Читать книгу Simple Wahrheiten und warum ihnen nicht zu trauen ist - Marianne Gronemeyer - Страница 11

Generationen kommen und gehen

Оглавление

Im berühmten 11. Buch seiner Confessiones sinniert Augustinus über die Zeit: „Was ist also ‚Zeit‘? Wenn mich niemand danach fragt, weiß ich es; will ich einem Fragenden es erklären, weiß ich es nicht.“1 So geht es mir mit dem Thema ‚Generationen‘. Der Gegenstand, der so prall gesättigt von Erfahrung, so lebensvoll erschien, solange ich ihm keine besondere Aufmerksamkeit schenkte, verflüchtigte sich, wurde fadenscheinig, nebulös, als ich ihn genauer ins Auge zu fassen versuchte. Ja, es zeigt sich, dass diesem Begriff, mit dem so leicht und so erklärungskräftig zu hantieren ist, kein Gegenstand entspricht. Nichts, worauf ich zeigen könnte, um die Existenz des Bezeichneten zu demonstrieren: ‚Schau dort; eine Generation!‘ Das ist an sich nicht verwunderlich, denn alle Abstrakta sind von dieser Art. Nur, wenn ich von der ‚Generation‘ spreche, dann spreche ich in der Regel von einem handelnden Subjekt, die Generation tut dies und das, sie setzt etwas ins Werk, sie macht benennbare Erfahrungen und Fortschritte, sie bringt einen besonderen Geist, ihren Zeitgeist, hervor, sie lädt Schuld auf sich, sie gerät in Konflikt mit anderen Generationen, ihr stößt manches zu. Wer so aktiv ist, so geschichtsmächtig, der sollte doch da sein, an Ort und Stelle. Tatsächlich aber stelle ich betreten fest, der Akteur ist ein Phantom, ein Schwindel, ein Gespenst, unauffindbar, nicht dingfest zu machen. Das ist befremdlich. Warum betrügen wir uns mit der Unterstellung der Vorhandenheit von etwas, das es so offensichtlich nicht gibt? Wem und wozu nützt das Phantom? Seit wann geistert es herum, wie wurde es herauf beschworen?

Früher bezeichnete das Wort ,Generation‘ die Lebensalter, und es wurde darin zum Ausdruck gebracht, dass eines aus dem anderen durch Zeugung und Geborenwerden (genere) hervorgehe. Man bestimmte die Dauer einer Generation, um die Zeit nach Maßgabe der Lebensalter zu gliedern. Man durchwanderte sein Leben im Rhythmus der Generationenfolge und konnte mit der eigenen Lebensspanne an drei, äußerstenfalls vier Generationen teilhaben: Schon bei Homer verdankt Nestor seine Weisheit im Rat-Geben dem Umstand, dass er zwei Generationen sterblicher Menschen vergehen sah und nun einer dritten beiwohnte. Und Herodot unternimmt einen Versuch der geschichtlichen Periodisierung, wenn er auf ein Jahrhundert drei Menschenalter entfallen sieht.2 Daran hat sich nicht viel geändert; auch heute meinen wir den Zeitraum von ungefähr 30 Jahren, wenn wir die Dauer einer Generation bezeichnen wollen. Es ist der Zeitraum, den die Weltneulinge erfahrungsgemäß durchschreiten müssen, ehe sie sich zutrauen können, das Heft in die Hand zu nehmen, sich in die Geschäfte der amtierenden Generation einzumischen – sie ihnen gar streitig zu machen – und ihrerseits neue Menschen in die Welt zu setzen. Kaum verwunderlich, dass die Dauer einer Generation an den Lebensrhythmen und Geschäftsgängen der Männer abgelesen wurde. Frauen wechselten in erheblich jüngerem Alter von einer Generation in die andere.

An all dem ist nichts Gespenstisches oder Phantomhaftes. Die Generationen hatten in den familiären Dramen von Angesicht zu Angesicht miteinander zu schaffen, sie waren einander segensreich oder wurden sich gegenseitig zum Fluch, sie förderten und hemmten wechselseitig ihren Tatendrang; die Passagen von einer Generation in die nächste, vom Wartestand in den ‚Vorstand‘ und schließlich in den Ruhestand waren dramatische Zäsuren in den Lebensgeschichten und Belastungsproben im Generationenverhältnis. Wir finden diese von Auf bruch und Abstieg, von Werden und Vergehen, von Inauguration und Abdankung geprägte Abfolge der Lebensalter in vielerlei Gestalt an den großen, dem Fortuna-Rad gleichenden Fensterrosen der romanischen und frühgotischen Kathedralen, mit der links auf dem rotierend gedachten Rad aufsteigenden Figur: „regnabo, ich werde herrschen“, der auf dem höchsten Punkt thronenden Figur: „regno, ich herrsche“, der sich anklammernden, abstürzenden Figur: „regnavi, ich habe geherrscht“ und der unter dem Rad zermalmten Figur: „sum sine regno, ich bin ohne Herrschaft“.

Heute haben wir es jedoch vorwiegend mit einem anderen Generationen-Begriff zu tun, wiewohl die alte Bedeutung nebenher immer auch noch in Geltung ist. Generationen kommen in dieser neuen Bedeutung nicht mehr durch Geburt zur Welt, sondern durch Diagnose, sie werden ernannt, durch Dekret zusammengeschmiedet, zur Einheitlichkeit und Gemeinsamkeit ihres Weltverhältnisses verurteilt. Die Generation ist eine Kopfgeburt sozialwissenschaftlicher Experten, und was bei dieser Geburt zum Vorschein kommt, ist im Wortsinn ein Wechselbalg. Nach „germanischem Volksglauben stehlen Zwerge oder Geister neugeborene Menschenkinder und tauschen sie gegen ihre eigenen hässlichen“ Kreaturen, eben die Wechselbälger, aus.3

Was geht heute bei dieser böswilligen Vertauschung vor? An die Stelle der wirklichen, leibhaftigen, geburtlichen Menschenkinder treten entkörperte, ihres unverwechselbaren Gesichtes und ihrer Leiblichkeit beraubte, aller Besonderheit entkleidete, klapperdürre Figuren, bei denen jede Ähnlichkeit mit leibhaftigen Individuen als ein Konstruktionsfehler zu gelten hätte. Denn nur in dieser vollkommenen Abstraktion und Leere sind sie empfänglich und aufnahmebereit für jene ‚Identität‘, die ihnen verpasst wird, um sie zu Repräsentanten einer qua Diagnose hergestellten Generation zu machen. Um den Repräsentationszwecken zu genügen, werden sie repräsentabel ausstaffiert mit identitätsstiftenden Requisiten und Attributen und aufgepolstert mit Kennungen und Signaturen, zuguterletzt in eine kleidsame Uniform gesteckt, und dann haben sie eine Identität, will sagen, sie gleichen einander aufs Haar, sie sind Exemplare einer Art, sie sind auf den Begriff gebracht, sie fristen ihr Dasein als Merkmalsträger, sie bevölkern die Statistiken und tanzen ganz bereitwillig nach der Pfeife ihrer Erzeuger. Sie erscheinen als Generation.

Aber blutleer, leib- und seelenlos, unwirklich und gespenstisch, wie es ist, ist dieses Scheinwesen begierig, wirklich zu werden, um wirksam werden zu können. Statistische Konstrukte, diagnostisch hergestellte Tatsachen haben etwas Blutsaugerisches, Vampirhaftes; sie müssen sich leibhaftiger Menschen bemächtigen, um ihre Wirksamkeit entfalten zu können.

Also: Erst ist das Konstrukt da, das Design einer ‚Generation‘, und dieses Artefakt wird dann unvergleichlichen Menschen, die zunächst nichts als ihr Alter gemeinsam haben, buchstäblich ‚angedichtet‘; in dem doppelten Sinn des falschen Zeugnisses und der übergroßen Nähe. Das Konstrukt wird auf lebendige, konkrete Einzelwesen ‚gemünzt‘, ihnen auf den Leib geschrieben, so dass sie es nicht leicht abschütteln können, seiner Prägekraft kaum standhalten, bis ihnen diese Aufschrift schließlich wie eine zweite Haut vorkommt, ein Justaucorps, das ihnen Halt und Haltung zu geben verspricht. Was ihnen verpasst wurde, mag sie dann ganz passend dünken, sie mögen sich sogar ‚identifizieren‘ mit dem, womit sie infiziert wurden. Danach gilt der mathematische Satz: Sind zwei Größen einer dritten gleich, so sind sie auch untereinander gleich. Die Individuen sind, gleichgeschaltet, statistisch verwertbar. Die Kenntlichkeit und Einhelligkeit einer Generation ist scheinbar real. Es werden in einem Akt der Kolonisierung, der Gemeinmachung, der die unverwechselbaren Gesichtszüge der Personen wegretuschiert, ‚gesichtslose Gesichter‘, Vakuum-Gesichter4 aus ihnen gemacht; es wird ein Wir-Gefühl erzeugt, und aus dem kolonisierten ‚Wir‘ mag dann ein kolonisierendes ‚Wir‘ sich herausbilden, das selbstbewusst mit dem Anspruch auftritt, der Generalrepräsentant einer Epoche zu sein. Unversehens mögen sich leibhaftige Individuen so fühlen, wie sie angeblich sind. Sie mögen lernen, abzusehen von allem, was nicht ins Bild passt. Sie deuten vielleicht teils eitel, teils resigniert den Oktroy als inneren Drang und geben ihm einen Ausdruck, den sie mit Selbstausdruck verwechseln. Und so entstehen die Ausdrucksformen, die die Diagnose bestätigen: Eine ‚Generation‘ meldet sich auf eine für sie typische Weise zu Wort. Sie betritt ihre Bühne. Voilà.

Aber ist das nicht eine mutwillige Verdrehung von Ursache und Wirkung? Es gibt sie doch, die gemeinsamen Erfahrungen, die prägenden Ereignisse, die Erschütterungen und Verwerfungen, die Existenzbeben, die Kontinuitätsbrüche in den Ideen- und Vorstellungswelten, die die Gleichzeitigen miteinander teilen. Es gibt doch dieses von allen gespürte Wanken des Lebensgefüges und die Anstrengung, es neu zu justieren. Es gibt doch eine Art „Familienähnlichkeit“5 der Gleichaltrigen, das ‚Gesicht‘ einer Epoche, die Gemeinsamkeit der ‚Anschauung‘, also dessen, was die Zeitgleichen gleichermaßen zu Gesicht bekommen. Es gibt den markanten Unterschied zur Vorgängergeneration und den zur nachkommenden Generation. Gewiss. Auf eine bestimmte und begrenzte Weise sind Generationen Schicksalsgemeinschaften und die ihr Angehörenden werden durch diese Gemeinsamkeit gezeichnet.

Schaue ich mir aber die ‚Generationenfolge‘, die im 20. Jahrhundert Karriere gemacht hat, in ihrer jeweiligen Typik und Bestimmung an, so gibt mir das zu denken. Mit dem Ende des Ersten Weltkriegs betritt die erste ‚Kriegsgeneration‘ die Bühne. Sie wird bald abgelöst von einer zweiten. Eine ‚Nachkriegsgeneration‘ wird dann erst nach dem Zweiten Weltkrieg identifiziert. Mit zu kurz geratenem Abstand tritt die ‚68er Generation‘ auf, gefolgt von der ‚Generation Golf‘; und heute verliert sich die Bestimmung des Generationentypischen ins Unbestimmte: Die ‚Generation X‘ ist aufgetaucht.

Es ist doch beeindruckend, wie sich kaum merklich der Charakter der Generationensignatur ändert. Die Kriegsgeneration wird als Schicksalsgemeinschaft zusammengeschlossen, womit übrigens die Schuldfrage bis auf weiteres dispensiert ist. Präziser wäre es, von einer Schicksalskohorte zu sprechen, denn die Zwangsverbrüderten sind einander fremd, unverbunden, Monaden im dekretierten Kollektiv. Die Nachkriegsgeneration steht unter dem Stern des Wirtschaftswunders, sie ist eine Auf baukohorte, die ihre diesbezüglich lustloseren Erben im Schlepptau führt: die ‚skeptische Generation‘. Die 68er Generation ist diejenige der frustrierten Rebellen, die – gescheitert – reumütig in der verfemten Gesellschaft wieder untergekrochen sind und dafür mit Aufstieg belohnt wurden. Und ab den achtziger Jahren wird darauf verzichtet, die Generationenkennung überhaupt an das Tun und Erleiden, an Erfahrung und Wirksamkeit zeitgleich geborener Menschen zu heften. Generationenbildend werden sie als Konsumenten von industriellen Produkten. Ihre Gemeinsamkeit, das, was sie als Repräsentanten einer Generation charakterisiert, wird recht eigentlich nicht mehr ihnen zugeschrieben, sondern den Dingen, den marktgängigen Waren, mit denen das Gros der Zeitgenossen sein Leben ausstaffiert: Die ‚Generation Golf‘ ist kreiert, ein Kleinwagen aus dem Hause VW wird epochemachend.

Das ist ein entscheidender Schritt, eine buchstäbliche Umstülpung der Denkgewohnheit. Nicht weniger ist darin eingestanden, als dass die Menschen als Subjekte6 der Geschichte marginalisiert wurden. Als Akteure in den Schatten gestellt, auf die Bediener-, Benutzer- und Konsumentenrolle fixiert, gehen sie am Gängelband ihrer industriellen Produkte, das technische Gerät dirigiert den Zeitgeist. Die Menschen werden ‚gebildet‘ durch ihre Geräte, ihre Apparate, ihre Medien und werden, was sie sind, durch den Umgang mit ihnen. „Sage mir, womit (nicht mit wem) du umgehst, und ich sage dir, wer du bist.“ Alterskohorten sind vereinheitlicht dadurch, dass die ihnen Zugehörigen die Produkte ihrer siegreichen Produkte sind. Generationen vom Schlage der ‚Golf-Generation‘ sind folglich beliebig vermehrbar, jedes denkbare Produkt, solange es hinreichend ‚trendy‘ ist, kann eine Generation hervorbringen.

So realistisch es sein mag, dass der Umgang, den sie haben, nicht spurlos an den Menschen vorübergeht, sondern ihre Weltsicht und ihr Weltverhältnis nachhaltig prägt, und so richtig es ist, dass heutige Menschen mehr Zeit in Mensch-Maschine-Gespannen verbringen als sonstwo; so wenig davon abgesehen werden kann, dass ihr Weltbild immer weniger ihrer staunenden An-Schauung entspringt als vielmehr den stereotypen Bildern der Welt, die ihnen präsentiert oder vorgegaukelt werden, so gilt doch auch hier, dass der diagnostische Blick nur das an ihnen zu sehen bekommt, worauf er es abgesehen hat. Die Charakterisierung ist immer ein Attentat auf die Charaktere.

Nachdem einmal die Zeitgenossen als Produkte ihrer Produkte dingfest gemacht wurden, bedarf es nur noch eines kleinen Schrittes, um sie ganz aus der Generationenfolge hinauszukatapultieren und den Generationenwandel den Geräten aufzutragen, die ihn ungleich beschleunigter zuwege bringen und die die Adaption ihrer Bediener und Benutzer an ihre Systemerfordernisse wirksamer und verlässlicher erzwingen können als jede expertokratische Diagnose. Nun ist also offenkundig, dass die Technostruktur Geschichte macht und die Menschen antiquiert sind durch und durch. Schrittweise wurden sie in der diagnostizierten Generationenfolge entmachtet, bis sie schließlich als ersetzbar gelten können.

Anders die ‚Generation X‘7, sie meldet sich in einer Selbstkundgabe zu Wort und verweigert sich, indem sie sich zur Unbekannten in der Gleichung deklariert, ihrer kategorialen Erfassung. Ihr Element ist das Bunte, Schillernde, das Phantastische, die Erzählfreude, der spöttische Witz, die Gelassenheit. Fraglich nur, ob nicht, indem sie als Unbekannte der Gleichung figuriert, die Rechnung mit ihr doch aufgeht. Ein Typus, dem das Typische abgeht, ist ein Unding. Man kann wohl nicht ‚Generation‘ (im modernen Sinn des Wortes) und zugleich ‚X‘ (unbekannt) sein. Tatsächlich wurde ihr Inkognito bald gelüftet. Die Generation X hält der Definitionswut der Generationenerfinder nicht stand. Als „Kinder der Freiheit“8 wurden sie hierzulande auf den Begriff gebracht und in anbiedernder Manier beklatscht. Ihr Markenzeichen, so ist zu lesen, ist das Spaßbegehren, das von den Claqueuren zur Basisopposition hochgejubelt wird. Ihre Abstinenz in allen politischen Fragen wird ihnen als widerständige Anti-Politik ausgelegt. Sie werden doppelt festgestellt durch Definition und durch einen Applaus, mit dem sich die Diagnostiker, ihrer Generosität wegen, selbst akklamieren.

Was also macht das Konzept der Generationen so verführerisch, worin liegt seine Anziehungskraft und Plausibilität? Es kann Macht damit ausgeübt werden, Definitionsmacht, diagnostische Macht. Es schafft scheinbar Übersicht in verwirrenden Verhältnissen. Es gewährt die Illusion von Erklärung, denn Wirkungen lassen sich mit seiner Hilfe auf vermeintliche Ursachen zurückführen. Vor allem aber ist es ein Konzept, mit dem Gleichschaltung auf eine elegante, will sagen unkenntliche, unauffällige, diskrete Weise bewerkstelligt werden kann, und Gleichschaltung, das heißt Berechenbarkeit, Erwartbarkeit, störungsfreies Funktionieren, perfekte Wiederholbarkeit, die Ausmerzung des Besonderen und der Überraschung, ist die Bedingung eines Weltverhältnisses, das die Geschichte zum programmierbaren Rohstoff machen will. Im Generationenkonzept tritt die Gleichschaltung in dreierlei Gestalt zutage.

Sie zeigt sich in der Vereinheitlichung der zu Generations-Repräsentanten begradigten Individuen. Das Prinzip ‚Uniform‘ wird gegen das Prinzip ‚Unikat‘ durchgesetzt. Damit ist verbunden eine Gleichschaltung des Geschichtsbewusstseins: die nachträgliche „Sinngebung des Sinnlosen“ (Theodor Lessing), die den Gang der Entwicklung als einzig möglichen und darum richtigen erscheinen lässt. Schließlich löscht das Generationenkonstrukt die Vergangenheit aus. Während im alten Sinn des Wortes ‚Generation‘ in die Tiefe der Zeit führte, und einem jeden Individuum seinen Ort anwies in der endlosen Abfolge der Geschlechter, ihm seine Vergangenheit und seine Zukunft gab, ist die kopfgeborene Generation scheinbar herkunftslos, ad hoc. Sie ist aus dem Nichts aufruf bar und jederzeit abruf bar. Man kann sie in einem Akt der Mobilmachung aktivieren und umstandslos wieder außer Kraft setzen. Generationen sind so modisch wie die Moden, mit denen sie liiert werden, sie haben ihre aus der Tiefe der Zeit kommende Vorbestimmung abgeschüttelt.

Die ‚Generation‘ ist ein Konstrukt, das einen Raum „relativer Homogenität schafft, indem differenzierende und potenziell spaltende Merkmale unterdrückt oder geschwächt und diskriminiert werden.“9 Es dient dazu, den Anderen als Antlitz auszulöschen. Es zwingt die Einzigartigkeit und Verschiedenheit des Anderen unter die Herrschaft des verstehenden, kategorisierenden Selbst. „Erkenntnis besteht darin, das Individuum, das als einziges existiert, nicht in seiner Singularität, die nicht zählt, zu nehmen, sondern in seiner Allgemeinheit, von der allein es Wissenschaft gibt. Und hier ist der Anfang jeglicher Macht.“10

Dem Wesen der modernen Generation kommt man vielleicht am ehesten auf die Spur, wenn man den Repräsentanten einer Generation mit dem Zeitzeugen einer Epoche vergleicht. Während der Zeitzeuge Resonanz nur hat, wenn ich mit ihm spreche, tritt der Generationenrepräsentant dadurch ins Bild, dass über ihn gesprochen wird. Über wen ich spreche, über den kann ich verfügen. Mit wem ich spreche, dem habe ich mich ausgesetzt. Er wird sich nicht fügen. Im Angesicht seiner stehe ich selbst auf dem Spiel. ‚Du sollst dir kein Bildnis machen!‘

Simple Wahrheiten und warum ihnen nicht zu trauen ist

Подняться наверх