Читать книгу Elton John - Mark Bego - Страница 11

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Für Reggie Dwight begann eine neue Zeit. Er hatte beschlossen, auf sein Glück zu vertrauen, und er war bereit, dafür alles in seinem Leben zu ändern. Er träumte immer noch davon, eines Tages selbst ein großer Star zu sein, und er fühlte, dass die Zeit gekommen war, diesen Traum voranzutreiben. Reg hatte miterlebt, wie sein Bandkollege Long John Baldry mit „Let The Heartaches Begin“ plötzlich einen Nummer-Eins-Hit gelandet hatte. Er hatte gesehen, wie eine einzige Platte die Karriere eines Musikers für immer verändern konnte, und er sehnte sich danach, selbst eine solche Chance zu bekommen.

Schon bald plante er den Ausstieg aus Bluesology – er wollte nicht länger in einer Begleitband versauern. Über sein Leben damals sagte er später: „Ich wollte einfach auf der Bühne stehen und den Leuten zeigen, was ich konnte, und deswegen deprimierte mich Bluesology so sehr – ich war dort ein Nichts. Es spielen so viele Leute in Bands, die Angst davor haben, den großen Sprung zu wagen, oder die niemals die Chance dazu bekommen. Sie wollen wirklich vorankommen, trauen sich aber nicht. Ich selbst habe es auch nur gewagt, weil ich so verzweifelt und elend war, dass mir praktisch nichts anderes übrig blieb.“(1)

Eine Weile glaubte Elton, ihm würde der Absprung am ehesten gelingen, wenn er zu einer etablierten Band wechseln und deren Sänger und Frontmann werden könnte. Auf dem Weg zum Ruhm musste er einige Enttäuschungen hinnehmen, als er von durchaus namhaften Künstlern abgelehnt wurde. Er stellte sich bei zwei verschiedenen Bands vor, die damals gerade einen neuen Sänger suchten, und probierte es bei den Avantgarde-Rockern King Crimson sowie bei den Artrockern von Gentle Giant, die beide absagten. Sein Schicksal hätte sicher einen ganz anderen Verlauf genommen, wäre er mit King Crimson erfolgreich geworden – vielleicht würde er heute bei seinen Konzerten nicht „Your Song“ als besonderes Schmankerl bringen, sondern den psychedelischen Klassiker der Band, „Lark’s Tongues In Aspic“.

Es waren noch einige Veränderungen nötig, bevor Reg die Höhen erklimmen konnte, nach denen er sich so sehnte. Das erste große Hindernis auf dem Weg zum Starruhm war sein Name. Wer konnte sich schon einen schillernden Rockstar vorstellen, der Reginald ­Kenneth Dwight hieß – und der mit seiner dicken Brille auch noch wie ein Bücherwurm aussah?

Der frustrierte Sänger beschloss, seine ganze Bühnenpersönlichkeit von Grund auf umzukrempeln. „Während meiner Zeit bei Bluesology flogen Caleb und ich einmal von Schottland zurück nach London, und im Bus von Heathrow in die Stadt sagte ich zu ihm: ‚Wenn ich selbst Platten aufnehme, dann will ich das nicht als Reg Dwight tun … das hört sich doch schrecklich an, oder?‘ Mir gefiel der Name Elton, weil unser damaliger Saxophonist so hieß. Es ist ein guter Name, den auch nicht allzu viele Leute tragen. Caleb sagte dann: ‚Wieso nimmst du nicht Baldrys Namen?‘ Und so kamen wir auf Elton John.“(2) Und das war’s. Seit dieser Zeit nannten ihn nur noch die Leute, die ihn von früher kannten, Reg. Es war die Geburt des Rockstars, der später weltweit als Elton John bekannt wurde.

Nachdem er seinen Bühnennamen gefunden hatte, machte sich Elton daran, auch die übrigen Veränderungen voranzutreiben. Ihm war klar, dass er finanziell nicht in der Lage war, den alten Job hinzuwerfen, bevor er nicht einen neuen hatte oder zumindest einen klaren Weg vor sich sah, den es sich einzuschlagen lohnte. „Ich wusste ja, dass ich jede Woche gutes Geld verdiente, aber ich fing an, mich nach anderen Möglichkeiten umzusehen. Ich bewarb mich auf einen Posten als Plattenpromoter bei Phillips Records, so verzweifelt war ich. Aber ich wurde nicht genommen. Dann entdeckte ich eine Anzeige von Liberty Records im New Musical Express, die neue Talente suchten. Damals spielte ich immer noch bei Baldry, aber ich vereinbarte dort trotzdem einen Termin und sagte den Leuten bei Liberty, dass ich glaubte, Songs schreiben zu können – die Musik, nicht die Texte. Dann fragten sie mich, ob ich singen könnte, und ich sagte, na klar. Ich ging in die Regent Sound Studios in der Denmark Street und nahm fünf Titel auf. Da ich in der Band nie sang, konnte ich mich nur an die Nummern erinnern, die ich früher in der Bar des Northwood Hills Hotels gebracht hatte, und spielte daher ein paar Sachen von Jim Reeves ein … ‚I Love You Because‘, ‚I Won’t Forget You‘, ‚He’ll Have To Go‘ … Ich sang sogar ‚Mammy‘. Bei Liberty hatte man die Sachen natürlich kaum angehört, da kreischten gleich alle ‚Nein!‘. Aber irgendjemand wandte ein: ‚Da ist doch dieser Typ aus Lincolnshire, Bernie Taupin, der Texte schreibt.‘ Man zeigte mir ein paar davon, ich sah sie durch und ich fand sie sogar ziemlich gut.“(3)

Bernie Taupin war damals ein zerbrechlich wirkender Siebzehnjähriger mit lebhafter Phantasie. Er wurde am 22. Mai 1950 geboren und war auf dem Land, im Grünen aufgewachsen. Literatur begeisterte ihn, er las die Werke von Somerset Maugham, Oscar Wilde und Christopher Isherwood. Auch faszinierten ihn Cowboys, Pioniere und die amerikanischen Südstaaten rund um 1800; Themen, die später immer wieder in seinen Texten auftauchten. Musikalisch war er vom Folksänger Woody Guthrie beeinflusst und von Countrysängern wie Marty Robbins, der mit den Songs „El Paso“ und „A White Sports Coat (And A Pink Carnation)“ berühmt geworden war. Bernies Lieblinge in der damals aktuellen Rockszene waren unter anderem Jimi Hendrix und Bob Dylan.

Taupin berichtet: „Im Gegensatz zu Elton wuchs ich in einer sehr ländlichen Gegend im Norden Englands auf, in Lincolnshire. Mein Vater war Farmer, aber meine Mutter hatte eine gute literarische Bildung, weil mein Großvater Universitätsprofessor gewesen war. Sie hielt mich an zu lesen, und ich las unglaublich gern epische Gedichte. Mein Interesse an der Musik begann, als ich anfing, Radio zu hören, ­insbesondere den amerikanischen Militärsender AFN. Zuerst begeisterte ich mich für Skiffle. Da gab es diesen Typen, Lonnie Donegan, der die ganzen tollen Songs von Leadbelly und Woody Guthrie coverte. Zu Anfang glaubte ich, Donegan hätte sie selbst geschrieben, diese großen Songerzählungen wie ‚John Henry’s Hammer‘. Dann entdeckte ich Musiker wie Johnny Horton und Johnny Cash, die in ihren Songs ganze Geschichten erzählten. Es war eine Kombination aus den Geschichten und Folk Music, weil Folk eben auch immer dieses erzählerische Element hatte.“(4)

Ein Schlüsselelement für Taupins Erfolg als Songwriter war die Tatsache, dass jeder seiner Texte eine Geschichte zu erzählen schien oder zumindest eine Szene umriss. Ob er über Gefühle oder über Geschehnisse schrieb, seine Worte nahmen den Hörer stets mit auf eine Reise. „Mich faszinierten lange, epische Gedichte, Coleridge und solche Sachen, so wie sich viele andere junge Leute für Popmusik begeisterten. Ich liebte Geschichten. Eine Geschichte zu schreiben und die musikalisch umsetzen zu lassen, das war eine wundervolle Vorstellung. Dann war ich besessen von jeder Form von Americana, und von dort war es ein natürlicher Schritt zu Country Music und Sängern wie Woody Guthrie, der die amerikanische Gesellschaft dokumentierte“, erklärte er.(5)

Taupin hatte zur gleichen Zeit wie Elton auf die Anzeige im New Musical Express geantwortet, aber zunächst einmal kalte Füße bekommen. „Die Anzeige hatte ich auch gesehen“, erklärte Bernie. „Es war 1967, und ich hatte schon eigene Gedichte verfasst. Es waren psychedelische Sachen, es ging um ‚canyons of your mind‘ und so. Ich spielte kein Instrument, das kann ich bis heute nicht, aber ich höre beim Dichten Melodien in meinem Kopf. Also schrieb ich einen Brief, in dem stand, dass ich jemanden bräuchte, der meine Texte mit Musik versah! Abgeschickt habe ich ihn aber nicht, sondern weggeworfen. Meine Mutter fischte ihn jedoch aus dem Papierkorb und gab ihn in die Post.“(6)

Die Briefe der beiden Nachwuchskünstler führten für beide zu unerwarteten Ergebnissen. Elton bewarb sich auf die Stelle und fiel im Vorstellungsgespräch durch, weil er keine Texte verfasste. ­Bernie bewarb sich ebenfalls und wurde nicht genommen, weil er keine Musik schrieb. Bis man auf den Gedanken kam, die beiden zusammenzuspannen, um so das komplette Paket zu bekommen. Eines der erfolgreichsten Songwriterteams des 20. Jahrhunderts war geboren.

„Ich traf Bernie über diese Stellenanzeige“, sagte Elton. „Eine Plattenfirma hatte sie aufgeben: ‚Talente gesucht: Liberty Records‘. Bernie hatte sich auch beworben, und ich sprach mit einem gewissen Ray Williams, der uns dann schließlich auch zusammenbrachte. Ich sagte damals: ‚Hey, ich glaube schon, dass ich Songs schreiben kann, nur mit den Texten hapert es.‘ Bernies Brief lag noch auf seinem Schreibtisch, und deswegen sagte Ray: ‚Hier, dieser Typ schreibt Texte.‘ Und das war’s. Bernie hörte später ein paar Sachen, die ich so machte, und sie gefielen ihm. Und als ich fragte: ‚Meinst du, wir sollten uns zusammentun?‘, sagte er: ‚Ja.‘ Wir unterschrieben schließlich bei Dick James Music. Der Verlag garantierte uns zehn Pfund die Woche, die dann mit den tatsächlichen Tantiemen verrechnet wurden, und als ich den Vertrag in der Tasche hatte, stieg ich bei der Band aus, bei der ich bis dahin gespielt hatte.“(7)

Bernie erinnert sich: „Wir lernten uns im Juni oder Juli 1967 kennen, über die berühmte Anzeige im New Musical Express. Sie stammte von einer Plattenfirma namens Liberty Records, die sich gerade von EMI lösen wollte. Sie suchten Komponisten, Texter, Produzenten, neue Talente. Ich hatte in Nordengland schon eine Reihe von Jobs ausprobiert und war ähnlich wie Elton ziemlich verzweifelt. Als ich die Anzeige sah, dachte ich, da ich ja Gedichte schrieb, könnte ich es einmal als Songtexter versuchen. Ich hätte damals nie gedacht, dass sich irgendwas daraus entwickeln könnte.“(8)

Leider kamen Bernie und Elton nicht zusammen, um gleich als erstes „Bennie & The Jets“ zu schreiben und damit über Nacht berühmt zu werden. Nach dem ersten Treffen folgte eine Reihe fruchtloser Versuche, bevor sich endlich der Erfolg einstellte. Elton unterlegte als erstes einen von Bernies Texten mit seiner Musik und spielte ein Demo ein. Der Titel hieß „Scarecrow“.

Damals stand Psychedelia in voller Blüte, Bands wie Strawberry Alarm Clock („Incense And Peppermints“) oder die Electric Prunes („I Had Too Much To Dream Last Night“) sorgten für Furore und Songs wie „Pictures Of Matchstick Men“ von Status Quo und „Whiter Shade Of Pale“ von Procol Harum wurden Hits. Der Erfolg war umso größer, je verrückter das Image war. Taupin erklärte: „Man darf nicht vergessen, es war 1967, der Höhepunkt der Flower-Power-Zeit und der Hippies. Die Beatles hatten Sgt. Pepper veröffentlicht und die Stones Their Satanic Majesties’ Request. Es wimmelte vor ‚flowers of your mind‘ oder ‚elephant’s gardens‘, und da ich damals absolut empfänglich für alles war, was rund um mich herum geschah, verfasste ich sofort sechs grauenhafte Texte, furchtbar aufgeblasen und scheußlich, mit Titeln wie ‚Swan Queen Of The Laughing Lake‘ oder ‚Year Of The Teddy Bear‘ und so. Ich dachte: ‚Damit wird’s schon klappen‘, und ich schickte sie diesem Ray Williams. Ich dachte nicht im Traum daran, dass ich überhaupt eine Antwort bekommen würde, aber ein paar Wochen später kam ein Brief, in dem stand: ‚Wir finden Ihr Material sehr interessant. Wir wissen allerdings nicht, was wir mit Texten allein anfangen sollen.‘ Songwriter schrieben damals eben einfach ihre eigenen Songs, und die Worte fielen ihnen ein, sobald sie die Melodie hatten. Es war eine ungewöhnliche Situation, aber sie waren offenbar beeindruckt.“(9)

Elton fiel es zunächst nicht immer leicht, etwas aus Bernies Texten zu machen. „Ganz am Anfang schrieb er ganz selten in Reimform“, berichtete Elton. „Es gab um die 115 Zeilen, und ich fragte mich, wo zum Teufel fange ich da bloß an? Aber nachdem ich mich ein bisschen eingewöhnt hatte, war es gar nicht so schwer. Damals waren die Songs noch wesentlich komplexer, weil Taupin eben nicht im typischen Strophe-Refrain-Muster schrieb.“(10)

Schließlich lernten sich die beiden dann doch kennen. Elton: „Nachdem man uns bei Liberty abgelehnt hatte, sagte Ray Williams: ‚Ich bin an einem Musikverlag beteiligt, der sich Gralto nennt, drüben bei Dick James Music‘, und dort meldete ich mich daraufhin mal. Mit Caleb Quaye als Studiotechniker nahm ich Demos der Songs auf. Eines Tages waren wir gerade mitten in den Aufnahmen, als plötzlich ein Typ auftauchte und sich in eine Ecke setzte. Als wir fertig waren, kam er auf uns zu und sagte: ‚Ich bin Bernie Taupin.‘ Ich sagte: ‚Hallo.‘ Dann gingen wir in den Lancaster Grill auf der Tottenham Court Road, tranken einen Kaffee und beschlossen, künftig zusammen Songs zu schreiben.“(11)

1967 unterschrieben Elton und Bernie beim Musikverlag von Dick James, und nachdem Elton ein paar letzte Engagements mit Long John Baldry abgeleistet hatte, war er nun plötzlich ein hauptberuflicher Songwriter und hatte einen Kompagnon.

Der Verlag von Dick James hatte ebenfalls eine interessante Geschichte. James war 1920 als Isaac Vapnick geboren worden, änderte jedoch bald seinen Namen und wurde Schnulzensänger. 1956 hatte er in England einen recht großen Hit mit der Titelmelodie der Fernsehserie The Adventures Of Robin Hood. Mit dem Wissen, das er als Sänger über das Musikgeschäft erworben hatte, gründete er einen erfolgreichen Musikverlag, den er Dick James Music (DJM) nannte.

1963 war der Schallplattenproduzent George Martin verzweifelt auf der Suche nach einem Verleger, der sich um die Songs der aufstrebenden jungen Band kümmern wollte, die Martin vertrat. Die damals noch unbekannte Gruppe nannte sich The Beatles. Beinahe jeder Verleger rund um die Londoner Denmark Street hatte schon abgelehnt, als Martin in der New Oxford Street 71–75 vorstellig wurde. Dass Dick James die Werke der Beatles unter dem Namen Northern Songs verlegte, war einer der größten Treffer seiner ganzen Karriere. Als die vier Liverpooler ein Jahr später zur heißesten Nummer im ganzen Musikgeschäft wurden – und es bis zum Ende der Sechziger bleiben sollten –, verdiente sich Dick James eine goldene Nase.

Nachdem er die Beatles für sein Unternehmen verpflichtet hatte, ging er auf die Suche nach potenziellen neuen Songwriter-Legenden aus dem Rockbereich, die es vielleicht ähnlich weit bringen würden. So kümmerte er sich beispielsweise auch um die Hollies, für deren Songs er einen eigenen Subverlag gründete. Aus den Vornamen der drei wichtigsten Bandmitglieder – Graham Nash, Allan Clarke und Tony Hicks – bastelte er den Verlagsnamen Gralto, und dies war der Firmenzweig, bei dem Elton und Bernie unterschrieben.

Von diesem Augenblick an waren Elton John und Bernie Taupin so gut wie unzertrennlich. In den Siebzigern, als Eltons Ruhm seine ersten Höhen erreichte, stellten sich natürlich viele die Frage, ob die beiden ein Paar waren oder nicht. Elton fand Bernie in verschiedener Hinsicht sicherlich auch attraktiv, und er hatte nie zuvor eine so innige und lange Freundschaft gehabt wie mit Bernie. War er in Bernie verliebt? „Oh ja“, gab er später zu. „Aber es war nie etwas Sexuelles. Ich hätte mich nie an ihn herangemacht. Ich bewunderte ihn vielmehr, so wie einen Bruder. Sicher habe ich ihn geliebt, aber nicht körperlich. Er war der Seelenverwandte, nach dem ich mich mein ganzes Leben gesehnt hatte.“(12)

Als Bernie beschloss, nach London zu ziehen und hauptberuflicher Songwriter wie Elton zu werden, hatte er zunächst keine Wohnung. Kein Problem. Sheila und Derf sprangen kurzerhand ein. Sie waren offenbar bereit, alles zu tun, damit Elton glücklich war und sich geliebt fühlte. Es war dennoch sehr großzügig, Taupin in die kleine Drei­Zimmer-Maisonettewohnung einziehen zu lassen, die sie am Frome Court bewohnten. Damit sie beide in Eltons winzigem, mit Schallplatten vollgestopften Schlafzimmer Platz hatten, kauften Sheila und Derf ein Etagenbett für die beiden Jungs, die damals 20 und 17 waren. Sie lebten zusammen, sie schrieben zusammen Songs, und sie arbeiteten hart daran, sich im Musikbusiness einen Namen zu machen, das von Ehrgeiz und Wettbewerb geprägt war.

Obwohl sie sich so nahe waren, schrieben John und Taupin jeder für sich. „Selbst als wir zusammen wohnten“, erklärte Elton, „gab er mir die Texte, und ich ging dann ins Zimmer nebenan und setzte mich ans Klavier. Wenn er dabei war, konnte ich keine Songs schreiben, dann fühlte ich mich total befangen. Er hat sich nie neben mich auf die Klavierbank gesetzt und gesagt: ‚Dies oder das gefällt mir nicht.‘ Manchmal meinte er, dass ein Titel ganz anders geworden war, als er es sich vorgestellt hatte. Das hat ihn immer wieder überrascht. Aber die Texte habe ich einfach ihm überlassen.“(13)

An anderer Stelle sagte Elton über ihre Zusammenarbeit: „Wir sind die einzigen, die auf diese Weise arbeiten – dass Bernie nur die Texte schreibt und ich ausschließlich die Musik mache. Abgesehen von Keith Reid und Gary Brooker [von Procol Harum], bei denen es ähnlich läuft. Ich brauche ungefähr zwanzig Minuten, um Musik für einen Song zu schreiben, aber Bernie brütet viel länger über seinen Texten.“(14)

Es war nicht einfach zu erraten, welche Songs Erfolg versprachen und welche nicht. Die beiden lieferten jeden Monat Dutzende von Songs ab und fühlten sich manchmal sehr entmutigt. Elton zufolge war es seine Mutter, die sie dann ermutigte, durchzuhalten: „Wenn Taupin und ich darüber nachdachten, die Flinte ins Korn zu werfen, dann sagte sie immer: ‚Na schön, schmeißt einfach alles hin, der Gemüsehändler an der Ecke sucht gerade einen neuen Verkäufer.‘ Und wir brummten dann: ‚Na ja, das wollen wir ja auch nicht.‘ Aber es gab auch Leute, die uns ermutigten, vor allem Steve Brown, Lionel Conway, Roger Cooke und Roger Greenaway, die alle bei Dick James Music arbeiteten.“(15)

Zu den ersten Erfolgen der beiden aufstrebenden Songwriter zählten die Songs „The Tide Will Turn For Rebecca“, das von Edward Woodward aufgenommen wurde, und das später auch von Cilla Black gesungene „I Can’t Go On Living Without You“. Genau diesen Song reichte Dick James auch für den Grand Prix Eurovision de la Chanson ein, und Lulu, die das Vereinigte Königreich vertreten sollte, nahm ihn zusammen mit einigen anderen Titeln probeweise auf.

„Damals schrieben wir alles Mögliche für unsere zehn Pfund in der Woche“, meinte Elton, „und ‚I Can’t Go On Living Without You‘ war einfach ein Glücksfall. Es war einer unserer alten Songs, der noch bei Dick im Büro herumlag. Von den sechs Titeln, die [für Großbritannien] in die Vorauswahl kamen, landete er auf dem letzten Platz. Es war ein schrecklicher Song, und ich hatte selbst den Text geschrieben, weil Taupin nichts damit zu tun haben wollte. Er war grässlich: ‚I can’t go on living without you, oh yeah, baby/Oh no, I can’t go on living without you.‘ So richtig übel.“(16) Dennoch wussten Elton und Bernie genau, dass ein einziger Hit genügen würde, um ihrem Schicksal eine andere Wendung zu geben. Sie versuchten weiter, ihre handwerklichen Fähigkeiten zu verbessern und die Erfolgsformel für eine Chartplatzierung zu finden.

Offenbar blieb damals so ziemlich jeder, der bei Dick James arbeitete, abends länger im Büro, um die Aufnahmegeräte zu nutzen und Demos der vom Verlag vertriebenen Songs einzuspielen, in der Hoffnung, selbst ein Star zu werden. Elton und Bernie waren nicht anders. Als James entdeckte, dass man seine Geräte ohne seine Erlaubnis verwendete, feuerte er seine halbe Belegschaft.

Elton erinnerte sich an diese Entlassungsorgie: „Wir hatten etwa fünfzig oder sechzig Songs geschrieben. Ursprünglich standen wir ja bei Gralto unter Vertrag, und die machten überhaupt nichts mit dem ganzen Material. Eines Tages gab es dann plötzlich den großen Kehraus bei Dick James Music, weil viele Bands dort umsonst Demos eingespielt hatten, ohne dass Dick gefragt worden war. Als er das mitbekam, machte er richtig Kahlschlag, bis Caleb fast auf den Knien in sein Büro rutschte und ihm versicherte: ‚Reg und Bernie sind es wert, dass man für sie kämpft.‘ Nachdem Dick ein paar unserer Songs gehört hatte, nahm er uns direkt unter Vertrag. Dafür müssen wir Caleb wirklich sehr dankbar sein.“(17)

Elton und Bernie wurden dafür bezahlt, Songs für jene Stars zu schreiben, die damals in den Top Ten vertreten waren. James hatte kein Interesse daran, dass Elton zum gefeierten Solokünstler wurde, er wollte lediglich, dass er und Bernie Taupin ein paar lukrative Hits für die großen Namen schrieben, die in den späten Sechzigern den Mainstream bedienten. „Eins muss man ihm lassen, er ließ uns sehr viel Freiheit“, sagte Elton, „aber auf der anderen Seite drängelte er auch dauernd: ‚Ihr müsst Top-Forty-Hits schreiben für Cilla Black und Engelbert Humperdinck‘, und zwei Jahre unseres Lebens verschwendeten wir tatsächlich damit, das zu versuchen. Dann aber stieß Steve Brown als Promoter zur Firma und sagte uns, dass unsere Songs zwar ganz okay seien, aber eben doch noch nicht das gewisse Etwas hätten. Sie waren nicht so gut, wie sie seiner Meinung nach hätten sein können, und er fragte uns nach dem Grund. Daraufhin schilderten wir ihm unseren Zwiespalt – dass wir einerseits Songs schreiben wollten, wie sie uns gefielen, während wir andererseits das tun mussten, was Dick von uns verlangte, nämlich Hits zu entwickeln. Und wir bekamen ums Verrecken keinen zustande. Deswegen sagte Steve irgendwann, wir sollten Dick einfach vergessen und schreiben, was uns gefiel. Der erste Titel, den wir daraufhin komponierten, war ‚Skyline Pigeon‘, dann kam ‚Lady Samantha‘, und seitdem haben wir keinen Song mehr geschrieben, der uns nicht gefallen hätte.“(18)

„Lady Samantha“ zählte zu den Songs, die Elton nun ganz offiziell selbst aufnahm. Dick James verfolgte damit nicht etwa die Absicht, dem jungen Komponisten zum Durchbruch zu verhelfen, er wollte lediglich dafür sorgen, dass die Titel gehört wurden und andere Leute – echte Stars – sie einspielen konnten, damit er später über die Verlagsrechte Tantiemen kassierte. Dabei gab es zunächst eine Reihe von Fehlstarts. Elton berichtete: „Ich nahm eine Platte mit dem Titel ‚I’ve Been Loving You‘ für Phillips auf, die heute ein Sammlerstück ist. Sie klang sehr nach, äh, Engelbert Humperdinck. Als Autoren wurden John und Taupin angegeben, aber der Text war von mir – das hat Bernie mir bis heute nicht verziehen. Aber als wir bei Dick unterschrieben, folgten erst mal zwei Jahre Elend, in denen wir nur Müll verfassten.“(19)

„Lady Samantha“ wurde 1968 als Single veröffentlicht, brachte Elton aber keineswegs über Nacht den Durchbruch. „Es hat alles ein bisschen gedauert. Ich gab keine Konzerte. Ich hatte keine Band. ‚Lady Samantha‘ wurde ein Hit fürs stille Kämmerlein, aber kein großer finanzieller Erfolg. Anschließend erschien ‚It’s Me You Need‘, gefolgt von dem Album Empty Sky, und beide bekamen gute Kritiken, aber sie verkauften sich nicht sonderlich gut. Ich brachte noch eine Single heraus, ‚Rock & Roll Madonna‘, die eine ziemliche Katastrophe war.“(20)

In jener Zeit entwickelte sich Eltons Privatleben wie die Geschichte einer Seifenoper. Weihnachten 1967 hatte er in einem Club in Sheffield eine junge Frau kennen gelernt, die er sehr faszinierend fand. Linda Woodrow war die Tochter des Unternehmers, dem der Lebensmittelkonzern Epicure gehörte, der vor allem eingelegtes Gemüse wie Mixed Pickles herstellte. Es war auf komische Weise passend, das Elton sich ausgerechnet in eine Saure-Gurken-Erbin verliebte. Sie wohnten für kurze Zeit zusammen, und Elton sorgte schnell dafür, dass sein Freund Bernie ebenfalls bei ihnen einzog. „Wir lernten uns kennen, als ich am ersten Weihnachtstag bei einem dieser elenden Auftritte mit John Baldry auf einer Kabarettbühne in Sheffield stand“, berichtete Elton. „Sie war einsachtzig groß und ging mit einem mickrigen Kerl aus, der sich für seinen Mini sogar spezielle Pedalen hatte anfertigen lassen. Und er verprügelte sie auch noch! Mir tat sie unheimlich leid. Sie reiste mir bis South Shields nach und – Achtung, jetzt wird’s richtig romantisch – ich verliebte mich unsterblich in sie und sagte: ‚Wenn du nach London kommst, suche ich für uns beide eine Wohnung.‘ Tatsächlich fanden wir schließlich eine recht schöne Unterkunft in einer ziemlich abgerissenen Gegend. Es waren stürmische sechs Monate, die mich an den Rand eines Nervenzusammenbruchs brachten. Bernie und ich schrieben in dieser Zeit absolut gar nichts. Eines Tages versuchte ich, mir das Leben zu nehmen. Dieser Selbstversuch erinnerte sehr an Woody Allen. Ich drehte den Gashahn auf, ließ aber alle Fenster offen.“

Taupin fand die ganze Sache gleichzeitig verrückt und tragisch und ließ sich davon später zu einem Song inspirieren. „Es war schon ein köstlicher Widerspruch, dass Elton einerseits kurz vor der Ehe stand und andererseits versuchte, Selbstmord zu begehen.“ Allerdings hatte er sich, wie gesagt, dabei nicht besonders viel Mühe gegeben. „Er hatte das Gas nur ein kleines Bisschen angeschaltet und das Küchenfenster offen gelassen. Und er hatte sogar daran gedacht, sich ein Kissen unter den Kopf zu legen.“(21)

Bernie erinnerte sich: „Später erzählte ich Linda davon: ‚Mein Gott, er hat versucht, sich umzubringen!‘ Aber sie fragte nur: ‚Wieso hat er dabei so viel Gas verschwendet?‘“(22)

Dieser seltsame und völlig verrückte Selbstmordversuch war nur einer der vielen verzweifelten Hilfeschreie, die Elton John in den nächsten Jahrzehnten inszenierte. Er schlug sich mit einer tiefen inneren Unsicherheit herum, zu der noch eine schwere Identitätskrise hinsichtlich seiner sexuellen Orientierung kam. Berühmt wurde der Vorfall Jahre später, als seine zum Scheitern verurteilte Affäre mit Linda zur Grundlage der Single „Someone Saved My Life Tonight“ wurde, mit der er 1975 bis in die Top Ten kam.

Elton erläuterte: „Manche Leute glauben, der Typ mit dem Kopf im Gasofen sei ich selbst, aber der Text handelte von Long John Baldry und, äh, meiner etwas schwierigen Sexualität. Ich lebte mit Bernie in einer Wohnung in Islington und hatte eine Freundin, die ich, wie das eben so ist, heiraten wollte, um dann Kinder zu haben und so.“(23)

Doch wie kam es, dass Baldry ihm das Leben rettete, und wie war diese erste Beziehung zu einer Frau? Elton erklärte: „Es waren sechs Monate in der Hölle. Ich besorgte die Wohnung, kaufte alle Möbel, die Hochzeitstorte war schon bestellt, und bis zum großen Tag waren es nur noch drei Wochen. Baldry sollte mein Trauzeuge werden, und eines Abends saß ich mit ihm und mit einer Sängerin von den Supremes in einer Kneipe namens Bag Of Nails. Die Supremes-Sängerin, Cindy Birdsong, ging übrigens mal mit dem Sänger von Bluesology aus, ist das nicht auch eine schöne Klatschnachricht? Jedenfalls saßen wir da im Bag Of Nails, und Baldry sagte: ‚Du bist doch komplett verrückt, Mann. Du liebst sie doch gar nicht.‘ Und ich beteuerte: ‚Doch, natürlich.‘“(24)

Der Alkoholpegel stieg ebenso wie Baldrys Beharren, dass Elton einen schlimmen Fehler beginge, wenn er weiterhin eine Hochzeit mit Linda in Erwägung zöge. „Er wusste, dass ich schwul war, und sagte mir, ich sollte mich gefälligst daran gewöhnen, sonst würde es mein Leben zerstören“, erinnerte sich Elton.(25)

Er musste zugeben, dass es nicht gerade eine Traumverbindung war. „Sie hasste meine Musik, hasste alles an mir, und sie beherrschte mich vollkommen. Es war wie früher als Kind mit meinem Vater. Das war ungefähr ein Jahr, nachdem ich Bernie kennen gelernt hatte, und wir hatten zusammen eine Wohnung in Islington. Am schlimmsten war für mich, dass sie meine Musik nicht mochte und alles, was ich selbst schrieb, heruntermachte. Ihre Lieblingsplatte war ‚The Lady Is A Tramp‘ von Buddy Greco.“(26)

Glücklicherweise nahm Long John Baldry ihn schließlich noch einmal beiseite und sprach Klartext mit ihm. „Um Gottes Willen, du willst heiraten?“, fragte er. „Du liebst doch Bernie mehr als dieses Mädchen. Das ist völlig albern. Zieh die Notbremse, Reggie. Wenn du die Kleine heiratest, dann zerstörst du zwei Leben – ihr Leben und deins.“(27) Dabei wusste Elton selbst, dass das Ganze von Anfang an eine Schnapsidee gewesen war. Er liebte Linda ebenso wenig, wie er zum Mond fliegen würde. Für ihn erschien es lediglich irgendwie zwangsläufig, dass man eben irgendwann jemanden heiratete – bis Baldry ihm auf den Kopf zusagte, dass er schwul sei, ob er sich das eingestehen wollte oder nicht, und dass er sich mit dieser Tatsache würde abfinden müssen. „Er war der erste, der mir das je so deutlich machte“, erinnerte sich Elton. „Ich respektierte seine Meinung, weil er keinen anderen Grund hatte, mir sowas zu sagen, als dass er mich wirklich gern hatte. Und schließlich ging ich um vier Uhr morgens nach Hause und erklärte ihr, dass die Hochzeit abgesagt sei.“(28)

Linda war völlig schockiert. Sie versuchte sogar, Elton weiszumachen, sie sei schwanger, damit er sie nicht verließ, aber Elton wollte nichts davon hören. Am nächsten Morgen kam „Derf“ Farebrother vorbei und half Elton, seine Sachen zusammenzupacken und nach Hause zurückzubringen. „Mein Vater tauchte mit seinem Ford Cortina auf“, berichtete Elton, „und wie wir es schafften, meinen ganzen Kram in das Auto zu quetschen, weiß ich nicht mehr.“ Wieder in der alten Wohnung angekommen, bestärkte ihn Sheila in seiner Entscheidung. „Meine Mutter sagte: ‚Wenn du sie heiratest, rede ich nie wieder mit dir!‘ Ach, es war unglaublich.“(29)

Offenbar war Elton nicht gerade Casanova gewesen, wenn es um die Liebe ging. Linda stellte fest, dass er beim Sex eher gleichgültig und uninteressiert war. Sie erklärte der Presse später: „Als ich nach Elton andere Freunde hatte, merkte ich, dass in dieser Hinsicht irgendwas nicht in Ordnung gewesen war. Er war unerfahren und verlor mit mir seine Unschuld. Aber selbst wenn man das berücksichtigte, war sein sexuelles Interesse an mir doch ziemlich gering, und er kümmerte sich überhaupt nicht groß um mich. Wir schliefen nicht sehr oft miteinander. Sein Geld gab er meistens für Kleidung, Schallplatten und Drinks aus, und er schien davon auszugehen, dass ich für alles andere aufkommen würde.“(30)

Zwar sah Elton Linda nach seinem Auszug nicht mehr wieder, aber er hörte noch von ihr – über ihre Anwälte. „Sie verklagte mich, weil ich das Eheversprechen gebrochen hatte“, berichtete er, „und es war eine wirklich schlimme Erfahrung – ein echtes Fiasko!“(31)

Und so wohnte er, kurz nachdem er beinahe geheiratet hatte, erneut in der bescheidenen Wohnung seiner Eltern, und Bernie zog ebenfalls wieder ein. Die Affäre mit Linda Woodrow war damit beendet – und in den nächsten Jahren gab es keine weiteren Beziehungen mehr zu Frauen.

Um etwas mehr Geld zu verdienen, hatte Elton inzwischen Gelegenheitsjobs als Studiomusiker angenommen. Er wirkte auf einigen Platten der Hollies und von Tom Jones mit. 1969 war er als Sessionman am Hollies-Song „He Ain’t Heavy, He’s My Brother“ beteiligt. „Damals besserte ich meinen kargen Lohn, den ich bei Dick James Music erhielt, mit Sessions auf – die bar bezahlt wurden! Meine Spezialität war der Begleitgesang – man hört mich zum Beispiel auf ‚Daughter Of Darkness‘ von Tom Jones, auf ‚Back Home‘ von der englischen Fußballmannschaft und auf ein paar Sachen der Barron Knights, die verdammt albern waren. Ich arbeitete an dieser ‚Here Come The Olympics’-Verarsche mit [‚An Olympic Record’], die sie in den Abbey Road Studios aufnahmen. Und plötzlich kam Paul McCartney herein – er arbeitete gerade in Studio 2 und wollte wohl mal sehen, was das niedere Volk so macht. Bernie Taupin und ich wurden starr vor Schreck und murmelten verlegen irgendwas. Er unterhielt sich ein wenig mit uns, dann setzte er sich ans Klavier und fing an zu spielen. Das sei der neuste Song, an dem sie gerade arbeiteten, meinte er, und es war ‚Hey Jude‘. Ich war total hin und weg! … Aber zurück zu den Hollies: Eines Tages bekam ich einen Anruf und sollte zu den Air Studios in London kommen, wo die Band gerade arbeitete, und das tat ich, spielte Klavier für sie, und das war’s. Damals dachte man sich gar nichts dabei, aber wenn man den Titel später im Radio hörte, jenem Ort, an dem alle Songs ihre Feuertaufe bekamen, dann war das schon ein tolles Gefühl.“(32)

Manchmal verdiente Elton sich noch etwas dazu, indem er zwischen 1968 und 1969 bei verschiedenen Cover-Alben mitspielte. Damals war es gang und gäbe, dass Billig-Labels Musiker engagierten, die möglichst ähnlich klangen wie die großen Stars, um mit ihnen Coverversionen der aktuellen Top-Ten-Hits aufzunehmen. Auf diese Weise mussten sie lediglich Tantiemen an die Musikverleger zahlen, während die Studiosänger, die man auf den Platten hörte, ein Pauschalhonorar erhielten. Plattenfirmen wie K-Tel, Marble Arch und sogar Top Of The Pops konnten so günstige Alben auflegen, auf denen sich ein Hit an den anderen reihte. Zwar sangen nicht die Originalkünstler die Songs, aber sie klangen recht ähnlich und kosteten den Kunden nur einen Bruchteil der Summe, die er für alle Originalplatten bezahlt hätte.

In den 1990er-Jahren wurden viele dieser Tracks wieder ausgegraben und auf verschiedenen Labels unter Albumtiteln wie 16 Legendary Covers From 1969/70 As Sung By Elton John neu aufgelegt. Rückblickend sind diese Alben wie kleine Zeitreisen und lustig anzuhören, vor allem, wenn man weiß, dass Elton, als die Platten erschienen, nicht einmal als Sänger genannt wurde.

Zu den herausragendsten Titeln zählen seine Coverversionen von Norman Greenbaums „Spirit In The Sky“, Badfingers „Come And Get It“, „It’s All In The Game“ von den Four Tops, „Travelin’ Band“ von Creedence Clearwater Revival, Lou Christies „She Sold Me Magic“ und sogar „Lady d’Arbanville“ von Cat Stevens. Elton: „Ich spielte auch auf diesen ganzen Coverplatten von Top Of The Pops – ich war ziemlich gut darin, die Stimmen anderer Künstler nachzumachen. Bei ‚Saved By The Bell‘ von Robin Gibb musste ich mit dieser komischen trällernden Stimme singen, die ich einfach nicht hinbekam, bis ich schließlich meinen Kehlkopf mit den Fingern zum Vibrieren brachte. Ich war auch ziemlich gut als Leon Russell.“(33)

Die Aufnahmesessions gingen meist sehr schnell, und Elton bekam für einen Tag Arbeit gleich einen Scheck. Zwar brachten ihm diese Coveraufnahmen ein nettes Zubrot, 1969 beschloss er aber, sich voll und ganz auf die eigene Solokarriere zu konzentrieren. In Steve Brown, der für Dick James arbeitete, hatte er inzwischen einen sehr starken Verbündeten gefunden, der das Potenzial in Eltons und Bernies Songs erkannt hatte, und der sich auch durchaus vorstellen konnte, dass Elton es auch als Musiker zu etwas bringen konnte. Steve produzierte „Lady Samantha“ und auch alle Songs, die auf seinem ersten Album Empty Sky erschienen.

Die Aufnahmesessions für Empty Sky fanden Ende 1968 und Anfang 1969 im Achtspur-Studio von Dick James Music (DJM) statt. Steve Brown fungierte als Produzent, Frank Owen als Toningenieur, und Clive Franks bediente die Bandmaschinen. Die Musiker waren alte Bekannte aus Eltons Lager: Caleb Quaye spielte Gitarre und Congas, Tony Murray Bass, Roger Pope Schlagzeug und Perkussion, Don Fay Tenorsaxophon und Flöte und Graham Vickery Mundharmonika. Als Schlagzeuger auf „Lady What’s Tomorrow“ gab Nigel Olsson seinen Einstand, der Elton als Begleitmusiker länger treu bleiben sollte als jeder andere. Quaye und Pope spielten bei Hookfoot, einer Band, die bei DJM unter Vertrag stand, Murray hatte mit den Troggs gearbeitet, und Olsson war damals Mitglied der Spencer Davis Group.

Empty Sky wurde zunächst nur in Großbritannien veröffentlicht, wo die Platte am 3. Juni 1969 in die Läden kam. Das Album schaffte es nie in die Charts, und es wurden keine Singles ausgekoppelt. Es war in erster Linie als Songwriter-Demo gedacht, und das blieb es schließlich auch. Zwar war es später als Import vereinzelt in den USA erhältlich, aber eine offizielle US-Version erschien – mit einem völlig anderen Cover – erst 1975.

Der rockigste Song darauf war „Empty Sky“, aber auch ihm fehlte eine gute Hookline; er war nicht annähernd so einprägsam wie viele der späteren Songs des Kreativteams John/Taupin.

Empty Sky wäre ein wesentlich stärkeres Album geworden, wenn es auch „Lady Samantha“ enthalten hätte – ein Versäumnis, das man für die 1995 erschienene CD-Version nachholte, auf dem sich außerdem noch „All Across The Heavens“, „It’s Me You Need“ und „Just Like Strange Rain“ befanden.

Elton räumte später ein, dass Empty Sky für ihn und Bernie zunächst einmal ein Experiment war, mit dem sie ausprobieren wollten, welche Möglichkeiten ihnen das Albumformat bot. Alle anschließenden Alben sollten einen roten Faden haben, ganz gleich, ob sich das Thema aus dem aktuellen Zeitgeist, den Musikern oder einem künstlerischen Motiv ergab.

„Man kann das Erstaunen schwer beschreiben, das wir fühlten, als die Platte langsam Gestalt annahm“, erinnerte sich Elton. „Aber ich erinnere mich, wie ich mich fühlte, als wir die Arbeit am Titelsong fertig stellten – es hat mich einfach umgehauen. Ich fand, es war das Beste, was ich je in meinem ganzen Leben gehört hatte.“ (34)

Elton lag Empty Sky stets sehr am Herzen, vor allem, weil diese Platte für eine naive, unschuldige Zeit seiner Karriere steht. „Der Titelsong rockt so richtig ab“, sagte er. „Der Gitarrensound ist sehr ungewöhnlich, so etwas habe ich seitdem nie wieder gehört. Er entstand, indem wir Caleb Quaye im Studio oben auf die Feuerleiter schickten und unten im Schacht ein Mikrofon aufbauten, um das Echo einzufangen. So machte man es damals, es wurde viel improvisiert und einfach ausprobiert. Es gab keine Apparate, die man einstöpseln konnte, man musste sich Klänge formen, indem man die richtige Umgebung schuf. Wir hatten eine ganz normale Achtspurmaschine und haben ein bisschen experimentiert. Damals war es unumgänglich, dass man neue Sounds schuf und so viel Neuland eroberte wie möglich. Die Zeit solcher Spielereien ist inzwischen vorbei, aber damals lag der große Reiz, den solche Platten ausübten, in der Art und Weise, wie die Klänge eingesetzt wurden. Ich glaube nicht, dass man solche Sachen heute mit einem Computer nachempfinden könnte, das wäre sicher zu kompliziert.“(35)

Als das Album 1969 in Großbritannien erschien, bewegte es so gut wie gar nichts. Dennoch bewies es bereits die Vielseitigkeit von Elton John, die große Bandbreite seiner Fähigkeiten, die er später noch weiter ausbauen sollte. Die Songs führen jedoch nirgendwo hin und es gibt keine Hooklines oder einprägsame Refrains, die sie besonders auszeichnen würden. Dennoch haben Eltons Gesang und sein Klavierspiel eine gewisse Anziehungskraft.

Es heißt, ein Künstler erschafft seine Werke, damit sie weiter­leben und ihm eine gewisse kreative Unsterblichkeit verleihen. Elton sah das in der Tat ganz ähnlich. 1969 sagte er dem Jugendmagazin Jackie: „Ich wollte immer berühmt sein – die alte Ego-Geschichte. Aber es hat mich nie gereizt, zum Film zu gehen, denn in fünfzig Jahren wird man, wenn man den Namen eines alten Filmstars nennt, verständnislos fragen: ‚Wer?‘ Aber Gershwin wird man dann immer noch spielen.“(36)

Zwar schlug Empty Sky nicht gerade hohe Wellen, was die Verkaufszahlen betraf, aber es bot einen guten Rahmen, um Eltons und Bernies Talent als Songwriter vorzustellen – ein Talent, auf das die erfolgreiche amerikanische Rockband Three Dog Night das internationale Publikum schließlich aufmerksam machen sollte.

Deren selbstbetiteltes Debütalbum erschien 1968, und die Band feierte mit dem von Harry Nilsson geschriebenen Top-Ten-Hit „One (Is The Loneliest Number)“ gleich den großen Durchbruch. Zu den sieben Bandmitgliedern zählten drei Sänger – Danny Hutton, Cory Wells und Chuck Negron – und vier Musiker, Jimmy Greenspoon (Keyboards), Floyd Sneed (Schlagzeug), Mike Allsup (Gitarre) und Joe Schermie (Bass). Die drei Sänger wetteiferten gewissermaßen darum, wer die besten Songs für die Band entdeckten konnte, und der Schlüssel für den Erfolg der Band lag unter anderem auch darin, dass sie auf ihren Alben die Creme der jungen, aufstrebenden Songwriter versammelten, darunter Laura Nyro, Dave Mason, Randy Newman, Neil Young, Steve Winwood, Joni Mitchell, Billy Preston, Hoyt Axton und Paul Williams. Zu ihren Entdeckungen zählten auch Elton John und Bernie Taupin.

Das Album Three Dog Night war so erfolgreich gewesen, dass die Band in Zugzwang geriet, gute Songs für den Nachfolger zu finden, der schließlich unter dem Titel Suitable For Framing erschien. Zwischen 1969 und 1974 gelang es Three Dog Night, zwölf aufeinanderfolgende Alben in den amerikanischen Top Twenty unterzubringen, die alle Goldstatus erreichten und Hits enthielten wie „Mama Told Me Not To Come“, „Joy To The World“ und „Black & White“.

Im Frühjahr 1969 kamen Three Dog Night nach England, und Danny Hutton, einer der Leadsänger, traf sich mit dem ehrgeizigen Songwriter Elton John. „1969 gingen wir in England auf Tournee“, berichtete Danny. „Wir spielten vor allem in Clubs und kleinen Hallen, nachdem ‚One‘ so groß durchgestartet war. Es war unsere erste Tour dort. Bei der Gelegenheit rief ich bei Dick James Music an und teilte ihnen mit, dass ich auf der Suche nach neuen Songs war, und sie schickten Reggie Dwight bei mir vorbei. Wir verstanden uns auf Anhieb. Er spielte mir einen Song vor, der ‚Bad Side Of The Moon‘ hieß. Das Demo habe ich immer noch. Es stand ein anderer Name drauf, der aber durchgestrichen worden war. Nicht Cliff Richard, aber irgendein anderer Cliff.“(37)

Jimmy Greenspoon, der Keyboarder von Three Dog Night, erinnerte sich: „Elton und Bernie lernten wir kennen, als sie bei einem unserer Showcase-Auftritte in London auftauchten und ihre Songs anboten. Wir dachten damals: ‚Was sind das denn für Typen?‘ Ich weiß nicht mehr, in welchem Club wir damals spielten, es war entweder im Speakeasy oder im Roundhouse, jedenfalls war es auf der ersten Three Dog Night-Tournee in England. Wir fuhren vom Hotel zum Club, und als wir noch draußen standen und darauf warteten, dass man uns zur Hintertür hineinließ, tauchten diese zwei Typen auf und sagten: ‚Hey Jungs, wir haben von euch gehört, und wir sind Songwriter.‘ Damals dachten wir nur: ‚Na klar, wer’s glaubt.‘ Dann meinte der eine allerdings: ‚Hi, ich bin Reggie, und das ist mein Freund Bernie. Er schreibt die Texte, ich schreibe die Musik.‘ Und wir meinten: ‚Hey, cool.‘ Danny sagte daraufhin: ‚Passt auf, macht euch einfach locker und tut so, als ob ihr zu uns gehört. Ihr könnt als Roadies durchgehen.‘ Wir drückten ihnen also etwas zum Tragen in die Hand, und sie kamen mit uns in die Halle, tranken was mit uns und konnten sich das Konzert umsonst ansehen.“(38)

Greenspoon berichtete weiter: „Nach dem Gig gingen wir zu Dick James Music. Die beiden schlossen uns das Büro mitten in der Nacht auf, damit wir uns ein bisschen was von ihrem Material anhören konnten. Wir waren zu dritt, Danny, ich und unser ‚Organisator‘, Steve Barnett. Er arbeitete für Lillian und Jerry Bron von der Bron Agency. Zwar war ich ziemlich betrunken, als wir die Titel hörten, aber ich erinnere mich, dass es sich bei den ersten, für die wir uns richtig erwärmten und die wir gleich für uns reservierten, natürlich um ‚Your Song‘, ‚Border Song‘ und ‚Take Me To The Pilot‘ handelte. ‚Border Song‘ haben wir dann doch nie gebracht, aber ‚Your Song‘ erschien auf unserem dritten Album. Im Studio nahmen wir auch ein paar Spuren für ‚Take Me To The Pilot‘ auf, aber die liegen irgendwo auf Halde und gehören zu den vielen unveröffentlichten Three Dog Night-Raritäten.“(39)

Danny fand Eltons und Bernies Songs hervorragend, und die drei freundeten sich schnell miteinander an. Zwar war auch Danny erst vor einem guten Jahr im Rockgeschäft zu Ruhm und Ehre gekommen, aber Elton betrachtete ihn bereits als großen amerikanischen Rockstar. Hutton erinnerte sich an den 22-jährigen Songwriter, den immer noch alle Reggie nannten: „Er war einfach ein knuffiger Typ. Damals spielten wir im Revolution, einem ziemlich kleinen Club in London, und ich lud ihn zum Konzert ein. Nach dem Gig kam einer der Türsteher zu mir und sagte: ‚Da war ein Kerl namens Reggie, der dich sehen wollte, aber er stand nicht auf der Gästeliste, deswegen habe ich ihn nicht reingelassen.‘ Ich ging also nach unten zu dem kleinen Kneipenrestaurant, das es in dem Laden gab. Dort saß er mit Bernie, und er war bester Laune. Ich entschuldigte mich sehr. Er saß da, im Hintergrund lief Musik, und er sang mit, und ich sagte zu ihm: ‚Du hast eine tolle Stimme.‘ Er erwiderte: ‚Ahhh! Ich bin ein Songwriter, kein Sänger.‘“(40)

Danny fügte lachend hinzu: „Anschließend hatten wir einen Gig im berühmten Marquee Club, in dem auch schon die Stones und viele andere große Bands gespielt hatten. Wir waren noch nicht so groß, dass wir auf eine lange Gästeliste bestehen konnten, deshalb schmuggelten wir Elton als Roadie mit ein. Rein theoretisch war er also auch schon mal Roadie von Three Dog Night!“(41)

Als Three Dog Night wieder in die Staaten zurückkehrten, blieben Elton und Danny in Kontakt. „Er schickte mir viele Briefe und auch ein paar Demos, auf denen unter anderem auch ‚Lady Samantha‘ enthalten war“, erinnerte sich Hutton.(42) Als er diesen Titel hörte, wusste er, dass er einen Hit vor sich hatte, noch dazu einen, der für seine Stimme wie geschaffen war. „Ich war hin und weg, als ich ‚Lady Samantha‘ hörte“, berichtete Hutton. „Ich sicherte uns den Song, doch dann sagte Gabriel Meckler, unser erster Produzent, der später tragischerweise bei einem Motorradunfall ums Leben kam: ‚Nun, ihr solltet den Titel alle mal singen, und dann wähle ich den Leadsänger aus.‘ Und er entschied sich schließlich für Chuck. Für mich passte Chucks Stimme nicht so richtig dazu, und außerdem war ich der Meinung, dass es mein Song war, weil ich ihn entdeckt hatte. Aber wer war ich, etwas dagegen zu sagen?“(43)

Als Suitable For Framing im Juli 1969 erschien, kam es auf Platz 16 der amerikanischen Charts, brachte zwei Top 10-Hits hervor – „Easy To Be Heard“ und „Eli’s Coming“ – und verkaufte eine Million Exemplare. Zwar war Eltons und Bernies „Lady Samantha“ keine Single geworden, aber über eine Million Menschen in den USA hörten den Song auf dem Album. Es war der erste Titel der beiden, der in den USA erschien, und er war der perfekte Auftakt für das Jahr 1970 – das Jahr, in dem Elton John den großen Durchbruch in den USA und schließlich auch weltweit erleben sollte.

Elton John in His Own Words von Susan Black, Omnibus Press, London, 1993

Elton John

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