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4. Kapitel
ОглавлениеMontag
Romeos Flucht aus Italien war minutiös geplant worden. Vom Petersplatz fuhr seine Gruppe mit dem Lastwagen zu einem sicheren Haus, wo er sich umzog, einen praktisch »wasserdichten« falschen Paß bekam und einen fertig gepackten Koffer abholte, um auf Schleichwegen über die Grenze nach Südfrankreich gebracht zu werden. In Nizza nahm er eine Maschine nach Paris, die nach New York weiterflog. Obwohl er seit dreißig Stunden keinen Schlaf mehr bekommen hatte, blieb Romeo hellwach. Nun kam es auf jede Einzelheit an, denn dies war jener unkomplizierte Teil eines jeden Unternehmens, der manchmal nur wegen eines verrückten Zufalls oder eines Versehens bei der Planung schiefging. Dinner und Wein waren auf Air-France-Flügen stets exzellent. Allmählich entspannte sich Romeo ein wenig. Er blickte auf den endlosen, hellgrünen Ozean und den Horizont des blau-weißen Himmels hinab. Dann schluckte er zwei starke Schlaftabletten, aber noch immer hielt ihn eine nagende Angst im Herzen wach. Er dachte an den US-Zoll, den er passieren mußte. Konnte da etwas schiefgehen? Aber selbst wenn er dort erwischt wurde, würde das Yabrils Pläne nicht durchkreuzen. Ein trügerischer Überlebensinstinkt hielt ihn wach, denn Romeo machte sich keine Illusionen über das, was ihm bevorstand und was er durchzustehen haben würde. Als Sühne für die Sünden seiner Familie, seiner Gesellschaftsklasse und seines Landes hatte er sich zum Opfergang bereit erklärt; nun aber hielt diese geheimnisvolle nagende Angst seinen ganzen Körper gespannt.
Schließlich wirkten die Tabletten doch, und er schlief ein. In seinen Träumen schoß er noch einmal und floh vom Petersplatz, und dann wurde er, während er noch lief, auf einmal wach. Die Maschine landete gerade auf dem Kennedy Airport von New York. Die Stewardeß reichte ihm seine Jacke, und er holte sein Handgepäck aus dem Fach über seinem Kopf. Als er den Zoll passierte, spielte er seine Rolle tadellos und schritt mit seiner Tasche auf den Hauptvorplatz des Flughafen-Terminals hinaus.
Hier entdeckte er sofort seine Kontaktpersonen. Das Mädchen trug eine grüne Skimütze mit weißen Streifen. Der junge Mann zog eine rote Baseball-Schirmmütze heraus und setzte sie auf, damit der blaue Aufdruck »Yankees« zu sehen war. Romeo selbst trug kein Erkennungszeichen; er hatte sich die Entscheidung vorbehalten. Er bückte sich, hantierte mit seinen Taschen, öffnete die eine und kramte darin herum, während er unentwegt die beiden Kontaktpersonen beobachtete. Er stellte nichts Verdächtiges fest. Obwohl auch das keine Rolle gespielt hätte.
Das Mädchen war eine schlanke Blondine, viel zu knochig für Romeos Geschmack, doch ihre Züge verrieten eine feminine Härte, wie sie sehr ernste Mädchen oft aufweisen, und das gefiel ihm bei einer Frau. Er fragte sich, wie sie im Bett sein mochte, und hoffte, lange genug in Freiheit zu sein, um sie zu verführen. Das dürfte keine allzugroßen Schwierigkeiten bereiten. Er wirkte auf alle Frauen anziehend. In dem Punkt war er besser als Yabril. Sie würde ahnen, daß er etwas mit dem Attentat auf den Papst zu tun hatte, und mit einem solchen Mann das Bett zu teilen, konnte für eine ernsthafte Revolutionärin die Erfüllung all ihrer romantischen Träume sein. Wie er bemerkte, beugte sie sich nicht zu ihrem Begleiter hinüber und berührte ihn auch nicht.
Der junge Mann besaß ein so freundliches, offenes Gesicht und strahlte eine so amerikanische Gutmütigkeit aus, daß Romeo ihn auf Anhieb verabscheute. Amerikaner waren so nutzlose Scheißkerle, hatten ein viel zu bequemes Leben. Man stelle sich vor: In über zweihundert Jahren hatten sie’s nicht mal annähernd geschafft, eine revolutionäre Partei zu gründen! Der junge Mann, der ihn in Empfang nehmen sollte, war typisch für diese Schlappschwänze. Romeo nahm seine Taschen und ging direkt auf die beiden zu.
»Entschuldigen Sie«, begann Romeo lächelnd und mit starkem Akzent in seiner englischen Aussprache, »könnten Sie mir sagen, wo der Bus nach Long Island abfährt?«
Das Mädchen wandte sich zu ihm um. Aus der Nähe war sie viel hübscher. Er entdeckte eine winzige Narbe an ihrem Kinn, die sein Begehren weckte. »Wollen Sie zur North Shore oder zur South Shore?« erkundigte sie sich.
»Nach East Hampton«, antwortete Romeo.
Das junge Mädchen lächelte; es war ein freundliches Lächeln, sogar ein bewunderndes. Der junge Mann ergriff eine von Romeos Taschen und sagte: »Komm mit.«
Sie gingen voran, zum Flughafen hinaus. Der Verkehrslärm, die dichte Menschenmenge überwältigten Romeo. In einem Wagen wartete ein Fahrer, der ebenfalls eine rote Baseballkappe trug. Die beiden jungen Männer nahmen vorn im Wagen Platz, während das Mädchen sich mit Romeo in den Fond setzte. Als sich der Wagen in den Verkehr einfädelte, streckte das Mädchen die Hand aus und sagte: »Ich bin Dorothea. Bitte, mach dir keine Sorgen.« Die beiden jungen Männer vorn nannten ebenfalls ihre Namen. Dann sagte das Mädchen: »Du wirst es hier sehr bequem haben und absolut in Sicherheit sein.« In diesem Moment empfand Romeo die Qual eines Judas.
Am Abend gaben sich die beiden jungen Amerikaner große Mühe, Romeo ein köstliches Essen aufzutischen. Er bewohnte ein gemütliches Zimmer mit Blick aufs Meer, wo nur das Bett ein wenig armselig war, aber das machte nichts, denn Romeo würde, falls überhaupt, höchstens eine Nacht darin verbringen. Das Haus war teuer, aber nicht sehr geschmackvoll eingerichtet, eben im modernen, amerikanischen Beach-House-Stil. Zu dritt verbrachten sie den Abend mit ruhigen Gesprächen in einer Mischung aus Italienisch und Englisch.
Dorothea war eine Überraschung. Sie war nicht nur hübsch, sondern auch hochintelligent. Wie sich herausstellte, flirtete sie nicht und zerstörte damit Romeos Hoffnung, seine letzte Nacht in Freiheit mit Sexspielchen verbringen zu können. Richard, der junge Mann, war ebenfalls sehr ernst. Die beiden ahnten zweifellos, daß er in den Mord am Papst verwickelt war, stellten aber keine Fragen, sondern behandelten ihn lediglich mit jenem beängstigenden Respekt, den man einem Menschen entgegenbringt, der langsam an einer tödlichen Krankheit stirbt. Romeo war von ihnen beeindruckt. Sie bewegten sich so geschmeidig! Sie unterhielten sich intelligent, sie hatten Mitgefühl mit den vom Glück Benachteiligten und glaubten fest an ihre Überzeugungen und Fähigkeiten.
An diesem ruhigen Abend mit den beiden jungen Menschen, die so aufrichtig in ihren Überzeugungen, so naiv hinsichtlich der Erfordernisse einer echten Revolution waren, fühlte sich Romeo ein wenig von seinem eigenen Leben angewidert. War es denn nötig, diese beiden ebenfalls zu verraten? Er selbst würde letztlich freigelassen werden; er glaubte fest an Yabrils Plan, er war so simpel, so elegant. Und er hatte sich freiwillig bereit erklärt, den Kopf in die Schlinge zu stecken. Doch dieser junge Mann und diese junge Frau glaubten ebenfalls aufrichtig an ihre Sache, waren auf der Seite der Revolutionäre. Und nun würden sie in Fesseln gelegt werden und die Qualen kennenlernen, die Revolutionären drohten. Sekundenlang erwog er, sie zu warnen. Da die Welt aber unbedingt erfahren sollte, daß Amerikaner an der Verschwörung beteiligt waren, mußten diese beiden als Opferlämmer herhalten. Gleich darauf schalt er sich selbst, er sei viel zu weichherzig. Gewiß, er würde niemals, wie Yabril, eine Bombe in einen Kindergarten werfen, mit Sicherheit jedoch vermochte er ein paar Erwachsene zu opfern! Schließlich hatte er einen Papst getötet.
Und was sollte ihnen schon passieren? Sie würden ein paar Jahre Gefängnis absitzen. Die Amerikaner waren so weich von Kopf bis Fuß, daß man sie vielleicht sogar laufen ließ. Amerika war ein Land der Anwälte, die so kampfesmutig waren wie die Ritter der Tafelrunde. Die würden jeden freikriegen.
Früh am nächsten Tag, dem Montagmorgen, vierundzwanzig Stunden, nachdem er den Papst ermordet hatte, beschloß Romeo, einen Spaziergang am amerikanischen Atlantik zu machen und eine letzte Nase voll Freiheit zu schnuppern. Im Haus war alles still, als er die Treppe herunterkam; im Wohnzimmer fand er Dorothea und Richard schlafend auf den beiden Couches, als hielten sie für ihn Wache. Das Gift seines Verrats trieb ihn zur Tür hinaus in die salzige Meeresbrise. Schon auf den ersten Blick haßte er diesen fremden Strand, die barbarischen grauen Sträucher, die hohen gelben Wildgräser, das glitzernde Licht auf silbrig-roten Getränkedosen. Selbst der Sonnenschein war wäßrig, der Vorfrühling kälter in diesem unbekannten Land. Aber er war froh, im Freien zu sein, während die Niedertracht ihre Früchte trug. Ein Hubschrauber flog über ihn hinweg und verschwand wieder, auf dem Wasser lagen reglos zwei Boote ohne jedes Lebenszeichen an Bord. Feurigrot wie eine Blutorange erklomm die Sonne den Horizont und verblaßte dann, als sie höher in den Himmel stieg, zu goldenem Gelb. Romeo wanderte lange am Wasser entlang, bis er hinter einer Biegung der Bucht das Haus aus den Augen verlor. Aus irgendeinem Grund löste das Panik in ihm aus, aber vielleicht war es auch der Anblick dieses riesigen Waldes aus dünnen, hohen, graugesprenkelten Gräsern, der fast bis an den Meeressaum hinabreichte. Er kehrte um.
Im selben Moment hörte er die Polizeisirenen. Weit hinten am Strand entdeckte er die blitzenden Lichter und ging raschen Schrittes auf sie zu. Er verspürte keine Angst, keinerlei Zweifel an Yabril, obwohl er immer noch fliehen konnte. Er empfand nur Verachtung für diese amerikanische Gesellschaft, die nicht einmal seine Verhaftung anständig organisieren konnte, so dumm war sie. Dann aber tauchte der Hubschrauber wieder am Himmel auf, und die beiden Boote, die so ruhig und verlassen gewirkt hatten, kamen auf den Strand zugerast. Plötzlich empfand er doch Angst und Panik. Nun, da es keine Chance zur Flucht mehr gab, hätte er am liebsten kehrtgemacht und wäre davongelaufen. Statt dessen aber nahm er Haltung an und ging auf das von Männern und Waffen umzingelte Haus zu. Der Hubschrauber schwebte über dem Dach. Weitere Männer kamen den Strand herauf, den Strand herab. Romeo startete seine Farce der Schuld und der Angst und lief ins Meer, wo plötzlich jedoch Männer mit Masken aus dem Wasser auftauchten. Romeo warf sich herum und rannte wieder auf das Haus zu. Dann sah er Richard und Dorothea.
Sie waren in Ketten gelegt, in Handschellen; eiserne Fesseln hielten ihre Körper am Boden fest. Und sie weinten. Romeo wußte, wie ihnen zumute war; genauso hatte er vor langer Zeit auch dagestanden. Sie weinten vor Scham, vor Demütigung, ihres Machtbewußtseins beraubt, fassungslos über ihre Niederlage. Und weil sie von dem unbeschreiblichen, alptraumhaften Entsetzen absoluter Ohnmacht erfüllt waren. Ihr Schicksal lag nicht mehr in den Händen der launenhaften, aber möglicherweise gnädigen Götter, sondern in denen ihrer unerbittlichen Mitmenschen. Romeo lächelte ihnen in hilflosem Mitgefühl zu. Er wußte, daß er in wenigen Tagen frei sein würde, er wußte, daß er diese wahrer Anhänger seines eigenen Glaubens verraten hatte, aber es war aus taktischen Erwägungen heraus geschehen, nicht aus Feindseligkeit oder Bosheit. Dann waren die bewaffneten Männer über ihm und legten ihn in Stahlketten und schwere Handschellen.
Am anderen Ende der Welt, jener Welt, deren Himmelsdach mit Spionagesatelliten übersät war, weit über den Meeren voll amerikanischer Kriegsschiffe, die gen Sherhaben fuhren, weit hinter den mit Raketensilos und Armeen, Blitzableitern des Todes, besetzten Kontinenten nahm Yabril mit dem Sultan von Sherhaben in dessen Palast das Frühstück ein.
Der Sultan von Sherhaben glaubte an die Freiheit der Araber, an das Recht der Palästinenser auf ein eigenes Land. In den Vereinigten Staaten sah er ein Bollwerk Israels, denn ohne Hilfe der Amerikaner konnte Israel nicht durchhalten. Daher war Amerika der Erzfeind. Und Yabrils Plan zur Destabilisierung der amerikanischen Autorität sprach seinen messerscharfen Verstand an. Die Demütigung einer Großmacht durch das militärisch so hilflose Sherhaben begeisterte ihn.
Der Sultan besaß die absolute Macht in Sherhaben. Er verfügte über riesige Reichtümer, konnte sich alle Freuden des Lebens leisten. Und dennoch war ihm das ganz einfach zu unbefriedigend. Der Sultan hatte keine ausgefallenen Laster, um seinem Leben Würze zu verleihen. Er befolgte die Gesetze des Islam, er führte ein tugendhaftes Leben. Der Lebensstandard in Sherhaben mit seinen unerschöpflichen Ölvorräten gehörte zu den höchsten der Welt, der Sultan baute neue Schulen, neue Krankenhäuser. Denn es war sein Traum, Sherhaben zur Schweiz der arabischen Welt zu machen, und sein einziger exzentrischer Zug war seine besessene Sucht nach Sauberkeit – Sauberkeit für seine Person und für sein Land.
Der Sultan beteiligte sich an dieser Verschwörung, weil ihm das Abenteuer fehlte, das Spiel um höchste Einsätze, das Ringen um höchste Ideale. Deswegen gefiel ihm Yabrils Unternehmen. Außerdem ging er damit nur ein geringes Risiko sowohl für seine Person als auch für sein Land ein, denn er verfügte über einen schützenden Zauberschild: Milliarden von Barrel Öl tief unter seinem Wüstensand.
Ein weiteres sehr starkes Motiv war seine Liebe zu Yabril und die Dankbarkeit, die er ihm schuldete. Als der Sultan noch ein kleiner Fürst war, war es zu einem erbitterten Kampf um die Macht in Sherhaben gekommen, vor allem, nachdem sich die Ölfelder als so reich erwiesen. Die amerikanischen Ölfirmen unterstützten die Gegner des Sultans, die natürlich im Gegenzug die Amerikaner begünstigen würden. Der Sultan, im Ausland erzogen, begriff den wahren Wert der Ölfelder und kämpfte um diesen Wert. Es kam zum Bürgerkrieg. Und da war es der damals noch sehr junge Yabril gewesen, der dem Sultan die Macht erringen half, indem er die Gegner des Sultans tötete. Denn der Sultan war zwar ein durchaus moralischer Mann, erkannte jedoch, daß ein politischer Kampf eigene Regeln hat.
Nach seiner Machtübernahme gewährte der Sultan Yabril, wann immer nötig, Zuflucht in seinem Land. Tatsächlich hatte Yabril während der letzten zehn Jahre mehr Zeit in Sherhaben verbracht als an irgendeinem anderen Ort. Er schlüpfte dort in eine zweite Identität, mit Haus und Dienern, Ehefrau und Kindern. Darüber hinaus war er, innerhalb dieser Identität, als kleiner Beamter bei der Regierung angestellt. Diese Identität war bisher noch von keinem ausländischen Geheimdienst aufgedeckt worden. Im Lauf der folgenden zehn Jahre wurden er und der Sultan enge Freunde. Sie waren beide Kenner des Koran, von ausländischen Lehrern erzogen und einig in ihrem Haß auf Israel. Und sie machten in diesem Punkt einen entscheidenden Unterschied, denn sie haßten nicht die Juden, weil sie Juden waren, sondern den offiziellen Staat der Juden.
Der Sultan von Sherhaben hatte einen geheimen Traum, und der war so bizarr, daß er ihn keinem Menschen anzuvertrauen wagte, nicht einmal Yabril: daß Israel eines Tages vernichtet und die Juden wieder über die ganze Welt zerstreut werden würden. Dann würde er, der Sultan, jüdische Wissenschaftler und Gelehrte nach Sherhaben holen. Er würde eine große Universität gründen, wo sich die gesamte jüdische Intelligenz versammelte. Denn hatte die Geschichte nicht bewiesen, daß diese Rasse mit Genen begabt war, aus denen große Geister hervorgingen? Einstein und andere jüdische Naturwissenschaftler hatten der Welt die Atombombe geschenkt. Wieso sollten sie nicht noch weitere Rätsel Gottes und der Natur lösen? Und waren sie nicht ebenfalls Semiten? Die Zeit mildert den Haß, und Juden und Araber würden in Frieden zusammenleben können und Sherhaben groß machen. O ja, er würde sie mit Reichtümern und ausgesuchten Artigkeiten locken, würde all ihre kulturellen Eigenheiten respektieren, würde ihnen ein Paradies der Intelligenz schaffen. Wer weiß, was daraus entstehen würde? Sherhaben könnte ein zweites Athen werden. Bei diesem Gedanken mußte der Sultan über die eigene Torheit lächeln, aber was schadete schon ein Traum?
Nur konnte jetzt Yabril zum Alptraum werden. Der Sultan hatte ihn aus dem Flugzeug holen lassen und zu sich in den Palast bestellt, um sicherzugehen, daß Yabrils Grausamkeit unter Kontrolle blieb. Yabril war bekannt für die kleinen Extratouren, die er bei seinen Unternehmungen einlegte.
Der Sultan bestand darauf, daß Yabril gebadet, rasiert und mit einer der bildschönen jungen Tänzerinnen des Palastes versorgt wurde. Dann saßen die beiden Männer in dem verglasten, klimagekühlten Terrassenzimmer zusammen, Yabril außen und innen erfrischt und überdies in der Schuld des Sultans.
Der Sultan glaubte frei sprechen zu können. »Ich muß dir gratulieren«, sagte er zu Yabril. »Dein Timing war perfekt, und ich muß sagen, mit Glück gesegnet. Zweifellos ist Allah dir wohlgesonnen.« Er lächelte Yabril liebevoll zu. Dann fuhr er fort: »Ich habe die Mitteilung erhalten, daß die Vereinigten Staaten jede Forderung erfüllen werden, die du stellst. Gib dich damit zufrieden. Du hast das größte Land der Welt gedemütigt. Du hast den mächtigsten Führer der Welt getötet. Du wirst erreichen, daß dein Papstmörder freigelassen wird, und das ist, als würdest du ihnen ins Gesicht pissen. Aber laß es damit genug sein. Bedenke, was daraus entstehen kann. Du wirst der meistgejagte Mann in der Geschichte dieses Jahrhunderts sein.«
Yabril wußte, was nun kam: das vorsichtige Sondieren, um in Erfahrung zu bringen, wie er die Verhandlungen zu führen gedachte. Sekundenlang fragte er sich, ob der Sultan versuchen würde, die Leitung des Unternehmens an sich zu reißen. »Ich werde hier in Sherhaben in Sicherheit sein«, antwortete Yabril. »Wie immer.«
Der Sultan schüttelte den Kopf. »Du weißt so gut wie ich, daß sie sich, wenn alles vorüber ist, auf Sherhaben konzentrieren werden. Du wirst dir eine andere Zuflucht suchen müssen.«
Yabril lachte. »Ich werde als Bettler nach Jerusalem gehen. Aber du solltest dir über die eigene Lage Gedanken machen. Die werden doch wissen, daß du daran beteiligt warst.«
»Unwahrscheinlich«, gab der Sultan zurück. »Außerdem sitze ich auf dem größten und billigsten Ölmeer der Welt. Und die Amerikaner haben hier fünfzig Milliarden Dollar investiert – für die Ölstadt Dak –, und sogar noch mehr. Dann habe ich noch die russische Armee, die jeden Versuch der Amerikaner, den Golf unter ihre Kontrolle zu bringen, zunichte machen wird. O nein, ich glaube, man wird mir weitaus schneller verzeihen als dir und deinem Romeo. Und, Yabril, mein Freund, ich kenne dich gut, diesmal bist du weit genug gegangen, wirklich eine großartige Sache. Aber bitte verdirb nicht alles durch einen deiner kleinen Schnörkel am Ende des Spiels.« Er hielt einen Augenblick inne. »Wann soll ich deine Forderungen präsentieren?«
»Romeo ist an Ort und Stelle«, antwortete Yabril leise. »Du kannst ihnen das Ultimatum also heute nachmittag überbringen. Bis Dienstag vormittag elf Uhr, Washington-Zeit, müssen sie zugestimmt haben. Verhandelt wird nicht.«
»Sei vorsichtig, Yabril«, warnte der Sultan. »Gib ihnen mehr Zeit.« Sie umarmten sich, dann wurde Yabril zu der Maschine zurückgebracht, wo inzwischen die drei Männer seiner Gruppe und vier weitere, die in Sherhaben an Bord gekommen waren, Wache gehalten hatten. Die Geiseln wie auch die Crew befanden sich in der Touristenklasse. Die Maschine stand isoliert mitten auf dem Flugfeld, die zahllosen Neugierigen, die Fernsehteams mit ihren Ü-Wagen aus der ganzen Welt waren auf fünfhundert Meter Entfernung von der Maschine zurückgedrängt worden, wo das Militär des Sultans einen Kordon bildete.
Yabril wurde als Mitglied der Besatzung eines Versorgungs-Trucks an Bord zurückgeschmuggelt, der Lebensmittel und Wasser für die Geiseln brachte.
In Washington D. C. war es jetzt sehr früher Montagmorgen. Die letzten Worte, die Yabril zum Sultan von Sherhaben gesagt hatte, lauteten: »Nun werden wir sehen, aus welchem Holz dieser Kennedy geschnitzt ist.«