Читать книгу Elton John - Mark Bego - Страница 9
ОглавлениеIm März 1961 wurde Reginald Kenneth Dwight 14 Jahre alt. In seinem neuen Lebensjahr sollten einige drastische Veränderungen auf ihn zukommen, vor allem in seinem häuslichen Umfeld. Die Schule langweilte ihn, und die ständigen Ermahnungen seines Vaters, seine Hausaufgaben zu machen, gingen ihm ebenso auf die Nerven wie die langen Vorträge darüber, was sein Sohn zu tun und zu lassen habe. Elton erinnerte sich später, dass er sich damals vor allem ein Paar Hush-Puppies-Schuhe wünschte; die Freizeitschuhe aus Wildleder waren damals sehr in Mode. Stanley verbot Reggie, sich ein Paar zu kaufen, und Reggie empfand diese Reaktion seines Vaters als echte Unterdrückung.
Klein, rundlich und nicht unbedingt attraktiv, litt der Teenager unter großen Selbstzweifeln. Die dicke Buddy Holly-Brille, die er trug, ließ ihn wie den personifizierten Außenseiter erscheinen. Er suchte nach einer Möglichkeit, seine Frustrationen und seine Musikbegeisterung auszuleben. Sein großes Interesse am Rock’n’Roll warf die Frage auf, welche berufliche Laufbahn sich für ihn anbot. Sollte er klassischer Musiker werden? Oder vielleicht Musiklehrer? Oder wollte er vielleicht als Klavierverkäufer in einem Musikgeschäft arbeiten? Der Plan, ein Rockstar zu werden, erschien natürlich sehr unrealistisch.
Später erinnerte er sich: „Die Schule fand ich ziemlich langweilig. Ich alberte viel herum und schwänzte. Wenn es irgendwelche Sportereignisse gab, ging ich lieber dorthin.“(1)
Dann geschah etwas, das sein Leben wirklich durcheinanderbrachte. Seine Eltern erklärten, dass sie sich scheiden lassen wollten. Damals war Stanley am Air-Force-Stützpunkt Harrogate in Yorkshire stationiert. Zwar behauptete Elton, sein Vater sei ständig fremdgegangen, aber es war seine Mutter Sheila, die die Scheidung einreichte. Da Stanley aus beruflichen Gründen so oft unterwegs war, hatte sie ohnehin sehr viel Zeit allein verbracht, und sie hatte die ständigen Streitereien der letzten Zeit gründlich satt. Sie sehnte sich nach einem Mann, der umgänglicher war und der sie auch stärker unterstützte. Diesen Mann fand sie schließlich in Fred Farebrother, der ein kleines Baugeschäft als Maurer und Maler betrieb.
Reggie mochte Fred sofort, und Farebrother kümmerte sich von Anfang an sehr liebevoll um Sheilas linkischen Teenager. Fred wurde der verständnisvolle, ihn unterstützende Vater, der Stanley nach Meinung seines Sohnes nie gewesen war. Reggie alberte gern mit Fred herum. Bei ihrem ersten Treffen hatte er dem neuen Mann im Leben seiner Mutter erklärt, sein Name würde, rückwärts gelesen, „Derf“ lauten, und Fred war über diese Bemerkung nicht beleidigt, sondern vielmehr belustigt. Von diesem Tag an nannte Elton ihn nur noch „Derf“.
Die beiden vertrugen sich so gut, dass es nicht lange dauerte, bis Reggie von Fred als „mein Vater“ sprach.
Als die Scheidung seiner Eltern rechtskräftig wurde, vertraute Reggie sich seiner Lehrerin Helen Piena von der Royal Academy Of Music an. Sie erzählte, dass Reggie damals befürchtete, seine Zeit in der Schule könne vorüber sein. Vor allem aber quälte ihn der Gedanke, dass er wohl nie das neue, eigene Klavier bekommen würde, das er sich so wünschte. Offenbar hatte Stanley ihm zum Üben zuhause ein solches Instrument versprochen, falls sich seine Zensuren verbesserten, und Helen zufolge machte Reggie gerade das große Sorgen.
Wie sich herausstellte, musste er die Academy nicht aufgeben, und er bekam ein eigenes Klavier. Es war, wie er erzählte, ein „gebrauchtes Klavier aus Walnussholz der Firma Collingwood“, das im Musikgeschäft von Hodges & Johnson in Romford, Essex, gekauft wurde.(2)
Kurz nach der Scheidung fand auch Stanley 1962 eine neue Liebe in der 33-jährigen Edna Clough, die als medizinisch-technische Assistentin arbeitete.
In einem Brief vom 2. Dezember 1962 schrieb Stanley an Edna: „Nachmittags traf ich mich mit Reggie und erzählte ihm von uns; er hat sich sehr über diese Nachricht gefreut. Er war richtiggehend begeistert. Er nahm es genauso auf, wie ich es dir gegenüber schon vermutete, mein Schatz, und er sagte, dass er vor allem wollte, dass ich glücklich sei. Er freut sich jetzt sehr darauf, dich kennen zu lernen – vor allem, da du auch Klavier spielst. Er hat die Fotos von dir gesehen, meine Kleine, und ‚lecker, lecker!‘ gesagt, der kleine Frechdachs. Ha ha!“(3)
Am 17. Dezember 1962 schrieb Stanley Edna erneut, wobei er wieder von seinem Sohn berichtete. Er schilderte vor allem Ereignisse, die sich im Haus seiner Schwester Ivy ereigneten, als auch Ivys Schwager Henry zugegen war: „Am Wochenende kam Reggie vorbei und brachte uns einen hübschen Zeitschriftenständer als Hochzeitsgeschenk mit, mein Schatz. Gestern Abend nahm ich ihn mit ins Kino, und wir sahen uns Konstantin der Große an; der Film war ziemlich gut. Gestern waren Ivy, Henry, Reggie und ich beim Spiel Dartford gegen Wisbech, das Dartford 5:2 gewann.“(4)
Nach der Hochzeit von Stanley und Edna schrieb Reggie einen vierseitigen Brief an seinen Vater, in dem der ehrgeizige junge Pianist erklärte, welchen Beruf er am liebsten ergreifen würde: „Ich weiß jetzt auch, was ich machen will, wenn ich mit der Schule fertig bin. Eigentlich habe ich es schon lange gewusst, aber nie ausgesprochen, weil ich dachte, dass alle über mich lachen würden. Ich möchte auf der Bühne stehen – das heißt, singen und Klavier spielen. Ich weiß, es ist nicht leicht, ein Entertainer zu werden, und mir ist klar, dass viel Arbeit und vor allem auch viel Glück nötig sein wird, damit ich es schaffe, aber ich bin sicher, dass es mir wirklich viel Spaß machen würde. Ich hoffe, du denkst nicht, ich sei dumm, aber ich dachte, ich schreibe es dir trotzdem mal.“(5)
Doch genau hier lag das Problem. Während Reggie es völlig ernst damit war, eine Karriere als Pianist anzustreben, hielt Stanley so eine Idee für Unsinn. Er hoffte vielmehr, dass sich sein Sohn einen sicheren und ordentlichen Beruf suchen würde, anstatt es mit einer Laufbahn zu probieren, in der er bestenfalls damit rechnen konnte, ein stets um Engagements kämpfender Profimusiker zu werden.
Als Stanley seinen Berufswunsch nicht gerade wohlmeinend aufnahm, reagierte Reggie überrascht. „Mein Vater war Musiker. Er hatte bei Bob Miller & The Millermen Trompete gespielt, bevor er zur Air Force ging. Meine Berufswahl stieß ihm ganz übel auf … er war halt ein wenig versnobt. Aber meine Mutter hat mich stets ermuntert, und auch von meinem Stiefvater bekam ich stets viel Unterstützung.“(6)
Im Gegensatz zu Stanley und Edna lebten Sheila und Fred zehn Jahre ohne Trauschein zusammen, bevor sie heirateten. Sie zogen gemeinsam mit dem 14-jährigen Reggie in das Mehrfamilienhaus im Frome Court 30A.
Das Fernsehen war eine große Attraktion für die Jugendlichen Anfang der Sechzigerjahre. Reggie liebte besonders die Comedy-Sendungen der BBC wie The Goon Show, Take It From Here oder Round The Home. Eine seiner Lieblingsserien war Steptoe & Son, eine originelle Sitcom über einen Schrottplatzbesitzer und seinen recht modern eingestellten Sohn. In der Serie, die Reggie sehr beeindruckte, kam auch ein Pferd vor, das den Namen Hercules trug.
Stanley und Edna eröffneten nach ihrer Heirat ein kleines Schreibwaren- und Spielzeuggeschäft in Chadwell Heath, Essex. Reggie besuchte sie dort gelegentlich.
Edna erinnerte sich später: „Reggie kam immer sehr gern zu uns. Wir waren beide wegen des Geschäfts immer sehr beschäftigt, aber er hatte trotzdem viel Spaß, blieb oben in der Wohnung, spielte auf meinem Klavier oder tippte Briefe auf meiner Reiseschreibmaschine. Eines Tages entdeckte ich, dass er auf einer Seite immer wieder geschrieben hatte: ‚Stanley Dwight ist mein Vater, Sheila Dwight ist meine Mutter.‘ Damals empfand ich es als sehr traurig, dass ein Junge in einem noch so sehr prägenden Alter von einem Elternteil getrennt leben musste, und ich fragte mich, ob ihm das wohl durch den Kopf gegangen war, als er das getippt hatte.“(7)
Seit dieser Zeit hatte Elton eine wechselvolle Beziehung zu seinem Vater. In den nächsten Jahren bekamen Stanley und Edna vier gemeinsame Kinder. Reggie machte das schwer zu schaffen. Auf der Höhe seines Ruhms pflegte Elton Stanley in der Presse stets in einem schlechten Licht darzustellen. In einem Interview mit dem Playboy behauptete er 1976: „Als sich meine Eltern scheiden ließen, fühlte ich eine Zeitlang sehr viel Bitterkeit darüber, wie meine Mutter behandelt wurde. Sie musste beispielsweise alle Kosten der Scheidung tragen. Sie gab mehr oder weniger alles auf und musste zugeben, dass sie Ehebruch begangen hatte, während er hinter ihrem Rücken genau dasselbe tat und sie dafür bezahlen ließ. Er war so hinterlistig. Dann verschwand er, und fünf Monate später heiratete er diese andere Frau und sie bekamen in den nächsten vier Jahren vier Kinder. Das verletzte meinen Stolz sehr, weil er angeblich Kinder hasste. Wahrscheinlich war ich von Anfang an ein Fehler.“(8)
Stanley Dwight hielt später daran fest, dass das überhaupt nicht stimmte. Ihm zufolge zahlte er die Scheidung und teilte, als sie das Haus in der Potter Street 111 verkauften, den Erlös mit Sheila. Außerdem überließ er ihr das Auto und alle Möbel. Stanley behauptete, dass er nichts mitnahm außer seiner Kleidung und zwei Fotos von Reggie in silbernen Bilderrahmen.
Es war jedoch tatsächlich Fred Farebrother, der auf den Plan trat, als es darum ging, Reggie in seinen Träumen von einer Karriere als Musiker zu bestärken.
1961 übernahm das Ehepaar George und Ann Hill eine Bar im Northwood Hills Hotel, das kurz vor der Stadtgrenze von Pinner lag und insgesamt über drei Bars verfügte, alle mit englischer Eiche vertäfelt.
Die Hills hatten zuvor eine Bar namens The Hare in Harrow Weald geführt und waren dabei sehr erfolgreich gewesen, und daher waren sie der Aufgabe gewachsen, auch das wesentlich größere Northwood Hills Hotel gewinnbringend zu leiten. Um ein zahlungskräftiges Publikum anzulocken, das ordentlich Drinks bestellte, war es damals üblich, in einem der Gasträume Musik anzubieten. Zuerst versuchten sie es mit einer älteren Frau, die Honkytonk-Klavier spielte. Anschließend buchten sie einen energiegeladenen Pianisten, einen Albino, der eine ziemlich lebhafte Show hinlegte. Er blieb ein paar Wochen, beklagte sich aber dann, dass ihm die Anreise zu lang war, und kündigte.
Eines Tages erschien Fred Farebrother im Northwood Hills Hotel und wollte den Pächter der Bar sprechen. Als er zu George Hill geführt wurde, fragte er, ob vielleicht ein Klavierspieler gesucht würde, um die Gäste zu unterhalten, und George bestätigte, dass er tatsächlich gerade auf der Suche nach dem richtigen Mann war. Mehr war nicht nötig. Fred vereinbarte sofort einen Vorspieltermin für Reggie.
Ann Hill erinnerte sich: „Er war erst 15 und ging noch zur Schule. Er hatte sehr kurze Haare, trug Schlips und Kragen und graue Flanellhosen. Und eine Sportjacke aus Harris-Tweed in einer rötlichen Farbe. Er war sehr schüchtern. Aber er erzählte uns, dass er einen Song geschrieben habe, der ‚Come Back Baby‘ hieß.“(9)
Da es momentan niemanden gab, der als Entertainer in der Bar Programm machte, gingen die Hills kein Risiko ein, indem sie den Jungen einfach mal machen ließen. Damals war Reggie sehr von Ray Charles’ Nummer-1-Album Modern Sounds In Country & Western Music angetan. Zwei der bekanntesten Songs auf dieser Platte waren die Hits „I Can’t Stop Loving You“ und „You Don’t Know Me“. Das war die Art von Musik, die Elton dem Publikum an seinem ersten Abend vorstellte.
Natürlich kamen Sheila und Fred zum ersten Auftritt des Fünfzehnjährigen im Northwood Hills Hotel. Wie George Hill zu berichten weiß, schlug der spätere Elton John nicht von Anfang an groß ein. „Die Leute haben ihn ganz übel auflaufen lassen“, sagte er. „Sie brüllten: ‚Verzieh dich!‘ oder ‚Mach leiser!‘ und bewarfen ihn mit leeren Chipstüten oder Aschenbechern – die waren bei uns nur aus Aluminium, deswegen tat das nicht weh. Oder es schlich sich jemand an ihn heran und zog die Kabel aus seinen Verstärkern. Ich glaube, es wurden auch mal ein paar Liter Bier ins Klavier gekippt.“
Dennoch trat Reggie die nächsten anderthalb Jahre einmal in der Woche dort auf und wurde sogar dafür bezahlt. „Ich bekam ein Pfund pro Abend“, erzählte Elton, „aber ich hatte auch noch eine kleine Kiste, die ich am Ende meines Auftritts herumgehen ließ. Als ich in dem Laden anfing, kam kaum jemand in die Bar, aber später war es jedes Wochenende gerammelt voll. Mit dem Trinkgeld, das ich einsammelte, verdiente ich etwa 25 Pfund pro Woche. Das war super, wenn man bedenkt, dass ich ja damals noch zur Schule ging.“(10)
Reginald Dwight wurde bald als eine Art Wunderkind bekannt. Dass er eine regelmäßige Auftrittsmöglichkeit hatte, für die er auch noch bezahlt wurde, war eine reife Leistung. „Jeden Freitag, Samstag und Sonntag spielte und sang ich in der Bar des Northwood Hills Hotel“, berichtete er, „und zwar ein ganzes Jahr lang. Ich glaube nicht, dass ich je einen Termin ausgelassen habe. Ich sang Songs von Jim Reeves, Cliff Richard, alles, was gerade angesagt war. Aber auch Sachen wie ‚Roll Out The Barrel‘ oder Cockney-Songs wie ‚When Irish Eyes Are Smiling‘. Das musste man spielen, sonst wurde man mit Bier begossen. Al Jolson-Songs waren auch sehr beliebt.“(11)
Das waren noch Zeiten: 2009 waren Elton Johns Fans bereit, Tausende von Dollars zu zahlen, um die letzten Shows seiner Auftrittsreihe im Caesar’s Palace in Las Vegas zu sehen, und 1962 ging man einfach in die Bar in der Joel Street 66 in Northwood Hills und konnte der aufstrebenden Legende umsonst zuhören, wenn man sich ein Glas Bier bestellte. Niemand hätte sich damals vorstellen können, dass der bebrillte Junge am Klavier eines Tages eine Rocklegende sein würde.
Die Gigs im Hotel gaben Reggie Selbstvertrauen und erweckten in ihm den Wunsch, den nächsten Schritt zu wagen. In dieser Zeit trat er seiner ersten Band bei. Sie nannten sich The Corvettes, nach dem Sportwagen, der damals bei Teenagern hoch im Kurs stand. Reggie spielte Klavier, Stewart Brown übernahm die Leadgitarre und Geoff Dyson den Bass. Am Schlagzeug saß der Sohn des örtlichen Pub-Besitzers. Trotz ihres coolen Namens hielten die Corvettes nicht lange durch. Als der Schlagzeuger sich plötzlich verabschiedete, standen Reggie und seine Freunde ziemlich verloren da und lösten die Band in aller Stille auf.
Wenig später tat sich Reggie mit ein paar Freunden zusammen und gründete die Gruppe Bluesology. Wenn er nicht zur Schule ging, die Royal Academy Of Music besuchte oder im Hotel auftrat, dann probte er mit ihnen. Inzwischen hatte sich die Musikszene um ihn herum gewandelt, und England war plötzlich zu einer echten Größe auf der Rock-Landkarte geworden. Der ansteckende Sound der Beatles hatte das Musikgeschäft entscheidend verändert. 1963 eroberten sie England, und im Februar 1964, nachdem die vier Liverpooler in der amerikanischen Fernsehsendung The Ed Sullivan Show aufgetreten waren, fraß ihnen auch Amerika aus der Hand. Nur Wochen später hatte es den Anschein, als ob die Beatles mit ihrem frischen Look und ihrem radikal neuen Sound auch den Rest des Planeten für sich eingenommen hatten. Aber es war nicht nur ein neuer Look und ein neuer Sound – die Beatles produzierten ein unglaubliches Multimedia-Phänomen. Die Beatlemania war in vollem Gange.
Reginald entdeckte durch die Beatles ganz neue Ziele und Ideen. Er erlebte mit, wie direkt vor seinen Augen unbekannte britische Jungs praktisch über Nacht zu großen Stars wurden.
Zwar hatte Reggie, wie er behauptete, nicht viele Freunde, aber einer seiner besten Kumpel, mit dem er viel Zeit verbrachte, war sein Cousin Paul Robinson, der Sohn von Tante Win, der ein paar Jahre jünger war als Reggie.
Wenn sie sich trafen, gingen sie meist zu Reggie, der Paul seine wachsende Plattensammlung zeigte. Paul erinnert sich, dass Reggie vor allem von den Beatles begeistert war. „Er sagte, sie seien das Größte, was je passiert sei. Wir saßen mit den Plattencovern da und er zeigte mir, wer John, Paul, George und Ringo war.“(12)
Reggie war so fasziniert von den Beatles, dass er seinen Cousin Paul einmal zu einem Konzert der Fab Four mitschleppte. „Wir waren wegen einer Schulausstellung nach London gefahren. Dort war es aber total langweilig, und Reg fragte: ‚Hast du Lust, die Beatles zu sehen?‘ Sie gaben eines ihrer Weihnachtskonzerte im Hammersmith Odeon. Es war auch ein echtes Erlebnis, als John, Paul, George und Ringo kostümiert über die Bühne alberten, sogar in Frauenkleidern. Niemand hatte je zuvor Pop mit Slapstickspäßen kombiniert.“(13)
Davon abgesehen begeisterte sich Reggie für die Musik von Dusty Springfield. Anfang der Sechziger war sie Teil eines Folk-Trios, der Springfields, gewesen, und 1964 wurde sie mit Hits wie „I Only Wanna Be With You“, „Wishin’ And Hopin’“ und „All Cried Out“ auch solo äußerst erfolgreich. Sie trug eine hochtoupierte Frisur und gehörte fest zum Modezirkel des gerade aufkommenden „Swinging London“. Reggie war ein so großer Fan, dass er sein Zimmer in Frome Court von oben bis unten mit den Fotos der Pop-Diva pflasterte.
Dank der Beatles begann 1964 die so genannte „British Invasion“ der amerikanischen Charts: Die Hitfabrikanten aus Übersee beherrschten die Top 40 der USA. Zu den großen britischen Hits der damaligen Zeit zählten unter anderem „Time Is On My Side“ von den Rolling Stones, „House Of The Rising Sun“ von den Animals, „A World Without Love“ von Peter & Gordon, „Do Wah Diddy Diddy“ von Manfred Mann, „I’m Into Something Good“ von Herman’s Hermits, „You Really Got Me“ von den Kinks oder „She’s Not There“ von den Zombies.
Die Beatles machten jedoch den größten Eindruck auf Reginald Dwight. Allein 1964 legten sie eine Reihe so abwechslungsreicher Hits vor, dass sie schlicht nicht mehr aufzuhalten waren. „I Want To Hold Your Hand“, „She Loves You“, „Twist And Shout“, „Can’t Buy Me Love“, „A Hard Day’s Night“ und „I Feel Fine“ waren nur ein Bruchteil des kreativen Outputs der Band in nur einem Jahr, und sie legten damit den Grundstein für ihren internationalen Ruhm. Mit ihrer charismatischen Ausstrahlung und ihrer Fähigkeit, in jedem musikalischen Stil zu singen, zeigten die Beatles dem jungen Reggie, was im Bereich von Pop und Rock alles möglich war. Sie schrieben ihre eigenen Songs, spielten ihre Instrumente selbst und waren eine Band, die sehr zusammenhielt und ein attraktives Äußeres mit spannender Musik verband. Sie verkörperten all das, das Reginald Dwight am liebsten selbst geworden wäre.