Читать книгу Sie nannten mich Unkraut - Marion Döbert - Страница 9

Оглавление

Die Feier

Nach der Taufe gibt es eine Feier.

Normalerweise.

Meinen Eltern ist egal, was normal ist.

Aber wenn es um Geld und Geschenke geht,

dann machen sie alles mit.

Deshalb laden sie alle zu uns nach Hause ein.

Die Tanten und Verwandten.

Die Brüder und Schwestern.

Alle, die sie eigentlich nicht leiden können.

Der Tisch ist gedeckt.

Frikadellen, Gurken, Schwarz-Brot und Brötchen.

Roll-Mops mit Zwiebeln, Schmalz, Wurst und Käse.

Später gibt es dann Süßes:

Käse-Kuchen und Bienen-Stich.

Und abends gibt es Häppchen.

Aber dann essen die Gäste meistens nicht mehr.

Abends sind sie voll.

Voll bis oben hin.

Nicht nur vom Essen.

Sondern auch vom Trinken.

Bier und Schnaps. Wein und Likör.

Je mehr sie trinken,

desto lauter wird es.

„Bring Jäckie ins Bett!“, sagt meine Mutter.

Endlich merkt sie, dass Jäckie weint.

Seit einer Stunde weint meine kleine Schwester.

Tanten und Onkel haben sie herumgereicht.

Von dem einen Arm hier auf den anderen Arm da.

Marcel habe ich schon in Sicherheit gebracht.

Ich habe ihm sein Fläschchen gegeben.

Zum Glück hat das keiner mitbekommen.

Sonst hätten sie Marcel auch so herumgereicht.

Und ich weiß, wovon ich rede.

Ich weiß, wie das alles enden kann.

Früher, als ich klein war und als mein Onkel kam.

Bei irgend so einer Feier.

Ins Kinderzimmer ist er gekommen.

Er wollte Küsschen geben.

Ein Gute-Nacht-Küsschen.

Und dann hat er seine Zunge

in meinen Mund geschoben.

Wenn sie trinken,

dann muss man in Deckung gehen.

Dann muss ich meine Geschwister verstecken.

Und später auch mich.

Wenn alle weg sind.

Wenn nur noch mein Vater

im Wohnzimmer ist.

Wenn er dann glaubt,

er ist der Größte.

Der Stärkste.

Der Tollste.

Dann muss ich so tun,

als würde ich schlafen.

Sonst packt der Alte mich, und dann schlägt er zu.

Weil ich der Einzige bin,

der noch da ist und der sich nicht wehren kann.

Mein Vater ist jähzornig und unberechenbar.

Sie nannten mich Unkraut

Подняться наверх