Читать книгу Aurelia - Nymphe der Lust | Historischer Erotik-Roman - Maria Bertani - Страница 4
ОглавлениеDer MeisterMaler
Es ist ein heißer Julinachmittag. Die Luft flirrt und kein Lüftchen bewegt sich. Es hatte meiner ganzen Beredsamkeit bedurft, den alten, treuen Kutscher meines Vaters dazu zu bewegen, mich am Fuß des Hügels zum Castello Romero abzusetzen.
Mein Rock schleift auf dem Boden und wirbelt Staub auf. Er hinterlässt feine Linien auf dem Weg. Meine Gedanken kreisen um Meister Romero und ich bin unsicher, ihm gleich gegenüberzutreten. Mir ist die Ehre bewusst, dass mir der berühmteste Maler Sienas privaten Malunterricht erteilt. Denn er ist als strenger, hitzköpfiger Mann bekannt, der weder sich noch seine Schüler schont. Ein Verhalten, das ich in keiner Weise bereit bin hinzunehmen. Ich fürchte, dies könnte einen Schatten auf unser erstes Treffen werfen.
Meinen Vater hat das Privileg der Privatstunden eine Menge Lire und große Überredungskünste gekostet. Erst nachdem er dem Meister eines meiner Bilder geschickt hatte, um es zu prüfen, erklärte er sich dazu bereit.
Je näher ich seinem Palazzo komme, umso nervöser werde ich. Das Haus Andrea Romeros liegt auf einem Hügel, unweit der Stadtmauern. Eingerahmt von Zypressen und umgeben von Olivenhainen, Weinbergen und Mandelplantagen ähnelt es dem Schloss eines Landgrafen.
Wie man sich in Siena erzählt, hat Romero auch ebensolche Angewohnheiten. Es ist von Festgelagen, Orgien und anderen merkwürdigen Veranstaltungen die Rede, aber mein Vater lachte nur, als ich ihm von den Gerüchten berichtete.
»Mach dir keine Sorgen, Aurelia. Er ist ein erfolgreicher, berühmter Mann. Solche Menschen haben immer irgendwelche Neider, die ihnen schaden wollen. Besonders, nachdem er zum Hofmaler berufen wurde. Er ist ein schlauer Kopf. Die Speichellecker fürchten seinen scharfen Verstand und seine noch schärfere Zunge.«
Jetzt stehe ich vor dem großen Tor. Trotz der Hitze ist mir eiskalt. Zaghaft betätige ich den Türklopfer. Nichts rührt sich. Ich klopfe erneut, diesmal fester. Das Pochen hallt nach, und ein paar Sekunden später höre ich schnelle Schritte näher kommen. Das schwere Tor wird entriegelt und ein Türflügel schwingt knarrend auf.
»Ich bin Aurelia d`Angelo und möchte zu Meister Romero.«
Der Diener schaut mich neugierig an. Er ist kaum älter als ich, höchstens ein Jahr. Er wirkt wie achtzehn oder neunzehn Jahre. »Zu Meister Romero?«, wiederholt er.
Ich sehe ihm die vielen Fragen an, die ihm durch den Kopf schwirren. »Ich bin seine neue Schülerin.«
»Ach ja! Ich erinnere mich. Komm, ich bringe dich zu ihm.«
Er geht neben mir her und ich spüre seine Blicke. Ein hübscher Junge. Groß, kräftig und sonnengebräunt. Seine Haare haben die Farbe von Rabenfedern und seine Augen sind schwarz wie Onyx.
Wir treten aus dem Schatten des Torgangs hinaus auf einen großen Platz. In seinem Zentrum steht ein Brunnen aus weißem Alabaster. In der Mitte thront eine Göttin, die aus einem Füllhorn Wasser in das Becken schüttet. Vielleicht Demeter, die Göttin der Fruchtbarkeit. Zu ihren Füßen liegt ein wohlgestalteter Jüngling und scheint sie anzuflehen, ihm zu trinken zu geben. Sie würdigt ihn keines Blickes. So wird er wohl verdursten müssen, obwohl er direkt an der Quelle liegt. Was für ein Tod!
Um den Brunnen herum stehen Ruhebänke aus dem gleichen durchscheinenden Alabaster. Üppige Sitzkissen laden zum Verweilen ein, aber niemand ist in der Nähe, der das Schauspiel bewundern könnte. Exotische Blumen wachsen in großen Terrakottagefäßen. An den Wänden des Palazzos ranken Bougainvilleas, wilder Wein, Clematis und Kletterrosen. In großen Volieren hüpfen exotische Vögel herum und auf dem Rasen vor dem Haus stolziert ein Pfauenpaar.
Der Junge führt mich über den Platz, in den kühlen Säulengang des Palazzos. Ein leichter Schauer überläuft mich. Wir gehen um das Haus herum und kommen in den eigentlichen Garten. Mir bleibt fast der Atem weg. So eine Farbenpracht habe ich noch nie gesehen.
»Der Gärtner muss ein Künstler gewesen sein«, sage ich.
»Das war der Meister selbst«, belehrt mich mein Begleiter stolz.
Auf dem viel zu kurzen Weg zum Atelier kann ich mich nicht sattsehen an all den herrlichen Blumen, Tieren, Statuen, schattigen Winkeln, den Pavillons, den Wasserspielen und dem Seerosenbecken, in dem auffällig große Goldfische schwimmen.
»Wir sind da.« Mein Führer öffnet die Tür zu einem riesigen Nebengebäude und schiebt mich hinein.
Ich bin im Allerheiligsten. Im Atelier von Meister Romero. Hier ist es ungewöhnlich still. Ich bilde mir ein, der Junge kann meinen Herzschlag hören, der schmerzhaft gegen meine Rippen donnert. Der Raum ist eher eine Halle, denn ein Atelier. Palmen stehen vor den großen Fenstern, und auch Statuen, Bilder, fertige und unfertige Stücke. Auf einem großen Zeichentisch liegen Papierstapel und Skizzen. In einem Teil der Halle sind mehrere Staffeleien im Kreis verteilt. In der Mitte gibt es eine Art Podest. Vermutlich für die Modelle. Dort werden die Schüler unterrichtet.
Zaghaft folge ich dem Jungen immer weiter in das Atelier, bis zum Altar der Kunst. Und da ist er, nur ein paar Schritte vor mir … Mein Herz pocht ... Meister Romero! Er steht an einer besonderen Staffelei, auf der eine gewaltige Leinwand lehnt, und trägt Farbe auf. Seine Bewegungen sind harmonisch und geschmeidig, wie die einer Katze. Er hat nur eine schmale schwarze Hose und ein langes weißes Hemd an. Sein Körperbau ist athletisch. Er ist größer, als ich ihn mir vorgestellt habe. Ich hatte einen kleinen, älteren Herrn erwartet, aber vor mir steht ein Mann, der kaum älter als dreißig Jahre sein kann. Ich wage nicht zu atmen und den Meister zu stören.
»Nein«, schreit er jäh, und wir zucken zusammen. »Das kann nicht wahr sein!«
Sein Pinsel und seine Palette fliegen durch den Raum und treffen die Statue eines üppigen Mädchens. Der Junge läuft eilig davon, holt Lappen und Wasser, um die Plastik zu reinigen.
»Du, Mädchen, wer bist du?«, herrscht er mich an und wirft mir einen ungnädigen Blick zu.
»Aurelia d`Angelo.« Ich ziehe unwillkürlich den Kopf ein und mache mich darauf gefasst, von ihm hinausgeworfen zu werden.
»Aurelia«, murmelt er.
Ein winziges Lächeln erhellt seine ärgerlichen Züge. Das lässt ihn in einem neuen Licht erscheinen. Dieser Mann ist schön. Schön wie ein Gott. Ein wütender zwar, aber ein Gott.
»Ja, stimmt. Heute ist deine erste Stunde. Du kommst spät«, bemerkt er.
»Verzeiht Meister.« Ich will ihm noch die Grüße meines Vaters ausrichten, aber er hat sich schon wieder seinem Bild zugewandt.
»Hilf Marco beim Saubermachen, dann sehen wir weiter«, sagt er nur.
Das darf nicht wahr sein! Er würdigt mich keines Blickes mehr und ich soll seinen Dreck wegmachen? Kommt nicht in Frage! Und dann noch in dem engen Mieder, in dem ich kaum Luft bekomme. Der Weg den Berg herauf war schon eine Qual, und jetzt noch bücken und putzen?!
Ich nehme mir einen Lappen und tue so, als ob ich Marco helfe. Er hat flinke Hände und die Arbeit ist schnell erledigt. Wahrscheinlich wirft der Meister öfter mit Farben um sich. Marco bringt mir ein Glas Wasser, das ich in großen Zügen austrinke. Meister Romero ist kein guter Gastgeber. Und dafür zahlt mein armer Vater so viel Geld.
Romero kehrt mir immer noch den Rücken zu. Ich schaue mich in seinem Atelier um und betrachte seine Gemälde. Zugegeben, der Mann ist ein Genie, aber das mindert meine Angst nicht im geringsten. Marco steht in einer Ecke und verfolgt jede Handbewegung des Meisters.
»Zieh dein Mieder aus!«, herrscht mich Romero unerwartet an, ohne mich anzusehen.
Ich rühre mich nicht vom Fleck.
»Tu, was ich dir sage! Sonst kannst du gleich wieder gehen.« Er dreht den Kopf leicht in meine Richtung und beobachtet mich aus den Augenwinkeln.
Ich mache keine Anstalten ihm zu gehorchen.
»Tu es!«
Er kommt ein paar schnelle Schritte auf mich zu.
»Nicht schlagen!«, rufe ich und schütze meinen Kopf mit den Armen.
Romero packt meine Handgelenke und zieht mich zu sich ran. Ich zittere am ganzen Körper. Seine Stimme ist plötzlich weich und einschmeichelnd. »Du kannst nicht richtig malen, wenn du so ein enges Ding trägst. Wie willst du die Schwünge und Pinselstriche ausführen? Oder auf die Leiter klettern, wenn du ein großes Bild vor dir hast?«
Ich spüre seinen Atem auf meiner Haut. Seine hypnotischen schwarzen Augen blicken bis in die Abgründe meiner Seele. Seine widerspenstigen dunklen Locken berühren mein Gesicht. Der Mann ist ein Orkan. Man weiß nicht, wo man sich in seinem Wirbel befindet.
»Marco wird dir helfen.« Romero wirft ihm einen Blick zu.
Diensteifrig hilft Marco mir aus meinem Überkleid und schnürt mir das Mieder auf. Das tut er sicher nicht zum ersten Mal. Geschickt lösen seine Finger die Bänder. Zurück bleibt ein weißes Hängerkleidchen, was ich noch drunter trage. Meine Brüste fühlen sich frei und gelöst an. Ich schäme mich meiner Nacktheit unter diesem weißen Hauch von Nichts. Marco scheint das nicht zu stören und auch Romero wendet sich wieder seinem Bild zu.
»Du solltest ihm lieber gehorchen«, flüstert Marco mir ins Ohr und seine Lippen streifen wie zufällig meine Wange.
»Lass das!«, zische ich ihn an.
Marco beeindruckt das nicht, er lächelt nur spöttisch und zeigt dabei zwei Reihen weißer Zähne. »Pass auf, was du sagst. Es gibt Katzen und es gibt Tiger. Die ersteren findest du hier bestimmt nicht.«
»Zeig ihr ihren Platz, Marco«, fordert Romero ihn auf.
Der Junge schleppt mich zu einer vorbereiteten Staffelei.
»Und jetzt?«, wage ich zu fragen und drehe mich zu Romero um.
»Jetzt malst du! Marco wird dir Model stehen.«
»Wie bitte?!«
Mit Schrecken sehe ich zu, wie Marco sich seiner Kleider entledigt und mir mit einem anzüglichen Grinsen zuzwinkert.
»Deine Stillleben sind ja ganz nett, aber es wird Zeit, dass du lernst richtig zu malen.«
Romero lacht laut auf, als er meinen schockierten Blick bemerkt. Ängstlich schaue ich auf das Podest. Da liegt Marco nackt hingegossen, wie Gott ihn schuf.
Ich schlucke und mit zitternden Fingern skizziere ich mit einem Stück Rötel zaghaft Marcos Körperumrisse. Das ist schwierig, wenn man sich kaum traut sein Model anzuschauen. Die Linien verwackeln, sind ungenau und mir ist schlecht. Wo bin ich hier nur hineingeraten? Sollte es doch wahr sein, was sich die Leute über den Meister und seine Orgien zuflüstern?
»Nein, so geht das nicht«, knurrt mich Romero von hinten an.
Der Rötel fällt mir aus der Hand.
»Junge Mädchen sollten keine Maler werden!«, sagt er verächtlich und dreht sich um.
Will er mich etwa einfach wie ein dummes Kind hier stehen lassen? Das lasse ich mir nicht gefallen. Ich bin eine D`Angelo.
»Wo wollt Ihr hin? Ich will Malerin werden!«, rufe ich wütend hinter ihm her.
Romero bleibt stehen, kommt dann zurück. »So?«, seine Stimme ist kühl, »willst du das? Bist du bereit, dein früheres Denken, deine Moral, dein behütetes Leben hinter dir zu lassen?« Seine Augen bohren sich in meine.
»Ja«, sage ich fest und halte seinem Blick stand.
»Bist du bereit, ganz neu anzufangen und zu tun, was ich dir sage? Kunst bedeutet nicht einfach Farben auf Papier zu bringen, oder ein paar hübsche Zeilen zu schreiben. Kunst ist Leben! Wirkliches Leben! Und das ist nicht schön und glänzend.«
Er sieht meinen fragenden Blick.
»Oh, natürlich ist es auch das«, sein Ton ist sarkastisch, »aber das Leben ist ebenso schmutzig, böse und barbarisch. Solange du nicht gelebt hast, wirst du auch keine Kunst schaffen können.«
»Ich kann auch Kunst schaffen, obwohl ich noch jung bin und nicht ausschweifend gelebt habe!«, erwidere ich stolz.
»Ja?« Romero ist mir gefährlich nahe gekommen. Fast berührt sein Oberkörper meine Brüste. »Dann beweise es.«
Er nimmt meinen Arm und zieht mich zu dem Podest. »Da! Schau genau hin. Sieh dir die Linien seines Körpers an, seine Muskeln, den Verlauf seiner Sehnen, die Rundungen seines Körpers ...«
Romero nimmt meine Hand und legt sie auf Marcos Schenkel. Er schiebt meine Hand immer weiter über seinen Körper. Ich presse meine Lippen fest zusammen und gebe keinen Laut von mir. Ich rufe mir immer wieder ins Gedächtnis, Malerin werden zu wollen, also muss ich Romero gehorchen, ich werde ihm gehorchen. Also fahre ich allein mit meiner Hand über Marcos weiche, jugendliche Haut. Er hält die Augen geschlossen. Offensichtlich genießt er die Situation.
»Öffne deine Schenkel«, fordert Romero ihn auf.
Marco gehorcht.
Ich kneife die Augen zusammen. Das will ich nicht sehen.
»Schau hin!«, herrscht mich der Meister an.
Verschämt tue ich es. Es ist das erste Mal, dass ich einen Mann so sehe.
»Kein Schwanz ist wie der andere. Meistens sind sie weich und schlaff. Aber wenn sie erregt sind, dann schwellen sie an, wie junge saftige Maiskolben, prall und fest. So wie bei Marco gerade.«
Erstarrt schaue ich auf Marcos Schwanz. Vor meinen Augen wird er steif. Wie kann er es wagen?!
»Da kannst du gleich sehen, wie das Leben wirklich ist«, lacht Romero, »der Phallus eines Mannes nimmt keine Rücksicht auf das Feingefühl einer jungen Dame.«
Marco grinst mich frech an.
Ich schlucke. Meine Atmung hat sich beschleunigt. »Ich wünsche mir trotzdem, zu malen!«, flüstere ich, und reiße meinen Blick von Marcos Schwanz los.
Der Meister dreht sich um, geht zur Tür und sagt über die Schulter hinweg: »Marco, hilf ihr beim Anziehen. Wir bringen sie nach Hause.«
Mir treten Tränen in die Augen. Ich war zu schüchtern. Das Leben hat mir gezeigt, dass ich noch nicht reif bin, noch nicht genug erlebt habe, wie der Meister sagte.
»Und Marco, sag Lisette, sie soll ein Zimmer für Aurelia herrichten. Sie wird die nächsten Wochen hier wohnen.«
Mir bleibt die Luft weg! Hierbleiben? Jetzt? Sofort? Mein Vater wird das nie erlauben!
»Außerdem soll Francesca sich ankleiden und uns begleiten.«
Die Tür klappt, und Romero lässt einen übereifrigen Marco und eine versteinerte Aurelia zurück.