Читать книгу Liebe im Grand Hotel - Marie Louise Fischer - Страница 7

4

Оглавление

Rechtsanwalt Konrad Kilius bewohnte ein schönes altes Haus in München-Bogenhausen. Kanzlei und Wohnung lagen auf dem gleichen Stock. Obwohl in der Kanzlei, wie Eva von unten gesehen hatte, noch Licht war, entschloß sie sich, am Privateingang zu klingeln.

Die Tür wurde so rasch geöffnet, als ob Konrad Kilius nur auf ihre Ankunft gewartet hätte, und dann stand er ihr gegenüber, ein schlanker blonder Mann mit leicht gebeugten Schultern, in dessen klugem schmalem Gesicht reine Freude leuchtete.

»Eva, mein Liebling«, sagte er und zog sie in seine Arme.

Das Gefühl der Erleichterung und des Geborgenseins war so groß, daß sie es sich widerstandslos gefallen ließ. Während er sie fest umschlungen hielt und sanft hin und her wiegte wie ein unglückliches Kind, spürte sie plötzlich, wie ihre mühsam erzwungene Haltung zerbrach. Hilflos begann sie zu weinen, heiße, erlösende Tränen.

»Weine nur«, sagte er, »weine, mein Liebling … wein dich nur aus! Es wird ja alles wieder gut!«

Endlich, nach langen Minuten, gewann sie ihre Fassung zurück. Sie löste sich aus seiner Umarmung, zog ein Batisttüchlein aus ihrer Handtasche und wischte sich die Tränen ab.

»Ich bin ja so dumm«, sagte sie, »bitte, verzeih mir … ich weiß ja selbst gar nicht, warum ich mich so dumm benommen habe.«

»Niemand braucht sich echter Tränen zu schämen«, sagte er zärtlich.

Er schob seine Hand unter ihren Ellbogen, führte sie in sein Wohnzimmer, einen großen, gemütlich eingerichteten Raum, dessen breites Fenster den Blick in den Garten freigab. Aber draußen hatte es bereits zu dunkeln begonnen. Er zog den blauen Samtvorhang zu.

Das Licht in der Stehlampe brannte.

Er drückte sie in einen der lederbezogenen Sessel, nahm ihr gegenüber Platz, so nahe, daß er nur die Hand auszustrecken brauchte, um sie zu berühren. Er legte seine Hand auf ihre kalten nervösen Finger, die das feuchte Tüchlein zusammendrehten.

»Nun sag mir erst einmal, was los ist, ja? Nein, sag mir gar nichts, laß mich raten. Dein Mann hat dich betrogen, das war das Ende all deiner Träume! Und jetzt bist du hier … laß’ mich doch erst ausreden … damit ich die Scheidungsklage für dich einreiche!«

»Nein«, sagte sie erstaunt, »wie kommst du auf so etwas? Das ist es gar nicht … ach, wenn es nur das wäre! Urban ist schwer verunglückt, und heute morgen … eine Bank hat mir Wechsel über fünfhunderttausend Mark präsentiert. Ich muß das Geld aufbringen oder … wir verlieren das Hotel!«

Er zog seine Hand zurück.

»Und deshalb kommst du zu mir?«

»Ja, Konrad, glaub nicht, daß es mir leicht gefallen ist. Aber … es gibt sonst niemanden, der mir helfen könnte … der mir helfen würde. Ich brauche dieses Geld und …«

Sie sah ihn aus verzweiflungsvoll flehenden Augen an.

»… ich bin bereit, jeden Preis dafür zu zahlen! Verstehst du? Jeden!«

Es hatte sie unendliche Überwindung gekostet, diese Worte auszusprechen. Jetzt schlug sie die Augen nieder, sie wagte es nicht, Konrad Kilius anzusehen.

Er war aufgesprungen, begann mit großen Schritten im Raum auf und ab zu gehen, trat endlich an das Fenster, schob den Vorhang zurück und starrte in die Dämmerung hinaus.

Das Schweigen wurde unerträglich.

Sie fühlte, wie er sich qäulte, aber seine Qual berührte sie nicht. Ihr Herz war bei ihrem Mann, dessen Leid ihr unsagbar größer erschien. Sie dachte nur an Urban, an ihre Ehe, an die Verantwortung, die sie auf sich genommen hatte.

Sie stand auf, ging auf Konrad Kilius zu, legte zart ihre Hand auf seine Schulter.

»Bitte, Konrad«, sagte sie, »bitte!«

Er wandte sich ihr zu, und in seinen hellen Augen brannte eine solche Leidenschaft, daß sie unwillkürlich vor ihm zurückwich.

Eine Sekunde lang glaubte sie, daß er sich auf sie stürzen, sie in die Arme reißen würde. Aber er tat es nicht.

»Nein«, sagte er gepreßt, »nein, Eva. Was du von mir forderst, ist unmöglich! Es ist furchtbar!«

»Aber …«

»Du spekulierst mit meiner Liebe. Ich kann dir das nicht übelnehmen, denn ich begreife, um was es dir geht. Aber die Rechnung geht nicht auf. Ich liebe dich, ja, ich liebe dich … mehr als mein Leben. Ich will dich nicht für wenige verzweifelte Stunden besitzen, nicht für eine Nacht oder zwei, nein, fürs ganze Leben. Ich habe seit damals auf dich gewartet, als du dich für den anderen entschiedst. Vielleicht war es falsch, einfach zu warten, vielleicht hätte ich kämpfen sollen …«

»Nein«, sagte sie, »nein, Konrad. Das hätte keinen Sinn gehabt!«

»Ich weiß…«

Sie holte tief Atem.

»Und das Geld«, sagte sie, »du könntest es mir nicht geben? Auch ohne …«

Sie brach ab, unfähig, weiterzusprechen.

»Ich könnte dieses Haus verkaufen«, sagte er, »es gehört mir. Aber ich würde mehr damit verlieren als nur das Haus. Ein solcher Schritt würde mich um Jahre zurückwerfen, ich würde einen Teil meiner Klienten verlieren …«

Er ging zum Tisch, nahm seine Pfeife, klopfte sie hart gegen die Aschenschale aus.

»Aber ich täte es für dich, wenn du … für immer zu mir kämst.«

»Auch ohne Liebe?«

»Ja. Es würde mir genügen, wenn du hier bei mir wärest … zu wissen, daß du meine Frau bist. Alles andere …« Er zuckte die Schultern.

»Ich gehöre zu Urban!«

Er nahm Tabak aus einem ledernen Beutel und begann sorgsam seine Pfeife zu stopfen. Sie sah, daß seine Finger zitterten, aber sie empfand kein Mitleid. Nicht einmal ein Schuldgefühl. Er war nicht mehr der Freund, er war der Gegner, mit dem es zu kämpfen galt.

»Du brauchtest nur eine Hypothek aufzunehmen«, sagte sie.

Er ließ die Pfeife sinken und sah sie an.

»Nein, das werde ich nicht tun. Ich liebe dich, Eva, aber ich bin kein Narr. Ich denke nicht daran, mich für die Frau eines anderen zu ruinieren.«

Er setzte seine Pfeife in Brand.

»Es tut mir leid, daß ich dich enttäuschen muß«, sagte er, »und ich würde es dir keineswegs übelnehmen, wenn du jetzt gingst.«

Es gab nichts, was sie in diesem Augenblick lieber getan hätte. Sich wortlos umzudrehen, diesen Mann, auf den sie alle Hoffnungen gesetzt hatte, zu verlassen, wäre eine ungeheure Erleichterung für sie gewesen. Aber es ging nicht um ihren verletzten Stolz, es ging nur um das Ziel, das sie sich gesetzt hatte.

»Du hast sehr viel erreicht, seit wir uns zuletzt gesehen haben«, sagte sie beherrscht, »du scheinst sehr gut zu verdienen. Sicher hast du dich nicht nur mit Strafsachen befaßt …«

»Fast gar nicht«, gab er zu, ohne die Pfeife aus dem Mund zu nehmen.

»Also mußt du reiche Klienten haben. Wenn du nur wolltest, würdest du bestimmt jemanden für meine Sorgen interessieren können.«

Er sah sie kopfschüttelnd an.

»Eva, Eva, was hat diese Ehe aus dir gemacht!«

»Nicht die Ehe, sondern die Not«, sagte sie.

Sie ließ sich wieder in einen Sessel sinken.

»Denk nach. Du kannst das Geld auftreiben, ich weiß es. Natürlich würde ich die entsprechenden Zinsen zahlen.«

Er schwang sich auf die Lehne eines Sessels, der ihr schräg gegenüber stand.

»Wann brauchst du es?« fragte er.

Er sprach jetzt genauso sachlich wie sie.

»Bis übermorgen.«

»Das wird kaum zu machen sein.«

»Es ist nicht einfach, ich weiß, aber es muß gehen. Schließlich kann ich Sicherheiten bieten. Natürlich lasten Hypotheken auf dem Hotel, aber dieser Bankmensch hat mir selber gesagt … der Wert des Hotels und des Grundbesitzes geht weit über die Hypotheken und die Wechselbelastungen hinaus.«

»Dann begreife ich nicht, warum du nicht einfach diese Bank bittest, die Wechsel zu verlängern.«

»Glaubst du denn, ich hätte das nicht versucht? Aber sie wollen nicht. Weil mein Mann schwer verletzt ist und es Monate dauern wird, ehe er die Leitung des Hotels wieder übernehmen kann.«

Sie strich sich mit einer müden Bewegung eine Locke ihre rotblonden Haares aus der Stirn.

»Zu mir haben sie kein Vertrauen.«

»Wahrscheinlich zu Recht«, kommentierte er trocken. »Oder verstehst du etwas vom Hotelwesen? Hast du in den letzten Jahren mit deinem Mann zusammen gearbeitet?«

»Es gibt nichts, was man nicht lernen könnte.«

»Sicher nicht. Aber man braucht einige Zeit dazu, und gewöhnlich fängt man von unten an und übernimmt nicht gleich die Führung.«

»Ich weiß, daß ich es kann«, sagte sie entschieden. »Ich werde es können, weil ich muß.«

»Eva«, sagte er, »nimm doch Vernunft an! Du hast dich da in eine Idee hineingesteigert, die einfach undurchführbar ist. Du ahnst nicht, wie schnell ein Hotel heruntergewirtschaftet ist … die Bankleute wissen das, deshalb fürchten sie um ihr Geld.«

»Sie haben kein Vertrauen zu mir … du solltest mich aber besser kennen!«

»Ich liebe dich, deshalb kann ich dich nicht richtig beurteilen. Vielleicht sehe ich dich sogar völlig falsch. Aber darum geht es ja gar nicht. Eva, warum überläßt du diesen Leuten nicht das Hotel? Ich halte das für die absolut vernünftigste Lösung. Wenn du dich dazu entschließen könntest, würde ich mit dir kommen und einen entsprechenden Vertrag aufstellen. Ich würde für dich herausholen, was eben herauszuholen ist … ich verstehe mich auf solche Sachen. Du wirst nicht behaupten, daß dein Herz so an diesem alten Kasten hängt.«

»Es ist kein … ach, du verstehst mich überhaupt nicht. Urban würde mir nie verzeihen, niemals, wenn ich jetzt versage. Stell dir vor, er wäre genesen und käme zurück und müßte erfahren, daß ich sein Hotel, sein Lebenswerk, verschleudert habe. Das wäre das Ende unserer Ehe.«

Mit halb geschlossenen Augen beobachtete er sie nachdenklich durch den Qualm seiner Pfeife.

»Bildest du dir das nicht nur ein?«

»Nein. Ich bin ganz sicher. Das Hotel … es bedeutet Urban alles.«

»Mehr als du?«

»Ja«, sagte sie tonlos.

Er legte die Pfeife auf den Rand des Aschenbechers und richtete sich auf.

»Wenn das so ist«, sagte er langsam, »sehe ich vielleicht doch eine Lösung. Ich werde dich mit einem Geschäftsmann zusammenbringen, wenn du mir versprichst …«

»Alles!« sagte sie heftig.

»… zu mir zu kommen, falls du es nicht schaffst. Für immer.«

»Das wird nicht geschehen.«

»Aber wenn …«

»Dann hat mein Leben ohnehin keinen Wert mehr. Ich verspreche dir … dann werde ich zu dir kommen.«

»Eine deiner liebenswertesten Eigenschaften«, sagte er mit einem hintergründigen Lächeln, »ist deine entwaffnende Ehrlichkeit. Aber das macht nichts. Für mich wird dein Leben immer wertvoll sein. Du versprichst mir also, falls es schiefgeht, dich scheiden zu lassen? Und meine Frau zu werden?«

»Ja«, sagte sie. »Ja!«

Aber in ihrem Herzen wir sie davon überzeugt, daß es niemals dazu kommen würde.

Lona Simon, die Hotelsekretärin, war Urban Horster direkt unterstellt gewesen. Es gab also keine Vorgesetzten, den sie, da der Hotelier verunglückt, seine Frau verreist war, um Erlaubnis hätte bitten müssen, das Hotel für ein paar Stunden zu verlassen. Wenn sie es trotzdem tat, so hatte sie dazu einen guten Grund.

Sie paßte den Moment ab, da Herr Thomas, der Empfangschef, in dem Speiseraum des Personals sein Mittagessen einahm, und trat zu ihm an den Ecktisch.

»Herr Thomas«, sagte sie mit einem Lächeln, das ihre kleinen weißen Zähne entblößte, »ich hoffe, Sie werden nichts dagegen haben, wenn ich heute nachmittag für ein paar Stunden verschwinde.«

Er sah erstaunt zu ihr auf.

»Darüber habe ich nicht zu bestimmen«, sagte er.

»Nicht? Ich dachte. Frau Horster hätte Sie gebeten, den Chef zu vertreten.«

»Das hat sie nicht.«

»Komisch«, sagte Lona Simon.

Da Herr Thomas sie nicht aufforderte, sich zu setzen, zog sie sich einfach einen Stuhl heran und ließ sich nieder.

Er betrachtete sie mit leichter Mißbilligung, ohne sich zu verhehlen, daß sie sehr appetitlich und reizvoll aussah in dem giftgrünen Kostüm, das mit einer großen buntkarierten Seidenschleife dekoriert war.

»Trotzdem, da Sie mich schon einmal gefragt haben, finde ich es nicht ganz richtig, wenn Sie ausgerechnet heute nachmittag fortgehen«, erklärte er. »Frau Horster kann jede Stunde zurückkommen.«

»Das wird sie nicht«, sagte Lona, »ich habe den Königshof in München angerufen. Sie bleibt noch eine Nacht.«

Lona betrachtete ihre spitz gefeilten, ziegelrot gelackten Nägel und fügte nach einer wohlberechneten Kunstpause hinzu:

»Falls sie überhaupt zurückkommt.«

Herr Thomas starrte sie an.

»Was soll das heißen?«

»Genau das, was ich gesagt habe!«

Lona zog ein Zigarettenpäckchen aus ihrer kleinen weißen Handtasche.

»Sie haben doch hoffentlich nichts dagegen, wenn ich rauche?«

»Natürlich nicht.«

Herr Thomas zog sein goldenes Feuerzeug aus der Jackentasche, das er sich eigens zugelegt hatte, um auf die reichen Amerikanerinnen Eindruck zu machen, und ließ es aufschnappen. Lona beugte sich dicht an das Flämmchen heran.

»Danke«, sagte sie mit einem großen Augenaufschlag.

Herr Thomas steckte sein Feuerzeug wieder ein. Er war noch immer irritiert. Der Appetit war ihm vergangen, er schob seinen Teller von sich.

»Wie kommen Sie auf die Idee, daß Frau Horster vielleicht nicht zurückkommen könnte?«

»Liegt doch eigentlich nahe, finden Sie nicht auch?«

Sie musterte ihn mit verhaltenem Spott durch den Rauch ihrer Zigarette.

»Das kann ich wirklich nicht finden«, sagte er ärgerlich.

»Weil Sie nichts von Frauen verstehen. Ich an Frau Horsters Stelle würde mir auch sehr gut überlegen, ob es jetzt nicht der richtige Zeitpunkt wäre, abzuspringen. Das Hotel kann sie nicht halten …«

»Was?«

»Ach, Sie wußten das gar nicht? Es geht in den Besitz der Presser-Bank über. Aber Sie brauchen deshalb nicht zu erschrekken, Herr Thomas. Die Bank wird sämtliche Angestellte bestimmt mit Kußhand übernehmen.«

Lona nahm einen tiefen Zug aus ihrer Zigarette.

»Tragisch ist die Sache bloß für die Horsters.«

»Und für Sie, Fräulein Lona! Ihre Bindungen an dieses Haus gingen doch über das rein Geschäftliche ziemlich weit hinaus!«

Sie begegnete seinem Blick mit schmalen Augen.

»Stimmt«, sagte sie süß, »es tut mir aufrichtig leid um den armen Urban. Ich werde ihn übrigens nicht im Stich lassen. Wahrscheinlich wird er bald weiblichen Trost sehr gut brauchen. Wenn er erst allein dasteht.«

»Was Sie da behaupten, kommt einer Verleumdung gefährlich nahe!«

»O nein«, sagte Lona Simon und schnippte die Asche ihrer Zigarette auf den Boden, »ich sage nur, was ich weiß.«

»Was wissen Sie?«

»Seien Sie mir nicht böse«, sagte Lona sanft, »ich habe das Gefühl, ich habe schon zuviel geredet. Mein alter Fehler. Ich kann den Mund nicht halten.«

Sie machte Anstalten aufzustehen.

Er packte sie am Handgelenk und hielt sie fest.

»Hören Sie«, sagte er, »so kommen Sie mir nicht davon! Sie können mich nicht mit Ihren bösartigen Anspielungen nervös machen und dann einfach gehen!«

»Oh!« meinte sie erstaunt. »Sie sind persönlich interessiert an Frau Horster? Wenn ich das gewußt hätte …! Sie Armer, da kommen Sie entschieden zu spät.« Sie konnte sich nicht länger zurückhalten, sondern platzte heraus:

»Sie hat einen Geliebten!«

»Sind Sie wahnsinnig?«

Unwillkürlich ließ er sie los.

»Nicht im geringsten. Ich erzähle Ihnen nur, was ich weiß … und auch das nur, weil Sie mich dazu zwingen. Frau Horster ist zu ihrem Geliebten nach München gefahren.«

»Nein!«

»Doch. Und nachdem Sie das wissen, werden Sie auch die Berechtigung meiner Frage verstehen, ob sie überhaupt noch zurückkommen wird … ja, das ist das große Preisrätsel!«

Sie stand jetzt endgültig auf und drückte ihre Zigarette aus.

»Denken Sie mal darüber nach, Verehrtester! Und im übrigen, falls etwas Dringendes sein sollte … ich fahre jetzt zum Chef in die Klinik.«

Herr Thomas sprang auf.

»Sie wollen ihm doch nicht etwa sagen …?«

»Ach was, wo denken Sie hin! Ich will dem armen Mann doch nicht den Todesstoß verpassen. In seinem Zustand kann selbst eine Freudenbotschaft zuviel sein.«

Und damit verließ sie hocherhobenen Hauptes den Speiseraum, beschwingt von dem erhebenden Gefühl, einige sehr wirkungsvolle explosive Minen gelegt zu haben.

Es war gar nicht so einfach, zu Urban Horster zu gelangen, wie Lona Simon es sich vorgestellt hatte. Die Schwester bei der Anmeldung war nicht bereit, ihr die Zimmernummer zu nennen.

»Ich glaube nicht, daß der Patient überhaupt Besuch haben darf«, sagte sie, »da müssen Sie erst Herrn Doktor Krüger um Erlaubnis bitten.«

»Na schön«, gab Lona nach, »dann sagen Sie mir wenigstens, wo ich den Herrn Doktor finde!«

»Warten Sie, ich werde nach oben telefonieren.«

Es dauerte etwa zehn Minuten, bis Dr. Krüger in die kleine kühle Halle kam. Er sah Lona sofort – sie war nicht zu übersehen.

Sie saß da, die wohlgeformten Beine übereinandergeschlagen, so daß der enge Kostümrock bis über die schmalen Knie hinaufgerutscht war, und wippte mit dem einen ihrer giftgrünen Pumps. Ihr langes schwarzes Haar umgab das Gesicht wie ein dunkler, sehr wirkungsvoller Rahmen.

Donnerwetter! hätte Dr. Krüger beinahe gesagt, denn er war jung und lebenshungrig und ausgesprochen empfänglich für weibliche Reize. Er hatte es plötzlich sehr eilig, sie kennenzulernen.

»Assistenzarzt Doktor Krüger«, stellte er sich vor, »ich höre, Sie möchten Herrn Horster besuchen?«

Trotz seines bewußt sachlichen Tones entging es Lona nicht, daß sie Eindruck gemacht hatte – dafür hatte sie einen sechsten Sinn. Sie lächelte zu ihm auf und reichte ihm die Hand.

»Ja«, sagte sie, »das möchte ich. Aber diese strenge Schwester will es mir nicht erlauben. Sie scheint zu glauben, daß mein Besuch dem Patienten schaden könnte …«

»Bestimmt nicht«, sagte Dr. Krüger schmunzelnd, »jeder Mann, der Sie sieht, muß neuen Lebensmut bekommen.«

»Ich wußte, daß Sie so denken würden, Herr Doktor!«

Dr. Krüger zog sich einen Korbstuhl zu ihr heran und setzte sich.

»Trotzdem muß ich Sie etwas fragen … sind Sie mit dem Patienten verwandt? Er darf vorläufig nämlich nur den Besuch seiner engsten Angehörigen bekommen.«

»Verwandt?« wiederholte Lona gedehnt. »Nein, das ist nicht ganz zutreffend. Ich bin … seine Sekretärin.«

»Schade. Über Geschäfte zu sprechen ist dem Patienten nämlich ganz strikt verboten. Es regt ihn zu sehr auf.«

»Wer sagt Ihnen denn, daß ich mit ihm über Geschäfte sprechen wollte?«

»Nicht? Ich hatte gedacht …«

»Bitte, lassen Sie mich zu ihm, Herr Doktor, ich muß ihn sehen! Er … er sehnt sich bestimmt schon nach mir!«

»Ach so«, sagte Dr. Krüger und dachte wieder: Donnerwetter!

Eine Sekunde lang beneidete er den Patienten Urban Horster trotz seiner schweren Verletzungen heftig. So gut müßte man es auch mal haben! Eine schöne, kühle, damenhafte Frau und eine reizvolle Geliebte.

Lona beobachtete ihn verstohlen unter den gesenkten Wimpern.

»Sie dürfen nicht schlecht von mir denken, Herr Doktor!«

»Aber wie käme ich denn dazu! Ich weiß nur nicht … ich glaube, ich muß doch mit dem Professor sprechen …«

»Aber wozu denn! Fragen Sie doch einfach Herrn Horster, ob er mich sehen will! Ich bin Lona Simon. Sagen Sie ihm –«

Er fiel ihr ins Wort.

»Sie sind Lona Simon? Das hätte ich mir denken können.«

Jetzt war es an ihr, erstaunt zu sein.

»Bedeutet Ihnen mein Name irgend etwas?«

»Und ob! Der Patient hat dauernd nach Ihnen gefragt! Waren Sie etwa mit im Auto, als es passierte?«

Lona nickte. Sie legte ihre Hand auf den Arm des Arztes.

»Aber seine Frau weiß doch nichts davon … oder?«

»Nein. Wir wollten sie nicht unnötig beunruhigen.«

»Das ist sehr gut.«

Lona sprang auf. »Bitte, bringen Sie mich jetzt zu Herrn Horster. Der Ärmste! Vielleicht hat er sich sogar eingebildet, ich wäre tot!«

Lona Simon wußte, daß Urban Horster schwer verletzt war. Dennoch prallte sie unwillkürlich zurück, als sie ihn sah, und stieß gegen Dr. Krüger, der hinter ihr ins Zimmer trat.

Diese flüchtige Berührung genügt, um dem jungen Arzt das Blut ins Gesicht zu treiben. Aber ausnahmsweise interessierte sich Lona in diesem Augenblick nicht dafür, welch starken Eindruck sie auf Männer machte.

Sie sah nur Urban Horster, seine leblose, lang ausgestreckte Gestalt, den dick bandagierten Kopf und die Augen – diese armen Augen!

Man hatte ihm am Vormittag den Verband abgenommen, und er konnte wieder sehen, aber immer noch war das ganze Gebiet um die Augen herum dick verschwollen, blau und grün verfärbt, und mühsam blinzelte Urban Horster durch schmale Schlitze.

»Lona«, stammelte er, »du?«

Sie hatte ihren ersten Schreck überwunden und lief zu ihm hin, kniete sich neben sein Bett auf den Boden, nahm seine linke Hand und schmiegte ihre Wange hinein.

»Ja, ich bin’s, Urban«, stammelte sie, »ich bin’s! Ich weiß, was du gedacht haben mußt … aber ich konnte mich ja nicht mit dir in Verbindung setzen … mein Ärmster, mein Geliebter!«

Er tastete ungeschickt über ihr üppiges schwarzes Haar.

»Daß du lebst … daß du lebst, Lona! Das ist wie ein Wunder für mich!«

Sie sah zu ihm auf, die großen dunkelbraunen Augen voll Tränen.

»Es war auch ein Wunder«, sagte sie lächelnd, »ich habe gar nichts abbekommen, fast gar nichts. Nur ein paar Schrammen. Ich bin ausgestiegen und zur nächsten Tankstelle gelaufen, von dort aus habe ich die Polizei benachrichtigt!«

Plötzlich begegnete sie dem skeptischen Blick des Arztes.

»Ich wollte nicht, daß du angezeigt würdest«, fügte sie hastig hinzu, »du hast doch einmal gesagt …«

»Ja, ja, natürlich …«

Er streichelte ihr Haar, ihr Gesicht, ihren Hals.

»Und außerdem … deine Frau. Ich wollte nicht, daß sie etwas erfuhr. Mir wäre es ja gleich gewesen. Aber um deinetwillen«.

»Wo ist meine Frau?« fragte er. »Warum kommt sie nicht?«

Beinahe hätte Lona eine Andeutung gemacht, aber Dr. Krügers kühle Augen brachten sie zur Besinnung.

»Sie hat soviel mit dem Hotel zu tun, weißt du …«

»Das Hotel … was wird mit dem Hotel? Dieser Presser …«

»Mit dem Hotel ist alles in Ordnung«, sagte Dr. Krüger rasch. »Sie wissen, Sie dürfen sich deswegen keine Gedanken machen. Sie dürfen überhaupt nicht so viel denken, das ist nicht gut für Sie.«

»Ja«, stimmte Lona zu, »mach dir nur keine Sorgen. Es ist wirklich alles bestens. Mit Presser sind wir sehr gut fertig geworden.«

Es war ein Zufall, daß Lonas Behauptung mit Evas Aussage übereinstimmte. Urban Horster nahm sie als Wahrheit. Tatsächlich stand er immer noch unter dem Einfluß starker schmerzstillender Mittel und war gar nicht fähig, einen klaren Gedanken zu fassen.

»Ich bin so froh, daß du gekommen bist«, sagte er aufatmend und schloß die Augen.

Dr. Krüger gab Lona ein Zeichen. Sie legte seine Hand sanft auf die Bettdecke zurück und erhob sich.

»Auf Wiedersehen, Liebster«, flüsterte sie und verließ auf Zehenspitzen das Zimmer.

»Herr Horster macht sich dauernd Sorgen um sein Hotel«, sagte Dr. Krüger, als sie draußen auf dem Gang standen und er die Tür ins Schloß gezogen hatte.

»Mit Recht«, sagte Lona Simon, »wenn er erst wieder auf den Beinen ist, wird es dahin sein!«

Sie holte ein Spiegelchen aus ihrer Tasche und tupfte sorgsam die Tränenspuren aus ihren schönen Augen.

»Das darf er nicht erfahren«, sagte Dr. Krüger, »unter keinen Umständen.«

»Von mir bestimmt nicht«, erklärte Lona, die ihre gewohnte Keßheit schon wiedergewonnen hatte. »Diese Eröffnung werde ich gern seiner Frau überlassen.«

Sie ließ den Spiegel sinken und sah den Arzt an.

»Sie werden ihr doch nicht sagen, daß ich hier war?«

»Nein«, sagte Dr. Krüger, »trotzdem würde ich Ihnen nicht raten, allzuoft zu kommen. Der Patient schwebt immer noch in Lebensgefahr. Die kleinste Aufregung kann seinen Zustand von einer Minute auf die andere rapide verschlechtern. Und wenn es ausgerechnet hier zwischen seiner Gattin und Ihnen zu einem Zusammenstoß käme …«

»Keine Sorge«, sagte Lona, »ich bin mir gar nicht sicher, ob ich überhaupt noch einmal wiederkomme. Vielleicht werde ich sogar Baden-Baden sehr bald verlassen.«

Sie steckte sich eine Zigarette zwischen die sorgfältig nachgezogenen Lippen und ließ sich Feuer geben.

»Das kommt ganz darauf an, wie sich die Dinge für mich entwickeln …«

Der Anruf kam genau zwanzig Minuten nach zwei.

Eva Horster hatte den ganzen Tag ihr Hotelzimmer nicht eine Sekunde verlassen. Sie war ins Bad gegangen – die Verbindungstür halb geöffnet – während das Bett gerichtet und der Teppich gesaugt wurde. Sie hatte am Fenster gesessen und auf das Verkehrsgewühl am Stachus hinunter gestarrt, von dessen wechselnder Dichte sich die Tageszeiten ablesen ließen. Sie hatte sich das Essen aufs Zimmer bringen lassen – nicht, weil sie wirklich Hunger empfunden hätte, sondern nur um eine Unterbrechung in diesem endlosen zermürbenden Warten zu schaffen, und sie hatte mehr Zigaretten geraucht als sonst in einer ganzen Woche.

Doch dann, als das Telefon endlich klingelte, besaß sie im ersten Augenblick nicht die Kraft, den Hörer abzunehmen. Es hing zuviel von diesem Bescheid ab, den Rechtsanwalt Kilius ihr geben wollte – alles.

Sie zündete sich eine neue Zigarette an, tat ein paar tiefe Züge, und erst als der Apparat zum drittenmal läutete, nahm sie den Hörer ab.

»Hallo«, sagte sie mit leiser Stimme.

»Na endlich!«

Konrad Kilius sprach rasch, geschäftsmäßig, ohne eine Spur von Sentimentalität.

»In zehn Minuten bin ich bei dir und hole dich ab. Warte unten in der Halle auf mich.«

Sie tat einen tiefen Atemzug. »Hast du …?«

Aber sie kam nicht dazu, ihren Satz zu Ende zu sprechen, denn er hatte schon aufgelegt.

Aber es war auch nicht nötig, daß er länger zuhörte. Sie konnte sich ihre Frage selbst beantworten: Ja, er hatte einen Mann gefunden, der Geld Genug hatte, das Hotel zu retten – jetzt lag es nur noch an ihr, ihn davon zu überzeugen, daß er sein Geld gut anlegte.

Eva war fertig angezogen. Sie brauchte nur ihre Tasche und die Handschuhe zu nehmen und das Hotelzimmer zu verlassen. Als sie einen letzten prüfenden Blick in den Spiegel warf, entdeckte sie in ihren klaren grauen Augen einen neuen, harten Glanz. Aber es blieb ihr keine Zeit über sich selbst nachzudenken und über das, was in diesen letzten Tagen mit ihr geschehen war.

Sie wartete nicht unten in der Halle, wie Konrad Kilius ihr geraten hatte, sondern trat auf die Straße hinaus. Die Sonne schien, und in der Luft lag der flimmernde Glanz eines verheißungsvollen Vorfrühlingstages.

Einen Augenblick lang stand Eva leicht geblendet von der unerwarteten Helligkeit, dann erkannte sie Konrad Kilius. Er kam mit großen Schritten, die Schultern leicht gebeugt, die Hände in den Taschen seines kurzen Trenchcoats, auf sie zu. Er lächelte, als er sie begrüßte, aber seine klugen Augen blieben ernst. Mit einer besitzergreifenden Geste schob er seine Hand unter ihren Ellenbogen.

»Ich denke, wir lassen den Wagen stehen«, sagte er, »und gehen die wenigen Schritte bis zur Sonnenstraße zu Fuß. Auf diese Weise sparen wir Zeit, und ich brauche nicht erst wieder nach einem Parkplatz zu suchen.«

Sie stellte keine Fragen, sondern versuchte sich seinem raschen Schritt anzupassen. Sie wußte, daß er jetzt von selbst reden würde.

»Der Mann heißt Georg Makulis«, sagte er, »kein sehr angenehmer Mensch, aber fünfzig Millionen schwer. Ich denke, das ist für dich das Entscheidende.«

»Ist er interessiert?«

»Ja, durchaus. Ich bin sicher, daß er dir das Geld geben wird.«

Unwillkürlich verhielt sie den Schritt.

»Konrad«, sagte sie, »ich weiß gar nicht, wie ich dir danken soll!«

»Gar nicht«, wehrte er ab und zog sie weiter, »ich bin keineswegs sicher, daß ich dir mit dieser Vermittlung einen Dienst erweise.«

»Aber …«

»Georg Makulis ist ein durchtriebener Mensch. Er hat in seinem ganzen Leben noch niemals etwas ohne Hintergedanken getan. Er wird versuchen, dir Sand in die Augen zu streuen, aber du darfst dich nicht verdummen lassen. Er gibt dir das Geld nur, weil er ganz sicher ist, daß du es ihm nicht zurückzahlen kannst.«

»Das verstehe ich nicht.«

»Wirklich nicht? Das Hotel ist ihm nicht so wichtig, er ist scharf auf das Grundstück. Er will daraus teure, elegante Eigentumswohnungen machen. Er rechnet damit, daß du das Hotel herunterwirtschaften wirst, dann kann er das Ganze billig haben.«

»Na, dann verrechnet er sich eben.«

»Sei nicht zu sicher, Eva! Du darfst dich nicht blind in eine Gefahr begeben, deren Ausmaße du nicht erkennst, Georg Makulis hat sich noch nie verspekuliert, das ist seine große Stärke.«

»Ich habe keine Wahl«, sagte sie, »du weißt, daß ich das Geld brauche«.

»Nein. Du bildest es dir nur ein. Du hast immer noch die Möglichkeit, dich mit den Presser-Leuten zu einigen. Dann würde dir wenigstens etwas bleiben. Wenn du dich mit Makulis einläßt, wirst du alles verlieren … mit Stumpf und Stiel.«

»Warum erzählst du mir das?« fragte sie gereizt. »Dir sollte es doch eigentlich ganz recht sein …«

Darauf schwieg er. Sie wußte, daß sie ihn beleidigt hatte, aber es war ihr gleichgültig.

Georg Makulis war genau so, wie Eva sich ihn nach den Andeutungen des Rechtsanwalts vorgestellt hatte – eher noch unsympathischer. Ein schwerer Mann mit einem eckigen Kinn, einem schmalen Mund, den er beim Reden kaum öffnete, weil er seine schlechten Zähne nicht zeigen wollte, und tiefliegenden farblosen Augen.

Er empfing Eva Horster und den Anwalt mit überschwenglicher, unechter Herzlichkeit, drückte einen feuchten Kuß auf Evas Hand und schob ihr väterlich einen Sessel hin.

»Ah, da haben wir also die kleine Frau mit den großen Sorgen!« sagte er. »Ich bin froh, von Herzen froh, daß mein Freund Kilius Sie zu mir gebracht hat …«

Er schlug Konrad Kilius mit der plumpen Hand auf die Schulter.

»Mein Freund Kilius kennt mich! Er weiß, wo Hilfe not tut, da ist der alte Makulis immer bereit einzuspringen …«

Eva fiel ein, was ihr Lona Simon über die Millionäre und ihre Minderwertigkeitskomplexe gesagt hatte – diesmal stand alles auf dem Spiel, und sie wollte um keinen Preis wieder einen Fehler machen.

»Aber Sie sind doch gar nicht alt, Herr Makulis«, sagte sie lächelnd und ohne zu erröten.

Sie bemerkte den befremdeten Blick, den Konrad Kilius ihr zuwarf, aber das hinderte sie nicht daran, den reichen Mann anzustrahlen.

Georg Makulis genoß das schamlose Kompliment sichtlich.

»Also, nein, wirklich alt bin ich noch nicht, gnädige Frau«, sagte er befriedigt, »ein Mann in den besten Jahren sozusagen … wenn es darauf ankäme, könnte ich es, glaube ich, mit manchem jungen Windhund aufnehmen!«

»Da bin ich ganz sicher«, sagte Eva und lächelte weiter.

»Darf ich vorschlagen, daß wir uns jetzt mit der geschäftlichen Seite unserer Zusammenkunft befassen?« sagte Konrad Kilius kühl.

Georg Makulis sah ihn kopfschüttelnd an.

»Immer ungeduldig, diese jungen Leute, immer ungeduldig!«

Konrad Kilius holte aus der Jackentasche einen Stoß sorgfältig zusammengelegter Papiere hervor.

»Ich habe hier den Vertrag aufgesetzt«, sagte er, »wenn Sie beide ihn durchlesen möchten …«

Er gab Eva den ersten Durchschlag, dem Makler das Original.

Sie mußte sich zwingen, den Vertrag aufmerksam zu prüfen – oder wenigstens so zu tun. Sie las die Summe, las ›zahlbar sofort‹ und hätte am liebsten alles andere unbesehen unterschrieben. Aber sie durfte ihre Schwäche nicht so deutlich zeigen.

»Neun Prozent Zinsen«, sagte sie endlich, »das scheint mir ein bißchen hoch!«

»Vollkommen richtig«, stimmte Georg Makulis zu, »ich bin doch kein Halsabschneider! Da müssen Sie sich verhört haben, Kilius … machen wir acht Prozent daraus.«

»Wie Sie wünschen«, sagte der Rechtsanwalt kühl.

»Ich bin Witwer«, erklärte der Makler, »ein einsamer alter Mann … was sollte es für mich einen Zweck haben, Gelder zu scheffeln? Mehr als trinken und essen kann der Mensch nicht, sage ich immer …«

Er rieb sich die Hände.

»Mit acht Prozent bin ich einverstanden«, sagte Eva.

»Na schön, dann ändern wir jetzt den Vertrag, und dann unterschreiben wir«, sagte der Makler.

»Du weißt, daß du damit Herrn Makulis ein Vorkaufsrecht auf den gesamten Besitz einräumst«, sagte der Rechtsanwalt warnend.

»Diese Klausel muß bleiben«, erklärte Georg Makulis rasch, »darauf muß ich bestehen. Es ist eine reine Formsache, versteht sich … denn es wird sicher nie dazu kommen, daß Sie verkaufen müssen!«

Eva zuckte nicht mit der Wimper.

»Ich bin einverstanden«, erklärte sie.

Liebe im Grand Hotel

Подняться наверх