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9. Kapitel

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Der Sudan

Am nächsten Morgen saß die junge Frau im Flugzeug. Sie hatte nur einen Rucksack mit ihren Habseligkeiten mitgenommen. Zu viel Ballast würde sie nur stören. Der Flug von Málaga nach Dschuba dauerte sieben Stunden.

Von dem Araber war nirgends eine Spur zu sehen. Doch das störte die junge Frau wenig. Sie hatte sich erkundigt. Einmal pro Woche wurde der Flug von Dschuba nach Málaga angeboten. Zur Not konnte sie also nächste Woche zurückfliegen. Wenn sie ihre Arm Kette, verkaufte, konnte sie sich die Rückfahrkarte leisten. Im Augenblick wollte sie jedoch nicht daran denken. Sie wollte nach Ägypten. Sie war eine Abenteuerin auf der Suche nach einem Schatz. Genauso wie in den vielen Büchern, die sie gelesen hatte.

Der Umweg über den Süd Sudan war nichts, als eine weitere Prüfung.

Das Flugzeug landete pünktlich. Die Luft war beißend schwül, als die Passagiere die Boeing verließen. Die Menschen mussten über das Rollfeld zum maroden Flughafengebäude gehen. Überall standen UN Flugzeuge, die mit Hilfsgütern beladen wurden. Unter der Menschenmenge am Gepäckband konnte die junge Frau einen Mann ausmachen, der dem Alchimisten ähnlich sah. Es war ein Araber, der in der dunklen Ecke neben dem Ausgang wartete. Als sie genauer hinsah, bemerkte sie, dass es der Alchimist war. Sie wunderte sich wie er hierhergekommen war. Sie hatte ihn weder beim Boarding noch im Flugzeug gesehen.

Sie wechselten ein paar Worte, bevor sie den Flughafen verließen.

Der Araber führte sie zum Hafen am Nil. Auf dem Weg dorthin kamen sie durch die Stadt und durchquerten mehrere Märkte. Das meiste waren Obst- und Gemüsemärkte. Die Menschen dort schrien durcheinander und sprachen ohne Unterlass in einer Sprache, die die junge Frau nicht verstand. Manche Männer rauchten die ortsübliche Pfeife, die Nargileh. Andere beteten. Die südsudanesischen Frauen trugen bunte Kleidung und aufwendige Frisuren.

Nach einem zweistündigen Fußmarsch erreichten sie endlich das Ufer des Nils. Der jungen Frau verschlug es die Sprache. Noch nie hatte sie einen so gewaltigen Fluss gesehen. Daneben kommt der Mensch sich doch recht klein vor, dachte sie überwältigt.

Sie bauten am Ufer ihr Nachtlager auf. Sie hatten zwei Zelte gekauft, die sie mit wenigen Handgriffen aufstellten. Mangobäume und Dattelpalmen säumten ihr Lager. Am Ufer saßen einige Einheimische, die ihre Kleidung im Nil wuschen.

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Als sie ihre Zelte aufgebaut hatten verabschiedete sich die junge Frau.

„Wohin gehst Du?"

„Ich möchte mir die Stadt anzusehen“, meinte die junge Frau und wandte sich zum Gehen.

„Es herrscht Krieg. Es gibt Gerüchte, dass die Kämpfe unter den Stämmen zunehmen. Bald geht die Sonne unter. Es ist zu gefährlich in die Stadt zu gehen."

Die junge Frau war enttäuscht.

„Wann reisen wir weiter?“

"Wir ziehen noch vor dem Morgengrauen los. Wenn wir Ägypten heil erreichen wollen, müssen wir so schnell wie möglich den Norden und die Grenze erreichen“, war die einzige Antwort des Alten.

Am Horizont ging die Sonne unter, als der Alte ein Lagerfeuer machte.

An diesem Ort gab es die höchste Schamanendichte. Gerne hätte er sich mit einem der sudanesischen Schamanen unterhalten. Doch es war schwer, sie aufzufinden. Sie hielten sich nie in den Städten auf. Die meisten versteckten sich in den Gebirgen oder in der Wüste. Schüsse durchzogen die Nacht. In der Ferne waren Kampfesrufe zu hören.

Als er die Angst in den Augen der jungen Frau sah, sagte er. „Vergiss nicht, dass die Dinge, die uns am gefährlichsten erscheinen, uns am meisten voran bringen. Ein Lebensweg will immer erfüllt sein. Deshalb wird derjenige, der den Zeichen folgt, vom Universum auch immer dafür belohnt. Das nennt man das Anfängerglück.“ Und er schloss mit dem geheimnisvollen Wort:

„Inschallah.“

„Was heißt das?"

„So Gott will."

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In dieser Nacht schlief die junge Frau unruhig. Wirre Träume jagten sie.

Die Reisenden brachen noch vor dem Morgengrauen auf. Flussabwärts waren neue Kämpfe entflammt. Man konnte den Nil nur frühmorgens oder spät abends im Schutz der Dunkelheit befahren.

Tagsüber sei es zu gefährlich, das behaupteten die Südsudanesen, die ihnen entgegen kamen.

Der Alte saß am Bug. Die junge Frau betrachtete die ausgefallene Kleidung, die jener trug. Er sah wie ein traditionell gekleideter Araber aus, was in dieser Gegend keine Seltenheit war. Obwohl der Süd Sudan überwiegend christlich war, lebten dennoch viele Nordsduanesen im Süden.

Ihnen begegneten geheimnisvolle Kapuzenmänner, die wie Klu-Klux-Klan Anhänger aussahen.

Der Alchimist bückte sich. Das Amulett mit dem grünen Stein auf seiner Brust blitzte im Sonnenlicht auf und blendete die junge Frau.

Wie eigenartig Afrika doch ist, dachte die junge Frau. In den wenigen Stunden seit ihrer Ankunft hatte sie schon eine Menge sehen können- Männer, die Waffen aus Holz schnitzten, Frauen mit großen Ohrringen, Halsketten und Narben im Gesicht und Priester, die auf Kirchtürme stiegen, um zu singen, während alle um sie herum niederknieten und beteten.

Nachdem die junge Frau die Kisten mit den Vorräten dem Gewicht gestapelt hatte, holte sie eine Flasche mit Wein aus dem Rucksack, die sie auf dem Markt in Dschuba gekauft hatte, und trank ein paar Schlucke. Aus unerfindlichen Gründen vermochte der Wein sie zu erquicken.

„Wo machen wir als nächstes Halt?“, wollte sie wissen.

Der Alchimist respektierte die Stille des Flusses und antwortete erst, als sie an einer Straße vorbei kamen.

„Wir befolgen die Tradition des Landes. Die Tradition besagt, dass man zu Beginn einer Reise nie wissen kann, wo sie enden wird. Auch dann nicht, wenn man ein Ziel hat. Wir machen Rast, wenn wir erschöpft sind. So einfach ist das.“ Damit war für ihn die Unterhaltung erledigt.

„Wir durchreisen ein Kriegsgebiet ", rief die junge Frau entrüstet. „Wir brauchen einen Plan, um zu überleben."

„Man ist nirgends sicher", erwiderte der Araber, während er das Boot über eine Stromschnelle lenkte.

Es musste bereits kurz vor Mitternacht sein. Trotz der Warnung des Einheimischen im Schutz der Dunkelheit zu reisen, hatten sie den ganzen Tag auf dem Fluss verbracht.

Plötzlich musste die junge Frau an eine Geschichte denken, die ihr Vater ihr einmal erzählt hatte. Jener hatte für acht Jahre als Träger für ein Unternehmen im Irak gearbeitet. "Eines Tages begann die Erde zu beben. Und die Häuser fielen wie Streichholzschachteln in sich zusammen. Ich hatte panische Angst, es würde das Hochhaus zerstört, indem ich mich befand. Doch es half alles nichts. Das Haus stürzte ein. Mein Leben blieb verschont. Aber ich musste mir ein völlig neues Leben aufbauen, wie all die anderen. Neunzig Prozent der Häuser in Bagdad waren zerstört worden. Ab da begriff ich die Botschaft Gottes: Überall wo Hoffnung ist, ist auch ein Neuanfang möglich. Vielleicht war dies auch so eine Art Neuanfang. Schließlich war sie noch nie zuvor in Afrika gewesen.

Ein Sturm kam auf. Es ertönte ein Grollen, und die junge Frau wurde von einem Windstoß von ungeahnter Kraft zu Boden geworfen. Vor ihnen bäumte sich eine Welle auf. Das Boot flog durch die Luft. Es dauerte eine Weile, bis der Araber es wieder unter Kontrolle gebracht hatte.

„Du musst keine Angst haben. Die Nil Fahrt ist ein Teil unseres Schicksals. Genau wie die Wüstendurchquerung, die uns noch bevorsteht."

Die junge Frau fühlte sich mit einem Mal schrecklich einsam. Die Ungläubigen und die fremden Bräuche wirkten irgendwie bedrohlich. Überhaupt hatte sie, in der Eile des Aufbruchs, eine Tatsache außer Acht gelassen, die sie noch lange von den Tempeln fernhalten konnte: Sie konnte kein Arabisch. Also konnte sie sich nicht mit den Einheimischen verständigen. Nur wenige sprachen Englisch. Doch der Alchimist, der spanisch und arabisch fließend beherrschte, hatte ihr ein Buch gegeben, mit dem sie arabisch lernen konnte. Sie würde noch in dieser Nacht damit beginnen.

Der Alchimist kommt zurück

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