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Der kurze Traum einer Normalisierung des Verhältnisses von SPD und Linkspartei im Schulz-Hype
ОглавлениеDer ebenso überraschende Höhenflug und dramatische Abstieg des SPD-Kanzlerkandidaten Martin Schulz hatte auch für das Verhältnis der SPD zur Linkspartei und die Option Rot-Rot-Grün erhebliche Wirkungen. Zur Erinnerung: In Auswertung der krachenden Niederlage bei der Bundestagswahl 2013 nahm die SPD auf dem Leipziger Parteitag endgültig Abstand davon, eine Regierung mit der Partei DIE LINKE auszuschließen. Das war überfällig und vernünftig. Genützt hatte diese Abgrenzung nur der Union, die in den Parteizentralen von CDU und CSU bisher sicher sein konnten, dass schon die Drohung einer Rote-Socken-Kampagne die SPD von einem Blinken nach links abhalten würde.
Geändert hatte sich freilich auch nach dem Leipziger Parteitag nicht viel. Beide Seiten, sowohl DIE LINKE als auch die SPD pflegten ihr pathologisches Verhältnis weiter wie eh und je. Während DIE LINKE auf Bundesebene die SPD als Hauptgegner in der politischen Auseinandersetzung sah und entsprechend behandelte, zieh die SPD die Linkspartei als realitäts- und politikfern. Ein Irrsinn, wie sich nach der Nominierung von Martin Schulz als Kanzlerkandidat zeigte.
Die SPD erlebte zwischen Januar und April 2017 einen Hype, von dem die Partei nicht nur selbst überrascht, sondern regelrecht euphorisiert wurde. Auf einmal schien alles möglich - mit der Union auf Augenhöhe in den Meinungsumfragen, nach 19 Jahren erneut ein Kanzlerwechsel zugunsten der SPD, sogar ein rot-rot-grünes Bündnis rückte in den Bereich des Realistischen. Der Bundestagswahlkampf, von dem viele politische Beobachter/-innen befürchteten, er würde eine genauso schleppende Partie wie 2013 sein, an deren Ende die vierte Amtszeit der Kanzlerin stünde, kam in Fahrt. Optionen und Alternativen zur Kanzlerin wurden spannend: rot-rot-grün oder Ampel unter SPD-Führung gegen eine CDU-geführte Jamaika-Koalition. Die AfD verlor an Öffentlichkeit, da nicht mehr auf ihrem Tanzfeld nach deren Musik gespielt wurde. Mit dem Ergebnis absinkender Zustimmungswerte in den Meinungsumfragen.
Dass eine SPD-geführte Regierung für eine politische Wende statt für Kontinuität stehen würde, konnte die SPD ab dem Zeitpunkt nicht mehr glaubwürdig vermitteln, als sie sich entschieden hatte, die Option rot-rot-grün faktisch auszuschließen und auf ein Narrativ umschwenkte, nachdem eine solche Koalition Sargnagel eines SPD-Wahlerfolgs sein würde. Es wurde zur wesentlichen Erzählung und strategischen Ausrichtung in den Wahlkampfendspurts von Schleswig-Holstein und NRW und lautet grob, dass die Aussicht auf eine Regierung ohne Union die Unionswähler mobilisiert und die Aussicht auf eine Regierung mit der LINKEN die SPD-Anhänger demobilisiert. Für beide Teile dieser Geschichte gibt es keinerlei belastbare demoskopische Belege, aber sie ist inzwischen so oft aus beiden großen Parteien erzählt und - wichtiger noch - als Voraussetzung für die eigene politische Kommunikation akzeptiert worden, dass sie in der medialen Berichterstattung den Status einer nicht weiter zu hinterfragenden Wahrheit erhalten hat. So nimmt es nicht wunder, dass Rot-Rot-Grün von der Option auf Bewegung im Parteienwettbewerb und eine von mehreren Mitte-Links-Optionen zum altbekannten Wähler/innenschreck mutierte, zu dem R2G seit jeher überhöht wird.
DIE LINKE trug durch einen aggressiven Wahlkampf gegen die SPD zur Verstärkung dieses Narrativs bei und gab BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Gelegenheit, auf die Karte Schwarz-Grün zu setzen, was umso attraktiver wurde, je stärker die Kanzlerin gegenüber Schulz wieder zulegen und als sichere Wahlsiegerin erschien. Im Ergebnis fiel die SPD – wieder einmal – auf einen historischen Tiefstand. Erreichte die Partei bei der Bundestagswahl 2009 nur 23 Prozent, verbesserte sie sich zu 2013 auf 25,7 Prozent. Mit etwas mehr als 20 Prozent kann freilich nicht einmal mehr die Rede davon sein, dass sie im 20-Prozent-Turm gefangen sei. Sie hat es vielmehr gerade noch so hinein geschafft.