Читать книгу MAD-MIX2: Corona-Shorts - Mari März - Страница 5

Оглавление

LOCKDOWN

Was machst du den ganzen Tag?

Du hast doch Zeit, da kannst du doch mal ...

Im ersten Lockdown 2020 verstummten all jene Besserwisser, die glaubten, Home-Office wäre eine aufgeblasene Bezeichnung für ein sonst nicht definierbares Gammel-Dasein zwischen Haushalt und gepflegt die Füße in die Sonne halten. Na ja, ich arbeite gern in verbeulter Jogginghose und auch gern in der Sonne – diesbezüglich möchte ich den Klugscheißern sogar rechtgeben. Und wisst ihr was? ICH LIEBE ES! Warum das Home-Office dennoch nichts für Feiglinge ist?

Es bedarf Selbstdisziplin, Zeitmanagement und den Mut zur Lücke. Man muss auch mal nein sagen können, Prioritäten setzen – gegenüber dem eigenen Perfektionsdrang aber auch gegenüber Freunden, der Familie, dem Haushalt.

Als ich begann, im heimischen Büro zu arbeiten, war mein Sohn elf. Ich musste also nicht nur zwischen Haushalt, Job, Postboten, Callcenteranrufen und den notwendigen Alltagsherausforderungen um Ruhe ringen, sondern mich auch einem Jungen widmen, der ein Recht hatte, dass man ihm Aufmerksamkeit schenkte, sich für seine Sorgen interessierte, ihm bei den Hausaufgaben half. All das, was jetzt so vielen da draußen zu schaffen machte.

Klare Regeln helfen! Mehr will ich dazu nicht sagen, ich bin Autorin – kein Therapeut oder Coach.

Dafür Profi in den eigenen vier Wänden, die auch bisweilen mobil sind. Nach dreiundzwanzig Jahren im öffentlichen Dienst arbeite ich seit nunmehr acht Jahren in meiner selbstgewählten Freiheit, was bedeutet, dass ich die komplette Pubertät mit meinem Sohn erleben durfte. Es hat geklappt. Nicht immer harmonisch, aber letztlich doch recht ordentlich. Der junge Mann geht jetzt zur Uni.

Da mein Arbeitstag gegen 8:00 Uhr beginnt und meist erst nach 20.00 Uhr endet, sind da ausreichend Stunden, in denen ich alle möglichen »Ablenkungen« hinnehmen muss. Insofern kann ich selbstverständlich nachvollziehen, wie es all jenen geht respektive ging, die im Lockdown ihre Kinder betreuen und »nebenbei« im Home-Office oder auch an der Front ihren Job meistern mussten. Was mich nervt, ist die einseitige Darstellung im TV und ja ... letztlich das Jammern auf höchstem Niveau.

Diese leidliche Debatte beispielsweise, dass Mütter und Väter mit ihren Kindern überfordert sind oder Hausfrauen ihre Arbeit bezahlt haben wollen. Von wem? Was ist mit all jenen, die den Haushalt neben Kind und Karriere auf die Reihe kriegen?

Wenn ich also solche Beiträge im TV sehe, schwillt mir die Galle beim Gedanken an jene Frauen, die misshandelt, missbraucht, gedemütigt werden und es leider nicht schaffen, sich aus dem Teufelskreis zu befreien.

Deshalb schrieb ich BROKEN MINDS, das war mein Ventil, mit dieser kollektiven Aufregung klarzukommen. Während der Corona-Lockdowns gab es Millionen Einzelschicksale – von den wirtschaftlichen Konsequenzen ganz zu schweigen. Ich denke an die unzähligen Firmeninsolvenzen, an zig Unternehmer weltweit, deren Lebenswerk den Bach runterging – die ökonomischen Spätfolgen stehen uns noch bevor. Wie ging es Menschen, die häuslicher Gewalt ausgesetzt waren und immer noch sind, wie all jenen, die unter Depressionen oder psychischen Krankheiten leiden? Wie denen, die Angehörige an oder durch Covid-19 verloren haben?

Auch wenn es hier keine Pauschalaussagen gibt, glaube ich, dass all jene, denen das Wasser tatsächlich bis zum Hals steht, keine Zeit und auch keine Kraft haben, öffentlich zu jammern.

Aber nun mal weg vom Negativen. Home-Office ist und bleibt eine Herausforderung. Man muss Grenzen und Prioritäten setzen können, multitaskingfähig sein und über jede Menge Selbstdisziplin verfügen – gern auch mal sieben Tage die Woche und weit über die durchschnittliche Arbeitszeit hinaus. DAS ist u.a. für mich das Positive, was uns Corona und sogar die Jammerbeiträge beschert haben: Die Arbeit am heimischen Schreibtisch ist mindestens genauso viel wert wie in einer Firma. Es ist RICHTIGE Arbeit!

Und was hat Corona noch mit mir/uns gemacht? Zum Beispiel mit der Buchbranche?

Immer öfter lese ich, dass Autoren nicht mehr schreiben, weil die Einnahmen fehlen. Selbst namhafte Autoren und Verlage verschieben Buchveröffentlichungen und werben neuerdings offensiv online. Veranstalter mussten massive Verluste durch knapp zwei Jahre Verbot hinnehmen. Tja, das ist wohl kein gutes Zeichen. Man könnte glauben, die Menschen hätten im Lockdown mehr Zeit zum Lesen gehabt. Hatten sie sicherlich, nur sinken die Verkaufszahlen trotzdem, auch bei mir.

Aber es gibt auch einige positive Aspekte, die ich der Pandemie abgewinnen kann. Als jemand, der wie meine #MissVerständnis Menschen – vor allem in größeren Mengen und mit engem Körperkontakt – nicht unbedingt mag, geht es mir momentan mit den Abstandsregeln nicht sooo schlecht. Okay, ich sehne mich danach, wieder öffentlich lesen zu dürfen, Freunde und Kollegen zu treffen, in Berlin ohne Mundschutz einen Kaffee zu trinken und shoppen zu gehen. Aber das sind letztlich Luxusprobleme.

Der Mangel im Lockdown hat mich und hoffentlich einige mehr zurück auf den Boden der Tatsachen gebracht. Ich sagte seinerzeit ja gern süffisant, dass es wie in der DDR sei: Nüscht im Regal und reisen jeht och nich.

Der Überfluss wird erst in Zeiten des Mangels deutlich, nicht wahr? Klar war es nervig, nach Klopapier anzustehen, aber auch verdammt lehrreich.

Reisen geht nun halbwegs wieder und verhungern werden wir auch nicht. Die Umwelt konnte sich erholen, das ist doch was. Vielleicht zieht es die Menschen tatsächlich aufs Land, sollte sich das Home-Office etablieren. Es wäre letztlich eine Win-win-Situation für Großstädte, Gemeinden, unsere Work-Live-Balance und die Natur.

Der Lockdown war also nicht nur scheiße, oder?

Wir haben unsere Kleiderschränke aufgeräumt, unsere Garagen oder Keller entrümpelt, unsere Wohnungen renoviert, gegebenenfalls Beziehungen ausgemistet und den Garten oder Balkon auf Vordermann gebracht. Immerhin!

Wir haben unsere Kinder besser kennengelernt, ihren Tagesablauf, ihre Bedürfnisse, ihren Alltag, ihre Sorgen und vielleicht ihre geheimen Wünsche.

Wir haben verstanden, wie wertvoll Herzenswärme ist, wie wichtig eine Berührung, aber auch wie lebensrettend Abstand sein kann.

Wir haben gelernt, dass die Welt nicht hinter Aachen, Schwedt, den Alpen oder der Ostsee aufhört. Die Pandemie zeigte uns, wie groß aber auch wie klein die Welt ist und wie mächtig die Natur.

Wir haben erfahren, wie korrupt Politiker sein können, wie eigensinnig Ministerpräsidenten, wie fragil unsere Freiheit und wie schützenswert unsere Demokratie.

Und wir haben hoffentlich kapiert, dass die Menschheit nicht die Krone der Schöpfung ist, wenn uns ein winziger Virus global in die Knie zwingen kann.

Das Positivste für mich und meine Leser ist wohl, dass ich 2020/2021 so viel geschrieben habe wie noch nie. Der Lockdown kostete mich Nerven, diverse Aufträge, jede Menge Geld, aber er schenkte mir auch Zeit, die nicht bezahlbar ist.

MAD-MIX2: Corona-Shorts

Подняться наверх