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III

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Zu Mittsommer fand die Hochzeit von Herzog Rascard und Erminie Leynier statt. Für den Adel des Berglands war es eine kleine Feier, denn die Verwandten der Braut weigerten sich zu kommen, ausgenommen ein knappes Dutzend von Lord Renatos Friedensmännern, die zeigen sollten, daß Erminie mit Zustimmung ihrer Sippe in das Haus Hammerfell einheiratete. Weniger als das wäre ein Skandal gewesen, aber es war offensichtlich, daß Renato diese Pflicht widerwillig erfüllte, und die frischgebackene Herzogin von Hammerfell erhielt von ihrer Familie nur wenige Geschenke. Als wolle er sie für diesen Geiz entschädigen, übergab der alte Herzog seiner jungen Frau all die berühmten Schmuckstücke des Herzogtums. Die wenigen entfernten Verwandten Hammerfells, die der Zeremonie beiwohnten, waren verstimmt, denn sie hatten gehofft, in Ermangelung eines Erben oder eines nahen Verwandten werde der Titel und das Land des Herzogs einem von ihnen zufallen. Diese neue Heirat mit einer jungen Frau, von der zu erwarten war, daß sie Kinder gebären werde, machte all ihren Hoffnungen ein Ende.

»Kopf hoch«, sagte einer der Landsleute des Herzogs zu einem anderen. »Es braucht die Situation gar nicht zu verändern. Rascard ist nicht mehr jung; diese Ehe könnte durchaus kinderlos bleiben.«

»So viel Glück werden wir nicht haben«, gab der andere zynisch zurück. »Rascard sieht seit dem Tod seines Sohnes zwar älter aus, als er ist, aber er ist in voller Kraft, nicht älter als fünfundvierzig, und selbst wenn es nicht so wäre, kennst du doch das alte Sprichwort: Ein Gatte von vierzig wird vielleicht nicht Vater werden, ein Gatte von fünfzig aber bestimmt.« Höhnisch auflachend setzte er hinzu: »Traurig ist es nur für die junge Frau. Sie ist hübsch und gesund und verdient einen besseren Ehemann. Ich könnte in Versuchung geraten, hier einen Posten anzunehmen, um sie in den langen Winternächten zu trösten.«

»Ich bezweifle, daß du viel Glück haben würdest«, erwiderte der erste. »Sie scheint mir ein anständiges Mädchen zu sein und den alten Kerl ehrlich zu mögen.«

»Als Vater – das will ich gern glauben«, antwortete der zweite. »Aber als Mann?«

So wie dieses verliefen auch die anderen Gespräche. Erminie war eine sehr gute Telepathin, und da ihre Barrieren an die Gesellschaft derart vieler Menschen nicht gewöhnt waren, mußte sie dies alles mit anhören, ohne zu verraten, daß sie es gehört hatte. Sie brauchte ihre ganze Kraft, um ihre Entrüstung nicht zu zeigen – und das an ihrem Hochzeitstag! Der Zeitpunkt kam, zu dem die Frauen sie in das Brautgemach führen sollten – es waren zum größten Teil ihre Dienerinnen, denn keine ihrer Tanten und Cousinen hatte die lange Reise auf sich genommen. Erminie war den Tränen nahe und hatte nicht die geringste Lust zu dem üblichen Spiel, zu protestieren und sich zu wehren, als sie aus dem Raum geführt wurde, auch auf die Gefahr hin, beschuldigt zu werden, sie habe nicht die schickliche Keuschheit einer Braut gezeigt.

In dem Gemach war es kalt und zugig, obwohl es Mittsommer war. Erminie wurde mit dem durchscheinenden Nachtgewand, das traditionell für die Zeremonie des Zubettbringens war, bekleidet. (Nach altem Brauch sollte man sehen können, ob die Braut gesund und frei von verborgenen Entstellungen und Mängeln war.) Sie wartete, zitternd vor Kälte, und versuchte die Tränen zurückzuhalten – Rascard sollte doch nicht denken, sie gehe mit Widerwillen in die Ehe. So streng er wirkte, sie wußte sehr wohl, daß er eine sanfte Seite hatte, und sie war der Überzeugung, eine gute Partie zu machen, ganz gleich, was ihre Verwandten sagten. Es war schon etwas, Herzogin von Hammerfell zu sein. Früher oder später hätte sie sowieso heiraten müssen, und ihr war ein älterer Mann, bei dem sie sicher war, daß er wenigstens freundlich zu ihr sein würde, lieber als ein Fremder, so jung und schön er auch sein mochte. Schon viele Bräute waren in den Armen eines Mannes, den sie überhaupt nicht kannten, allein gelassen worden – sie war von Herzen froh, daß ihr dieses Schicksal erspart blieb.

Die Juwelen von Hammerfell lagen kalt und schwer um ihren Hals. Sie hätte sie gerne abgelegt, doch die Dienerinnen, die ihr die Kleider auszogen, ließen es nicht zu.

»Der Herzog würde glauben, Ihr verachtet seine Geschenke«, warnten sie sie. »Ihr müßt sie wenigstens heute nacht anbehalten.«

So ertrug sie das Gewicht und die Kälte der Steine, und sie fragte sich, wie lange es noch dauern würde. Man reichte ihr einen Becher Wein, den sie dankend nahm. Sie fühlte sich kraftlos, nachdem sie während der ganzen Zeremonie hatte stehen müssen, und das Herz tat ihr weh von all dem, was sie gehört hatte. Von dem Hochzeitsmahl hatte sie nicht viel essen können. Sie trank den Wein, und er erwärmte sie schnell. Sie spürte, daß etwas Farbe in ihre Wangen zurückkehrte. Als nun Herzog Rascard in das Gemach geführt wurde, angetan mit einem pelzbesetzten Nachtgewand (Erminie fragte sich, warum der Brauch nicht auch vom Bräutigam verlange, daß er sich zum Nutzen der Familie der Braut als frei von körperlichen Fehlern und Entstellungen zeige), sah er sie in dem hohen, mit Vorhängen versehenen Bett aufrecht sitzen, die Wangen rosig angehaucht, die Wohlgestalt ihres jungen Körpers von dem dünnen Gewand enthüllt, das aufgelöste Kupferhaar über die Brüste fließend. Noch nie hatte er ihr Haar offen gesehen, nur streng in Zöpfe geflochten. Es ließ sie so jung und unschuldig aussehen, daß ihm das Herz in der Brust weh tat.

Das dienende Volk entfernte sich mit vielen groben Witzen. Doch einen hielt der Herzog mit einer Handbewegung zurück.

»Geh in mein Ankleidezimmer, Ruyven, und bring mir den Korb, der dort steht«, sagte er, und als der Mann mit einem großen Korb auf den Armen zurückkehrte, befahl er: »Setz ihn dort ab. Ja, am Fußende des Bettes. Nun geh.«

»Gute Nacht, mein Lord, meine Lady, und ich wünsche euch beiden viel Glück.« Mit breitem Grinsen zog sich der Mann schnell zurück. Erminie betrachtete neugierig den großen Korb, über den eine Decke gebreitet war.

»Dies ist mein wahres Hochzeitsgeschenk für Euch, meine Lady«, sagte Rascard liebevoll. »Ich weiß, Schmuck bedeutet dir nichts, deshalb habe ich etwas für dich ausgesucht, von dem ich hoffe, daß es dir ein bißchen besser gefallen wird.«

Erminie spürte, daß ihr das Blut von neuem in die Wangen stieg. »Mein Lord, bitte, haltet mich nicht für undankbar. Es ist nur so, daß ich nicht daran gewöhnt bin, Schmuck zu tragen, und die Steine sind so schwer – ich möchte um nichts in der Welt Euer Mißfallen erregen.«

»Was soll denn das? Mein Mißfallen …?« Er faßte sie sanft bei den Schultern. »Meinst du, ich möchte um der Juwelen willen, die ich dir gegeben habe, geliebt werden? Ich fühle mich geschmeichelt, daß dein Mann dir mehr gilt als dein Brautgeschenk. Nehmen wir das Zeug also ab.« Lachend öffnete er die massiven goldenen Schließen der Smaragde und half ihr, sie beiseite zu legen. Erminie seufzte vor Erleichterung. Als all die Halsketten und Armbänder auf dem Nachttisch lagen, fragte er leise: »Willst du jetzt mein anderes Geschenk öffnen?«

Erminie setzte sich im Bett auf und griff eifrig nach dem Korb. Sie zog die Decke weg, und mit einem Ausruf des Entzückens faßte sie in den Korb und hob einen großen wolligen jungen Hund heraus.

»Ist der süß!« Sie drückte den Hund fest an sich. »Oh, ich danke dir!«

»Ich freue mich, daß dir das Geschenk gefällt, meine Liebe«, sagte Rascard lächelnd. Sie warf ihm die Arme um den Hals und küßte ihn impulsiv.

»Hat er einen Namen, mein Lord Herzog?«

»Nein. Ich dachte, du würdest ihr gern selbst einen Namen geben«, sagte Rascard. »Aber ich habe einen Namen, und du mußt mich bei diesem Namen nennen, meine Liebe.«

»Dann – Rascard – danke ich dir«, sagte sie schüchtern. »Darf ich ihn Juwel nennen, weil ich ihn mehr liebe als alle Juwelen, die du mir schenken könntest?«

»Sie«, berichtigte Rascard sie. »Ich habe dir ein Weibchen besorgt. Sie sind sanftere und im Temperament ausgeglichenere Haushunde. Ich dachte, du hättest sicher gern einen Hund, der zu Hause bleibt und dir Gesellschaft leistet, und ein Rüde würde draußen herumstreunen und auf Erkundung ausgehen.«

»Sie ist süß, und Juwel paßt als Name für eine Hündin auch besser als für einen Rüden.« Erminie umarmte das schläfrige Hündchen, dessen schimmerndes Fell fast die gleiche Farbe hatte wie ihr eigenes Haar. »Sie ist das schönste meiner Juwelen und soll mein Baby sein, bis ich ein eigenes habe.«

Sie wiegte den kleinen Hund und sprach ihm glücklich zu, und Rascard, der sie mit großer Zärtlichkeit betrachtete, dachte: Ja, sie wird meinen Kindern eine gute Mutter sein, sie geht sanft und liebevoll mit kleinen Wesen um.

Er legte das Hündchen neben ihnen ins Bett, und Erminie kam willig in seine Arme.

Mittsommer ging schnell vorbei, und wieder lag Schnee auf den Pässen von Hammerfell. Der tapsige Welpe entwickelte sich zu einer schlanken Hündin, die die junge Herzogin bei ihren Besorgungen in der Burg ständig begleitete. Erminie gewann an Zuversicht, die Pflichten ihrer neuen Stellung erfüllen zu können, und sonnte sich in der Gewißheit, daß ihre Ehe glücklich war. Und sie wirkte hübscher als früher. Wenn sie hin und wieder um den Spielgefährten trauerte, der ihr Gatte hätte werden sollen, so tat sie das insgeheim und mit der Überzeugung, daß das Leid ihres Mannes nicht geringer war.

Eines Morgens, als sie ihn bat, sich zum Frühstück zu setzen, das sie immer gemeinsam in einem hochgelegenen Raum mit Blick auf das Tal einnahmen, sah Rascard aus dem Fenster und sagte: »Meine Liebe, deine Augen sind besser als meine. Was ist da unten?«

Sie kam und schaute über die vereisten Klippen hinweg zu der Stelle, wo sich eine kleine Gruppe den glatten Pfad hinaufmühte. »Das sind Reiter, sieben oder acht, und sie tragen ein Banner in Schwarz und Weiß – aber das Emblem kann ich nicht erkennen.« Sie sagte nichts davon, daß sie ein nicht näher zu benennendes Gefühl hatte, ihnen stehe Ärger bevor.

In etwas beklommenem Ton meinte ihr Mann: »Wir haben seit unserer Hochzeit zu wenig von Storn gehört, mein Liebes.«

»Erwartest du von ihm, daß er kommt und ein Stück von unserem Hochzeitskuchen ißt oder daß er uns Hochzeitsgeschenke schickt?«

»Ebensowenig wie ich von ihm erwarte, daß er unserem Sohn einen silbernen Eßnapf zum Namensgeschenk macht«, antwortete Rascard. »Aber diese Tage sind zu friedlich gewesen. Was mag er nur vorhaben?« Sein Blick fiel auf Erminies loses Gewand, und sein Gesicht verfinsterte sich vor Sorge. Erminie jedoch lächelte bei der Erwähnung ihres Kindes versonnen.

»Mit dem neuen Mond ist unser Sohn vielleicht bei uns.« Sie sah zu der violetten Scheibe, die am Tageshimmel hing, blaß und schattenhaft und abnehmend. »Was Storn anbelangt, so war sein letzter Zug, daß er Alaric gefangennahm. Vielleicht denkt er, der nächste Zug im Spiel sollte deiner sein. Oder vielleicht ist er der Fehde müde geworden.«

»Wenn er Frieden wünschte, hätte er nur Alarics Leiche zurückzugeben brauchen«, wandte Rascard ein. »Es bringt keinen Ruhm, Rache an Toten zu nehmen, und das weiß Lord Storn ebensogut wie ich. Und daß er der Fehde müde werden könnte, werde ich glauben, wenn Beeren auf dem Eis des Walls um die Welt wachsen.«

Obwohl sie seine Ansichten teilte, wandte sich Erminie von ihrem Gatten ab. So freundlich er auch zu ihr war, sie empfand immer noch ein bißchen Angst, wenn er finster dreinschaute wie jetzt.

»Ist es schon Zeit, der Hebamme zu sagen, daß sie in der Burg bleiben soll?« fragte er sie.

»Darüber brauchst du dir keine Gedanken zu machen, mein Gatte«, antwortete Erminie. »Ich komme mit meinen eigenen Dienerinnen zurecht. Die meisten von ihnen haben Kinder geboren und geholfen, andere auf die Welt zu bringen.«

»Aber es ist dein erstes, und ich bin besorgt um dich«, sagte Rascard, der zu viele geliebte Menschen verloren hatte. »Ich will keine Weigerung mehr hören. Markos soll, bevor dieser Mond abgenommen hat, zum See des Schweigens reiten und von dort eine Priesterin Avarras mitbringen, die sich um dich kümmern wird.«

»Gut, Rascard, wenn dich das beruhigt, aber mußt du Markos schicken? Warum keinen jüngeren Mann?«

Rascard lachte vor sich hin und neckte sie: »Wie, meine Liebe, so viel Zärtlichkeit für Markos? Bin ich so unglücklich, einen Rivalen in meinem eigenen Haushalt zu haben?«

Erminie wußte, daß er scherzte, aber sie meinte es ernst. »Markos ist zu alt, um sich zu verteidigen, sollte er in den Bergen überfallen werden, von Räubern oder …« Hier brach sie ab. Rascard hörte trotzdem, was sie nicht aussprach.

Oder von unseren Feinden auf Storn.

»Nun, dann dürfen wir deinen Kavalier keiner Gefahr aussetzen«, sagte Rascard aufgeräumt. »Ich werde ihm einen der jungen Männer mitgeben, der ihn unterwegs beschützen soll.« Wieder sah er aus dem Fenster. »Kannst du das Emblem der Reiter nun erkennen, meine Liebe?«

Erminie spähte hinaus, und in ihren Augen war Sorge zu lesen. »Ich sehe jetzt, daß es nicht schwarz und weiß, sondern blau und silbern ist. Das sind die Hastur-Farben. Im Namen aller Götter, was kann einen Hastur-Lord dazu bringen, einen Besuch auf Hammerfell zu machen?«

»Das weiß ich nicht, aber wir müssen ihn begrüßen, wie es sich gehört«, sagte der Herzog.

»Das soll geschehen«, stimmte Erminie ihm zu, eilte in ihre Vorratskammern und beauftragte die Dienerinnen, die Bewirtung der fremden Gäste vorzubereiten. Sie war nervös, denn in all den Jahren, in denen sie in diesen Bergen gelebt hatte, war sie nie einem der Hastur-Lords begegnet.

Sie hatte gehört, daß die Hastur-Lords versucht hatten, alle Hundert Königreiche unter ihrem Schutz zu einem einzigen gigantischen Königreich zu vereinigen, und sie kannte viele Geschichten über die Abstammung der Hastur-Lords von den Göttern. So war sie beinahe überrascht, daß sich der Hastur-Lord nur als ein großer, schlanker Mann mit flammendem Kupferhaar und Augen von fast metallischem Grau, ihren eigenen nicht unähnlich, erwies. Er betrug sich freundlich und bescheiden; Erminie dachte bei sich, sogar Rascard sehe mehr nach einem Abkömmling von Göttern aus als er.

»Es ist Rascard von Hammerfell eine Ehre, Euch in seiner Burg willkommen zu heißen«, erklärte der Herzog förmlich, als sie bequem im warmen Morgenzimmer vor dem Feuer saßen. »Dies ist meine Lady Erminie. Darf ich den Namen des Gastes wissen, der mich mit seiner Gegenwart beehrt?«

»Ich bin Valentin Hastur von Elhalyn«, antwortete der Mann. »Meine Lady und Schwester«, er wies auf die Dame neben sich, die ein rotes Gewand trug und das Gesicht hinter einem langen Schleier verbarg, »ist Merelda, Bewahrerin von Arilinn.«

Erminies Wangen röteten sich, und sie sagte zu der Frau: »Aber ich kenne Euch doch.«

»Ja.« Merelda schob ihren Schleier zur Seite und zeigte ein strenges und leidenschaftsloses Antlitz. Ihre Stimme klang bemerkenswert tief, und Erminie erkannte, daß sie eine emmasca war. »Ich habe Euch in meinem Sternenstein gesehen. Aus diesem Grund sind wir hergekommen – um Euch kennenzulernen und Euch vielleicht in den Turm mitzunehmen, damit Ihr als leronis ausgebildet werdet.«

»Oh, das würde mir mehr als alles andere gefallen!« rief Erminie, ohne nachzudenken. »Ich habe nur das gelernt, was meine Pflegemutter, die vor mir hier Herzogin war, mir beibringen konnte …« Plötzlich veränderte sich ihr Gesichtsausdruck. »Doch wie Ihr selbst seht, kann ich meinen Mann und mein Kind, das bald geboren werden wird, nicht verlassen.« Sie sah richtig enttäuscht aus, und Lord Valentin lächelte sie freundlich an.

»Natürlich gehört Eure erste Pflicht Euren Kindern«, sagte Merelda. »Doch wir haben einen großen Bedarf an ausgebildeten leroni im Turm – es gibt nie genug laran-Arbeiter für unsere Aufgaben. Vielleicht könntet Ihr, nachdem Eure Kinder geboren sind, für ein Jahr oder zwei zu uns kommen …«

Der Herzog unterbrach sie ärgerlich. »Meine Frau ist keine heimatlose Waise, der Ihr eine Stelle als Lehrling anbieten müßt! Ich kann ohne Hilfe von einem Hastur angemessen für sie sorgen. Sie hat es nicht nötig, einem anderen Mann als mir zu dienen.«

»Davon bin ich überzeugt«, antwortete Valentin diplomatisch und fuhr, sich an Erminie wendend, fort: »Wir bitten Euch ja nicht, uns etwas zu geben, ohne dafür etwas zu bekommen. Die Ausbildung, die Ihr im Turm erhalten würdet, wäre von Nutzen für Eure Familie und Euren ganzen Clan.«

Rascard sah, daß Erminie tatsächlich enttäuscht dreinblickte. War es möglich, daß sie bereit war, ihn dieser »Ausbildung« wegen, worin sie auch bestehen mochte, zu verlassen? Brüsk erklärte er: »Meine Frau, die Mutter meines Kindes, wird den Schutz meines Daches nicht verlassen, und mehr gibt es darüber nicht zu reden. Kann ich Euch in irgendeiner anderen Weise zu Diensten sein, mein Lord und meine Lady?«

Valentin und Merelda waren zu klug, um ihren Gastgeber zu provozieren, und so ließen sie die Sache ruhen.

»Wollt Ihr meine Neugier entschuldigen?« fragte Lord Valentin. »Was hat es mit dieser Blutrache gegen die Leute von Storn auf sich? Ich hörte, sie habe schon zur Zeit meines Urgroßvaters getobt.«

»Und zu der des meinen«, ergänzte Rascard.

»Ich habe jedoch nicht erfahren können, wie sie entstanden ist oder womit sie begonnen hat. Als ich durch diese Berge ritt, sah ich Storns Männer auf dem Marsch, wie ich annehme, unterwegs zu einem Überfall. Könnt Ihr mich aufklären, Herzog?«

»Ich habe unterschiedliche Geschichten gehört«, erwiderte Herzog Rascard, »und ich kann nicht garantieren, daß eine von ihnen die wahre Geschichte ist.«

Valentin Hastur lachte. »Das nenne ich Ehrlichkeit. Erzählt mir, was Ihr für die Wahrheit haltet.«

»Mein Vater hat es mir so berichtet.« Juwel hatte ihren Kopf auf den Schoß des Herzogs gelegt, und Rascard streichelte sie gedankenverloren. »Zur Zeit seines Großvaters, als Regis der Vierte auf dem Thron der Hasturs zu Hali saß, schloß Conn, mein Urgroßvater, einen Vertrag ab, nach dem er eine Dame der Alton-Sippe heiraten sollte, und erhielt die Nachricht, sie sei von zu Hause aufgebrochen, mit Gefolge und Pferden und drei Wagen, die ihren Besitz und ihre Aussteuer enthielten. Wochen vergingen, doch er hörte nichts mehr, und die Dame traf nicht in Hammerfell ein. Nach vierzig Tagen kam sie dann endlich – mit einer Botschaft von Storn, er habe die Braut und die Aussteuer genommen, doch die junge Frau gefalle ihm nicht, und so gebe er sie Hammerfell zurück. Mein Vorfahr habe die Erlaubnis, sie zu heiraten, wenn er es wünsche, die Aussteuer behalte er jedoch für seine Mühe, die Braut auszuprobieren. Und da die Lady mit dem Sohn Storns schwanger sei, wäre er dem Herzog von Hammerfell dankbar, wenn er ihm das Kind irgendwann vor seinem Namensfest mit einem angemessenen Gefolge schicken würde.«

»Es überrascht mich nicht, daß das Ergebnis eine Blutrache war«, warf Lord Valentin ein. Rascard nickte.

»Trotzdem hätte es immer noch als der unschicklichste aller derben Späße durchgehen können. Aber als das Kind geboren wurde – und man sagt, es sei das Ebenbild von Storns älterem Sohn gewesen –, schickte mein Urgroßvater den Jungen samt einer Rechnung für die Amme, die ihn trug, und für das Maultier, das sie ritt, nach Storn. In diesem Frühling sandte Storn Bewaffnete gegen Hammerfell, und seitdem herrscht Krieg. Als ich ein Junge von fünfzehn und gerade eben zum Mann erklärt war, töteten Leute von Storn bei einem Überfall meinen Vater, meine beiden älteren Brüder und meinen jüngeren Bruder, erst neun Jahre alt. Die Storn-Sippe ist schuld, daß ich allein in der Welt stehe, ausgenommen meine liebe Frau und das Kind, das sie erwartet. Und ich werde beide mit meinem Leben beschützen.«

»Niemand könnte Euch das zum Vorwurf machen«, erklärte Lord Valentin feierlich. »Ich gewiß nicht. Dennoch würde ich diese Fehde gern beigelegt sehen, bevor ich sterbe.«

»Ich auch«, stimmte Rascard ihm zu. »Trotz allem ware ich bereit gewesen, meinen Groll gegen die Storns zu begraben, bis sie meinen Friedensmann angriffen und meinen Sohn töteten. Ich hätte ihnen die Ermordung meiner anderen Verwandten verzeihen können. Aber jetzt ist Schluß. Ich habe meinen Sohn zu sehr geliebt.«

»Vielleicht werden Eure Kinder diese Fehde beenden«, meinte der Hastur-Lord.

»Das mag sein. Nur bald wird es nicht geschehen; mein Sohn ist noch nicht geboren«, gab Herzog Rascard zu bedenken.

»Die Kinder, die Erminie erwartet …«

»Kinder?« unterbrach Erminie.

»Nun ja«, sagte die leronis. »Ihr werdet doch wissen, daß es Zwillinge sind.«

»N-nein, das wußte ich nicht«, stammelte Erminie. »Wie könnt Ihr da so sicher sein?«

»Habt Ihr noch nie eine schwangere Frau überwacht?«

»Nein, noch nie. Ich habe es nicht gelernt. Manchmal glaubte ich, meine Gedanken hätten das Kind berührt, allein ich war nicht sicher …«

Rascard runzelte die Stirn.

»Zwillinge?« fragte er beunruhigt. »Dann hoffe ich um unser aller willen, daß eines der beiden Kinder ein Mädchen ist.«

Valentin hob eine Braue. »Nun, Merelda?«

Die leronis schüttelte den Kopf. »Es tut mir leid, Ihr bekommt zwei Söhne. Ich dachte – ich war sicher, das würde Euch freuen. Es ist sehr traurig, wenn nichts als das Leben eines einzigen Kindes zwischen dem Fortbestand eines alten Hauses und seiner Auslöschung steht.«

Erminies Augen strahlten. »Ich werde meinem Lord nicht nur einen, sondern zwei Söhne schenken!« rief sie aus. »Habt Ihr es gehört, mein Lord?« Dann fiel ihr seine finstere Miene auf. »Ist es dir nicht recht, Rascard?«

Rascard zwang sich zu einem liebenswürdigen Lächeln. »Natürlich freue ich mich, meine Liebste. Aber bei Zwillingen gibt es immer Verwirrung, welcher von ihnen der ältere oder der zum Herrschen am besten geeignete ist, und es ist nur zu wahrscheinlich, daß sie zu Feinden und erbitterten Rivalen werden. Meine Söhne müssen als starke Verbündete gegen die Gefahren zusammenhalten, die uns von unseren Feinden auf Storn drohen.« Er sah ihre Verzweiflung und fügte hinzu: »Dadurch darfst du dir dein Glück über unsere Kinder nicht trüben lassen. Uns wird schon etwas einfallen.«

»Ich wünschte, Ihr würdet Eure Lady zu uns kommen lassen, wenigstens für einige Zeit. In Arilinn gibt es eine bekannte Hebammenschule, so daß sie ohne Gefahr entbinden könnte, und wir würden dafür sorgen, daß die Zwillinge jede Pflege und Rücksicht erhielten«, sagte Lord Valentin.

»Es tut mir leid, aber daran ist überhaupt nicht zu denken«, gab Rascard zurück. »Meine Söhne müssen unter ihrem eigenen Dach geboren werden.«

»Dann gibt es hierzu nichts mehr zu sagen.« Lord Valentin erhob sich, um Abschied zu nehmen. Herzog Rascard wandte ein, sie müßten sich erst bewirten lassen. Doch sie lehnten höflich ab und verabschiedeten sich mit vielen Beteuerungen der gegenseitigen Achtung.

Als sie von Hammerfell fortritten, bemerkte Rascard, daß Erminie bekümmert aussah.

»Du hast doch sicher nicht den Wunsch, mich allein zu lassen, meine Frau, und unsere Söhne sollen doch auch nicht unter Fremden geboren werden?«

»Nein, natürlich nicht«, antwortete Erminie, »aber …«

»Ah, ich wußte, daß es ein Aber gibt!« rief der Herzog. »Was könnte dich veranlassen, von mir zu gehen, Liebste? Hast du dich bei mir über irgend etwas zu beklagen?«

»Nein, über nichts, du bist der freundlichste Gatte, den man sich nur vorstellen kann«, versicherte Erminie ihm. »Dennoch ist es verlockend für mich, eine vollständige Ausbildung zur leronis haben zu können. Ich bin mir zu deutlich bewußt, daß mein laran Möglichkeiten bietet, die ich mir nicht einmal vorstellen kann, geschweige denn, daß ich sie zu nutzen verstehe.«

»Du weißt viel mehr als ich oder sonst jemand in den Grenzen von ganz Hammerfell«, sagte Rascard. »Kannst du dich damit nicht zufriedengeben?«

»Ich bin ja nicht unzufrieden«, antwortete Erminie. »Aber es gibt so viel mehr zu wissen – das habe ich aus dem Sternenstein selbst erfahren –, und ich fühle mich unzulänglich im Vergleich zu dem, was ich sein könnte. Nimm zum Beispiel die leronis Merelda. Sie ist so klug und gebildet …«

»Ich habe keinen Bedarf an einer gebildeten Frau, und du gefällst mir so, wie du bist.« Rascard nahm sie zärtlich in die Arme, und sie sagte nichts mehr. Mit ihrem Mann und den Kindern, die sie erwartete, war sie im Augenblick zufrieden.

Die Erben von Hammerfell

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