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Die Taufe

Der neue kleine Bruder heißt Marcel.

Wir sitzen alle in der Kirche.

Alle Tanten, Onkel, Brüder und Schwestern.

Meine Eltern, Jäckie und ich.

Marcel wird getauft.

Meine Mutter hat sich extra die Haare gefärbt.

Schwarz, wie immer.

Dabei steht ihr Schwarz überhaupt nicht.

Ihre blasse Haut wirkt dadurch noch blasser.

Und außerdem fallen ihr die Haare aus.

Von der Färberei.

Von der billigen Farbe.

Ich sitze in der Kirche hinter meiner Mutter.

Ich sehe die weiße Haut zwischen ihren Haaren.

Die kahlen Stellen werden immer größer.

Meine Eltern sind nervös.

Das hier dauert ihnen zu lange.

Sie wollen eine rauchen.

Aber der Pfarrer stellt schon wieder eine Frage:

„Glauben Sie an Gott, den allmächtigen Vater?“

Mein allmächtiger Vater nickt.

Und er sagt: „Ja.“

Dieser Lügner!

Mein Vater glaubt nicht an Gott.

Er schimpft über die Pfaffen, den Papst und die Kirche.

„Die ziehen einem nur das Geld aus der Tasche“, sagt er immer. „Mit ihrem Hokuspokus.“

Der Pfarrer fragt weiter:

„Werden Sie Ihren Sohn Marcel

zu einem Kind Gottes erziehen?“

Meine Mutter nickt.

Dabei sucht sie nach ihrem Feuer-Zeug.

„Werden Sie für Ihren Sohn Marcel beten und auch für die anderen Kinder dieser Welt?“

Meine Eltern nicken und sagen leise: „Ja.“

Aber ich weiß:

Die Kinder dieser Welt sind ihnen so egal wie Jäckie, Marcel und ich.

Diese ganze Taufe hier soll nur eins bringen:

Geld und Geschenke.

Alle sind erleichtert,

als der Pfarrer zum Schluss Amen sagt.

Alle gehen schnell aus der Kirche.

„Meine Güte, hat das gedauert“,

sagt Tante Trude.

„Glaubt der Pfarrer wirklich

an diesen ganzen Mist?“, fragt Onkel Gerd.

„Gibt es bei euch was zu essen?“, fragt Tante Else.

„Und was zu trinken?“, ruft Tante Käthi.

Ich schiebe Marcel im Kinderwagen.

Dabei trage ich Jäckie auf dem Arm.

„Popo aua“, weint sie.

Natürlich tut ihr der Hintern weh.

Den halben Tag lang sitzt sie auf dem Töpfchen.

Meine Eltern sparen an den Windeln.

Sie haben keine Lust,

der Kleinen frische Windeln zu geben.

Die kosten zu viel Geld.

Wenn ich was sage, schreit der Alte mich an:

„Seit wann weißt du, wie man Kinder erzieht?“

Ich singe Jäckie was vor, um sie abzulenken.

Ein Lied, das ich aus der Schule kenne.

Ich kenne aber nur den Anfang.

Deshalb singe ich immer wieder:

„Die Gedanken sind frei,

wer kann sie erraten?“

Ich habe in der Schule nicht verstanden,

um was es in dem Lied geht.

Aber der Anfang von dem Lied gefällt mir.

Die Gedanken, die sind geheim.

Die kann keiner erraten.

Meine Gedanken gehören mir.

Und nicht meinem Alten.

Auch nicht meiner Mutter.

Da können sie lange raten, was ich denke.

Jäckie ist von meinem Singen eingeschlafen.

Marcel auch.

In meinen Gedanken bin ich der Papa.

In meinen Gedanken bin ich ein echter Papa für Jäckie und Marcel.

Ein Papa, der seine Kinder lieb hat.

Wenn ich mal ein Vater werde, dann werde ich meine Kinder lieben.

Sie nannten mich Unkraut

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