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Einleitung Das Seltsame und das Gespenstische (Jenseits des Unheimlichen)

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Merkwürdig, dass ich so lange gebraucht habe, um mich dem Seltsamen und dem Gespenstischen zu widmen. Denn obwohl die unmittelbaren Anfänge dieses Buches eher jüngeren Datums sind, verfolgen und faszinieren mich Beispiele des Seltsamen und Gespenstischen seit jeher. Aber ich hatte die beiden Modi noch nicht wirklich identifiziert oder gar ihre Grundmerkmale erkannt. Ohne Zweifel liegt das daran, dass die wichtigsten kulturellen Beispiele für das Seltsame und Gespenstische an den Rändern von Genres wie Horror oder Science Fiction zu finden sind und dass die Verbindung mit diesen Genres verdecken, was das Besondere des Seltsamen und Gespenstischen ist.

Auf das Seltsame wurde ich vor ungefähr zehn Jahren aufmerksam, in Folge zweier Symposien über das Werk von H.P. Lovecraft am Goldsmiths College der University of London; das Unheimliche wiederum wurde das Hauptthema von Vanishing Land, einem Audio-Essay aus dem Jahr 2013, den ich gemeinsam mit Justin Barton produziert habe. Das Gespenstische hat sich an Justin und mich geradezu herangeschlichen; eigentlich war es nicht unser Thema, doch am Ende des Projekts fanden wir, dass vieles an der Musik, den Filmen und der Literatur, die uns heimgesucht hatte, die Qualität des Gespenstischen hatten.

Gemeinsam ist dem Seltsamen und Gespenstischen ein Bezug auf das Eigenartige. Das Eigenartige – nicht das Schreckliche. Der Reiz des Seltsamen und Gespenstischen gründet nicht darin, dass wir »genießen, was wir fürchten«. Vielmehr geht es um eine Faszination für das Außen, für das, was jenseits der üblichen Wahrnehmung, Erkenntnis oder Erfahrung liegt. Dieser Faszination ist oft eine gewisse Beunruhigung, vielleicht sogar eine gewisse Furcht beigemischt – doch es wäre falsch, anzunehmen, dass das Seltsame und das Gespenstische notwendigerweise furchterregend sind. Ich möchte freilich nicht behaupten, dass uns das Außen immer wohlgesonnen ist. Es gibt mehr als genug Schrecken da draußen; doch diese Schrecken sind nicht das einzige, was es da draußen gibt.

Dass es so lange gedauert hat, bis ich mich dem Seltsamen und dem Gespenstischen widmen konnte, hat vielleicht auch mit dem Bann, der von Sigmund Freuds Begriff des Unheimlichen1 ausging, zu tun. Bekanntermaßen wurde unheimlich im Englischen mit uncanny übersetzt; das Wort aber, das Freuds Verständnis des Begriffs besser beschreibt, ist unhomely. Das Unheimliche wird oft mit dem Seltsamen und dem Gespenstischen gleichgesetzt – Freud selbst behandelt die Begriffe als austauschbar. Doch der Einfluss seines großartigen Essays hat dazu geführt, dass das Unheimliche die beiden anderen Phänomene in den Hintergrund gedrängt hat.

Der Essay über das Unheimliche war für die Untersuchung von Horror und Science Fiction höchst einflussreich – am Ende vielleicht weniger aufgrund der eigentlichen Definition als aufgrund seiner Unentschlossenheit, seiner Mutmaßungen und der Thesen, die er ablehnt. Die Beispiele Freuds – Doppelgänger, mechanische Apparate, die wie Menschen erscheinen, Prothesen – erzeugen eine gewisse Unruhe. Doch Freuds Lösung des Rätsels des Unheimlichen – seine Behauptung, es ließe sich auf Kas­trationsangst reduzieren – ist so enttäuschend wie jede mittelmäßige Standardauflösung eines Mysteriums durch einen Genredetektiv. Was allerdings immer noch fasziniert, ist das Bündel der in Freuds Essay kursierenden Begriffe und die Art und Weise, wie sie oft rekursiv genau jenen Prozess hervorbringen, auf den sie sich beziehen. Wiederholung und Verdopplung – selbst ein unheimliches Paar, das sich selbst verdoppelt und wiederholt – scheinen der Kern jedes »unheimlichen« Phänomens zu sein, das Freud behandelt.

Es gibt sicherlich etwas, dass das Seltsame, das Gespenstische und das Unheimliche verbindet. Es sind alles Affekte, aber es sind zugleich Formen: Formen des Films und der Literatur, Formen der Wahrnehmung und schließlich, so könnte man sogar sagen, Formen des Seins. Und dennoch handelt es sich strenggenommen nicht um Genres.

Der vielleicht wichtigste Unterschied zwischen dem Unheimlichen auf der einen und dem Seltsamen und Gespenstischen auf der anderen Seite ist ihr Umgang mit dem Eigenartigen. Bei Freuds Begriff des Unheimlichen geht es um das, was uns innerhalb des Vertrauten eigenartig erscheint, dem seltsam Vertrauten oder dem vertrauten Seltsamen – es geht darum, wie die vertraute Welt nicht mit sich identisch ist. Alle Ambivalenzen von Freuds Psychoanalyse verdichten sich in diesem Begriff. Sollen das Vertraute (familiar) – und das Familiäre (familial) – wieder unvertraut werden? Oder geht es darum, dass Unvertraute wieder zurück ins Vertraute und Familiäre zu bringen? Hier sieht man die charakteristische Doppelbewegung der Freud’schen Psychoanalyse: zunächst gibt es die Verfremdung vieler bekannter Vorstellungen über die Familie; doch dies wird von einer kompensatorischen Bewegung begleitet, worin das Außen als modernes Familiendrama lesbar wird. Die Psychoanalyse ist selbst ein unheimliches Genre; sie wird verfolgt von einem Außen, das sie umkreist, aber niemals vollständig anerkennen oder bejahen kann. Viele Kommentatoren haben erkannt, dass Freuds Aufsatz über das Unheimliche selbst einem Märchen gleicht, wobei Freud in der Rolle des James’schen unzuverlässigen Erzählers ist. Aber wenn Freud ein unzuverlässiger Erzähler ist, warum sollten wir akzeptieren, dass sein eigenes Märchen unter die Kategorie fällt, die sein Essay vorschlägt? Was wäre, wenn die ganze Dramatik des Essays in Freuds ständigen Versuchen besteht, das Phänomen, das er untersucht, in die Kategorie des Unheimlichen zu pressen?

Das Seltsame und das Gespenstische im Unheimlichen aufgehen zu lassen ist symptomatisch für einen säkularen Rückzug von der Außenwelt. Die allgemeine Vorliebe für das Unheimliche entspricht einem Hang zu einer Art von Kritik, die das Außen immer durch die Lücken und Sackgassen des Inneren abwickelt. Das Seltsame und das Gespenstische verfahren genau umgekehrt: sie erlauben uns, das Innen durch die Perspektive des Außen zu sehen. Wie deutlich werden wird, ist das Gespenstische das, was nicht dazugehört. Das Gespenstische stattet das Vertraute mit etwas aus, das normalerweise jenseits von ihm liegt und nicht mit dem »Heimeligen« versöhnt werden kann (auch nicht in seiner Negation als »Unheimliches«). Die Form, die vielleicht am besten dem Seltsamen entspricht, ist die Montage – die Verbindung von zwei oder mehr Dingen, die nicht zusammen gehören. Daher die Vorliebe des Surrealismus für das Seltsame, der das Unbewusste als Montage-Maschine verstand, als Generator seltsamer Kombinationen. Das ist auch der Grund, warum Jacques Lacan – der sich der Herausforderung des Surrealismus sowie der restlichen ästhetischen Moderne stellte – sich einer seltsamen Psychoanalyse nähern konnte, in der Todestrieb, Träume und das Unbewusste von jeder Naturalisierung oder dem Gefühl der Vertrautheit entbunden sind.

Auf den ersten Blick scheint das Gespenstische dem Unheimlichen näher zu sein als dem Seltsamen. Aber wie dieses hat auch das Gespenstische grundsätzlich mit dem Außen zu tun, in diesem Falle verstanden sowohl in einem streng empirischen als auch in einem eher abstrakt transzendentalen Sinne. Das Gefühl des Gespenstischen heftet sich selten an einen geschlossenen, bewohnten, häuslichen Raum; wir finden es eher in von Menschen teilweise verlassenen Landschaften. Wie ist diese Ruine entstanden? Warum ist hier etwas verschwunden? Was für ein Wesen war daran beteiligt? Was für ein Ding hat diesen gespenstischen Schrei ausgestoßen? Wie wir sehen, hat das Gespenstische grundsätzlich mit Fragen der Wirkungsmacht zu tun. Was für ein Subjekt wirkt da? Gibt es überhaupt ein Subjekt? Diese Fragen lassen sich in einem psychoanalytischen Register stellen – wenn wir nicht sind, wer wir denken, dass wir sind, was sind wir dann? –, aber sie betreffen auch die Kräfte, die die kapitalistische Gesellschaft regieren. Das Kapital ist auf allen Ebenen ein gespenstisches Ding: aus dem Nichts hervorgezaubert, übt das Kapital dennoch mehr Einfluss aus als jedes andere vermeintlich substantielle Wesen.

Der metaphysische Skandal des Kapital führt uns zu der größeren Frage der Wirk- und Handlungsmacht des Immateriellen und Unbelebten: die Wirkung von Mineralien und Landschaften für Autoren wie Nigel Kneale und Alan Garner und die Art und Weise, wie »wir selbst« in Rhythmen, Stößen und Einflüssen nicht-menschlicher Kräfte ausgesetzt sind. Es gibt kein Innen, außer als Einbruch des Außen; die Risse im Spiegel zu sehen, zu glauben, man sei ein anderer und war das schon immer. Dieser Schauder, der uns dann befällt, ist der Schauder des Gespenstischen, nicht des Unheimlichen.

Ein außergewöhnliches Beispiel der Verdrängung des Unheimlichen durch das Gespenstische ist D.M. Thomas’ Roman The White Hotel (dt. Das weiße Hotel). Zunächst handelt es sich dabei scheinbar um eine simulierte Fallstudie einer fiktionalen Patientin von Sigmund Freud, »Anna G.«. Annas Gedicht, mit dem der Roman beginnt, wirkt auf den ersten Blick voller erotischer Hysterie, so wie es der von Thomas erdachte Freud in seiner Fallgeschichte nahelegt. Freuds Lesart droht, die Traumatmos­phäre des Gedichts aufzulösen und ein ganz bestimmtes Deutungsmuster vorzubereiten: die Gegenwart wird durch die Vergangenheit, das Außen durch das Innen erklärt. Doch es stellt sich heraus, dass der scheinbare Erotizismus selbst eine Verschleierung und Ablenkung von einem intensiv wirkenden Bezugspunkt des Gedichts ist, der sich nicht in der Vergangenheit der Protagonistin liegt, sondern in ihrer Zukunft – ihr Tod im Massaker von Babi Jar 1941. Die Thematik von Vorsehung und Schicksal führt uns auf das Gespenstische in einer verstörenden Form. Das Schicksal mag jedoch sowohl zum Seltsamen als auch zum Gespenstischen gehören. Die wahrsagenden Hexen aus Macbeth werden immerhin auch die »unheimlichen Schwestern« (weird sisters) genannt und eine archaische Bedeutung des englischen Wortes weird ist fate – Schicksal. Die Idee des Schicksals ist seltsam insofern, als es sich um verkehrte Formen von Zeit und Kausalität handelt, die der gewöhnlichen Wahrnehmung fremd sind, aber sie ist auch gespenstisch, indem sie die Frage der Handlungsmacht aufwirft: wer oder was ist das Wesen, von dem das Schicksal gewebt wurde?

Das Gespenstische betrifft die grundlegendsten metaphysischen Fragen, die gestellt werden können, Fragen, die mit Existenz und Nicht-Existenz zu tun haben: Warum ist hier etwas, obwohl da nichts sein sollte? Warum ist da nichts, obwohl da etwas sein sollte? Die blinden Augen der Toten; der verwirrte Blick dessen, der sein Gedächtnis verloren hat – all dies ruft das Gefühl des Gespenstischen hervor, so sehr wie ein verlassenes Dorf oder ein Steinkreis.

Soweit haben wir immer noch den Eindruck, dass das Seltsame und das Gespenstische primär mit dem Beunruhigenden und Furchterregenden zu tun haben. Schließen wir diese einleitenden Bemerkungen mit ein paar Beispielen, wo das Seltsame und das Gespenstische andere Affekte hervorrufen. Moderne und experimentelle Kunst erscheint uns oft als seltsam, wenn wir ihr das erste Mal begegnen. Der Eindruck, dass etwas nicht stimmt, der mit dem Seltsamen einhergeht – die Überzeugung, dass dies nicht dazugehört –, ist oft ein Zeichen, dass wir mit etwas Neuem konfrontiert sind. Hier ist das Seltsame ein Signal, dass die Begriffe und Systeme, die wir früher angewandt haben, nun obsolet sind. Wenn die Begegnung mit dem Eigenartigen hier nicht sofort angenehm ist (da das Angenehme immer auf frühere Formen der Befriedigung verweist), so ist sie doch auch nicht einfach unangenehm: Es liegt einen Genuss darin, Bekanntes und Konventionelles veralten zu sehen – ein Genuss, der, in seiner Mischung aus Lust und Schmerz, etwas mit dem zu tun hat, was Lacan jouissance nannte.

Das Gespenstische bedeutet für uns auch die Trennung von unseren gegenwärtigen Bindungen. Doch, im Zusammenspiel mit dem Seltsamen, hat diese Trennung nicht immer die Qualität eines Schocks, die normalerweise vom Gespenstischen verursacht wird. Die Gelassenheit, die oft mit dem Gespenstischen assoziiert wird – man denke an die Rede von der gespenstischen Ruhe – hat mit der Trennung von den Dringlichkeiten des Alltags zu tun. Die Perspektive des Gespenstischen eröffnet uns die Kräfte, die unseren Alltag regieren, die aber normalerweise verborgen sind, so wie es uns auch Zutritt zu Räumen jenseits des Alltäglichen überhaupt gewähren kann. Es ist diese Entlassung aus dem Alltäglichen, diese Flucht aus dem, was wir gewöhnlicherweise für die Realität halten, die ein Stück weit den eigentümlichen Reiz des Gespenstischen erklärt.

Das Seltsame und das Gespenstische

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