Читать книгу Aurelia - Nymphe der Lust | Historischer Erotik-Roman - Maria Bertani - Страница 6
ОглавлениеKunst ist Leben
Ich sitze an dem großen Wasserbecken im Garten und kühle meine brennenden Füße. In den letzten Tagen ist wider Erwarten nichts Außergewöhnliches passiert. Den Meister habe ich kaum gesehen. Entweder war er in der Stadt unterwegs oder er schloss sich in seinem Atelier ein. Ich habe noch nichts gemalt oder mich irgendwie mit meinen Studien beschäftigen können, außer dass Marco mir zeigte, wie man Pinsel und Spachtel reinigt, und Leinwände bespannt und grundiert. Wenn ich es mir recht überlege, habe ich jeden Winkel des Ateliers gesehen und gereinigt. Ich komme mir vor wie eine niedere Dienstmagd. Marco sagte mir, dass alle Meisterschüler diese Dinge tun müssen. Schließlich sei er nur Romeros Diener und nicht der Lakai der Schüler. In meiner Freizeit erkundete ich das Haus und den Garten. Ich bewunderte die Kunstobjekte und die Kunstfertigkeit Romeros.
Marco klärte mich darüber auf, dass der Meister alles selbst entworfen hat. Vom Garten über das Haus, bis hin zu den kleinsten Einrichtungsgegenständen.
»Hat er denn keine Frau?«, fragte ich neugierig. Trotz einer gewissen Abneigung ging mir Romero nicht aus dem Kopf und ich wollte mehr über ihn erfahren.
»Nein.« Marco schüttelte den Kopf. »Der Meister liebt nichts, außer die Kunst.«
»Wie kannst du nur so etwas sagen!«, schnaubte ich unwillig, »jeder liebt irgendwen.«
»Der Meister nicht«, beharrte er, »er ist frei und ungebunden. Alles andere würde seine Kunst nur behindern. Stell dir vor, er hätte Weib und Kinder. Dann wäre es mit der Ruhe und der Arbeit vorbei.«
Ich dachte nach.
»Du meinst …« Ich stockte. »… er macht nie Liebe mit einer Frau?« Ich wurde dunkelrot.
Und Marco lachte mich aus. »Wie kommst du darauf? Natürlich vögelt der Meister. Welche Frau würde es nicht mit ihm treiben wollen? Hast du seinen Körper gesehen oder seinen Schwanz?« Er sprach mit stolz geschwellter Brust, als würde er von sich reden. »Hast du eigentlich überhaupt schon mal gesehen wie es zwei treiben?«
Ich schüttelte stumm den Kopf.
»Ach ja, stimmt. Du bist eine feine Dame. Eine Jungfrau. Bei euch in den vornehmen Kreisen wird wohl nicht gevögelt?« Das sagte er so verächtlich, dass ich ihn am liebsten geschlagen hätte.
»Hast du es etwa schon gesehen?«, gab ich wütend zurück.
»Nicht nur gesehen! Ich hab es getan. Schon oft. Oder was glaubst du, wozu Francesca hier bei uns wohnt. Ein Mann hat schließlich seine Bedürfnisse!«
Ich schnappte nach Luft. Das konnte nicht wahr sein!
»Das glaub ich dir nie und nimmer«, stieß ich atemlos hervor.
Marco grinste frech. »Glaub es oder nicht. Mir egal. Ich vögele sie, wenn der Meister keine Lust hat. Sie ist unersättlich, sie kann immer.« Marco machte eine vulgäre Bewegung mit den Hüften. »Und in den letzten Tagen hat der Meister wenig Lust sich zu vergnügen, also komme ich öfter zum Zug.«
»Angeber!«, fauchte ich wütend.
Warum regte mich das eigentlich so auf? Was Romero und Marco trieben, ging mich nichts an.
»Ich beweise es dir, aber vorher zeige ich dir erst mal, wie man es macht. Damit du weißt, wie so was vor sich geht. Übermorgen am Nachmittag. Halte dich bereit.«
Und mit unverschämt guter Laune zog Marco los.
Jetzt ist besagter Nachmittag und ich hoffe inständig, dass Marco sein Versprechen vergessen hat. Da ertönt ein Pfiff.
»Komm, es ist soweit.« Marcos Ton hat etwas Bestimmendes an sich. »Oder bist du zu feige?«
Seufzend erhebe ich mich. Bei dem Gedanken an das, was ich zu sehen bekommen werde, wird mir angst und bange. Aber ich sage mir immer wieder das Motto des Meisters auf: Kunst ist nicht nur schön, sondern auch hässlich. »Kunst lernt man durch leben« prangt über dem Atelier in goldenen Buchstaben. Ich werde Marco zeigen, dass ich alles aushalte und er mich nicht verwirren kann. Kunst ist Leben!
»Ich bin nicht feige!«, erwidere ich weniger energisch, als ich vorhatte.
»Wir werden sehen.« Er grinst und ich folge ihm weiter in den Garten hinein, zu den Pferdeställen.
»Was wollen wir denn hier?« Ich bin verwirrt.
»Das wirst du schon sehen. Los komm, schnell da rein.« Marco zieh mich in den Pferdestall. Ein warm-schwüler Geruch von Stroh, Pferdeäpfeln und Pferd schlägt uns entgegen. Das spitze Stroh sticht mir in die nackten Fußsohlen.
»Au«, rufe ich.
»Sei still!« Marco stupst mich an. »Heute kannst du mal sehen, was ein richtiger Schwanz ist.«
Mir ist mulmig. Wir gehen den schmalen Gang zwischen den Boxen entlang in den hinteren Teil des Stalls. Dort steht Altair, der Hengst des Meisters. Ein wundervoller, schwarz glänzender Araber. Er schnaubt freundlich, als er uns bemerkt, und ich streiche ihm zärtlich über seinen weichen Nasenrücken. Altair drückt mir sein Maul in die Hand.
»Tut mir leid, mein Schöner, leider hab ich keinen Leckerbissen bei mir«, rede ich ihm gut zu.
Draußen hört man Hufgetrappel und laute Stimmen.
»Los komm, verstecken wir uns.« Marco zerrt mich in eine leere Box.
»Was soll das?« Mir ist das alles nicht geheuer und ich will flüchten, doch Marco hält mich am Arm zurück.
»Warte! Du wirst schon noch etwas zu sehen bekommen – und jetzt sei endlich still!«, fährt mich Marco an.
Leben kommt in den Stall. Romeros Pferdeknecht, zwei fremde Burschen, Romero und ein feiner Herr mit einer wunderschönen Stute an der Trense, kommen laut lachend und redend den Gang herunter.
»Nun, dann wollen wir mal sehen, ob Euer Altair ein ganzer Kerl ist, Romero«, lacht der Fremde.
»Ihr werdet sehen, Di Lorenzo, er ist mehr als das! Ich habe noch nie einen so riesigen Schwanz gesehen.«
Die Männer grölen und lassen obszöne Sprüche los.
Entsetzt sehe ich Marco an. »Was wird das hier?«
»Sei einfach still und schau hin!« Er grinst.
Mist, ich komme hier aus dieser Box nicht heraus, ohne bemerkt zu werden und bin dazu verurteilt, alles mit anzusehen. Die Stute wird zu Altair in die Box geführt. Die Pferde nähern sich an.
»Sieh nur, er hat gerochen, dass sie brünstig ist.« Marco ist begeistert.
Ich starre sprachlos auf den erigierten Schwanz des Arabers. Er schnaubt, umtänzelt die Stute. Als sie ihm ihr Hinterteil zuwendet, steigt er auf und stößt seinen Schwanz in sie hinein. Die Stute gibt ein heftiges Schnauben von sich.
»Oh, Gott! Wie schrecklich!«, presse ich hervor.
Ich schubse Marco zur Seite und stürze aus der Box. Gerade macht Romero einen Schritt zurück, um besser sehen zu können, und ich renne direkt in ihn hinein. Er hält mich an den Armen fest. Unsere Blicke treffen sich.
»Romero, Ihr alter Schurke! Wer ist denn dieses hinreißende Geschöpf?« Di Lorenzo kommt näher.
Ängstlich will ich zurückweichen, doch Romero schließt mich in seine Arme. Sein Körper ist warm und stark. Dann höre ich ihn sagen: »Das Mädchen ist nicht zu haben, Di Lorenzo. Sie steht unter meiner Obhut.«
Der scharfe Ton in Romeros Stimme lässt Di Lorenzo zögern. »Schon gut, alter Freund. Ich will Euch Eure älteren Rechte nicht streitig machen. Aber wenn Ihr sie eines Tages überhabt, dann wisst Ihr, an wen Ihr sie abgeben könnt?« Di Lorenzo zwinkert Romero anzüglich zu und sein Blick heftet sich gierig auf meinem Busen.
Romero schüttelt den Kopf. »Das wird nicht passieren.«
Mein Herz hämmert wie verrückt. Ich reiße mich los und laufe unter dem Gelächter der Männer davon.
In meinem Zimmer schlage ich die Tür hinter mir zu und werfe mich auf mein Bett. Tränen der Wut laufen mir über die Wangen. Was für eine Demütigung! Dieser widerliche feiste Lüstling, was bildet der sich eigentlich ein?
Ein leises Klopfen reißt mich aus meiner Betäubung. Ich setzte mich auf und wische mir dir Tränen aus dem Gesicht.
Romero.
Mein Herz klopft.
Er blickt sich im Zimmer um, als hätte er es noch nie gesehen, dann richtet sich sein Blick auf mich. Er sieht so aus, als will er etwas sagen, zögert, dann, nach einer kleinen Ewigkeit meint er: » Du kannst morgen mit deinen Studien beginnen. Komm pünktlich in mein Atelier.« Er mustert mich abschätzend.
Ich nicke langsam. »Ich werde da sein.«
»Gut.«
Bevor er zur Tür hinaus ist, dreht er sich noch ein Mal zu mir um und sagt: »Die Kunst kommt nur durch das Leben. Verstehst du? Kunst ist Leben.«
»Ja«, presse ich hervor.
Kurz zögert er, dann ist er fort. Die Tür fällt ins Schloss.
Ich lasse mich zurück in die Kissen sinken. Wie Romero mich angesehen hat ... Dieses Streicheln über meine Rundungen mit den Augen. Das war der Blick eines Malers.
»Die Kunst kommt durch das Leben«, hallt es in meinem Kopf nach.