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Elli kommt an


Während der Zeit des Wartens auf Elionore haben wir uns überlegt, welchen Namen wir ihr geben sollen und wir kamen auf die verrücktesten Ideen. Am Ende aber wurde aus Elionore Elli. Manchmal liegt die Lösung ganz nah, eigentlich meistens.

Da wir nicht wussten, was oder besser gesagt wer bei uns einziehen wird, haben wir uns entschlossen, es erst einmal ruhig angehen zu lassen. Damit für alle Beteiligten der Stresslevel niedrig bleibt, haben wir unsere drei Hunde zu unseren Kindern gebracht. Es war keine lange Überlegung, sondern eine Entscheidung aus dem Bauch raus.

Laut der Beschreibung des Vereins sollte Elli ca. zwei Jahre alt sein und somit gut zu dem Alter unserer anderen drei Hündinnen passen. Dass diese Angabe aber so nicht stimmen konnte, sollte sich schnell herausstellen.

Am Tag von Ellis Ankunft fuhren wir zu dem Sitz des Vereins. Als wir dort ankamen, warteten bereits viele aufgeregte Menschen auf ihre neuen Vierbeiner. Wieviele Hunde auf dem Transporter waren, kann ich nicht mehr sagen, aber es waren viele. Als sich die Tür des Transporters öffnete, sahen wir Elli sofort. Sie lag in der Box direkt an der Tür und drängte sich an die Gitterstäbe. Es war ein Reflex, dass ich sofort zu ihr hin bin und sie durch das Gitter gestreichelt habe, so gut es eben ging. Hier sehe ich bereits den erhobenen Zeigefinger: „Das darf man nicht, was wenn der Hund dich beißt“? Hat sie aber nicht und wie gesagt, ich habe es einfach getan. Ohne nachzudenken, sondern rein instinktiv. Elli hat diese Zuwendung genossen und mich „ermahnt“, wenn ich meine Hand wegziehen wollte. Was für eine Hündin.

Als wir Elli dann aus dem Transporter holten, sah sie ein wenig anders aus als auf dem Foto. Von dem verfilzten Fell war nichts mehr da, sie war ganz kurz geschoren und ihr Schwanz erinnerte mehr an Simba als an einen Herdenschutzhund. Auch ihr Schwanz war kurz geschoren und am Ende hatte man ihr einen Bommel gelassen.

Als wir sie aus ihrer Box holten, an der Leine natürlich, war sie zunächst etwas orientierungslos und zog in alle Richtungen. Ich ging in die Hocke und sofort kam Elli zu mir, und forderte ihre Streicheleinheiten ein.

Obwohl an diesem Tag auf dem Vereinsgelände eine große Unruhe und auch Aufregung herrschte, fiel sofort auf, dass Elli sich davon kaum beeinflussen ließ. All die anderen Hunde, die teilweise lautstark bellten, all die Menschen, die durcheinanderredeten, all das hat Elli ignoriert. Sie wollte nur schnüffeln und immer wieder gestreichelt werden. Dass sie all mein Wissen über Hunde über den Haufen werfen würde, dass ausgerechnet sie mein bester Lehrmeister werden würde, das ahnte ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht.

Mit der Zeit reisten die neuen Herrchen und Frauchen mit ihren Hunden ab und es wurde ruhiger. Aufgrund der Entfernung und der vorgerückten Stunde entschlossen wir uns, die Einladung zur Übernachtung bei dem Tierschutzverein anzunehmen. Für uns und auch für Elli war es gut, erstmal zur Ruhe zu kommen, bevor unsere Reise in ein neues Leben beginnen konnte.

Auch im Haus verlief alles problemlos, was mich ein wenig überraschte. Einen Hund von A nach B zu verpflanzen, bringt häufig ein Konfliktfeld mit sich, doch nicht mit Elli. Im Haus befanden sich zwei Herdenschutzhunde, die sich wenig um die Besucher: innen kümmerten und auch Elli zeigte sich wenig beeindruckt, geschweige denn verunsichert. Sie erkundete das Haus und alles andere ignorierte sie. Als es an der Zeit war, die Hunde zu füttern, haben wir die Hunde vorsichtshalber getrennt. Ein großes Konfliktfeld in der Mehrhundehaltung ist häufig die Fütterung und nicht selten kommt es hier zu Beißereien unter den Hunden. Egal wie gut die Hunde sich sonst verstehen, Futter ist die wichtigste Ressource im Leben eines Hundes und häufig hört dort der Spass auf. Dient es doch dem Überleben, und darum geht es.

Auch beim Füttern zeigte Elli uns gegenüber keinerlei Aggressionen. Natürlich war sie bei der Zubereitung ein wenig ungeduldig, mehr aber auch nicht. Das Futter hat sie, so wie sie es gelernt hat, sofort verschlungen.

Dieses Verschlingen stört viele Menschen, weil sie sich Sorgen um die Gesundheit der Hunde machen. Diese Sorge hat sogleich geschäftstüchtige Erfinder auf den Plan gerufen. Sie haben „Antischlingnäpfe“ oder Näpfe mit „Schlingstopp“ und was weiß ich nicht noch alles erfunden. Angepriesen wird dies alles mit dem Argument des Gesundheitsschutzes der Hunde oder dem Aufzeigen der abstrusesten Gesundheitsgefahren für die Hunde. Auch dies ist eine Erfindung, auf die viele Menschen gerne reinfallen und völlig überzogene Preise für einen Plastiknapf mit seltsamen Fressbremsen bezahlen.

Beobachten wir Hunde, die in offenen Sheltern, als Strassenhunde oder in völlig überfüllten Zwingern leben sehen wir, dass jeder dieser Hunde sein Futter verschlingt. Die Ursache hierfür ist schnell gefunden.

Wer nicht schnell genug frisst, geht am Ende leer aus, weil ein anderer Hund schneller war. Und ja, die Hunde überleben es. Auch der Organismus eines Hundes kann sich hervorragend auf Unannehmlichkeiten einstellen und lernt, damit umzugehen. Besonders Tierschutzhunde haben gelernt, schnell zu fressen und sehr viele behalten dies ein Leben lang bei. Sondernapf hin oder her.

Nach der Fütterung haben auch wir zu Abend gegessen und uns anschließend mit Elli zurückgezogen, damit wir fit für die Heimreise am nächsten Morgen sind.

Die Nacht mit Elli verlief ruhig. Sie hat tief und fest geschlafen und ist erst mit uns aufgestanden. Nach dem Frühstück sind wir mit Elli das erste Gassi ihres Lebens gegangen. Weit kamen wir aber nicht, sie wollte nur schnüffeln. Jeder Millimeter war es wert, genauestens betrachtet und analysiert zu werden und jeden Meter gab es einen Fleck, der es wert war, darüberzumakieren.

Die erste Schwierigkeit begann, als wir Elli ins Auto bringen wollten. Elli wollte nicht einsteigen und hat sich vehement verweigert. In diesem Moment fragte ich mich, wie Elli wohl in den Transporter gelangt war? Viele Menschen sind mit diesem Problem konfrontiert und es ist ein fester Bestandteil meiner Arbeit. Der Hund will nicht ins Auto. An sich ist das nicht weiter schlimm, doch so manche Fahrt lässt sich nicht vermeiden. Spätestens wenn der Hund zum Tierarzt muss, hat man ein Problem.

Wenn ein Hund uns zeigt, dass er etwas nicht will, dass er Angst hat oder unsicher ist, begehen viele Menschen einen entscheidenden Fehler. Sie zwingen den Hund zu dieser Handlung. Sei es nun, dass der Hund weitergezogen oder ins Auto gehoben oder geschoben wird. Mit solch einem Verhalten, meist aus Zeitdruck oder mangelnder Geduld, wird sehr viel Vertrauen zerstört. Stellen Sie es sich bitte einmal andersherum vor. Sie haben furchtbare Angst, in ein Auto zu steigen und alles in Ihnen wehrt sich. Doch anstatt Sie zu unterstützen, diese Angst überwinden zu können, kommt jemand, packt sie, setzt sie ins Auto und fährt los. Es kann ein traumatisches Erlebnis sein.

Ähnlich verhält es sich mit Hunden. Hilft man ihnen nicht, diese Angst zu überwinden, können sie diese niemals ablegen und während der Autofahrt entspannen. Es ist unsere Aufgabe und auch Verantwortung, die Hunde in ihrer Angst zu unterstützen und vor allem, ihnen aus dieser Angst herauszuhelfen.

Was habe ich also gemacht? Ich habe mich ins Auto gesetzt und Elli die Zeit gelassen, sich mir und dem Auto langsam annähern zu können. Wenn ich gemerkt habe, dass ihr Stresspegel steigt, bin ich mit ihr eine kleine Runde gegangen und dann haben wir weitergemacht, immer und immer wieder. Zu guter letzt habe ich mich hinten auf die Ladefläche gesetzt und Elli mit der Leine zu mir gebeten. Flucht war nun keine Option mehr, sie hatte nur noch den Weg zu mir ins Auto. Und Elli kam, Schritt für Schritt für Schritt. Während dieser Zeit blieb ich absolut ruhig, aber konsequent. Und auf einmal war es so weit. Elli ist ins Auto gesprungen, ohne schieben oder heben. Sie tat es ganz von allein und der erste Knoten war geplatzt.

Bitte achten Sie immer darauf, dass Sie Ihren Hund zu nichts zwingen. Hunde können alles und meist lernen sie sehr schnell, wenn Sie in Ihrem Wollen klar und eindeutig sind. Bleiben Sie geduldig und geben Sie Ihrem Hund die Zeit, die er braucht, um seinen, wie ich es nenne, Knoten im Kopf lösen zu können.

Nachdem wir diese erste Hürde geschafft haben, habe ich Elli noch ein wenig Zeit gegeben, um im Auto runterkommen zu können. Nachdem ich gemerkt habe, dass sie ruhiger wurde und sich hingelegt hat, konnte die gemeinsame Reise beginnen. Es war für uns alle eine Reise ins Unbekannte. Wie konnte ich zu diesem Zeitpunkt ahnen, dass Elli mein ganzes vermeintliches Hundewissen auf den Kopf stellen würde, dass sie mir in meiner Arbeit eine große Unterstützung werden und mich mehr über die wirklichen Dinge im Leben lernen würde, als es unser Bildungswesen jemals könnte?

Hunde wollen nicht erzogen werden

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