Читать книгу Wer wird denn da gleich Schwarz sehen - Marius Jung - Страница 5

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Ja, die Sprache in diesem Buch ist gegendert. Aber sie verzichtet auf schwer lesbare Wortzusammensetzungen wie „Sklav*innenhalter*innengesellschaft“ und „Schüler*innenschaft“. Dafür bitte ich um Verständnis.

Triggerwarnung

Achtung: Personen, die sich gerne aufregen möchten, könnten durch dieses Buch enttäuscht werden. Denn dieses Buch legt es ausdrücklich nicht darauf an, einzelne Menschen oder ganze Gruppen fertigzumachen. Es kritisiert Meinungen, will aber deren Urheber*innen nicht als Personen „erledigen“. Dieses Buch benutzt möglichst selten die Modalverben „müssen“ und „(nicht) dürfen“, dafür häufiger „sollen“ und „können“.

Dieses Buch stellt Argumente und persönliche Ansichten zur Diskussion und setzt sie der Kritik aus – anstatt möglichst laut zu schreien und sich jede Widerrede zu verbitten.

Als regelmäßig von Rassismus Betroffener reagiere ich vielleicht besonders empfindlich auf gruppenbezogene Vorurteile. Jedenfalls nehme ich sie häufig wahr. Hier drei Beispiele:

Ein Kollege von mir nahm einmal an einer Talkshow teil. Einer der Gäste war ein Schwarzafrikaner, der einen Kaftan trug. Mein Bekannter ging davon aus, dass der Mann frisch aus Afrika eingeflogen sei und wahrscheinlich wenig oder gar kein Deutsch spreche, und begrüßte ihn mit der englischen Floskel: „How do you do?“ Die Antwort des Mannes: „Jo mei, mia gehts fei guat, wie man bei uns in Bayern sogt.“ Treffer, versenkt! Mein Bekannter war sehr betreten.

Ein guter Freund erzählte mir einmal sehr ehrlich, was in ihm vorgeht, wenn er Obdachlose sieht. Er geht automatisch davon aus, dass sie erstens alkoholisiert sind und zweitens stinken, und er ekelt sich. Er ist dankbar, dass er sein Leben im Griff hat und niemals so abrutschen wird. Im Klartext: Er legt eine möglichst große Distanz zwischen sich und „die da“ und bastelt sich Konstruktionen, die Obdachlosen zumindest eine Mitschuld an ihrer Lebenssituation geben. Und zwar allen. Er sieht sie nur als Gruppe.

Drittes Beispiel: Ein befreundeter Musiker, der so wie ich dunkle Haut hat, wurde von einem Veranstalter zu einem Auftritt nach Rügen eingeladen. Er zögerte lange. Rügen? Wo die AfD fast 50 % der Stimmen geholt hat? Vor seinem inneren Auge erschienen an Bushaltestellen herumlungernde Neonazis, die bei erster Gelegenheit auf ihn losgehen würden. Oder Wutbürger*innen, die mit Forken und Stöcken am Bahnhof warteten. Und selbst wenn er heil am Veranstaltungsort ankäme: Würden die Konzertbesucher*innen einen schwarzen Musiker überhaupt akzeptieren? Die Leute dort haben doch nie Kontakt zu Menschen mit anderer Hautfarbe. Am Ende fuhr er doch hin – und erzählte nach der Rückkehr geradezu beschämt, wie herzlich er behandelt worden sei und wie nett alle gewesen seien, denen er begegnet war. Er sei mit offenen Armen empfangen worden. Er schwärmte geradezu von Rügen und den Menschen dort. Natürlich relativiert diese positive Erfahrung nicht den brutalen und im Ernstfall tödlichen Rassismus, den es in vielen Regionen Deutschlands gibt. Aber das pauschale Vorurteil des Kollegen – alle Rügener*innen sind Rassist*innen – wurde aufs Angenehmste enttäuscht. Und er war bereit, sein Bild zu revidieren und auch differenzierter über Ostdeutsche zu denken und zu sprechen.

Die drei erzählten Beispiele haben eines gemeinsam, und das ist ihr Protagonist. Er heißt in allen drei Fällen Marius Jung. Denn natürlich bin ich nicht frei davon, Pauschalurteile zu fällen, nur weil ich wegen meiner Hautfarbe regelmäßig deren Opfer werde. Wer das glaubt, ist möglicherweise in die Falle der positiven Diskriminierung getappt. Schließlich ist auch die Vorstellung, ein Schwarzer könne keine Vorurteile hegen und erst recht kein Rassist sein, ein Pauschalurteil aufgrund der Hautfarbe, das nicht das Individuum sieht, sondern die Gruppe. Natürlich bedroht dieser „Gutmenschen-Rassismus“ niemanden mit dem Tod, aber auch er beruht auf einem Vorurteil. Es ist eben alles nicht so einfach.

Wer wird denn da gleich Schwarz sehen

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