fiction Sammelband 1006 - Margret Schwekendiek - Страница 13

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Die Menschheit ist ein Teil des Heidentums. Das vergesse ich nie, auch wenn ich nicht ohne Zuneigung über dieses Volk schreibe. Aber das bedeutet nicht, dass es unter ihnen nicht auch Religionen gäbe, auch wenn ihre Kraft und ihr theologisches Niveau vielleicht nicht mit der jahrtausendealten Hochkultur unserer eigenen Theologie vergleichbar sind.

Auch wenn der Materialismus unter den Menschen vorherrscht, so haben sich doch Gruppen erhalten, die ebenfalls an Gott glauben, auch wenn sie ihn nicht auf dem richtigen Weg suchen, ihn falsch verstehen. Aber für Wesen, die von Gott nicht auserwählt wurden, sind diese spirituellen Bemühungen schon ganz beachtlich.

Zumindest in einem Punkt könnten wir vielleicht von ihnen lernen. Sie billigen dem Schicksal des Einzelnen ein stärkeres Gewicht zu und entfalten genau daraus die Kraft ihrer zugegebenermaßen primitiven religiösen Vorstellungen.

Vielleicht hat unser Glaube diese Kraftquelle allzu lange übersehen…

Ich weiß, dass dieser Satz für manche schon an Häresie grenzt und erst die Machtübernahme des Predigers Ron-Nertas machte es überhaupt möglich, ihn gefahrlos zu formulieren und abzuspeichern – scheint er doch ganz auf dessen Linie zu liegen.

Aber ich würde auch den Konservativen unter uns anraten, darüber zumindest nachzudenken. Jene Konservativen, zu denen ich mich selbst auch rechne, denn ich habe keineswegs die Beendigung des Krieges begrüßt und wäre durchaus glücklicher unter der direkten Herrschaft des Aarriid zu leben anstatt unter der eines Predigers, der für den Moment vielen kriegsmüden Kriegern aus dem Herzen gesprochen haben mag – der aber meiner Ansicht nach auf Dauer die Bestimmung unseres Volkes verrät.

Eine Bestimmung, die wir uns nicht selbst ausgesucht haben.

Eine Bestimmung, die uns vom höchsten auferlegt wurde.

Das Schicksal der Sambano sollte uns eine Warnung sein, was jenen geschieht, die sich dieser Bestimmung zu entziehen versuchen. Unter den Menschen nennt man sie die „Alten Götter“. Eine passende Bezeichnung, auch wenn sie ursprünglich nicht von Menschen, sondern von den fischähnlichen Intelligenzen des Tardelli-Systems [irdische Bezeichnung auch im Original. Man kann ihre Verwendung als sprachliches Indiz dafür sehen, wie sehr ihn die relativ kurze Zeit, die er unter Menschen verbrachte, doch geprägt hat. – Der Übersetzer.], die sich selbst Fash’rar nennen, stammt.

Die Sambano wollten selbst Götter sein und wurden vom Antlitz des Universums getilgt wie Geschmeiß. Überall sind ihre Hinterlassenschaften noch zu sehen. Golden wie glitzernder Tand, so wirken diese Artefakte, die schon auf so mancher Welt entdeckt wurden, die man dem Imperium eingliederte. Die Menschheit jagt dem Rätsel nach, das diese „Alten Götter“ für sie darstellen. Sie begreifen ihr Vorhandensein in fernster Vergangenheit nicht als einen Aufruf zur Demut, sondern als eine Anstachelung ihrer eigenen Hybris, was ihre sittliche Minderwertigkeit beweist.

„Du solltest den Weg des Kriegers gehen“, sagte mein Onkel in jenem Augenblick zu mir, als wir auf dem Balkon des Wohnturms standen und in Richtung der heiligen Berge blickten.

Er hatte mir das schon so oft gesagt. An die meisten Gelegenheiten erinnere ich mich gar nicht mehr, so häufig geschah dies. Eigentlich immer dann, wenn er von seinen Einsätzen in den heimatlichen Wohnturm in Qatlanor zurückkehrte.

In meiner Jugendzeit hatte er mich damit gequält. Später, als ich selbst Tanjaj wurde, überschnitten sich unsere Urlaubszeiten Gott sei Dank nicht mehr so oft.

An diesen Moment auf dem Balkon und im Angesicht des heiligen Gebirges erinnere ich mich deshalb so genau, weil es das erste Mal war, dass ich es wagte, in offen zu widersprechen.

„Genau das tue ich doch“, sagte ich. Und konnte dabei nicht verhindern, dass sich meine Schnabelhälften zunächst geräuschvoll aneinander rieben und sich meiner Kehle ein glucksender, gurgelnder Laut entrang. Damals war ich jung und unerfahren. Heute habe ich gelernt, solche Laute zu unterdrücken, da sie meine menschlichen Gesprächspartner stets irritierten. Das Fehlen dieser Laute – oder doch ihre merkliche Reduktion auf ein absolut unvermeidbares Maß – irritiert im Übrigen jetzt, nach meiner Rückkehr, häufig qriidische Gesprächspartner. Die Menschen würden das eine Ironie nennen. Aber was man darunter versteht, werde ich an anderer Stelle erläutern, damit man mir nicht vorwirft, von der Hauptsache abzuschweifen. Jeder, der dies so empfindet, mag mir allerdings zu Gute halten, dass ich nicht darin geübt bin, das, was mich persönlich bewegt, zu formulieren und abzuspeichern. Niemand ist darin geübt, denn unsere Schriften beschäftigen sich mit vielen Dingen. Mit theologischen Problemen, mit der Suche nach Gott, mit der Errichtung der göttlichen Ordnung und damit, wie mit Ketzern zu verfahren ist oder wie sich der Eifer eines Ketzers von dem Eifer eines Rechtgläubigen abgrenzt.

Aber wie ich schon einmal erwähnte, hat die persönliche Befindlichkeit, das ganz auf den Einzelnen bezogene Erlebnis, bisher kaum Platz in den Aufzeichnungen unseres Volkes gehabt.

Wie hätte es auch anders sein können?

Was ist schon persönliches Schicksal, ein persönlicher Gedanke, ein persönliches Glück oder Unglück gegenüber dem Gelingen oder Scheitern jener gewaltigen Aufgabe, die den Qriid aufgebürdet wurde? Verblasst dagegen nicht alles andere? Wie kann jemand, dessen Bestimmung es ist, die göttliche Ordnung des Kosmos zu errichten, sich darüber viele Gedanken machen, welches Glück oder Unglück die Verbindung mit einer bestimmten Eierlegerin bedeuten kann?

Ich habe dem Drängen eines Onkels später nachgegeben und bin tatsächlich den Seraif für kurze Zeit beigetreten. Das Motiv dafür dürfte nicht allein die Tiefe des Glaubens gewesen sein.

Ich bin Realist genug, um das zu erkennen.

Es war wohl mindestens ebenso sehr dem Drang geschuldet, etwas Besonderes vollbringen zu wollen. Ein Drang, der mich in einer bestimmten Phase meines Lebens stärker erfasste, als es nach den Maximen des Glaubens eigentlich sein sollte.

Die Menschheit hat ein paar interessante Theorien zu diesem Thema entwickelt und ich muss gestehen, dass ich darin nicht nur mich selbst, sondern auch das Schicksal vieler anderer Qriid gespiegelt sah. Es erstaunte mich zudem, wie ähnlich sich unsere Spezies dann bei aller sonstigen Verschiedenheit doch erwiesen, was in mir kurzzeitig die Frage aufwarf, was es wohl sein mochte, dass Gott dazu bewegt hatte, ausgerechnet mein Volk zum Auserwählten zu machen.

Oft habe ich mit Bruder Guillermo, einem Mitglied des Wissenschaftlerordens der Olvanorer über diese Theorien gesprochen, die von Menschen wie Sigmund Freud oder Alfred Adler erfunden und von anderen ausdifferenziert und weiterentwickelt wurden. So vertrat Adler die These, dass ein Gefühl der Minderwertigkeit das Handeln motiviert. Die Minderwertigkeit Einzelner gegenüber anderen Einzelnen ebenso wie das Gefühl der Minderwertigkeit von Gruppen oder Völkern gegenüber anderen Gruppen oder Völkern.

„Das stärkste Minderwertigkeitsgefühl empfindet das Individuum aber gegenüber dem Kosmos selbst“, so erläuterte mir der Mönch einmal. „Adler sah darin den Ursprung der Religion.“

„Wie können Sie so etwas sagen, wo Sie doch selbst ein Mann des – wenn auch in wesentlichen Punkten falschen – Glaubens sind“, fuhr ich ihn damals an und machte dabei so viele unbeabsichtigte Nebengeräusche, dass er wahrscheinlich große Mühe hatte, mich zu verstehen.

Allerdings haben die Olvanorer-Mönche in dieser Hinsicht ein besonderes Talent, so dass mir die Peinlichkeit erspart blieb, meine Worte zu wiederholen und neu zu ordnen.

„Adler war gewiss ein Atheist“, sagte Bruder Guillermo. „Aber das würde mich niemals davon abhalten, daran die Wahrheit oder Unwahrheit seiner Theorien zu bemessen.“ Er lächelte damals. Die Menschen verstehen darunter eine bestimmte Bewegung der Muskulatur um ihre Ess- und Sprechöffnung. Diese Zuckungen werden für non-verbale Äußerungen benutzt, die ich mich die ganze Zeit, da ich unter Menschen gelebt habe, immer bemühte, richtig zu verstehen. Es gelang mir nicht immer, aber im Laufe der Zeit immer besser. So erkannte ich unter anderem irgendwann, dass ein Lächeln nicht nur dazu benutzt wird, eine freundliche Stimmung gegenüber dem Gesprächspartner auszudrücken, sondern auch dazu, eine unfreundliche Haltung zu verbergen. Doch ich will an dieser Stelle niemanden mit den Feinheiten dessen langweilen, was die Menschen Mimik nennen und was letztlich nichts anderes als ein Konvolut von non-verbalen Sub-Botschaften darstellt, die das Gesagte relativieren oder seine Bedeutung ins Gegenteil verkehren können. Das ein solches Volk in seiner eigenen Geschichte auf zahlreiche folgenschwere diplomatische Fehler und Missverständnisse zurückblickt, dürfte auf der Hand liegen und ich habe immer wieder versucht, darauf hinzuwirken, dass bei diplomatischen Kontakten auf die schriftliche Form Wert gelegt wird. Denn dabei entfällt dieser verwirrende und teilweise widersprechende Informationsanteil.

Andererseits – wenn man darin wirklich zu lesen versteht, kann man die geheimen und wahren Absichten des Gesprächspartners in einer Weise erkennen, wie es keinem Qriid möglich wäre. Die Olvanorer sind wahrscheinlich die vollkommensten Meister im Lesen dieser Sub-Botschaften. Sie sind sogar so gut darin, dass viele Menschen von ihnen den Eindruck haben, sie könnten Gedanken lesen.

Das können sie nicht, wie mir mein olvanorischer Gesprächspartner stets versicherte.

Sie können Gedanken und Emotionen stattdessen im Gesicht des Gegenübers sehen.

Nur die Tatsache, dass ein schnabelbewehrtes Qriid-Gesicht zwar von unvergleichlicher Schönheit sein kann – aber doch in der Regel recht starr ist, verhalf mir dazu, mich mit Bruder Guillermo unbefangen unterhalten zu können.

SF Abenteuer-Paket 1006 - Raumkapitän am Schwarzen Loch: Science Fiction Sammelband 1006

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