Читать книгу Die Dirigentin - Maria Peters - Страница 14
Оглавление~ Robin ~
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Es war nicht zu übersehen, dass Dennis die Augen verdrehte, als ich vorschlug, Willy könne heute Abend probeweise mitspielen. Er schaute mich vielsagend an und flüsterte mir ins Ohr: »Ich bin dagegen.« Ich hätte sie in diesem Augenblick einfach wegschicken können, aber ich dachte: Frauen haben es schwer genug in unserem Metier, und wo sie jetzt schon einmal da ist …
Wenn sie nachher gut ist, bekommt sie den Job. Ich bin der Bandleader, aber die anderen müssen auch zustimmen. Ich habe ihr alle Bandmitglieder vorgestellt, den Schlagzeuger, den Mann am Banjo, den Trompeter und den Klarinettisten. Ich stehe hinter meinem Kontrabass, und Willy sitzt am Klavier.
Die Revuetänzerinnen sind mit ihrem verführerischen Stepptanz fertig. Sie haben bedeutend weniger an als Willy, die noch wie heute Mittag gekleidet ist. Ganz schön aufgedonnert. Sie sieht aus wie eine richtige Dragqueen. Die Tänzerinnen lachen sie an, als sie hinter den Kulissen verschwinden. Zumindest hoffe ich, dass sie Willy nicht auslachen.
Ich trete ans Mikrophon und kündige den Auftritt von Miss Denise an, dem berühmten female impersonator.
Wir haben ein buntes Publikum. Erstaunlicherweise sind es vor allem die Frauen, die von Miss Denise gefesselt sind und nicht genug von ihr kriegen können. Als hielte Miss Denise ihnen einen Spiegel vor, in dem sie die eigenen antrainierten, gefallsüchtigen Gesten sehen.
Das Publikum dreht durch, als Miss Denise mit weiblicher Eleganz die Bühne betritt. Ich habe Willy erzählt, dass Dennis erst immer ein wenig mit dem Publikum plaudert, bevor er anfängt zu singen. Und sie solle sich nicht wundern, wenn er am Ende des Auftritts die Perücke abnimmt, um dem Publikum zu zeigen, dass er tatsächlich ein Mann ist. Das ist immer der krönende Abschluss seiner Show.
Ich sehe, wie sie sich am Klavier entspannt. Natürlich erschrickt sie, als Miss Denise sich ihr plötzlich von oben herab zuwendet.
»Was haben wir denn hier«, sagt Miss Denise mit einer hohen, sehr weiblichen Stimme. »Einen female impostor am Klavier. Versuchst du etwa, mich zu übertrumpfen?« Miss Denise schaut verschwörerisch in den Saal. »Oder ist diese Nachäfferin vielleicht sogar eine richtige Frau? … Schwer zu sagen, oder was meinen Sie?«
Er erntet großes Gelächter.
»Da legt sich wohl jemand ganz schön für dich ins Zeug. Wie man hört, spielst du heute Abend zur Probe? Die Chance, dass du genommen wirst, ist aber winzig klein. Denn sieh dich doch um: Das ist hier eine Männerband.«
Dabei schaut der Halunke verstohlen zu mir, dann wendet er sich wieder der neuen Klavierspielerin zu.
»Wieso bist du noch da?«
Willy blickt ihn mit einem strahlenden Lächeln an. Das Beste, was man in so einer Situation machen kann.
Dennis fährt mit seiner Nummer fort: »Und übrigens, ich werde nicht für dich stimmen, denn alle Aufmerksamkeit gebührt auch in Zukunft natürlich einzig und allein mir!« Er setzt einen femininen Schmollmund auf und wartet, bis das Gelächter im Saal wieder abklingt.
»Kannst du eigentlich eine Tonleiter spielen?«
Willy nickt und spielt mit einem Finger nacheinander fünf Töne: E-G-B-D-F.
Dennis, der selbst überhaupt keine Noten lesen kann, versucht sie in die Enge zu treiben.
»Nennst du das etwa eine Tonleiter?«
Willy schüttelt den Kopf.
»Wie nennst du es dann?«
Willy antwortet laut und deutlich: »Every Good Boy Does Fine.«
Das Publikum rastet angesichts dieser Spitze gegen Miss Denise förmlich aus. Ich weiß nicht, wer aus dem Publikum mitbekommt, dass sie auf die Eselsbrücke für die Notenlinien im Violinschlüssel anspielt, aber das ist auch nicht wichtig.
Dennis, der am besten ist, wenn er improvisieren darf, lässt sich auf den Witz ein.
»Every good boy does fine«, wiederholt er. »Selbstverständlich, denn jetzt bin ja ich an der Reihe.« Er läuft gockelhaft über die Bühne.
»Sag mal, wie heißt du eigentlich?«
»Willy.«
Der Name führt zu einer neuen Lachsalve. Und Dennis kann es nicht lassen, nachzuhaken. Er hebt die Stimme um eine Oktave an.
»Weil du keinen willy hast, haben deine Eltern dich so genannt! Ich glaube, mit diesem Namen sind deine Chancen gerade immens gestiegen.« Wieder schaut er mich an. Ich weiß, jetzt hat sie auch seinen Segen. Ich zähle, und die Band fängt mit dem Intro von Oh! Boy, What a Girl an. Damit landete Eddie Cantor im letzten Jahr einen Riesenerfolg. Die Stimmung ist phantastisch. Miss Denise singt:
»Oh gee, other girls are far behind her,
Oh gosh, hope nobody else will find her.«
Und das ist genau meine Meinung zu Willy.