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Politisches Lobbying für Telearbeit

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Nicht nur den Arbeitsbeginn zu verschieben, sondern Arbeitnehmer ganz vom täglichen Weg ins Büro zu erlösen, würde eine unfassbare Emanzipation des Menschen von den täglichen Einschränkungen in Raum und Zeit bedeuten. Es würde den allmorgendlichen Horror in überfüllten U-Bahnen und Bussen ebenso vermeiden wie Verkehrsstaus im Berufsverkehr. Im Schnitt 2.500 Kilometer Arbeitsweg spart jeder, der sonst mit dem eigenen PKW ins Büro fährt, wenn er stattdessen auf Telearbeit umsteigt. Würden genügend Arbeitnehmer von zu Hause arbeiten, führte das zu einer deutlichen Abflachung der Verkehrsspitzen.

Die britische Telework Association hat sich genau das zum Ziel gesetzt. Gegründet 1993, ist sie Europas größte Lobbygruppe mit dem ausschließlichen Ziel, alle möglichen Formen von Telearbeit zu befördern - also Arbeit, die von zu Hause oder unterwegs aus getan wird. Die Telework Association hat über 7.000 Personen und Organisationen als Mitglieder und gerade wieder eine Petition an die britische Regierung gerichtet, Telearbeit stärker zu unterstützen. Ein Hauptargument: »Sie kann ein effektiveres und populäreres Mittel sein, Verkehrsstaus und Luftverschmutzung zu reduzieren als Maut und Vignetten - vorausgesetzt, die Regierung will tatsächlich das Verhalten der Menschen ändern und nicht lediglich mehr Steuern einnehmen.«

Ihr holländisches Pendant, die E-work Foundation, ist da schon einen Schritt weiter. Gesponsert von Großkonzernen wie der Rabobank und dem Netzwerkausrüster Cisco, führte nicht zuletzt ihre politische Einflussnahme dazu, dass die traditionell liberalen und fortschrittlichen Niederlande weltweit die meisten Telearbeiter haben: Nach Angaben der E-work Foundation waren es im Jahr 2007 21 Prozent der arbeitenden Bevölkerung, im Vergleich zu 17 Prozent in den USA und 7 Prozent im EU-Durchschnitt. Die Mission der holländischen Lobbyisten steht dennoch erst am Anfang: »Wir werden unsere Anstrengungen fortsetzen, Telearbeit zu verbreiten«, so verkündet die 1995 aus einem Anti-Stau-Projekt des Verkehrsministeriums entstandene Stiftung auf ihrer Website: »Denn Verkehrsstaus und die Anzahl von Fahrzeugen auf den Straßen nehmen zu, während technische Infrastruktur wie UMTS und Breitband das E-working immer einfacher werden lassen.«

Auch deutsche Forscher sehen die Lösung des Dilemmas in flexibleren und freieren Arbeitsweisen: Prognosen des Berliner Instituts für Zukunftsstudien und Technologiebewertung sagen voraus, dass bei konsequenter Nutzung neuer Kommunikationstechnologien innerhalb von zehn Jahren der Berufsverkehr in Deutschland um bis zu 30 Prozent sinken könnte. Eine Million Telearbeitsplätze, so das Institut der deutschen Wirtschaft in Köln, würden den Verkehr um jährlich vier Milliarden Kilometer Fahrleistung entlasten.

Weder historisch noch biologisch sind wir dazu verdammt, uns jeden Morgen zur gleichen Zeit aus dem Bett zu quälen, um an einen Schreibtisch am anderen Ende der Stadt zu kommen. Das Büro ist eine gewachsene Kulturtechnik, und unterliegt als solche der ganz normalen Evolution sozialer Normen. Auch wenn es natürlich lange Zeit viele gute Gründe gab, ins Büro zu gehen: Hier fanden wir die Arbeitsmittel, die wir uns zu Hause niemals hätten leisten, geschweige denn Platz für diese schaffen können. Hier gab es den Kopierer, den wir täglich benutzten, die Akten, in die wir schauten, die Ablagen und Archive mit denen wir arbeiteten, und die Kollegen, mit denen wir den Tratsch vom Wochenende austauschen mussten.

Heute klingt all das nach Schreibmaschine und Tageslichtprojektor, nach Linoleumboden und Kantine, also hoffnungslos altmodisch. Heute haben wir online Zugang zu den meisten Informationen und Archiven, sind Dokumente elektronisch, ist der Aktenlauf durch den digitalen Workflow ersetzt, die vielen großen Bürogeräte durch einen kleinen Computer und die Kollegen erreichen wir per Handy, Skype oder E-Mail besser als in der Kaffeeküche. Kurz: Das gute alte Büro mit Einzelzimmern rechts und links vom Gang ist eine Institution des letzten Jahrhunderts. Und damit werden auch Arbeitsweg und Rush-Hour obsolet. Nicht nur Umweltschützer werden das für eine gute Nachricht halten.

Morgen komm ich später rein - Für mehr Freiheit in der Festanstellung

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