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ОглавлениеDie Biosynthese
»DMT könnte ein Neurotransmitter in Menschen und an Psychosen, Träumen, Nahtoderfahrungen und spirituellen Ekstasen beteiligt sein.«
Nicholas V. Cozzi (et al. 2011)
»Eine große Gruppe von Psychedelika leitet sich strukturell vom Tryptamin ab, das im Körper aus der Aminosäure L-Tryptophan gebildet wird. Die Indolalkaloide sind chemisch eng verwandt mit der Überträgersubstanz Serotonin (5-Hydroxytryptamin, 5-HT).«
Daniel Trachsel (2011: 192)
Im menschlichen Körper, in den Säugetieren allgemein sowie in anderen Tieren und in Pflanzen finden sich viele Tryptaminderivate, auch psychoaktiv wirksame. Die genaue Funktion der psychedelischen Moleküle in Lebewesen kann sich die Wissenschaft, insbesondere die Neurobiologie, bislang nicht erklären. Neben Tryptamin, DMT und 5-MeO-DMT sind im menschlichen Organismus u. a. Bufotenin (5-HO-DMT) und 6-HO-DMT entdeckt worden, wobei Letzteres ein sogenannter Metabolit, also ein Stoffwechselprodukt, von DMT ist. »Vermutlich kann der ganze ›enzymatische Apparat‹, der in Säugetieren existiert, Tryptamin aus Tryptophan, DMT aus Tryptamin und 6-HO-DMT aus DMT herstellen.« (Trachsel 2011: 204)
Tryptophan, genauer L-Tryptophan ist ein Eiweißbaustein und damit Bestandteil von Eiweißen (Proteinen) und den verwandten Peptiden. Es kann von Mikroorganismen, Pflanzen und Tieren produziert werden, was bedeutet, dass förmlich überall in der Natur eine potenzielle DMT-Synthese möglich ist. Menschen produzieren im Körper kein eigenes Tryptophan, sondern führen es sich als essenzielle Aminosäure über die Nahrung zu.
Lewis R. Mandel vom Merck Institute for Therapeutic Research, Rahway, New Jersey, publizierte mit Forscherkollegen 1977 den Nachweis der DMT-Biosynthese in Pflanzen, wonach aus der essenziellen Aminosäure L-Tryptophan Tryptamin synthetisiert und aus Tryptamin erst N-Methyltryptamin (NMT) und schließlich DMT hergestellt wird. Die Forschergruppe folgerte, dass dies auch im Menschen und in Tieren so funktionieren könne, weil alle enzymatischen Voraussetzungen und die notwendigen molekularen Substrate – nämlich Tryptamin und S-Adenosylmethionin38 – im Zellgewebe von Mensch und Tier gegeben sind. (Mandel et al. 1977) Der US-amerikanische Chemiker Alexander Shulgin erklärt die Biosynthese in Pflanzen: »So gut wie alle pflanzlichen Synthesewege zur Erzeugung eines interessanten DMT-Derivats beginnen mit der Aminosäure Tryptophan. Um die Biosynthese zu bewerkstelligen, hat die Pflanze zwei Möglichkeiten: Sie kann das Tryptophan decarboxylieren und anschließend durch Methylierung in Tryptamin umwandeln, oder sie kann das Tryptophan einer Methylierung unterziehen und anschließend decarboxylieren.« (Shulgin und Shulgin 1997: 281f.)
Auch Serotonin (5-HT, 5-Hydroxytryptamin) ist innerhalb unserer Biosynthese ein Stoffwechselprodukt des Tryptophans und strukturell eng mit DMT verwandt. Es kann beim Menschen, wie übrigens auch Tryptophan selbst, als Antidepressivum und schlafförderndes Mittel eingesetzt werden. Der US-amerikanische psychedelische Visionär Terence McKenna spekuliert zur Beziehung zwischen Serotonin und DMT: »Die strukturelle Ähnlichkeit zwischen DMT und Serotonin ist vielleicht ein Hinweis auf das große Alter der evolutionären Beziehung zwischen dem Stoffwechsel des menschlichen Gehirns und diesen besonderen Substanzen.« (McKenna 1996a: 306)
Das ebenfalls eng verwandte Melatonin wird wiederum aus Serotonin gebaut und könnte an der körpereigenen Produktion oder Verwertung von DMT beteiligt sein. Allerdings nicht in Form einer chemischen Vorstufe. Immer wieder ist – vor allem in diversen Texten im Internet – zu lesen, dass ein möglicher Weg der DMT-Biosynthese in der Umwandlung von Tryptophan zu Tryptamin, von Tryptamin zu Serotonin, von Serotonin zu Melatonin und von Melatonin zu DMT bestehe. Das ist allerdings nicht möglich, wie der US-amerikanische Chemiker, Neurochemiker und DMT-Forscher Steven A. Barker von der Luisiana State University erläutert: »Melatonin kann biochemisch nicht in DMT umgebaut werden, aber es könnte Einfluss auf die DMT-Synthese oder eine Freisetzung von abgelagertem DMT nehmen. Das wäre dann ein synergetischer Effekt.« (J. C. 2015)
Der Leipziger Chemiker, Mykologe und Substanzforscher Jochen Gartz erklärt, dass es nicht nur einen einzigen Weg der Biosynthese gibt, sondern diverse Möglichkeiten, und weitet das Ganze auch auf die eng verwandten Pilzwirkstoffe aus: »Es kann bei den biochemischen, allgemeinen Wegen immer auch Nebenwege geben. Aber im Prinzip wird vom Tryptophan durch Decarboxylierung das Kohlendioxid abgespalten und Tryptamin entsteht. Das wird stufenweise zum N-Methyltryptamin und dann zum DMT methyliert. Dass der Weg stimmt, sieht man an den allgegenwärtigen Nachweisen dieser Stoffe als Nebenalkaloide in Pflanzen. So kann man sich auch vorstellen, dass Serotonin dann aus Tryptamin entsteht, das ebenfalls zuerst aus Tryptophan gebildet wird. Es können später auch Acetylgruppen angelagert werden. Allgemein wird die Hydroxylierung – bei Bufotenin die Hydroxygruppe in fünfter Position – zum Schluss aus DMT vorgenommen, diese Gruppe ist auch die labilste Gruppe, die deshalb danach mit Phosphat zum Psilocybin oder zum 5-Methoxy-DMT stabilisert wird. Der Pilzwirkstoff Baeocystin zeigt in seiner Verbreitung an, dass es auch hier stufenweise zugeht, eventuell sogar mit noch einer Methylgruppe zum Aeruginascin. Die Ringschlüsse zu den Beta-Carbolinen kommen zum Schluss. Meines Wissens ist es ungewiss, ob das 5-Hydroxytryptophan im Körper tatsächlich zum Serotonin glatt hergestellt wird. In den Panaeolus-Arten (Düngerlinge, eine Pilzgattung) ist es neben dem Serotonin auch immer nachweisbar, hier ist es wahrscheinlicher, dass Tryptophan zuerst hydroxyliert wird. Es ist verführerisch, Fütterungsversuche mit solchen Substanzen zu machen. Werden sie umgesetzt, ist das noch kein Zeichen für den eigentlichen Biomechanismus! Denn die Oxydasen fressen gern angebotene Substrate, wie auch Pilze viele Stoffe zersetzen.«39
Fakt ist, dass DMT sowohl in Pflanzen und Pilzen als auch im menschlichen und tierischen Körper produziert wird, wenn auch die Mengen, die von Wissenschaftlern entdeckt wurden, sich tatsächlich auf Spuren beschränken. Steven Barker hatte dazu erläutert, dass die Forschung zurzeit lediglich in der Lage sei, Mengen bis zum Nanogrammbereich (Nanogramm = Milliardstel Gramm) und darüber zu messen. Wenn also DMT beispielsweise im Pikogrammbereich (Billionstel Gramm) vorhanden ist, kann das derzeit schlichtweg nicht festgestellt werden. (Barker: DMT – The Spirit Molecule40)
Auf der anderen Seite könnte die ganze Sache aber auch ein simples technisches Problem sein, da DMT ein sehr flüchtiger Stoff ist und im Körper sehr schnell metabolisiert, also verstoffwechselt, und u. a. vom körpereigenen Monoaminooxidase-Enzymsytem (MAO) abgebaut wird. »Nach nur ein paar Hundert Sekunden haben diese Enzyme das DMT vollständig und auf völlig unschädliche Weise inaktiviert und zu Nebenprodukten des gewöhnlichen Stoffwechsels zerkleinert. Dass beim stärksten aller halluzinogenen Indolalkaloide die üblichen Aminkonzentrationen im Gehirn so schnell wiederhergestellt sind, spricht dafür, dass es vielleicht eine im Rahmen einer gemeinsamen Evolution stehende lange Verbindung zwischen Menschen und halluzinogenen Tryptaminen gibt.« (McKenna 1996a: 320) Saavedra und Axelrod hatten Anfang der Siebzigerjahre den von ihnen auf Dimethyltryptamine untersuchten Ratten zuvor einen MAO-Hemmer gegeben, damit das DMT in deren Organismus nicht direkt abgebaut wird. Steven Barker berichtet in diesem Zusammenhang von einer kleinen Studie, in der die Fragestellung beantwortet werden sollte, ob die Applikation eines MAO-Hemmers die Nachweisbarkeit von DMT und dessen Metaboliten DMT-N-oxid in Urin und Speichel verbessern kann. Barkers Fazit: »Die Resultate weisen darauf hin, dass dem nicht so ist.« (J. C. 2015)
Chemische Strukturformel des DMT-N-oxids.
Die schnelle Verstoffwechselung und Flüchtigkeit wurden schon Mitte der Siebzigerjahre erstmals beschrieben und als Begründung für die kurze Wirkdauer der Substanz und auch für die fehlende Toleranz angeführt. (Kaplan et al. 1974; Gillin et al. 1976) Robin M. Murray und Michael C. H. Oon von den Departments of Psychiatry and Biochemistry am Londoner Institute of Psychiatry stimmen überein: »Die schnelle Verstoffwechselung des DMT sorgt dafür, dass die Substanz sich im Blut rasch verflüchtigt.« (Murray und Oon 1976) Und auch die in London tätige Pharmakologin Dominique Fontanilla bestätigt das: »DMT kann in der Lunge von Säugetieren und in Nager-Gehirnen aus Enzymen hergestellt werden. (…) Aufgrund der schnellen Verstoffwechselung des DMTs können bisher keine definitiven quantitativen Nachweise erbracht werden.« (Fontanilla et al. 2009)
WIE FUNKTIONIERT DIE BIOSYNTHESE VON DMT UND VERWANDTEN IM DETAIL?
Die endogenen Psychedelika werden im Organismus von Mensch und Tier mittels spezieller Vorläufersubstanzen und Mechanismen hergestellt. Dafür sind bestimmte Enzyme (Proteine) notwendig, die die Synthese der letztlichen Endopsychedelika aus körpereigenen Molekülen katalysieren, also anstoßen, fördern und möglich machen. In den Fünfziger- und Sechzigerjahren wies der spätere Nobelpreisträger Julius Axelrod vom US-amerikanischen National Institute of Health ein solches, für ihn zunächst unspezifisches Enzym im Gewebe der Kaninchenlunge nach, das in der Lage war, aromatische Aminosäuren, z. B. Indolethylamin-Moleküle, mit zusätzlichen Methylgruppen41 zu versehen – der Fachmann nennt dies eine Methylierung – und damit aus Serotonin Bufotenin und aus Tryptamin DMT zu synthetisieren.42 (Axelrod 1961; Hoffer und Osmond 1967: 455) Jahre später wies Lewis R. Mandel nach, dass die intravenöse Verabreichung von N-Methyltryptamin beim Kaninchen den DMT-Level in der Lunge ansteigen lässt. (Mandel 1976; Mandel et al. 1977)
Im Fall des von Axelrod nachgewiesenen Enzyms handelte es sich um eine sogenannte N-Methylierung, die aus körpereigenen Aminen bzw. Indolethylaminen (z. B. Tryptamin) die Endopsychedelika baut. Kurz und vereinfacht ausgedrückt, erweitert das Enzym (das als Transmethylierungsenzym bezeichnet wird) im Körper anwesende Moleküle (die man in diesem Fall als »Substrate« bezeichnet) um eine oder mehrere Methylgruppen und verwandelt die betreffenden Verbindungen damit in andere Substanzen. Ein Beispiel: Methyliert man das Indolethylamin Tryptamin (das in diesem Fall als Substrat fungiert) zweimal, entsteht Dimethyltryptamin, also 2-Methyl-Tryptamin: DMT.
Damit das N-methylierende Enzym aber seine Arbeit verrichten kann, benötigt es ein Co-Substrat, nämlich einen Methylgruppenspender (fachsprachlich: Methylgruppendonator), und der nennt sich S-Adenosylmethionin43, abgekürzt SAM (andere Abkürzung: AdoMet). S-Adenosylmethionin ist ein Stoffwechselprodukt der Aminosäure L-Methionin und dient, wir wiederholen, als Co-Substrat und Methylspender bei der Synthese von Indolalkylaminen im Körper, indem es zuerst an das Transmethylierungsenzym bindet und anschließend an das Indolethylamin-Substrat, in unserem Fall das Tryptamin. Dabei findet ein Transfer der Methylgruppe statt, die vom Methylspender zum Substratmolekül wandert. (Barker et al. 1981) Durch diese Interaktion zwischen dem Methylspender und dem Transmethylierungsenzym können eine oder mehrere Methylgruppen des Co-Substrats an das entsprechende Empfängersubstrat angehängt werden. Das Substrat (in diesem Fall Tryptamin) wird damit N-methyliert und verwandelt sich in ein anderes Molekül. Zur Veranschaulichung: Wird Tryptamin einmal N-methyliert, entsteht N-Methyltryptamin (NMT), wird es zweimal N-methyliert, entsteht N,N-Dimethyltryptamin (DMT) usw.
Bei dem für die körpereigene DMT-Synthese notwendigen Transmethylierungsenzym handelt es sich um Indolethylamin-N-Methyltransferase (INMT).44 INMT wird wiederum vereinfacht gesagt von der sogenannten Boten-RNA45 (englisch: mRNA = messenger RNA) gebildet. Boten-RNA besteht aus Ribonucleinsäure-Molekülen, die an Prozessen innerhalb der DNA beteiligt sind.
Nachdem Axelrod über seine Entdeckung des Enzyms beim Kaninchen berichtet hatte, wurden weitere Artikel veröffentlicht, in denen der Nachweis des gleichen Proteins im Zentralen Nervensystem (ZNS) beim Menschen, bei Schafen und bei Ratten dokumentiert wurde, beim Hühnerküken konnte das Enzym schon früher im Gehirn nachgewiesen werden (Morgan und Mandell 1969; Mandell und Morgan 1971; Rosengarten und Friedhoff 1976). Die höchsten Konzentrationen fanden die Forscher dabei im Hirnstamm, die geringsten im Bereich der Großhirnrinde: »Wir haben die Anwesenheit dieses Enzyms im Rattengehirn nachgewiesen, wobei dessen spezifische Aktivität im Hirnstamm am stärksten und im Bereich der Hirnrinde am schwächsten ist. Außerdem haben wir Hinweise auf eine Anwesenheit des Enzyms im parietalen Cortex bei Kindern und im Gewebe des Frontalcortex bei Erwachsenen, das während eines neurochirurgischen Eingriffs entnommen wurde.« (Morgan und Mandell 1969)
Saavedra und Axelrod wiesen das Enzym dann auch in anderen Säugetiergeweben nach. (Saavedra und Axelrod 1972) Im Lauf der nächsten Jahre erschienen 13 wissenschaftliche Arbeiten, die Nachweise über entsprechende Enzymvorkommen in Gehirn, Liquor, Blutzellen und -plasma, Lunge und Leber erbrachten (eine Zusammenfassung und Übersicht findet sich bei Rosengarten und Friedhoff 1976), wobei sich die Aktivität des INMT-Proteins im Blut als sehr gering erwies. (Ebd.)
Mehrere INMT-Formen?
1979 wurden interessanterweise zwei Formen von Indolethylamin-N-Methyltransferase auch in der DMT-haltigen Grasart Phalaris aquatica (Syn. Phalaris tuberosa) nachgewiesen. (Mack und Slaytor 1979) »Die beiden INMTs haben deutlich verschiedene Affinitäten sowohl zu den primären Indolamin-Substraten wie Tryptamin als auch zu den sekundären Amin-Substraten wie NMT. Das könnte darauf hinweisen, dass die beiden Enzyme an der Produktion des tertiären Amins beteiligt sind. Während die Anwesenheit zweier verschiedener INMTs beim Säugetier noch nachgewiesen werden muss, würde dies doch eine gute Erklärung für die unterschiedlichen Substrataktivitäten bei verschiedenen Geweben einer Spezies sein.« (Barker et al. 1981a) Steven Barker und Kollegen folgern, dass zwei Enzyme im Menschen auch maßgeblich die DMT-Synthese regulieren könnten: das eine N-methylierte Tryptamin zu NMT, das andere NMT zu DMT. (Ebd.)
Der US-amerikanische Wissenschaftler Michael A. Thompson hatte mit seiner Forschungsgruppe die Anwesenheit von INMT und Boten-RNA im ZNS untersucht, die Veröffentlichung erschien 1999. Das Ergebnis: Thompson und seine Kollegen fanden das Enzym und Boten-RNA in Schilddrüse, Nebenniere, Lunge und Rückenmark, nicht aber im Gehirn an sich und auch nicht in sieben speziellen Hirnregionen (Thompson et al. 1999), sodass die Forscher davon ausgehen, dass diese Komponente nicht an einer eventuellen Biosynthese von DMT im Gehirn beteiligt ist. (Cozzi et al. 2011; Thompson et al. 1999)46 Der US-amerikanische Neuropharmakologe Nicholas V. Cozzi von der University of Wisconsin School of Medicine and Public Health wies zwei Jahre später mit Kollegen das INMT-Protein in zentralnervösem Gewebe von Rhesusaffen (Macaca mulatta) nach, u. a. ebenfalls im Rückenmark und zusätzlich aber auch in der Zirbeldrüse (Cozzi et al. 2011). In der Zirbeldrüse wurde übrigens schon weit früher ein anderes Methyltransferase-Enzym nachgewiesen, nämlich 5-Hydroxyindol-O-Methyltransferase (HIOMT), das zusammen mit einem weiteren Enzym, der N-Acetylase, für die Melatoninproduktion aus Serotonin verantwortlich ist. (Weissbach et al. 1960)
Versuche mit Enzymen
Giorgio Stramentinoli und Ross J. Baldessarini veröffentlichten Ende der Siebzigerjahre ihre Erkenntnisse über In-vivo-DMT-Produktion aus verabreichtem Tryptamin in der Kaninchenlunge. (Stramentinoli und Baldessarini 1978) »Die Forscher untersuchten außerdem die Effekte von natürlichen Vorstufen innerhalb der Biosynthese von DMT, indem sie wiederholt hohe Dosierungen Methionin47 und S-Adenosylmethionin injizierten. Solche Experimente haben Relevanz für die Transmethylierungshypothese der Schizophrenie; mehrere Studien hatten gezeigt, dass die Verabreichung hoher Dosierungen Methionin die Symptomatik von Schizophrenen verschlimmerte.« (Barker et al. 1981) Saavedra und Axelrod publizierten erst 2014 wieder, dass sich bei schizophrenen Patienten die Symptomatik verschlechterte, nachdem sie L-Tryptophan und L-Methionin verabreicht bekommen hatten. (Saavedra und Axelrod 2014)
Wie kommt die körpereigene Produktion von DMT und Verwandten zustande? – Wo kommen die Substanzen eigentlich her?
Der menschliche Körper nimmt die essenzielle Aminosäure L-Tryptophan über die Nahrung auf. Die Biosynthese des DMT beginnt mit der Decarboxylierung des Tryptophan zu Tryptamin. Diese Decarboxylierung (Entfernung von zwei Carboxygruppen) geschieht durch ein Enzym, das Aromatische-L-Aminosäure-Decarboxylase (AADC) oder auch DOPA-Decarboxylase (DDC) genannt wird. Anschließend wird Tryptamin durch INMT und den Methylspender S-Adenosylmethionin (SAM) transmethyliert, woraus schließlich NMT, DMT usw. entstehen. (Barker et al. 1981; Frecska et al. 2013; Mishor et al. 2011)
Das Gleiche geschieht bei körpereigenem 5-MeO-DMT: Mit Hilfe des Methylspenders SAM wird die N-Methylierung von 5-MeO-Tryptamin (Mexamin) zu 5-MeO-N-Methyltryptamin aktiviert, das wiederum zu 5-MeO-DMT umgebaut wird (Lin et al. 1974; Mandel und Walker 1971). Juan M. Saavedra und Julius Axelrod haben 1972 einen Artikel publiziert, der erläutert, dass Tryptamin eine natürliche Substanz im Rattengehirn ist (20 Nanogramm pro Gramm Gewebe) und dass im Gehirn der Ratte und auch des Menschen ein Enzym gebildet wird, das Tryptamin und N-Methyltryptamin in N-Methyl- und Dimethyltryptamin umbaut (Saavedra und Axelrod 1972). Shailesh P. Banerjee und Solomon H. Snyder vom Department of Pharmacology der Johns Hopkins University School of Medicine, Baltimore, bestätigen diese Erkenntnis und ergänzen, dass auch eine O-Methylierung von Bufotenin nach 5-MeO-DMT gegeben sei. (Banerjee und Snyder 1973)
Ein alternativer Methylspender
SAM ist nicht alleinig als Methylspender geeignet. 1973, 1974 und 1975 wurde vermehrt über die Möglichkeit einer N-Methylierung von Indolethylaminen mittels 5-Methyltetrahydrofolat (5-MTHF, Transport- und Speicherform der Folsäure, »Metafolin«) berichtet. (Banerjee und Snyder 1973; Hsu und Mandell 1973; Laduron et al. 1974; Guchhait 1975) 5-MTHF ist das aktive Stoffwechselprodukt der Folsäure und damit auch eine endogene Substanz im Menschen. 5-MTHF kann in Verbindung mit Transmethylierungsenzymen in Blutplättchen aus Tryptamin Harmane (Beta-Carboline) bilden. (Barchas et al. 1974) Im Laborversuch und bei enzymatischer Vorbehandlung baute 5-MHTF aus Tryptamin auch Tryptolin, also Tetrahydronorharman oder Tetrahydro-β-Carbolin. (Wyatt et al. 1975) 5-MTHF ist außerdem an der Bildung der Aminosäure Methionin beteiligt, die wiederum SAM als Metaboliten hervorbringt. (Miller 2008) Eine ausführliche Übersicht über 5-MTHF findet sich in Barker et al. 1981.
Und die Forscher entdeckten noch einen weiteren Faktor, der an der körpereigenen Produktion bzw. Regulation von DMT und Verwandten Anteil hat: Es gibt nämlich in Mensch und Tier auch Substanzen, die INMT hemmen und deshalb INMT-Inhibitoren48 genannt werden. (Lin et al. 1974; Wyatt et al. 1973) Der US-amerikanische Wissenschaftler Richard Jed Wyatt hatte mit seiner Forschungsgruppe die INMT-Aktivität in menschlichem Blut untersucht und dabei festgestellt, dass es einen Hemmer dieser Methyltransferase in der Körperflüssigkeit gibt. Die Forscher verglichen die INMT-Aktivität im Blut von normalen gesunden Menschen mit den Werten von psychotisch Erkrankten. Sie konnten in den roten Blutkörperchen (Erythrozyten) und im Plasma keine Unterschiede feststellen, wohl aber ließ sich bei den Schizophrenen ein erhöhter Level aktiver Methyltransferase in den Blutplättchen messen. (Wyatt et al. 1973) »Der Unterschied in der Aktivität ging jedoch gegen Null, wenn die Blutplättchen der gesunden Probanden vorher dialysiert wurden.« (Barker et al. 1981) Wyatt und Kollegen gingen davon aus, dass der festgestellte Unterschied zwischen gesunden und erkrankten Menschen nichts mit einer quantitativen Differenz der Methyltransferase zu tun habe, sondern eher mit einem unterschiedlichen Level von INMT-Inhibitoren – oder mit einer anderen Substanz, die im normalen Menschen mit für die DMT-Biosynthese verantwortlich sein könnte und dem psychotischen Patienten fehlt. (Wyatt et al. 1973)
In einer folgenden Studie untersuchten Wyatt und seine Gruppe die INMT-Aktivität von eineiigen Zwillingen mit und ohne Schizophrenie. Das Ergebnis: Die schizophrenen Probanden wiesen einen erhöhten, die gesunden Zwillingsgeschwister einen normalen Level an INMT-Aktivität auf.49 Wyatt und seine Kollegen folgerten aber, dass diese Erhöhung nicht auf genetische Abnormalitäten, sondern auf äußere Einflüsse wie emotionalen Stress und Umweltbelastungen zurückzuführen ist. (Wyatt et al. 1973b) Das scheint auch gar nicht so weit hergeholt, immerhin belegten drei Studien von 1977 bis 1979, dass der Level an endogenem DMT in Gehirn und Nebenniere bei Ratten ansteigt, wenn sie unter Stress gesetzt werden. (Barker et al. 1981) Das weist darauf hin, dass es einen Mechanismus geben könnte, der bei Stress den Level an INMT-Aktivität anhebt. (Christian et al. 1977; Beaton und Christian 1978; Harrison und Christian 1979)
Die Transmethylierungshypothese
Die »Transmethylierungshypothese bei Schizophrenie« wurde von Abram Hoffer und Humphry Osmond aufgestellt und besagt, dass die Enzyme, die im Körper für den Umbau endogener Indolethylamine in psychedelische Moleküle verantwortlich sind, auch die Ursache für psychotische Symptome sein könnten. (Hoffer und Osmond 1968) »Diese Transmethylierungshypothese wurde in die Diskussion gebracht, nachdem bekannt geworden war, dass die Übertragung einer Methylgruppe auf jede der Hydroxylgruppen des Noradrenalins eine Meskalin-ähnliche Substanz zum Resultat hat.« (Rosengarten und Friedhoff 1976)
Einen Überblick über Studien zur Transmethylierungshypothese bieten Ross J. Baldessarini, Giorgio Stramentinoli und Joseph F. Lipinski mit ihrem Artikel »Methylation Hypothesis« Ende der Siebzigerjahre. (Baldessarini et al. 1979)
Der Kollege Reng-Lang Lin und seine Forschungsgruppe hatten herausgefunden, dass die Aktivität der INMT sich bei neugeborenen Kaninchen zwischen dem 15. und 19. Tag maximal erhöht. Mit zunehmender Reife sinkt diese Aktivität dann wieder ab, um im Erwachsenenalter auf einem konstanten Level zu verbleiben. Der Rückgang der INMT-Aktivität wurde von den Forschern auf den entsprechenden körpereigenen Hemmer zurückgeführt. (Lin et al. 1974) Dies wurde drei Jahre später bestätigt. (Marzullo et al. 1977) Damit im Zusammenhang hatte eine andere Studie aus den Achtzigern mit neugeborenen Ratten außerdem gezeigt, dass DMT direkt nach der Geburt in geringer Menge im Organismus der Tiere vorhanden ist, am zwölften Tag jedoch deutlich ansteigt, bis Tag 31 auf diesem Level verbleibt und danach für den Rest des Lebens wieder absinkt. (Beaton und Morris 1984)
Eine Forschungsgruppe um den US-amerikanischen Pharmakologen Nedathur Narasimhachari beschrieb 1974 einen identifizierten INMT-Hemmer im Zirbeldrüsengewebe beim Rind (Narasimhachari et al. 1974), nachdem bekannt geworden war, dass Schizophrene mit einem Extrakt der Rinderzirbeldrüse erfolgreich behandelt werden können (Barker et al. 1981). Durch weitere Analysen kam man auf die Idee, dass die INMT-Aktivität von körpereigenen Peptiden reguliert werden könnte, deren Produktion bzw. Ausschüttung bei Schizophrenen beispielsweise bei Stress verringert sei (Wyatt et al. 1973c). Eine andere Studie kam zu dem Ergebnis, dass die INMT-Aktivität in menschlichem Blutplasma während der Tiefschlafphase (Non-REM-Schlaf) und während der Aufwachphase erhöht sein kann, was auf einen variablen Regulationsmechanismus hindeutet. (Strahilevitz et al. 1977)
Es gibt einen Regulationsmechanismus, der von den Substraten ausgeht, die für eine Transmethylierung erforderlich sind. So entsteht aus dem Methylspender S-Adenosylmethionin (SAM) nach dem Transfer von dessen Methylgruppe eine Substanz namens S-Adenosylhomocystein (SAH), die ein potenter Hemmer der INMT und anderer Methyltransferasen ist. (Barker et al. 1981; Borchardt 1975; Lin et al. 1973; Lin et al. 1974; Lin and Narasimhachari 1975) Auch über die INMT-Hemmung durch DMT und andere N,N-dimethylierte Indolalkaloide (Lin et al. 1974; Lin und Narasimhachari 1975) sowie durch N-Methyltryptamin (NMT) und Tryptamin wurde berichtet (Mandel et al. 1973; Wyatt et al. 1973). Weitere INMT-Inhibitoren finden sich unter den synthetischen Verbindungen und klinischen Pharmaka, z. B. Chlorpromazin und einige von dessen Stoffwechselprodukten. (Axelrod 1962; Wyatt et al. 1973; Narasimhachari und Lin 1974; Lin et al. 1974; Sangiah und Domino 1977) Als drei der wichtigsten und therapeutisch wertvollsten pharmazeutischen INMT-Hemmer stellten sich die Substanzen Diazobicyclononen (DBN), N,N‘-bis-(3-methyl-2-thiazolidinyliden)succinimid und 2-Imino-3-Methylthiazolidin heraus. (Mandel 1976; Mandel et al. 1978)
Michael S. Jacob und David E. Presti hatten 2005 das für die Decarboxylierung des Tryptophan in Tryptamin verantwortliche Enzym AADC nochmals unter die Lupe genommen: »Wir haben die Erforschung der Aktivität von INMT und AADC überprüft und verdeutlicht, dass deren Anteil an der DMT-Biosynthese biochemisch sehr einleuchtend ist. Wir können uns zudem vorstellen, dass DMT eine große Rolle im Spurenamin-System spielt. Eine unserer Hypothesen ist, dass ein erhöhter DMT- oder Tryptamin-Level im Körper die Ausprägung von Psychosen eher hemmt als verstärkt.« (Jacob und Presti 2005) Auf die Rolle der Spurenaminrezeptoren (und anderer Rezeptoren) und deren Assoziation mit den endogenen Psychedelika kommen wir im Kapitel »Pharmakologie: Was macht DMT im Körper?« zu sprechen.
Studien zusammengefasst
Eine Übersicht über die Studien, die sich mit der Biosynthese von endogenen psychedelischen Tryptaminen per Methylierung befasst haben, liefern Helen Rosengarten und Arnold J. Friedhoff in »A Review of Recent Studies of the Biosynthesis and Excretion of Hallucinogens formed by Methylation of Neurotransmitters and related Substances« (Rosengarten und Friedhoff 1976).
Eine Zusammenfassung der Untersuchungen zu einer erhöhten Aktivität der INMT bei Schizophrenen gaben J. Christian Gillin vom US-amerikanischen NIMH und Kollegen. (Gillin et al. 1978)
Die Laborsynthese
Die Laborsynthese von DMT, 5-MeO-DMT, Bufotenin, DET, DPT usw. ist nur mit entsprechender Genehmigung legal und dem Chemiker vorbehalten. »In einem Labor DMT herzustellen, ist nicht weiter kompliziert. Ein halbwegs geschickter Chemiker mit etwas Erfahrung kann die Substanz ohne großen Aufwand innerhalb von einigen Tagen produzieren. Nicht die Abläufe dieses Herstellungsprozesses sind es, die Schwierigkeiten bereiten, sondern der Bezug der notwendigen Grundbestandteile oder Ausgangssubstanzen. Die Rauschgiftbehörden überwachen jede Beschaffung und alle Lieferungen dieser Ausgangsstoffe sehr genau, und für den Erwerb irgendwelcher Substanzen, die sich in eine bekannte psychedelische Droge umwandeln lassen, ist eine spezielle Genehmigung erforderlich.« (Strassman 2004: 82)
Peter Stafford beschreibt den groben Vorgang: »Oft beginnt man bei der Produktion von DMT mit Klarflüssigkeiten – Oxalylchlorid und Äthyläther und einem Indol. Ersteres ist eine instabile Substanz, die angemessenerweise in einen daraufhin versiegelten Glasbehälter kommt. Dieser wird dann in bestimmten Intervallen geschüttelt. Anschließend wird dem Inhalt eine Mixtur aus Äther und dem Indol beigemischt und schon ist der Raum (…) mit rötlichgoldenen Rauchschwaden erfüllt. Der Rauch ist beißend und möglicherweise giftig.
Haben sich die Wolken verzogen und ist die Flüssigkeit regelrecht verdunstet, hat man dann die schönen goldenen Kristalle vor Augen. Werden nun weitere Agentien hinzugefügt, sodass sich eine milchige Flüssigkeit bildet, stehen wir kurz vor einer weiteren Kristallisierung. Die gewonnenen Kristalle werden in der Folge durch Erhitzen und weitere Manipulationen wieder in einen Brei verwandelt, der nach zusätzlichen Reaktionen im Erlmeyerkolben bei transmittierendem Licht in orangefarbenes, bei Reflektorenlicht in blau fluoreszierendes Öl umschlägt.« (Stafford 1980: 310f.) Die detaillierten Synthesewege sind in der Fachliteratur verfügbar, z. B. auf Englisch in Alexander und Ann Shulgins »TiHKAL« (1997) und auf Deutsch in Daniel Trachsels »Psychedelische Chemie« (2011).
Die DMT-Synthese nach dem Witten-Imhausen-Verfahren.
38 Ein für die DMT-Biosynthese wichtiges Enzym, das später noch ausführlich besprochen wird.
39 Persönliche Mitteilung 17.10.2016
40 Steven Barker im Film »DMT – The Spirit Molecule« von Mitch Schultz, siehe Seite 367.
41 Eine Methylgruppe besteht aus einem Kohlenstoff- und drei Wasserstoffatomen.
42 Interessanterweise ist dieses Enzym auch in der Lage, Phenethylamine wie Meskalin, Dopamin usw. zu methylieren. (Axelrod 1961)
43 S-Adenosyl-L-methionin; S-(5’-Desoxyadenosin-5’)-methionin
44 Es gibt viele weitere Methyltransferasen, die auch in Mensch und Tier vorkommen, z. B. die 1964 von Wurtman et al. in der Zirbeldrüse von Ratten entdeckte Histamin-N-methyltransferase (HNMT), die Nikotinamid-N-Methyltransferase (NNMT) und die Phenylethanolamin-N-methyltransferase (PNMT). Die Hydroxyindol-O-Methyltransferase (HIOMT), die an der Biosynthese von Melatonin beteiligt ist, wurde von Axelrod und Weissbach 1961 auch in der Zirbeldrüse von Ratten nachgewiesen.
45 RNA = engl. ribonucleic acid, dt. Ribonukleinsäure (RNS); wissenschaftlich wird oft der englische Begriff verwendet, analog zu DNA/DNS (Desoxyribonukleinsäure).
46 J. Axelrod: Science 134, 343 (1961); J. Pharmacol. Exp. Ther. 138, 28 (1962).
47 Methionin ist eine Aminosäure, die am DMT-Stoffwechsel beteiligt ist; siehe weiter unten.
48 Inhibitor = Hemmer; lat. inhibeo = zurückhalten, anhalten
49 Bei Schizophrenen ist übrigens auch die Aktivität des Enzyms AADC erhöht, wohingegen die Aktivität des Monoaminooxidase-Enzymsystems (MAO) verringert ist. (Reith et al. 1994; Davis et al. 1982)