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Definition

Eine passende Definition für meine Generation aufzustellen, klingt zunächst einmal deutlich einfacher, als es im Endeffekt ist. Schon bei der Bezeichnung gibt es verschiedene Ansätze. Neben der Benennung als Millennials hat sich auch der Begriff der Generation Y etabliert. Die Definition meiner Generation als Millennials stellt dabei einen Bezug zur Geburt kurz vor der Jahrtausendwende her, während sich die Generation Y alphabetisch in die vorherige Generation X und die nachfolgende Generation Z einreiht. In der zweiten Definition steckt zudem bereits das erste Merkmal der Generation, da der Buchstabe Y in englischer Aussprache genauso klingt wie das Fragepronomen why und sich damit auf kritisches Hinterfragen bezieht. Inhaltlich beschreiben beide Begriffe ein und dieselbe Generation. Für dieses Buch habe ich mich für die Beschreibung als Millennials entschieden.

In der Sozialwissenschaft gibt es keine einheitlich festgelegten Jahreszahlen, die den Bereich der Millennials abgrenzen. Generationen verändern sich in einem fließenden Übergang, sodass eine einfache Abgrenzung nicht immer leicht ist. Mehrere Marktforschungsinstitute befassen sich seit längerer Zeit mit Verhaltensmustern von Millennials und versuchen, einen klar definierten Altersrahmen abzustecken. Das amerikanische Pew Research Center kam 2018 zu dem Schluss, dass Millennials zwischen 1981 und 1996 geboren wurden, und an dieser Vorgabe möchte ich mich gerne orientieren.


Als 2007 das erste iPhone auf den Markt kam und damit der Digitalisierung einen enormen Schub gab, waren Millennials zwischen 11 und 26 Jahren alt. Wir gelten daher als erste Generation, die bereits in jungen Jahren einem ausgeprägten digitalen Einfluss ausgesetzt war. In unserer Jugendzeit überschlugen sich teilweise die Neuheiten im Bereich der Technik und es kamen in kurzen Abständen neue Handymodelle, neue Fernseher oder Computer auf den Markt. Auch wurde unser Alltag zunehmend durch digitale Unterstützung erleichtert. Gleichzeitig haben wir aber auch im Vergleich zu anderen Generationen einen ausbalancierteren Zugang zur Technik. Während die Generation X erst im Alter zwischen 30 und 40 Jahren von der Digitalisierung beeinflusst wurde, wächst die Generation Z bereits in einer vollständig digitalisierten Welt auf. Millennials kennen zumeist beide Seiten, sodass sie sich noch an eine analoge Zeit in ihrer Kindheit erinnern können.


Neben dem Drang, alles hinterfragen zu müssen, wird uns gerne mal eine gewisse Plan- und Ziellosigkeit vorgeworfen. Auch die Behauptung, ausschließlich vom Wohlstand der Eltern zu profitieren und keine eigenen Erfolge zu verzeichnen, hält sich hartnäckig. Verstärkt wird die kritische Bewertung dadurch, dass die nachfolgende Generation Z bereits in jungen Jahren positiv auf sich aufmerksam macht. Mit Fridays for Future steht sie für großes gesellschaftliches Engagement, während die Millennials vergleichsweise schlecht wegkommen. Ich kann die Gründe für die Kritik in Teilen nachvollziehen, finde es allerdings vermessen, eine ganze Generation einfach so als nutzlos abzustempeln. Auch wir Millennials haben mittlerweile ein größeres gesellschaftliches, politisches und soziales Interesse entwickelt und versuchen entsprechend, einen Beitrag zu leisten.


Es folgt eine kleine Übersicht über charakteristische Merkmale der Millennials:


MILLENNIALS SIND…


…technikaffin

 verstehen technische Prozesse und Anwendungen

 digitalisieren viele Prozesse in ihrem Alltag


…mit Social Media vertraut

 vernetzen sich beruflich und privat über Social Media

 sprechen dem »digitalen Ich« große Bedeutung zu


…gebildet

 weisen innerhalb der Generationen die höchste Quote an akademischen Abschlüssen auf


…die Generation Why

 hinterfragen alles vom Job über die Beziehung bis zum eigenen Leben


…an einer Work-Life-Balance/Integration interessiert

 entwickeln Bewusstsein für ein erfülltes Leben

 wollen nicht mehr um jeden Preis Karriere machen


…aufgeklärt

 besitzen ein hohes Bewusstsein für Klimawandel, gesunde Ernährung und Achtsamkeit


…neigen zur Planlosigkeit

 haben Probleme bei der Suche nach Zielen und Aufgaben


Die Privilegien

Mit dem Titel des Buches wollte ich von Anfang an auf den Konflikt zwischen Wohlstand und innerer Unzufriedenheit hindeuten. Das Wort Privileg ist meiner Meinung nach nie ganz frei von einer kritischen Betrachtung. Privilegierte Menschen werden nicht nur als wohlhabend wahrgenommen, sondern auch schnell mal mit verwöhnten Menschen gleichgesetzt. Das möchte ich meiner eigenen Generation ungerne vorwerfen. Die hervorragenden Rahmenbedingungen sind allerdings nicht zu übersehen.


Wir Millennials sind in einer Zeit aufgewachsen, in der die Sicherheit im eigenen Land mehr oder weniger durchgehend gewährleistet war. Während die Generation X durch ihre Eltern noch eine gewisse Nähe zu den grausamen Ereignissen des zweiten Weltkrieges und der damit verbundenen unsicheren Lage in Deutschland hatte, haben Millennials hierzu eine größere Distanz. Nur wenige von uns mussten erfahren, was es heißt, Existenzängste zu haben, Hunger zu leiden oder in Armut aufzuwachsen. Und es lässt sich natürlich auch nicht abstreiten, dass wir dabei in gewisser Weise von dem Wohlstand profitieren können, den sich unsere Eltern in den letzten Jahrzehnten aufgebaut haben.

Millennials gelten als die Generation mit den meisten Hochschulabschlüssen. Das liegt vor allem daran, dass Deutschland über ein ausgebautes Bildungssystem verfügt, das es ermöglicht, in nahezu jedes Themengebiet eintauchen zu können. Es ist nicht zu übersehen, dass das deutsche Bildungssystem ein weitreichendes Update vertragen könnte. Jedoch stehen uns so viele Möglichkeiten offen wie in wenigen anderen Ländern. Gleiches gilt auf dem Arbeitsmarkt. Die Arbeitslosenquote von etwa 5,0 Prozent (Stand März 2020, vor Corona) bietet Millennials gute Chancen, um mit dem entsprechenden Studiengang oder einer Ausbildung geeignete Arbeit zu finden. Wie sich die Situation durch Corona mittel- bis langfristig ändern wird, bleibt zunächst einmal abzuwarten und soll in diesem Buch auch nicht weiter behandelt werden. Das gilt ebenso für die Reisefreiheit durch den deutschen Pass und die zahlreichen kulturellen, gesellschaftlichen und sportlichen Angebote, die wir normalerweise wahrnehmen können.


Unbegrenzte Möglichkeiten

Obwohl es sich bei all diesen Möglichkeiten um große Privilegien handelt, wird die Auswahl zunehmend zu einer Belastung. Es entwickelt sich ein überwältigendes Überangebot, aus dem die Optionen gewählt werden sollen, die das eigene Leben bestmöglich gestalten. Nicht nur die Entscheidungsfindung wird dadurch schwieriger, auch das Vertrauen in die eigene Auswahl lässt nach, wenn überall das Gefühl lauert, eine bessere Option zu verpassen. Hätte ich nicht doch BWL studieren sollen? Wäre eine Ausbildung nicht vielleicht besser gewesen? Ist Köln der richtige Wohn-ort? War das andere Date nicht vielleicht passender? All das sind Fragen, mit denen sich Millennials tagtäglich auseinandersetzen.


Selbstverständlich besteht dieses Dilemma nicht nur bei der Wahl des Studiengangs, des Wohnortes oder des Jobs, sondern vor allem auch bei der Partnerwahl. Nicht ohne Grund wird uns Millennials nachgesagt, wir seien nicht beziehungsfähig. Diese Ansicht teile ich zwar nicht, doch glaube ich, dass sich Millennials durchaus schwerer tun als andere Generationen.

Das liegt unter anderem an zahlreichen Dating-Apps, die die Tür zu einer nicht enden wollenden Auswahl an potenziellen Personen weit aufmachen. Noch nie war der Weg zu so vielen Dates so kurz. Da es im Zweifel jederzeit genügend Alternativen gibt, steigen die Erwartungen und gleichzeitig fällt es schwerer, sich final für eine Person zu entscheiden. Einige Millennials fliehen deshalb auch gerne mal in eine alternative Beziehungsform, um den Druck einer »offiziellen« Beziehung zu umgehen. Freundschaft Plus, Mingles oder auch die Friendzone sind alles Begriffe, die speziell von Millennials geprägt werden. Sie zeigen die gestiegene Unsicherheit, sich fest auf eine Person einzulassen.


Die Selbstoptimierung

Getrieben von der schier unendlichen Auswahl an Möglichkeiten beginnen immer mehr Millennials damit, das eigene Handeln zu hinterfragen und sich mit der Selbstverwirklichung bzw. Selbstoptimierung auseinanderzusetzen. Durch das intensive Hinterfragen verdichten sich erste Existenzgedanken. Während in der Generation unserer Eltern im Sinne von Maslows Bedürfnispyramide größtenteils das Sicherheitsbedürfnis an erster Stelle stand, befinden sich Millennials in diesem Schaubild deutlich weiter oben. Grund-, Sicherheits- und Sozialbedürfnisse sind für uns in Deutschland gegeben, sodass wir uns mit Mitte 20 zu großen Teilen bereits in der Stufe der Anerkennung & Wertschätzung oder sogar der Selbstverwirklichung befinden. Wir suchen nach unserer Rolle auf dieser Welt und möchten persönliche Erfüllung erlangen. Die Frage ist nur, wo genau wir eigentlich danach suchen müssen. Wo wartet diese Zufriedenheit auf uns? In einem bestimmten Job? In der Selbstständigkeit? In der eigenen Familie mit Kindern oder im eigenen Freundeskreis? Auf dem Bankkonto oder vielleicht wo ganz anders? Genau das gilt es herauszufinden.

Es lässt sich bereits erkennen, dass beruflicher Aufstieg verglichen mit der Generation X nicht mehr so oft die zentrale Maxime ist. Vielmehr steht eine gesunde Work-Life-Balance im Mittelpunkt und die Möglichkeit, ausreichend Zeit für andere Dinge zu haben. Das Gap Year lässt grüßen. Darüber hinaus wird aber auch der Ansatz der Work-Life-Integration immer populärer, um die beiden Bereiche nicht getrennt voneinander, sondern als integrative Verbindung zu sehen.

Der Job rückt dabei in einer neuen Betrachtung in den Fokus und ist mehr mit der Fragestellung verbunden, wie er die eigene Selbstverwirklichung vorantreiben kann und gleichzeitig finanzielle Absicherung schafft. Aus diesem Grund sind auch die Anforderungen an Arbeitgeber deutlich gestiegen. Flexible Arbeitszeiten, Homeoffice, Benefits und gemeinsame Events werden vorausgesetzt, damit der Job eine vielversprechende und gesunde Work-Life-Balance bzw. -Integration ermöglicht. Unternehmen, die diese Erwartungen nicht bedienen, werden zunehmend Probleme mit qualifiziertem Nachwuchs bekommen.


Um die Selbstverwirklichung auch außerhalb der Arbeit erlangen zu können, nehmen sich immer mehr Millennials eine bewusste Auszeit. Freunde von mir sind beispielsweise allein nach Norwegen gereist, den Jakobsweg gegangen oder haben anderweitig eine Möglichkeit der Selbstfindung gesucht. Auch das Interesse an einem Sabbatical ist innerhalb der Millennials so hoch wie in keiner anderen Generation. Besonders interessant ist dabei, dass dies nicht erst nach 25 Jahren Berufsleben in Angriff genommen wird, sondern bereits in den Zwanzigern. Es wird sich auch hier zeigen, wie sich dieser Trend durch die Pandemie entwickelt und ob ein solches Angebot vielleicht noch häufiger gesucht wird.


Die Zwanziger

Um zu verstehen, warum die Sinnkrise oftmals in den Zwanzigern ausbricht, lohnt sich ein Blick auf diesen Lebensabschnitt, in dem sich Millennials in einem wichtigen Wandel befinden.

Nach einer meist sorglosen und behüteten Kindheit und dem Abschluss der Schule treffen wir nun zum ersten Mal auf die reale Welt, in der wir die volle Verantwortung für unser Leben tragen. Zwar kann ein Großteil weiterhin auf die Unterstützung der Eltern bauen, doch müssen Ziele von nun an von uns selbst realisiert werden. Es tauchen Fragen auf, die wir ganz allein beantworten müssen. Sind ein paar Jahre durch ein Studium oder eine Ausbildung grob vorgeplant, folgen direkt neue Fragen, auf die es neue Antworten zu finden gilt. Wie soll es denn danach weitergehen? Wo will ich mal hin? Damit verbunden entwickelt sich ein Bewusstsein dafür, dass die Entscheidungen mit Mitte 20 unter Umständen das komplette Berufsleben beeinflussen werden. Es entsteht großer Druck, in dieser Zeit keine falschen Entscheidungen treffen zu wollen. Wir erkennen auf einmal die Tragweite unseres Handelns und die Vielzahl an Möglichkeiten lässt uns zweifeln, ob wir wirklich die richtige Wahl treffen.


Hinzu kommt, dass in wahrscheinlich keiner anderen Lebensphase die Diskrepanz zwischen den unterschiedlichen Entwicklungen so groß ist wie mit Mitte 20. Lagen die einzigen Unterschiede bis dahin größtenteils im Studienfach oder der Art des Ausbildungsberufs, beginnen die Entwicklungen nun deutlich weiter auseinanderzudriften.

Während ein Teil in einer kleinen WG in der Stadt wohnt und jedes Wochenende unterwegs ist, haben andere bereits geheiratet, ein Haus gekauft und sprechen über Familienplanung. Wieder andere haben diverse Stufen auf der Karriereleiter erklommen, verdienen viel Geld oder haben sogar ihr eigenes Unternehmen gegründet. Ich habe teilweise den Eindruck, dass viele Millennials mit dieser Phase überfordert sind und dadurch ein wenig den Bezug zu sich selbst verlieren. Viel zu groß ist der Aufwand, sich täglich neu in der Gesellschaft oder bei Instagram entsprechend einzuordnen und zu beweisen. Als Mittzwanziger herrschen somit gute Bedingungen, um sich in eine Sinnkrise zu stürzen.


Auslöser der Krise

Nun ist die Übernahme der Verantwortung für das eigene Leben mit Mitte 20 allerdings keine Herausforderung, die wir Millennials als erste Generation zu bewältigen haben. Auch alle vorherigen Generationen mussten sich aus der Komfortzone ihrer Eltern entfernen und waren dabei sogar meist noch jünger. Was hat sich also geändert, dass sich Millennials so schwer tun mit diesem Schritt?


Jeder Mensch bringt persönliche Erfahrungen und Gedanken mit in diese Thematik, die letztlich der Auslöser für eine Krise sein können. Doch allgemein lässt es sich auf zwei externe Faktoren herunterbrechen: Der durch die Vielzahl an Möglichkeiten gestiegene Druck und die ständigen Vergleiche mit den Mitmenschen.

Je mehr Möglichkeiten offenstehen, umso größer sind die Erwartungen, diese entsprechend auszuschöpfen. Schließlich sollte man mit dem Masterabschluss ja auch einen repräsentativen Job aufweisen können. Das klingt in der Theorie meist deutlich leichter, als es ist. Da Millennials einen hohen Anteil akademischer Abschlüsse aufweisen, ist man bei der Suche nach einem solchen Job daher nicht allein. Erhöht wird der Druck dadurch, dass Millennials bereits im Studium nahegelegt wird, mit den eigenen Qualifikationen schnell die Karriereleiter aufzusteigen und sich in vielversprechende Positionen zu bringen. Somit sehen sich Millennials direkt nach dem Abschluss in der Pflicht, diesen Ansprüchen gerecht zu werden.

Der Druck allein ist jedoch nicht der Hauptauslöser für eine Sinnkrise. Vor allem in Kombination mit Vergleichen zu anderen nährt er eigene Zweifel. Dabei sorgen Erfolge des Umfeldes für Unsicherheit, den Ansprüchen nicht gerecht zu werden. Vor 50 Jahren war das Leben der anderen deutlich weniger transparent, sodass man die Erfolge des Umfeldes gar nicht so sehr mitbekommen hat. Heute genügen uns zehn Minuten bei Instagram, um das Gefühl vermittelt zu bekommen, alle anderen haben ihr Leben besser im Griff oder sind weiter mit ihrer Karriere.


Verstärkt durch die ohnehin geschönte Welt in Social Media erfolgt der Blick auf das Umfeld mit einer selektiven Wahrnehmung, da ausschließlich Menschen als Referenz genommen werden, die etwas zu präsentieren haben. Der beste Freund ist jetzt nicht mehr Single, der Kommilitone fährt einen edlen Dienstwagen und die Schwester zieht in eine teure Wohnung. Sind wir mit den eigenen Lebensumständen nicht zufrieden, werden wir sofort wieder damit konfrontiert, dass wir es noch nicht dahin geschafft haben, und die eigenen Zweifel verstärken sich.


Nicht zu unterschätzen ist auch das fortschreitende Alter. All diese Erfolge des Umfeldes werden uns in einer Zeit präsentiert, in der die »magische 30« näher rückt. Der 30. Geburtstag kann gewaltigen Druck erzeugen, bis zu diesem Zeitpunkt bereits nennenswerte persönliche Erfolge erzielt zu haben. Je näher der Tag rückt und je weniger die Realität dem Ideal von Karriere, Hochzeit, Haus und Kind entspricht, umso größer wird die Panik. An sich kann ich diesem traditionellen Modell nicht mehr viel abgewinnen, weil es meiner Meinung nach nicht mehr zeitgemäß ist. Aber wer kann sich schon wirklich frei davon machen, wenn man von allen Seiten auf den bald anstehenden 30. Geburtstag angesprochen wird?


Externer Druck und Vergleiche führen schließlich dazu, dass wir hohe Erwartungen an uns entwickeln. Werden diese nicht erfüllt, blicken wir zunehmend verunsichert in die Zukunft. War das Leben mit Anfang 20 so schön vorgeplant, sieht die Realität fünf Jahre später oft ganz anders aus. Auf einmal haben wir noch immer nicht unsere große Liebe kennengelernt, finden trotz erfolgreich absolviertem Studium nicht den entsprechenden Job oder können uns all die Dinge nicht leisten, die wir so gerne hätten.


Die Sinnkrise

Dass die Sinnkrise von Millennials ein weit verbreitetes Phänomen ist, belegen mittlerweile diverse Studien. Einige von ihnen haben ihr sogar in Anlehnung an die bekannte Midlife-Crisis den Namen Quarterlife-Crisis verpasst. Ob die Sinnkrise in den Zwanzigern ähnlich einnehmend ist wie die Krise um den 50. Geburtstag, kann und möchte ich nicht beurteilen. Fest steht allerdings, dass sich viele von uns in einer Situation voller Zweifel wiederfinden.

Laut einer Umfrage vom Online-Netzwerk LinkedIn bedeutet das konkret, dass eine solche Krise bei bis zu 75 Prozent der Millennials auftreten kann. Dazu wurden 2017 ca. 6.000 Personen zwischen 25 und 33 Jahren befragt. Die Ergebnisse dieser Umfrage möchte ich an dieser Stelle gerne präsentieren:


 80% fühlten sich unter Druck gesetzt, bis zum 30. Lebensjahr Erfolg zu haben

 59% verspürten Unsicherheit über die nächsten Schritte (beruflich & privat)

 54% waren frustriert über die Karrieremöglichkeiten

 49% hatten das Gefühl, nicht genug zu verdienen

 48% waren verunsichert durch Vergleiche mit anderen

 44% fühlten sich in einer Sackgasse

 43% waren der Ansicht, bis jetzt zu wenig gereist zu sein

 35% verspürten Druck, zu heiraten und Kinder zu kriegen

 33% fühlten sich, als hätten sie persönliche Ziele nicht erreicht


Je nach Ausprägung kann sich aus diesen Gedanken ein stark verzerrter Blick auf die eigenen Lebensumstände entwickeln, der von fehlendem Selbstvertrauen und einer angespannten Grundstimmung begleitet wird. Wie lange diese Empfindungen anhalten, ist völlig individuell. Sie können nur für ein paar Tage oder für Wochen und Monate den Alltag bestimmen. Teilweise kann sich eine Sinnkrise auch mehrere Jahre hinziehen, in denen regelmäßig Phasen voller Unsicherheit und Zweifel auftreten.

Auch wenn in früheren Generationen die Aufmerksamkeit für ein solches Thema nicht so ausgeprägt war, ist die Sinnkrise in den Zwanzigern ein charakteristisches Merkmal der Millennials. Klassische Auswirkungen einer solchen Krise lassen sich dabei auch in der Social-Media-Welt recht gut beobachten.

In Instagram-Feeds von Millennials sind zahlreiche Beiträge zu finden, die auf ironische Art und Weise die Lebensumstände und das eigene Gefühlsleben illustrieren. Recht oft befassen sich diese mit dem eigenen Single-Leben, finanziellen Sorgen, der Ahnungslosigkeit in Bezug auf die eigene Karriere oder mit übermäßigem Alkoholkonsum, um all das kurzzeitig verdrängen zu können. Ich möchte diesem Internetphänomen nicht zu viel Aufmerksamkeit schenken, doch finde ich es interessant, dass dadurch scheinbar eine Möglichkeit gesucht wird, die eigenen Unsicherheiten mit anderen zu teilen und ihnen auf eine ironische Art zu begegnen, um sich weniger schlecht zu fühlen.

Durch die Corona-Krise ist es durchaus wahrscheinlich, dass sich die Quantität und auch die Intensität von persönlichen Sinnkrisen innerhalb der Millennials nochmals verstärken wird. Genau wie alle anderen Generationen müssen wir die neuen Herausforderungen meistern, vor die uns die Pandemie gestellt hat. Dabei sind wir aber gleichzeitig noch mit den bereits vorhandenen Problemen der Mittzwanziger konfrontiert, die dadurch noch mehr Bedeutung erlangen könnten. Die Suche nach einem Job ist noch einmal schwerer geworden. Gesellschaft und Urlaube, um aus dem Gedankenchaos zu entfliehen, sind nicht mehr so unbeschwert möglich wie noch im Sommer 2019.

Das Thema der Sinnkrise oder auch Quarterlife-Crisis wird somit aller Voraussicht nach in den nächsten Jahren noch deutlich präsenter, sodass immer mehr Millennials vor der Aufgabe stehen werden, sich mit einer solchen Phase auseinanderzusetzen.

Lost in Privilege

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