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Für die Zukunft Neues erschaffen

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Im Jahr 2010 gründeten wir den Thinktank Academia Superior – Gesellschaft für Zukunftsforschung, dessen wissenschaftlicher Leiter ich neben meiner universitären Hauptbeschäftigung seitdem bin. Dieser Think- und Dotank (www.academia-superior.at) wird von einem großen wissenschaftlichen Beirat unterstützt, in dem ein Nobelpreisträger für Medizin genauso vertreten ist wie zum Beispiel Historiker, Rechtswissenschaftler, Ökonomen, Mathematiker, Wirtschaftsjournalisten oder Physiker. Das Ziel von Academia Superior ist es letztendlich, klare Handlungsempfehlungen zu erarbeiten, die Chancen und Potenziale für die Gestaltung der Zukunft eröffnen sollen. Das zentrale Element dabei ist das seit zehn Jahren jährlich stattfindende Surprise-Factors-Symposium. Im Zuge dieser Symposien haben wir immer mit Gästen aus verschiedensten Disziplinen über die größten Entdeckungen, Entwicklungen und Überraschungen der letzten Jahre in ihren jeweiligen Fachbereichen diskutiert. Was war das Unvorhersehbare, das Unvorhersehbarste in der jeweiligen Disziplin? Wie geht man mit der unbekannten Zukunft um, und was lernt man daraus? Wie bereitet man sich auf die Zukunft vor? Neben vielen österreichischen Expertinnen und Experten haben wir diese Fragestellungen zum Beispiel mit dem US-amerikanischen Wirtschaftsjournalisten und ehemaligen Herausgeber des Harvard Business Review, Alan Webber, der US-amerikanischen Datenanalystin bei E-Bay, Gayatri Patel, dem US-amerikanischen Mathematiker John L. Casti, der dänischen Schriftstellerin Janne Teller, dem britischen Kybernetiker Kevin Warwick, dem deutschen Politiker Hans-Dietrich Genscher, der saudischen IT-Beraterin und Initiatorin von »Woman2Drive« Manal al-Sharif, dem polnischen Friedensnobelpreisträger Lech Wałȩsa, der britischen Sportadministratorin Susan Campbell, dem US-amerikanischen Gesundheitsexperten David Katz, der Schweizer Computergrafik-Wissenschaftlerin Nadia Magnenat Thalmann, dem Psychologen und Stanford-Professor Michal Kosinski oder der US-amerikanischen Kriegsfotografin Andrea Bruce (um nur einige zu nennen) diskutiert. Eine der wohl wesentlichsten Komponenten einer zukunftsorientierten Gegenwart, so die immer wieder geäußerte Ansicht, ist die grundlegende Bereitschaft, sich einzubringen und neue Wege zu beschreiten, um Lösungen zu finden.

Glück, Erfolg und das Betreten von unbekanntem Land haben sogar so manches gemeinsam. Sie sind zu Schlagworten der modernen Welt geworden, die sehr oft und, weil auch nicht ganz einfach zu präzisieren, sehr breit verwendet werden. Alle wollen es, niemand weiß so recht, wie es zu erreichen ist, aber alle sind sich sicher, ohne Kreativität und ohne eine ordentliche Portion harte Arbeit ist es nicht zu schaffen. Das Wichtigste aber ist die flächendeckend anzutreffende, tiefe Überzeugung, dass Glück, Erfolg und neue Wege zu gehen, zu den mächtigsten Elementen einer gestaltenden Gegenwart gehören. Ob das mit einem generalisierten Verständnis für die Bedeutung blühenden Fortschrittes für den Menschen zu tun hat, sei einmal dahingestellt.

»Unter philosophischen, politischen, wirtschaftlichen, wissenschaftlichen oder etwa medizinischen Aspekten betrachtet, Fortschritt entsteht immer durch Veränderung in menschlichen Gesellschaften und führt zu grundlegenden Verbesserungen. Sowohl in der neolithischen Revolution am Übergang von den Jägern und Sammlern zu den Siedlern und Ackerbauern, als auch in der industriellen oder der digitalen Revolution, die Schritte hin zum Besseren wurden durch gezielte, von Menschen gemachte Veränderungen befördert. Die entsprechende ethische Abwägung vorausgesetzt und eine manchmal blauäugige Fortschrittsgläubigkeit moderner Gesellschaften auch durchaus kritisch gesehen, haben aber sicher nicht alle, aber zumindest viele ›Fortschritte‹ der Menschheitsgeschichte im Kern das Ziel verfolgt, die Welt für den Menschen besser zu machen. Ja, so manche haben das nicht nur nicht erreicht, sondern sogar das Gegenteil bewirkt. Aber andererseits, was alles hat der Mensch in seiner Geschichte bewerkstelligt. Sowohl die Anzahl als auch das Ausmaß der Verbesserungen sind wahrlich beeindruckend. Ob in den Bereichen Bildung, Gesundheit, Lebenserwartung, Chancengerechtigkeit, Sicherheit, Wohlstand, Freiheit und vielem mehr – es besteht kein Zweifel daran, dass es der Menschheit noch nie so gut ging wie heute. Und all das ist das Resultat des Fortschrittes (Rosling: Factfulness, 2018; Pinker: Enlightenment Now, 2018).«

Es bleibt zu hoffen, dass es der größte Wunsch aller Menschen, ob Wissenschaftler, Künstler, Personen, die im Sozialbereich arbeiten, Politiker, Lehrer, Eltern, Handwerker, Unternehmer etc. ist, die Welt durch ihr Wirken, ihr Lebenswerk, durch den Erfolg ihrer Ideen oder Handlungen, um ein Stück weit besser zu machen. Ein wesentlicher Aspekt dreht sich dabei darum, seine Talente und all die harte Arbeit einzusetzen, um etwas Neues zu erschaffen.

Und es gibt wahrlich noch viel zu tun. In so vielen Bereichen wie beispielsweise Klima, Armut, Hunger, Bildung, Gesundheit, Menschenrechte, Ethik, die Gefahr eines Atomkrieges, Pandemien, der Einfluss disruptiver Technologien aus der Verschmelzung von Bio- und Informationstechnologie, die Flüchtlingsproblematik, Terrorismus, Rassismus oder auch Populismus herrscht immer noch dringender Bedarf an kreativen, innovativen Lösungsansätzen. Bei allen Komponenten, die das Überleben des Menschen gefährden, tritt global immer mehr, aber auch immer noch zu wenig Übereinstimmung ein. Aber zum Beispiel bei politischen oder wirtschaftlichen Fragestellungen gibt es keine globale Übereinstimmung, keine gemeinsame Identität oder Loyalität. Die Frage, was denn nun das Bessere wäre, wird nicht selten global und lokal (»glokal«) kontrovers diskutiert. Aber neben den großen, medial äußerst präsenten und daher weltweit debattierten, gibt es noch unzählige »kleinere«, aber deswegen nicht unwichtige Fragestellungen, für die Lösungen mehr als dringend gebraucht werden. Und wir alle müssen täglich in unserem Alltag unzählige Probleme lösen. Ganz allgemein ist zu sagen, dass eine zu geringe Kreativität, eine zu geringe Lust auf Neues in der Gegenwart die Zukunft des Menschen aufs Spiel setzen würde. Der Mensch muss immer wieder seine Komfortzone verlassen. Und Krisensituationen oder gar die Todesangst vor einer Virus-Erkrankung sollten dafür eigentlich nicht notwendig sein.

»Geht es im wirtschaftswissenschaftlichen Zusammenhang darum, etwas Neues zu erschaffen, trifft man unweigerlich auf ein Schlagwort – Innovation. Ausgehend von den Arbeiten des österreichischen Nationalökonomen Joseph Schumpeter (Schumpeter: The Theory of Economic Development, 1912) unterscheidet man zwischen Invention (der Erfindung) und Innovation. Inventionen sind die zugrunde liegenden Ideen vor der Markteinführung, wohingegen Innovationen deren Umsetzung und Verwertung am Absatzmarkt darstellen. Und wenn eine Innovation schließlich gewinnbringend verbreitete Anwendung am Markt findet (sich verkaufen lässt) und sich durchsetzt, spricht man gern auch von Diffusion. So verstanden, handelt es sich dementsprechend erst dann um eine Innovation, wenn das Resultat kreativen Denkens und Lernens zu Produkten, neuen Verfahren oder Dienstleistungen führt, die sich am Markt auch verwerten lassen und durchsetzen.«

Innovationen in diesem ökonomischen Sinn sind unverzichtbare Hebel des Fortschrittes des Menschen. Dennoch wird aus sehr nachvollziehbaren Gründen der Begriff »Innovation« heute wesentlich breiter definiert und verwendet. So brauchen wir zum Beispiel Innovationen für den Klimaschutz, innovative Konzepte im Zusammenhang mit der Flüchtlingsdebatte oder etwa eine innovative Europapolitik. Speziell, wenn es etwa um globale Herausforderungen für die Menschheit geht, hat bereits in den letzten Jahrzehnten eine breitere Definition und Anwendung des Innovationsbegriffes Fuß gefasst (Meissner, Polt, Vonortas: Towards a broad understanding of innovation and its importance for innovation policy, 2016).

»Innovation is the generation of new products or services that have a market and that people are willing to spend money on. But this definition is somewhat limited, in my opinion. A broader definition describes innovation more as a mindset; a way of looking at the world. An approach that questions the usual and helps create the unusual«, sagt Professor Soumitra Dutta, der Mitherausgeber von zwei wichtigen internationalen Innovationsberichten, dem Global Innovation Index (in Kooperation mit der World Intellectual Property Organization) und dem Global Information Technology Report (in Kooperation mit dem World Economic Forum in Davos) (Dutta: It’s about creating something unusual, 2016). Der Global Innovation Index vergleicht die Länder dieser Welt nach ihrer Innovationskraft, ihrer Innovationsleistung. Unter Berücksichtigung vieler Input-Indikatoren wie etwa das politische und wirtschaftliche Umfeld, Humanressourcen, Bildung, Infrastruktur, Forschung und Entwicklung, entsprechende Investitionen etc. und Output-Indikatoren wie zum Beispiel wissenschaftliche und technologische Leistungen oder neu entwickelte kreative Produkte etc. wird an jedes Land ein Innovation Score vergeben. Seit Jahren belegt die Schweiz hier weltweit den Spitzenplatz, im Jahr 2019 gefolgt von Schweden, den USA, der Niederlande, dem United Kingdom, Finnland, Dänemark, Singapur, Deutschland, Israel, Korea, Irland, Hongkong, China, Japan, Frankreich, Kanada, Luxemburg, Norwegen, Island und Österreich (um die ersten 21 bis zu Österreich zu nennen; www.globalinnovationindex.org). Es gibt auch ein entsprechendes European Innovation Scoreboard der EU-Kommission, das im Jahr 2019 von Schweden angeführt wurde, gefolgt von Finnland, Dänemark, den Niederlanden, Luxemburg, Belgien, dem United Kingdom, Deutschland, Österreich, Irland, Frankreich usw. Die europäischen Schlusslichter bilden Bulgarien und Rumänien (zu finden unter www.ec.europa.eu). Auch der österreichische Rat für Forschung und Technologieentwicklung bewertet jedes Jahr in einem detaillierten Leistungsbericht die Stärken und Schwächen des österreichischen Forschungs-, Technologie- und Innovationssystems im internationalen Vergleich (www.ratfte.at/leistungsberichte.html). Österreich ist durchaus ein Forschungsland. Allerdings besteht noch Luft nach oben, etwa im Bildungssystem, bei kompetitiv vergebenen Mitteln für Grundlagenforschung, den Rahmenbedingungen für Unternehmensgründungen, bei Risikokapital oder dem Dialog zwischen Wissenschaft und Gesellschaft. Andererseits unternimmt Österreich aber gerade viele begrüßenswerte Anstrengungen, um zu den sogenannten Innovation-Leaders aufzuschließen. Länder mit natürlichen Rohstoffen, die oft sogar als Forschungs- und Innovationsbremse wirken, können es sich leisten, die Ergebnisse von Innovationsketten aus anderen Ländern zu kaufen. Billiglohnländer verfolgen oft die Strategie, das, was andere erfinden, einfach nur viel billiger zu produzieren. Aber für Länder (beziehungsweise Unternehmen in diesen Ländern), die diese Optionen auf Dauer nicht haben, gilt: innovate or die.

»Das Wort Innovation leitet sich von dem lateinischen Verb innovare ab und bedeutet daher ›Erneuerung‹. Verwendet wird der Begriff ›Innovation‹ heutzutage in vielen verschiedenen Fachgebieten und Anwendungsbereichen. In der Geisteswissenschaft beschreibt er das Forschen nach neuen Erkenntnissen, in der Wirtschaft bezeichnet man so das am Markt erfolgreiche Resultat von Forschung und Entwicklung, in der Kunst und Kultur sucht man neue innovative Ausdrucksformen oder Designinnovationen, man spricht von sozialen Innovationen bei neuen sozialen Praktiken, die gut für die Gesellschaft und ihre Mitglieder sind, der Begriff »Bildungsinnovationen« beschreibt Erneuerungen im Bildungsbereich, juristische Innovationen spiegeln sich oft in neuen Gesetzen wider, es werden internationale Preise für politische Innovationen vergeben, es besteht dringender Bedarf an Umweltinnovationen, man spricht sogar von innovativer Kindererziehung und vielem mehr.«

Innovationen werden häufig nach ihrem Ziel kategorisiert. Die so entstehenden Kategorien weisen oft Überlappungen auf, was strikte Abgrenzungen unmöglich macht. Eine gängige Unterscheidung wird zwischen Produktinnovationen und Prozessinnovationen getroffen. Erstere inkludieren materielle und immaterielle Werke, also etwa das Smartphone oder eine entsprechende Kundendienstleistung. Eine große und relevante Gruppe stellen die sogenannten Technologieoder Verfahrensinnovationen dar. Dazu zählt man zum Beispiel auch die Entwicklungen neuer digitaler Technologien. Innovationen können etwa genauso die Organisation eines Unternehmens betreffen. Es gibt Innovationen, die Geschäftsmodelle (beispielsweise die Geschäftsstrategie) oder den Service (etwa das Betreuen von Reklamationen) betreffen, und es gibt auch zum Beispiel Managementinnovationen. Bei den sogenannten Umweltinnovationen wie neuen Konzepten für den Umweltschutz oder den Sozialinnovationen wie etwa neue Strategien zur Bekämpfung von Hunger, Armut oder Chancenungleichheit ist eine Verwertung am Markt im finanziellen Sinn nicht das Ziel. Politische, urbane oder zum Beispiel juristische Innovationen verfolgen nicht selten ein größeres Spektrum an verschiedenen Zielen. Auch diese Aufzählung könnte noch weitergeführt werden.

Eine andere Unterteilung hat wiederum mehr den Entstehungsprozess und die Auswirkungen von Innovationen im Fokus. Auch hier herrschen viele Unschärfen, und die Frage, welche Attribute einer Innovation zuzuschreiben sind, ist nicht selten Auslegungssache. Letzteres gilt gerade für die Unterscheidung zwischen inkrementellen Innovationen, die Weiterentwicklungen von bereits Bestehendem (Evolution) sind, und sogenannten radikalen Innovationen, deren Neuheits- und Veränderungsgrad höher eingestuft wird (Revolution). Allerdings werden vor allem auch in der digitalen Welt Begriffe wie »radikal« oder »Revolution« mittlerweile nahezu inflationär verwendet. Aber das absolute Lieblingswort und Must-have einer vom Silicon Valley inspirierten Innovationswelle ist »disruptiv« (zerstörerisch). Wagniskapitalgeber überzeugen zu wollen, ohne eine disruptive Innovation im Angebot zu haben, scheint immer mehr ein Ding der Unmöglichkeit zu werden. Der Ursprung dafür liegt in dem Konzept der »Schöpferischen Zerstörung« – ein Begriff, der schon früher entstand, aber erst durch die Arbeiten Joseph Schumpeters zur Basis dessen werden konnte, was später »disruptive Innovation« genannt wurde. Dieser Begriff wurde von Clayton M. Christensen, Professor an der Harvard Business School, geprägt. Wohingegen etablierte Unternehmen sehr oft auf erhaltende inkrementelle Innovationen (Sustaining Innovations) setzen, beginnen neue kleinere Unternehmen (Start-ups) mit disruptiven Innovationen soweit am Markt zu wachsen, bis sie die etablierte Konkurrenz, die sie übersieht, verdrängen (Christensen: The Innovator’s Dilemma, 1997). Der im Jahr 2020 verstorbene Wirtschaftswissenschaftler musste sich auch mit Kritik an seiner Theorie auseinandersetzen. So manche argumentieren schon seit Jahren, dass sich aber eben oft auch solche Unternehmen durchsetzen, die erfolgreich step by step innovieren, ohne jemals disruptive Konzepte auf den Markt zu bringen. Dennoch steht fest, dass das Wort »disruptiv« gerade in Zeiten der digitalen Revolution zu einem Leitbegriff des Wandels geworden ist.

Der Begriff Closed Innovation beschreibt einen Prozess, bei dem Forschung, Entwicklung und Umsetzung unter Ausschluss der Öffentlichkeit vom »Labor« bis zum Patent und dann erst zur Anwendung am Markt betrieben werden. Demgegenüber gibt es aktuell einen Trend hin zur Open Innovation, die sich nicht innerhalb der Grenzen der Institution beziehungsweise des Unternehmens bewegt. Demand Pull Innovations oder Market Pull Innovations werden durch Wünsche vom Markt initiiert. Professor Eric von Hippel vom Massachusetts Institute of Technology hat schon vor geraumer Zeit das Konzept der User Innovation geprägt, bei dem das Feedback der Kunden das Unternehmen dazu bringt, einen entsprechenden Innovations-prozess in Gang zu bringen. Der Autor und Silicon Valley-Entrepreneur Eric Ries hat das Konzept der Lean-Start-ups entworfen, bei dem mit wenig Kapital Unternehmen gegründet werden, die mit einem reduzierten Produktzyklus möglichst schnell Prototypen auf den Markt bringen und dann anhand des Feedbacks der Kunden weiterentwickeln. Technology Push Innovations nennt man solche, bei denen für neue Technologien entsprechende Anwendungsansätze gesucht beziehungsweise entwickelt werden. Cross Innovations kommen dann zustande, wenn übergreifend über Branchen und Disziplinen gedacht und entwickelt wird. Auf einem Kongress habe ich einmal den Speaker und Cross-Industry-Innovationsexperten Ramon Vullings kennengelernt (www.ramonvullings.com). Vullings hat im April 2020 eine E-Mail versendet, in der er aufgezeigt hat, wie viele Cross Innovations im Zuge der COVID-19-Pandemie entstehen. Aus was alles man zum Beispiel Mund-Nasen-Schutzmasken herstellen kann und welche Unternehmen aus ganz anderen Branchen sich da eingebracht haben, ist wahrlich beeindruckend. Im österreichischen Rat für Forschung und Technologieentwicklung haben wir uns auch mit der Thematik der frugalen Innovationen beschäftigt. Frugale Innovationen sind vereinfachte, anwendungsorientierte, in der Regel günstige Entwicklungen auf dem Technologieniveau, das beim Kunden den gewünschten Nutzen erzeugt.

Auf der Ebene des Individuums wird Kreativität, die schöpferischen Kraft eines Menschen, als alternativloser Ausgangspunkt für Innovationsfähigkeit gesehen. Dr. Frederik G. Pferdt ist Googles Chief Innovation Evangelist (Head of Innovation & Creativity Programs) und unterrichtet an der d.school der Stanford University kreatives Denken. Die d.school – offiziell The Hasso Plattner Institute of Design – wurde im Jahr 2005 dank der Finanzierung des SAP-Gründers Hasso Plattner mit dem Ziel ins Leben gerufen, den Studenten Kreativität und Innovationskraft mittels Design Thinking zu lehren (»The d.school helps people develop their creative abilities.«). Frederik G. Pferdts Aufgabe ist es, den Mitarbeitern von Google auf der ganzen Welt dabei zu helfen, kreativ und innovativ zu sein: »Um innovativ zu sein, braucht der Mensch Vertrauen in die eigenen Ideen. Und das entwickelt sich am besten in einem Umfeld, das auf Neues positiv und im wahrsten Sinne neugierig reagiert.« (Pferdt: »Ja – und?«, 2016).

»Es besteht kein Zweifel, dass Innovationskraft auf der Ebene des individuellen Menschen sowohl ausgeprägten Mut, Neuland zu betreten, als auch eine hohe Kreativität voraussetzt. Die Thesen dieses Buches beziehen sich nicht auf Innovation im rein wirtschaftswissenschaftlichen Sinn, sondern vielmehr auf Inspirationen, Entdeckungen, vernetztes Denken, Querdenken, Kreativität und Ideenreichtum.«

Damit sich eine Innovation im ökonomischen Sinn durchsetzt, damit sie sich am Markt gewinnbringend verwerten lässt, damit man am Ende des Tages daraus ein Geschäftsmodell entwickeln kann, damit man die Konkurrenz in Schach halten kann und damit sich nachhaltig Gewinne erwirtschaften lassen, bedarf es noch vieler zusätzlicher Komponenten: entsprechende Finanzierungsstrategien, eventuell Produktionsstrategien, sicher immer Kosten-Nutzen-Kalkulationen, Marktanalysen, Vermarktungskonzepte, Werbung, Vertriebskonzepte, Kundenbeziehungsnetzwerke, die entsprechenden rechtlichen, politischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen und vieles mehr. Andererseits muss betont werden, dass auch viele dieser Umsetzungsprozesse vom Ideenreichtum und der Kreativität des individuellen Menschen abhängig sind und dementsprechend dadurch auch nachhaltig positiv beeinflussbar sind.

Nicht jede Idee ist erfolgreich umsetzbar, weil dafür noch viele andere Komponenten notwendig sind und viele zusätzliche Schritte entworfen und gegangen werden müssen. Umgekehrt ist aber doch der Ursprung der meisten Innovationen eine neue Idee, unabhängig, ob sie zum Beispiel neue Produkte oder Leistungen betrifft oder dazu führt, bereits bestehende Innovationen erfolgreich auf neuen Märkten einzusetzen. Zusätzlich ist der Umsetzungsprozess von Ideen immer zweifelsfrei auch von der individuellen Kreativität des Menschen geprägt. Vielleicht noch mehr Kraft entwickelt Kreativität unter dem Gesichtspunkt einer heutigen breiten Anwendung des Begriffes »Innovation« wie zum Beispiel im Zusammenhang mit künstlerischen Innovationen, sozialen Innovationen, Bildungsinnovationen oder Umweltinnovationen.

Die Lösungsbegabung

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